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mitten in der gewöhnlichen Florenzusammensetzung bilden. So findet man z. B. auf dem Uetliberg (874 m) Linaria alpina, Epilobium Dodonaei var. Fleischeri, Saxifraga aizoides, Campanula pusilla, Aconitum napellus, Alnus viridis. Am Schnebelhorn, das bis nahe zu 1300 m sich erhebt, erreicht die Zahl der alpinen Arten etwa vierzig. Das grösste und bedeutendste aller am alpinen Rand des Mittellandes vorhandenen Torfmoore ist dasjenige von Einsiedeln, das etwa zwischen 850 und 900 m hoch liegt und in dem man ungefähr 50 nordische Pflanzenarten konstatiert hat (vergl. den Art. Einsiedeln).
Diese von uns speziell hervorgehobene und gezeigte Verwandtschaft und Gemeinschaftlichkeit der arkto-alpinen Flora mit derjenigen unseres Mittellandes war während der Dauer der Glazialperiode noch weit umfassender und schärfer ausgesprochen, wie dies aus den interglazialen Pflanzenfunden von Wetzikon, Dürnten, Uznach, Mörswil etc., sowie aus den in den tiefern Schichten einiger Torfmoore gemachten Funden von Blättern und Samen von heute auf die alpine oder zirkumpolare Zone beschränkten Formen deutlich zu erkennen ist. Solche heute im Mittelland ausgestorbene Arten sind u. a. Salix myrtilloides, S. hastata, S. retusa, S. herbacea und S. polaris.
2. Die ihr Vorkommen im Mittelland der Glazialzeit verdankenden arkto-alpinen Elemente bilden aber nur einen kleinen Teil von dessen jetziger Flora (etwa 1/10), während die weitaus überwiegende Zahl seiner Pflanzenformen postglazial, d. h. erst nach dem endgiltigen Rückzug der Gletscher eingewandert ist. Dies geschah entweder von N. und O., oder auch von SW. her. Die Elemente östlicher Herkunft sind besonders Steppen- und Wasserpflanzen, von denen wir wenigstens die am allgemeinsten verbreiteten hier anführen wollen: Thalictrum aquilegifolium, Actaea spicata, Dianthus super-bus (Pracht-Nelke), Hypericum hirsutum, Geranium silvaticum, Rhamnus frangula und Rh. cathartica, Astragalus glycophyllus, Lathyrus tuberosus und L. pratensis, Aruncus silvestris, Ulmaria pentapetala, Spiraea filipendula, Rubus idaeus (Himbeere), Poterium sanguisorba, Sambucus racemosa (Trauben-Hollunder), Aster amellus, Campanula glomerata, Gentiana cruciata, mehrere Weiden (Salix), ferner Iris sibirica, mehrere.
Seggen (Carex) und Gräser etc. Alle diese Arten finden sich zusammen mit andern, deren Steppencharakter noch schärfer hervortritt, in grossen Mengen in Sibirien, im Altaigebiet etc. Viele Wasserpflanzen, die in Deutschland und den osteuropäischen Ebenen häufig auftreten, finden sich im schweizerischen Mittelland nur auf räumlich beschränkten Gebieten, wo sie dazu noch ziemlich selten sind, oder fehlen sogar ganz. Von erstern nennen wir u. a.: Sagittaria sagittaefolia, Echinodorus ranunculoides, Utricularia intermedia, Viola persicifolia var. stagnina, Oenanthe phellandrium, Hydrocotyle vulgaris, Apium repens, Hydrocharis morsus ranae, Schoenoplectus mucronatus, Scirpus triqueter, Heleocharis parvula, Cladium mariscus, Glyceria spectabilis.
Unter den bis an unsere Grenzen reichenden und hier Halt machenden Typen sind hervorzuheben Stratiotes aloides, Butomus umbellatus, Alisma natans, Limnanthemum nymphaeoides. Die Pflanzendecke des schweizerischen Mittellandes zeigt im Vergleich zu derjenigen der bairischen Hochebene und der deutschen Ebenen überhaupt neben einem grössern Reichtum an alpinen und mediterranen Arten ein ziemlich merkbares Defizit an orientalischen Wasser- und Steppentypen.
Von diesen im Mittelland fehlenden letztern finden sich dagegen mehrere wieder im Wallis und in Frankreich, was beweist, dass bei uns die für ihr Gedeihen notwendigen günstigen Bedingungen nicht vorhanden sind. Erklärt wird dieses Defizit zu einem Teil durch den relativ späten Rückzug der Gletscher vom Mittelland, dann auch durch dessen topographischen Charakter und ferner durch die Nähe der Alpen, die zahlreichen subalpinen Arten das Vordringen in die tiefern Gegenden gestattet hat, wo sie mit den eigentlichen Typen der Ebene in scharfe Konkurrenz treten. Dass endlich die meisten der für die Heiden Baierns und Norddeutschlands oder für die Steppen des Ostens charakteristischen Typen bei uns entweder selten oder gar nicht vorkommen, ist nur eine direkte Folge des Umstandes, dass diese Formationen im Mittelland auf ganz kleine Gebiete beschränkt sind.
3. Das bis ins Rheinthal vordringende mediterrane und atlantische Florenelement wird durch zahlreiche Arten vertreten, von denen wir nur folgende erwähnen können: Clematis vitalba, Reseda lutea, Hypericum tetrapterum, Geranium sanguineum, Impatiens noli tangere, Genista tinctoria, Trifolium rubens, Ligustrum vulgare, Teucrium scorodonia, Tamus communis, Carex pendula.
4. Zuletzt müssen wir auch noch des adventiven Elementes gedenken, d. h. der in rezenter Zeit durch Eisenbahnen, den Personen-, Vieh- und Warenverkehr etc. aus verschiedenen Gegenden der Erde eingeschleppten Arten. Das Auftreten dieses Elementes ist an verschiedenen Orten von ungleicher Bedeutung. In der Nähe von grossen Bahnhöfen oder Fabrikbetrieben (Getreidemühlen, Spinnereien) kann die Anzahl der adventiven Arten auf über Hundert und in ihrer weiteren Umgebung auf 200 bis 300 steigen. So ist z. B. die einzige Gattung Trifolium (Klee) im Vorbahnhof von Zürich durch etwa 20 Arten vertreten, die fast alle adventiv sind. Die gemeinsten Adventivformen sind u. a.: Rittersporn (Delphinium Ajacis), Isatis tinctoria, Nigella damascaena, Aster salignus, Onopordon acanthium. Xanthium spinosum, Plantago ramosa, Panicum miliaceum, Phalaris canariensis.
Von den 2637 Pflanzenarten, die nach Gremli die Schweizer Flora zusammensetzen, finden sich im zentralen Abschnitt des Mittellandes kaum mehr als die Hälfte vertreten. Wenn wir die Flora der Umgebung von Aclens im Gros de Vaud, d. h. im westl. Teil des Mittellandes (Corboz, F. Flora Aclensis im Bulletin de la soc. vaud. des sc. nat. 1872-1900) mit derjenigen der Umgebung von Winterthur im östl. Abschnitt desselben (Keller, R. Flora von Winterthur. Winterthur 1891) vergleichen, so ergibt sich eine ziemlich übereinstimmende Anzahl, d. h. etwa 900 und 1000 Arten von Gefässpflanzen.
Die Umgebungen von Bern weisen dank ihrer schärfern orographischen Gliederung (nach Fischer, E. Flora von Bern. Bern 1903) rund 1000 Arten auf; die Flora des Kantons Zürich, eines der wenigen fast ganz dem Mittelland angehörenden Kantone, zählt 1200-1300 Arten, während die Kantone Schaffhausen und Thurgau je deren rund 1050 haben. Zum Vergleich wollen wir den Kanton Wallis mit über 1800 und den Kanton Waadt mit beinahe ebensoviel Arten nennen.
Bibliographie.
Veröffentlichungen, die sich ausschliesslich mit der Flora des Schweizer Mittellandes befassen, sind kaum vorhanden. Ausführlich beschäftigen sich mit ihr neben Hermann Christ's Pflanzenleben der Schweiz (2. Ausgabe. Zürich 1882) und den schon genannten Arbeiten von Keller, Fischer und Corboz noch folgende Werke: Meister, J. Flora von Schaffhausen. Schaffhausen 1887; Nägeli, O., und E. Wehrli. Beiträge zur Flora des Kantons Thurgau. Frauenfeld 1899 und 1894; Kölliker, A. Verzeichnis der phanerogamischen Gewächse des Kantons Zürich. Zürich 1839.
[Prof. Paul Jaccard.]
Fauna.
Vom tiergeographischen Gesichtspunkt aus muss die Tierwelt des schweizerischen Mittellandes als eine Waldfauna bezeichnet werden. Das mag auf den ersten Blick auffällig erscheinen; aber dieser Charakter ist ihr eben geblieben seit jenen Zeiten, da ein zusammenhängender Urwald die Gauen unseres Landes bedeckte. Nur steile Bergeshalden, lichte Sumpfniederungen und das bescheidene Aeckerlein der Pfahlbauern unterbrachen das Dickicht. Das blieb so, bis nach der alemannischen Ansiedelung die zunehmende Bewohnerzahl in dem jagdbaren Getier nicht mehr genügenden Unterhalt fand, also noch bis in die historische Zeit und um eine ordentliche Spanne in den Anfang unserer Zeitrechnung hinein.
Nun änderte sich das Bild. Schritt um Schritt dem Walde den Raum abringend ging der frühere Jäger zum Anbau des Landes über. In erster Linie wurden die ebenern Thalböden, später auch die S.-Hänge der Hügel der Kultur unterworfen, so hat z. B. im Kanton Zürich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Weinbau eine dem heutigen Zustand annähernde Ausdehnung gewonnen. Weite Flächen deckten sich mit den saftigen Kräutern und Gräsern der Wiesen, dem niedern Blattwerk des Klees
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und der Kartoffeln und den ährenschweren Getreidearten; es trat an die Stelle des Waldes die Kultursteppe.
Eine solche Veränderung musste allerdings einen umso grössern Einfluss auf die Tierwelt ausüben, als der Mensch mit seinen wirtschaftlichen Zwecken auch noch jeden Fleck des übrig gebliebenen Waldes zu beherrschen anfing; von dessen ursprünglicher stolzer Pracht sind uns nur noch Forste von meist geringer Ausdehnung erhalten geblieben.
Einmal dieser Ursache ist es zuzuschreiben, dass die grösseren Wildtiere, die zu ihrem Schutz eines weiten, dichten Waldes bedürfen, spurlos verschwunden sind. Nur spärliche Funde von zum Teil als Werkzeugen benutzten Knochen und oft noch spärlichere schriftliche Dokumente geben uns Sicherheit darüber, dass noch zu Beginn unserer Zeitrechnung 2 wilde Rinder (der Auerochs und der bisonähnliche Wisent), das Elentier, ein Wildpferd, dann von Raubtieren der Bär, der Wolf, der Luchs und die Wildkatze, in unsern Gegenden gehaust haben und der Biber in den grösseren Flussläufen sein Wesen trieb. Hirsch, Reh und Wildschwein erlagen erst später, im 18. und 19. Jahrhundert, der allgemeinen Verfolgung, jener völlig, die letztern wenigstens annähernd. Das zierliche Reh fängt erst in neuester Zeit wieder an, in grösserer Zahl die Waldungen des Mittellandes, verlorenes Gebiet zurückerobernd, zu beleben.
Diese letzten Beispiele belehren uns, dass ausser der Entwaldung auch die Entwicklung der Schusswaffen den Untergang der stattlicheren Wildtierarten herbeigeführt hat; sie brachten zustande, was den Vorfahren mit vielfältigen Verfolgungsarten, durch Gruben, mit Fallen, der Treibjagd und mit Netzen, Pfeil und Bogen oder der wuchtigen Keule nicht möglich war. Mit dem landwirtschaftlichen Betrieb vertrugen sich diese stolzen Gestalten nicht, sie fügten ihm zu grossen Schaden zu, oder die Tiere selbst flohen instinktiv die Nähe des überlegenen Menschen. Er ist direkt oder indirekt die Veranlassung davon, dass wir die genannten Formen nicht mehr zu Gesicht bekommen.
In dem Reichtum der gesamten Fauna unserer Gegenden haben für den Tiergeographen diese par wenigen Formen nichts zu bedeuten, wenn sie auch für den Jäger die wertvollsten sind oder waren. Sie bedingen nicht von ferne den Charakter des Tierbestandes, von dem die überwiegende Mehrzahl sich den neuen Verhältnissen einfach anpasste. Den Vögeln verblieben für einmal in den Hecken und in den Gebüschen längs dem Laufe der Gewässer Futter- und Nistgelegenheiten zur Genüge, dem Heer der Insekten und all' dem Kleinzeug der niederen Tierwelt konnten die weitgehenden Veränderungen kaum viel anhaben, da sie zum guten Teil in den zarten Kulturpflanzen eine besonders zusagende neue Kost fanden. Sie fingen an, dem Landwirt ihren Anteil schon lange vorweg zu nehmen, ehe er daran denken darf, sich an den Früchten seiner Arbeit zu letzen.
Als auch die Hecken und das Buschwerk ihrerseits wieder der weitern Beanspruchung durch den Ackerbau weichen mussten und die hohlen Bäume in Folge sorgfältigerer Pflege schwanden, verloren wiederum viele Vögel wenigstens ihre gewohnten Nistplätze. Es ist wohl diesem Mangel zu einem guten Teil zur Last zu legen, dass die Klagen über die Abnahme der Vögel gerechtfertigt sind. Aber viele von ihnen wussten sich doch wiederum zu helfen oder hatten schon früher den Ausweg gefunden: sie wagten sich in die Nähe des Menschen und siedelten sich in seinen Gärten, Anlagen und sogar seinen Gebäulichkeiten an. So wurde gerade den Kulturzentren ein allerdings nur schwacher Abglanz jenes reichen Lebens zu teil, das sich vorher in Wald und Feld entfaltet hatte. Da erklingt nun der melodische Gesang der Amsel, die nunmehr geradezu ein Charaktervogel der städtischen Parkanlagen und Gärten und zugleich ein Standvogel geworden ist, während sie ehedem ein Bewohner des Buschwerks im Wald gewesen; da ertönt ferner der Schlag des Buchfinken, das Gezirpe der Meisen, die so fleissig die Obstbäume nach Ungeziefer absuchen.
Die neugierige Dohle, der freche Spatz, das bescheidene Rotschwänzchen, die Rauch- und Stadtschwalbe, der gravitätische Storch, die nächtlichen Fledermäuse, die Hausmaus und die lästige Ratte, der dreiste Marder u. a. sind geradezu unzertrennlich vom Menschen oder dessen Behausung geworden und haben sich gleich einer Anzahl von Insekten oft sehr gegen seinen Willen (Fliegen, Schaben) in ihr einquartiert. Leider muss neuerdings die trauliche Rauchschwalbe den modernen Anforderungen des Menschen an seine Wohnstätte wiederum weichen und wird dann wohl aus unserer Fauna endgiltig ausscheiden.
Vor einigen Jahren hat sogar in Zürich ein Pärchen auf der Wanduhr einer geräuschvollen Wohnstube seinen Wohnsitz aufgeschlagen - offenbar nur notgedrungen. Und noch immer kann nicht von einem Ruhezustand in der tierischen Besiedelung gesprochen werden; für die Ausbildung eines solchen sind die vom Menschen hervorgerufenen Umwälzungen in den Kulturen und in der Oberfläche des Bodens zu gross. Alle die vielfachen Entsumpfungen, Kanalisationen, Korrektionen von Flussläufen, die Ausnutzung der Gewässer für elektrische Betriebe, Strassenanlagen, die neuen Schienenwege u. s. w. sind wieder von mehr oder weniger tiefgreifendem Einfluss auf die Tierwelt des Landes begleitet, der sich vielfach auch auf die Bewohner des Wassers erstreckt.
Wenn nun auch der überwiegende Teil der heutigen Tierwelt der Waldfauna angehört, so ist dies doch nicht ausschliesslich der Fall, da diesem Grundstock vielmehr, wie die neueren Untersuchungen gelehrt haben, andere Elemente beigemischt sind.
Solche hat einmal nach der Eiszeit die osteuropäische Steppe geliefert, aus der eine Reihe von Formen in unsere Kultursteppe eingewandert ist, und es sind dies zum Teil wenigstens ganz charakteristische Gestalten. Zu ihnen gehören nämlich die Wachtel, das Rebhuhn, die Lerche und die Ammer. Sie alle meiden den Wald, das offene Feld ist ihre Heimat, wo sie meist als Erdnister auch ihre Jungen aufziehen und dem Nahrungserwerb obliegen. Ihr Gefieder ist wenigstens an der Oberseite ihrem Wohnsitz ausgezeichnet angepasst wie dasjenige von einigen Gästen, die uns allerdings nur selten einen Besuch abstatten, nämlich u. a. des Fausthuhns und der Trappen, die im östl. Europa und in Sibirien ihre Heimat haben.
Ein weiteres Element verdanken wir der jüngsten geologischen Vergangenheit, der Eiszeit. Schon längst ist aufgefallen, wie an einzelnen Orten, z. B. auf dem Uetliberg und Zürichberg und auch anderwärts, Insektenarten vorkommen, die der Hochgebirgsfauna eigen sind; besonders auffällige Belege hiefür liefert das obere Tössthal indem dort beispielsweise ein Laufkäfer sich vorfindet, der in den Bündner und Urner Alpen heimisch ist (Nebria Gyllenhalii).
Ausdrücklich ist zu bemerken, dass es sich hiebei um Tiere von geringem Wanderungsvermögen handelt, da ihnen Flugorgane abgehen. Aehnliche Relikte aus der Periode der Vergletscherung sind die lebendig gebärende Eidechse, die zerstreut im Mittelland zu treffen, deren Heimat aber im Gebirge zu suchen ist. Die Felchenarten ferner müssen als eine nordische Einwanderung angesprochen werden, die ebenfalls auf jene Epoche zurückführt, und die neueren Untersuchungen unserer Wasserfauna lassen vielfach, wie Zschokke gezeigt hat, einen entschieden nordischen Charakter erkennen.
Das Gegenstück zu dieser Reliktenfauna bilden Formen, die zur Annahme einer ausgesprochen trockenen und warmen, einer xerothermischen Periode führen, die nach der Eiszeit eintrat. Es gehören hieher Schnecken und Insekten aus den verschiedensten Ordnungen, welche ursprünglich südl. Gebieten angehören und bei uns auch nur trockene, der Sonne gut ausgesetzte und waldlose Halden beleben. Otto Stoll zählt eine ganze Anzahl solcher Arten auf, und auch hier fallen wiederum diejenigen von sehr geringem Wanderungsvermögen, wie Schnecken und verschiedene Kerfe, besonders ins Gewicht. Sie sind die Reste einer vordem auf weitere Gebiete verbreiteten Fauna, als wir sie heute treffen.
Daneben hat aber wohl auch eine Einwanderung von ursprünglich mittelländischen Tieren stattgefunden. So sind die grosse grüne Eidechse, sowie die Würfel- und die Vipernatter ausgesprochen südl. Arten, die sich auch in der W.-Schweiz angesiedelt haben; von Vögeln müssen wir die allerdings seltenen bunten Bienenfresser und Mandelkrähen ebenfalls hieher rechnen. Endlich würden die Wirbellosen eine lange Reihe von hieher gehörigen
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Beispielen liefern können, wobei allerdings die Entscheidung, ob es sich in jedem einzelnen Fall um xerothermische Arten oder um eine Verschiebung des Wohnortes nach Norden handle, nicht immer leicht und sicher sein dürfte.
In Gegensatz zu solchen offenbaren Zuzügern können wir andererseits Formen stellen, welche wir als nur unserm Gebiete angehörig anzusprechen haben. Es sind dies Arten mit ganz beschränktem Verbreitungsgebiet, die nur von einem einzigen Fundorte bekannt geworden sind, so dass sie daselbst ihre Entstehung und Ausbildung genommen haben dürften. Für das Mittelland ist allerdings die Zahl solcher endemischer Arten gering; doch haben wir Grund, u. a. einige Borstenwürmer, welche die Uferzone von Seen bewohnen, dazu zu rechnen. Speziell an Regenwürmern weist das Gebiet der Voralpen eine nicht unbedeutende Anzahl von Arten auf, denen ein so enges Wohngebiet zukommt und deren Abtrennung von weit verbreiteten Formen kaum hinter die Zeit der Vereisung zurückreicht. Eigentümlicherweise konstatiert Lebert für die ächten Spinnen dieselbe Erscheinung, so dass nach ihm die Schweiz und die angrenzenden, stark bergigen Gegenden ein faunistisches Spinnenzentrum sind.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die Fauna des Mittellandes aus sehr verschiedenen Komponenten zusammengesetzt ist: Reste aus der Gletscherperiode, Waldtiere und ausgesprochene Steppenformen, Einwanderungen aus südl. Gebieten und Arten, die hier ihre ursprüngliche Heimat haben, erscheinen in bunter Reihe untereinander gemischt. Nicht ohne Interesse ist eine Zusammenstellung der Fauna des Mittellandes nach der Zahl der es bewohnenden Arten. Von genauer Abgrenzung gegenüber den andern Gebieten, dem Jura und den Alpen, kann natürlich keine Rede sein. Die Angaben können daher nur Näherungswerte darstellen und sind sogar für recht reichhaltige Ordnungen von Wirbellosen unmöglich, da teils die Durchforschung unseres Landes noch bei weitem nicht zu einem befriedigenden Abschluss gelangt ist, teils die Beobachtungen nicht so zusammengestellt sind, dass sie eine solche Zählung leicht möglich machen, oder endlich die Fundorte zu wenig genau vermerkt sich vorfinden.
Die geringe Artenzahl, die Körpergrösse und das wirtschaftliche Interesse, das den Wirbeltieren zukommt, erklärt zur Genüge, dass sie am besten bekannt sind. Von Fledermäusen gehören dem Mittelland etwa 20 Arten an, von Raubtieren nur 10, denn von Katzen haben wir noch die eingewanderte Hauskatze, von Hundearten den Haushund und Fuchs, von marderähnlichen den Haus- und Baummarder, den Iltis, das grosse und kleine Wiesel, den plumpen Dachs und den Fischotter, der sich in so ausgezeichneter Weise an das Leben im Wasser angepasst hat.
Die Insektenfresser sind mit 6 Arten vertreten, dem gemeinen Maulwurf, der Wasser-, Wald-, Haus- und Feldspitzmaus und dem überall im Gebiete verbreiteten Igel. Die Zahl der Nager beträgt 13: das Eichhorn, 3 Schläferarten, 2 Ratten, 5 Mäuse, der Hase und das Kaninchen. An Paarzehern sind das Wild- und Hausschwein, die Ziege, das Rind, das Schaf und das Reh, von Unpaarzehern endlich bloss das Pferd und der Esel zu verzeichnen. In diesem Säugerbestand von fast 60 Arten haben wir um so mehr einen ärmlichen Rest der ursprünglichen Fauna vor uns, als die mitgezählten Haustiere mit Ausnahme des Hausschweines ausnahmslos unserer Fauna ursprünglich fremde Elemente sind.
Ungleich grösser ist die Zahl der Vögel, deren Artenzahl auf etwa 300 zu veranschlagen ist. Den ungefähr 110 Zugvögeln können etwa 60 Stand- und Strichvögel an die Seite gestellt werden; an die 70 Arten nehmen bei uns Winterquartiere, und der Rest von etwa 50 Arten durchwandert das Gebiet bei den regelmässigen Frühjahrs- und Herbstzügen oder stattet uns gelegentlich als Irrgäste einen Besuch ab, beide ohne dauernderen Wohnsitz zu nehmen. Es braucht wohl nicht besonders darauf verwiesen zu werden, dass diese Zahlen nur ganz ungefähre sind, da die Unterscheidung nach den genannten Kategorien vielfach eine durchaus künstliche ist und auch die Beobachtungen noch nicht durchweg mit der wünschenswerten Genauigkeit durchgeführt sind.
Hier ist z. B. die Amsel ein Zug-, dort ein Standvogel, vom Buchfinken wandern fast nur die Weibchen, während die Männchen den Winter bei uns verbringen; die Lachmöve, oft an unsern Seen auch nistend, erhält im Herbst einen gewaltigen Zuzug von Norden. Strenge Winter vertreiben meist viele Standvögel von ihren gewohnten Revieren an Orte, wo ihnen der Tisch besser gedeckt ist, und solche, die sonst regelmässig auswandern, können sich auch etwa zum Verbleiben entschliessen (Rotkehlchen, Bachstelze, Wasserpieper etc.). Nicht immer dürfte gerade in den letzten Fällen die Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass solche überwinternde Tiere aus nördl. Gegenden zugewandert sind und bei ihrem Abzug wieder durch unsere alten Freunde ersetzt werden.
Bekannt ist, wie die Wintergäste hauptsächlich unsere Gewässer beleben. Zu ihnen gehören die Sumpf- und Schwimmvögel: von diesen haben wir z. B. nur einzelne häufigere Standvögel (so die Stock- und Krickente, den Haubentaucher und den Zwergsteissfuss), dagegen etwa 30 Arten, die bloss den Winter bei uns verleben;
von jenen dagegen können nur das Blässhuhn und die Waldschnepfe als Standvögel angesprochen werden, während die Zahl der Wintergäste an die 40 beträgt.
Die Sumpfvögel sind bei uns durch etwa 20 Zugvögel, die Schwimmer dagegen blos durch deren 4 vertreten. Letztere sind eben hauptsächlich nordische Tiere. Von unsern 6 Hühnervögeln sind 4 Stand- und 2 Zugvögel; diesen schliessen sich auch die 2 Tauben an. Mit etwas über 60 ist die Zahl der Zugvögel unter den Sängern doppelt so gross als die der ständigen und 6 mal grösser als die der Wintergäste. Unsere 2 Nachtschwalben verlassen uns regelmässig im Herbst. Die Kletterer haben 4 Zug- und 7 Standvögel, und bei den Räubern ist die Zahl beider mit 16 und 13 fast gleich, während nur 2 Wintergäste (grosser Schreiadler und Zwergadler) bei uns vorübergehend Quartier nehmen. Diese zahlengemässe Darstellung der Vogelfauna kann noch durch die Angabe ergänzt werden, dass mehr als die Hälfte der Arten zu den seltenen zu rechnen sind, die nur dem Forscher etwa vor die Augen kommen.
Das Mittelland bewohnen 7 Reptilien, nämlich die Sumpfschildkröte, 3 Echsen und 3 Schlangen.
An Amphibien sind 16 zu verzeichnen, nämlich 11 schwanzlose (Frösche und Kröten) und 5 Schwanzlurche, indes etwa 30 Fische unsere Bäche, Flüsse und Seen beleben. Somit beläuft sich die Gesamtzahl der Wirbeltiere auf reichlich 400 Formen.
Ungleich grösser ist diejenige der Wirbellosen, unter denen die Gliedertiere weitaus das Hauptkontingent liefern. An ächten Spinnen konstatierte Lebert 155 Arten. Ohne Zweifel ist diese Ordnung ungenügend durchforscht, die übrigen Ordnungen und namentlich die Milben aber noch weit weniger. Ueber die Zweiflügler, die Fliegen, konnte ich keine Angabe erhältlich machen. Frei verzeichnet in seinem Katalog etwa 900 Gross- und gegen 1000 Kleinschmetterlinge, während Müller-Rutz die Anzahl der letztern jedoch für beträchtlich grösser hält.
Die Hautflügler dürften nach Mitteilungen von Steck gegen 2000 betragen, an Ameisen allein haben wir 40 Arten (Forel). Nach Stierlins Verzeichnis kann die Zahl der Käfer auf gegen 4000 veranschlagt werden, und Ris gibt diejenige der Netzflügler mit 370 an. Ueber die Saugkerfe ist es nicht möglich, zuverlässige Angaben zu geben. Von Geradflüglern sind etwa 50 gezählt worden, und von Springschwänzen hat Carl 104 namhaft gemacht. Von den Tausendfüssern haben wir nach Rothenbühler 41 Chilopoden, während die Diplopoden noch nicht erforscht sind. Ebenso mangelhafte Kenntnis besitzen wir über die artenreichen Krebse; als Beispiel kann nur angeführt werden, dass Stingelin bei Basel 68 Flohkrebse auffand. Nach diesen nur sehr lückenhaften Angaben kommen wir demnach auf eine Artenzahl von 9000 Gliederfüssern, die getrost um einige Tausend noch vermehrt werden kann, wenn wir der Wirklichkeit nahe kommen wollen.
Von Weichtieren fand Suter im Kanton Zürich 105 Schnecken, davon einige 30 Wasser- und 70 Landbewohner, Ulrich im Thurgau 31 Wasser-, 77 Landschnecken und 12 Muscheln, zu denen die W.-Schweiz noch ein weiteres Kontingent liefert.
Weber beschreibt aus dem Genfersee und dessen
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Umgebung 124 Rädertierchen. Gering ist die Zahl der Egel; meine Zählung der Borstenwürmer weist 120 hieher gehörende Arten auf, von denen die Landformen mit 64 nur wenig zahlreicher sind als die Wasserbewohner. Die Gesamtzahl der Würmer kann also ganz wohl auf 300 veranschlagt werden.
Die Rund- und Schnurwürmer, letztere besonders häufig vorkommend, sind noch nicht bearbeitet. Du Plessis beschreibt aus den Kantonen Waadt und Genf 34 Arten von Strudelwürmern; auch hier ist die wirkliche Zahl offenbar wiederum erheblich grösser und dürfte sich mit Einschluss der schmarotzenden Plattwürmer ganz wohl auf 100 belaufen.
Waren schon bis hieher sehr viele und beträchtliche Lücken in unserer Kenntnis der Fauna unseres Landes zu verzeichnen, so steht es auch mit der Welt der Einzelligen nicht besser, die allerdings gegenüber den Vielzelligen mit vielleicht einigen Hundert nicht mehr ins Gewicht fallen. Nur die einzige Notiz sei noch beigefügt, dass Roux im Genfersee 76 Infusorien beobachtete.
Noch wäre diese Betrachtung in der Weise zu vervollständigen, dass der Unterschied an Tierarten zwischen nördl. und südl. Gebieten, zwischen Wasser und Land hervorgehoben würde. Aus jenem Element wäre zur Sprache zu bringen wiederum die Bach-, Fluss-, Tümpel-, Teich- und Seenfauna, in letzterer endlich diejenige der verschiedenen Regionen und Unterschiede nach der Umgebung und Lage der Gewässer, ob sie eintrocknen oder nicht. Die Tierwelt der trockenen Gebiete liesse sich besprechen nach dem verschiedenen Feuchtigkeitsgehalt des Bodens, der Bepflanzung, der Bodenart u. s. w. Abgesehen davon, dass für eine derartige Darstellung vielfach noch die nötigen Vorarbeiten mangeln, müsste sie notwendig zu einer Besprechung und Aufzählung einzelner Tierformen führen, wie sie sich mit Rücksicht auf den Raum und den Zweck des vorliegenden Werkes von vornherein verbietet.
[Dr. K. Bretscher.]
Wirtschaftliche Verhältnisse.
Wie die klimatischen, so sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mittellandes meist günstiger als diejenigen von Alpen und Jura. Das Mittelland ist zugleich der selbständigste und der stärkste Teil, was sich aus folgendem Vergleich der Flächen- und Einwohnerzahlen ergibt:
Fläche. | Einwohner. | Ew. auf 1 km2. | |
---|---|---|---|
Jura | 11,4% | 19% | 121 |
Mittelland | 29,5% | 59% | 146 |
Alpen | 59,1% | 22% | 27 |
Auf 29,5% der Fläche trifft man also 59% der Bevölkerung der Schweiz, das heisst: das Mittelland ist fast 5½ mal so dicht bewohnt wie die Alpen. Die Ursache liegt natürlich in der Höhenlage; zwischen 200 und 500 m Höhe wohnen nämlich 49% der Bevölkerung der Schweiz.
Von den verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben fällt der Weinbau fast ganz in das Gebiet des Mittellandes. Ausnahmen bilden hauptsächlich Neuenburg, Wallis und Tessin. Vom gesamten Rebenareal der Schweiz entfallen auf das Mittelland etwa 58%, von dem jährlichen Ertrag aber 73%. In noch höherem Grade ist der Getreidebau auf das Mittelland konzentriert; da sind es namentlich die regenärmern Striche, die auch heute noch Getreide in grösserem Mass anpflanzen: Waadt, nördl. Freiburg, Berner Mittelland, Oberaargau, Aargau, nördl. Zürich. Dabei lässt sich ganz deutlich eine Abnahme des Getreidebaus vom Genfersee gegen den Bodensee konstatieren, welche der Zunahme des Regens in dieser Richtung entspricht.
Gerade umgekehrt verhält es sich mit dem Wiesenbau. Je regenreicher das Gebiet ist, desto mehr herrschen die Wiesen vor. In St. Gallen und Appenzell nehmen dieselben 9/10 der landwirtschaftlich benutzten Fläche ein. Ganz parallel damit geht die Obstkultur. Am intensivsten findet sich diese in Thurgau, St. Gallen und Zürich; je weiter nach W., desto kleiner ist die Bedeutung, welche das Obst in der Wirtschaft hat. Von den sogenannten Industriepflanzen spielt der Tabak eine ziemliche Rolle in Waadt, Freiburg und Aargau; dagegen ist der Anbau von Flachs und Hanf stark zurückgegangen. Am meisten findet man davon noch in Bern.
Auch in der Viehzucht leistet gerade das Mittelland Bedeutendes. Die Viehzählung von 1896 hat darüber Folgendes erheben:
Rindvieh | Stück per 1 km2 | Stück per 100 Ew. | |
---|---|---|---|
Jura | 13,3% | 38.1 | 31.6 |
Mittelland | 56,3% | 62.3 | 42.7 |
Alpen | 30,4% | 16.7 | 61.7 |
Schweiz: | 100% | 42.7 | 44.7 |
Auf 29,5% der Fläche hält man also im Mittelland 56,3% des gesamten Rindviehes. Oder es trifft da auf 1 km2 fast doppelt so viel Rinder wie im Jura, fast 4 mal so viel wie in den Alpen. Die Ursache davon ist natürlich die grössere Produktivität des Bodens im Mittelland, wo weniger Oedland vorhanden ist als im Jura und in den Alpen. Aus der letzten Kolonne ergibt sich, dass die Viehzucht im Mittelland in Bezug auf den gesamten Erwerb relativ eine grössere Rolle spielt als im Jura. Dagegen ist sie hier weniger die Hauptbeschäftigung als in den Alpen. Der letzte Unterschied erklärt sich durch die gewerbliche Tätigkeit im Mittellande.
In der Industrie nämlich dominiert wieder das Mittelland. Der Jura hat einzig die Uhren- und Musikdosenindustrie aufzuweisen, und ins Alpengebiet hinein erstrecken sich nur einzelne Ausläufer wie die Glarner Baumwollenindustrie. Sonst fällt sämtliche Industrie ins Gebiet des Mittellandes. Ueber Arten, Entstehung und Bedeutung der einzelnen Industrien siehe den Artikel Schweiz.
Verkehrswege.
Das Mittelland ist ein uralter natürlicher Durchgangsweg vom Genfersee zum Bodensee, von Südfrankreich nach Süddeutschland. Auf diesem Wege entwickelten sich schon in vorhistorischer Zeit Handelsbeziehungen. In der gleichen Richtung legten die Römer ihre grosse Heerstrasse an von Genf über Avenches, Solothurn, Windisch, Kloten, Winterthur und Pfin nach Arbon. Ausser der grossen Längslinie konstruierten aber ebenfalls schon die Römer Querstrassen: Pontarlier-Lausanne-St. Bernhard; Basel-Vindonissa-Zürich-Chur; Arbon-Chur.
Das Mittelalter und die Neuzeit haben aus diesen wenigen Strassen ein ungemein dichtes Strassennetz geschaffen, das allerdings jetzt, im Zeitalter der Eisenbahnen, fast nur noch dem lokalen Verkehr dient. Die Eisenbahnen dagegen schmiegen sich, wie die Römerstrassen, vielfach
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den grossen natürlichen Linien des Terrains an. So lässt sich deutlich die grosse Längsbahn Genfersee-Bodensee erkennen. Meistens ist sie doppelt vorhanden, indem die eine Linie dem Fuss des Jura folgt (Genf-Lausanne-Neuenburg-Biel-Solothurn-Aarau-Zürich-Romanshorn), während die andere meistens der Grenze von Mittelland und Alpen entlang geht (Lausanne-Freiburg-Bern-Luzern-Rapperswil-Riken [im Bau]-St. Gallen-Rorschach). Den Molassethälern, die nach NNW. verlaufen, entsprechen eine grosse Anzahl von Querbahnen, wie z. B. Lausanne-Vallorbe, Thun-Biel, Luzern-Olten, Goldau-Aarau, Goldau-Zürich, Rapperswil-Zürich, Ebnat-Wil-Frauenfeld.
Allerdings ist infolge des Privatbahnsystems die Anlage der Bahnen nicht immer nach den natürlichen Linien erfolgt; so ist z. B. ja gerade die wichtige Teilstrecke Rapperswil-Wattwil (Rikenbahn) erst jetzt im Bau begriffen. Ferner üben grosse Zentren wie Zürich eine Art Anziehung aus, so dass von ihnen die Eisenbahnlinien, z. T. unbekümmert um die Thäler, sternförmig auslaufen.
Siedelungen.
In der Uebersicht über die Orographie ist schon gezeigt worden, dass unter den bäuerlichen Siedelungen die Systeme der Einzelhöfe und der geschlossenen Dörfer, je nach dem Terrain, einander ablösen. In stark zerschnittenen Gelände, wo bedeutende Niveaudifferenzen zu überwinden sind, wohnt der Bauer einzeln mitten in seinem Besitz: Napfgebiet, Zürcher Oberland, Toggenburg, Appenzell. Wo dagegen das Gelände flacher ist, treffen wir die geschlossenen Dörfer: Waadt, Freiburg, Berner Mittelland, Oberaargau, Aargau, nördl. Teil von Zürich etc.
Was die Gründung der Niederlassungen anbetrifft, so reichen manche in die römische und vorrömische Zeit zurück: Geneva, Aventicum, Solodurum, Vindonissa, Turicum etc. Die Ursachen für die Entstehung der grössern Siedelungen (Städte) sind sehr mannigfaltige gewesen. Aus militärischen Rücksichten sind entstanden: Burgdorf, Bern, Freiburg etc. Wo ein Wechsel in der Art des Warentransportes stattfand, also am Anfang oder Ende der Schiffahrt, bildeten sich Niederlassungen wie Genf, Thun, Luzern, Zürich, Schaffhausen etc. Manchmal knüpft sich die Entstehung eines Ortes an einen Flussübergang, eine Brücke, z. B. Brugg, Solothurn, Eglisau, Kaiserstuhl etc. Wo mehrere Verkehrslinien sich treffen, da musste wieder die Entwicklung einer Siedelung besonders begünstigt werden. Dahin gehören: Freiburg, Bern, Solothurn, Olten, Aarau, Zürich, Winterthur u. a.
Wie man sieht, haben oft mehrere Faktoren zusammengewirkt, um einen Ort gross zu machen. In der Neuzeit kommt zu diesen natürlichen Umständen noch hinzu der Einfluss der Eisenbahnen und der modernen Grossindustrie. So sind denn Orte wie Olten, Baden, Winterthur stark gewachsen, während andere, ebenso alte und einst ebenso bedeutende wie Kaiserstuhl, Zurzach, Eglisau stationär geblieben sind oder abgenommen haben. Dadurch hat sich der historische Unterschied zwischen «Stadt» und «Dorf» vielfach verwischt und geradezu umgekehrt.
Denn «Dörfer» wie Langenthal, Uster, Wädenswil, Horgen sind jetzt grösser als «Städte» wie Erlach, Laupen, Grüningen. Durch das ganze Mittelland zeigt sich wie in allen Kulturländern die Verschiebung der Bevölkerung nach den Industriezentren, der "Zug nach der Stadt». Die grossen Orte wachsen rasch an, die Landgemeinden gehen eher zurück. Naturgemäss tritt das im Alpen- und Juragebiet nur in geringem Mass auf; deswegen finden wir denn auch von den 18 Gemeinden der Schweiz, welche mehr als 10000 Ew. zählen, nur eine (Chur) in den Alpen, nur zwei (La Chaux de Fonds und Le Locle) im Jura. Die übrigen liegen entweder gerade an der Grenze des Mittellandes (Neuenburg, Biel, Luzern) oder ganz darin.
[Dr. Aug. Aeppli.]