(Val) (Kt. Graubünden.
Bez. Maloja).
Obere Thalstufe der
Maira oder
Mera, die sich bei
Casaccia nach S. wendet, um dann in das eigentliche
Bergell einzutreten. Val Marozzo folgt zunächst ziemlich genau der SW.-NO.-Richtung des Seenthales des
Ober Engadin und biegt
dann nach O. um, worauf sich sein Fluss vor dem tiefen Thalkessel von
Casaccia in sö. Richtung durch
Schluchten hindurcharbeitet, um etwa 700 m weiter unten sich nach S. zu wenden. Das Thal wird begrenzt im N. vom
Pizzo del Sasso,
der Septimerhöhe und dem
Pizzo Maedero, im W. vom
Piz Piott, dem hochgelegenen
Val Duana und dem
Pizzo della Duana,
im S. vom
Pizzo Campo und
Pizzo
Lizzone. Nach N. führt über die
Alpe Marozzo fuori der
Septimerpass (2311 m) nach
Stalla ins
Oberhalbstein hinüber, während von Marozzo dentro im Thalhintergrund ein Weg auf die im
Val Campo unter dem
Pizzo della Duana
gelegene Alp Pianlò (2400 m) leitet.
Man kommt auf diesem
Wege am schönen Alpsee
Campo vorbei und kann von der Alp Pianlò nach
Vicosoprano,
Stampa oder
Soglio hinuntersteigen.
Nebenthälchen sind auf der linken
Seite die Furche des Alpicellabaches, diejenige des Septimerbaches, die Rinne des Mortarolohanges
Östl. vom
Pizzo Maedero und das Felsenthälchen
Lunga zwischen dem eben genannten Gipfel und dem
Piz Piott;
die westlichste Bachrinne greift noch weit hinauf in die Felswüste Mungiroi zwischen dem
Piz Piott,
Val Duana und
Gletscherhorn.
Im SW. liegt das
Val Campo, in dem die
Maira entspringt, die mit mehreren hübschen
Wasserfällen sich durch tief
eingerissene
Schluchten über eine mächtige Felsenschwelle herabstürzt.
Das Val Marozzo ist vom Einfluss des Alpicellabaches bis zum Gebirgskamm im W., unter dem sich die obersten westlichen Quelladern
vereinigen, etwa 5 km, bis zur Vereinigung der Quellen oberhalb der Ausmündung des
Val Campo gegen 4 km lang. Auf dieser
letztgenannten Strecke
beträgt das Thalgefälle etwa 84‰. Das Val Marozzo ist als das eigentliche
Quellthal des
Inn und somit als eine Fortsetzung des
Ober Engadin zu betrachten, und sein Thalboden (2000-1800 m; Marozzo dentro 2028 m)
entspricht dem jetzigen Thalboden von
Maloja (etwa 1800 m).
Die grosse Quellader dieses
Thales ist dem
Inn
durch die
Maira abgeschnitten worden.
Durch lange Zeiträume der Erdgeschichte haben beide Flüsse um ihre Wasserscheide gekämpft, bis der heutige Fluss des
Bergell,
dem alten Quellarm des
Inn in die
Seite fallend, dessen
Wasser nach der
S.-Seite des Gebirges abzufliessen zwang. (Vergl. den
Art.
Maira). Der Thalgrund von Marozzo besteht grösstenteils aus Gneis und Glimmerschiefer mit NO.-Streichen
und SO.-Fallen. Die linke Thalwand zeigt graubraunen Glimmerschiefer, der nach unten in typischen flaserigen Gneis, nach
oben in graue glimmerige und talkige Schiefer übergeht.
Aus solchen Glimmer- und Talkglimmerschiefern bestehen auch die alten Moränen, die oberhalb der Einmündung des Septimerbaches
das Thal sperren und mächtige, manchmal haushohe, eckige Blöcke aufweisen. Den krystallinen Schiefern
liegen sedimentäre graue und metamorphosierte grüne Schiefer auf. Gegen den Thalausgang verbinden sich die grünen Schiefer
der beiden Bergseiten, während die
Schluchten, durch die sich die
Maira gegen
Casaccia hinunterstürzt, aus Gneis und Talkglimmerschiefer
bestehen. Zwischen die obern krystallinen und die grauen u. grünen Schiefer finden sich Streifen von
hellen Kalken und Kalkschiefern (wahrscheinlich der Trias) eingelagert, die zum Teil in Marmor umgewandelt sind. Ihre
Platten
u. Trümmer liegen vielfach an den n. Thalgehängen umher.
Val Marozzo ist gänzlich waldlos und stark verödet, doch haben wir Kunde von früheren Waldbeständen.
Die Abholzung ward durch einen
Waldbrand vollendet, und seither nahm die Häufigkeit der Lawinen und Erdschlipfe zu. Bei
Molinetto
am schluchtartigen Ausgang des Val Marozzo zum
Bergell bildet die Grünerle (Alnus viridis) dichte Bestände; in Marozzo fuori
wachsen an der
N.-Halde in etwa 1800 m
Alpenrosen, Vaccinien, Arctostaphylos alpina; in Marozzo dentro
(2028 m) finden wir
Alpenrosen, Juniperus nana, Lonicera coerulea, Vaccinium myrtillus, V. vitis idaea und V. uliginosum,
Azalea, Empetrum, Salix myrsinites, S. helvetica, S. reticulata und S. retusa.
Die meisten dieser Arten werden auch im
Val Campo bis zu 2300 und 2400 m hoch angetroffen. Von Alpenpflanzen
des
Thales und seiner Umgebung seien hier genannt: Leontopodium alpinum, Artemisia spicata und A. mutellina, Achillea nana
und A. moschata, Armeria alpina,
Viola calcarata, Phyteuma hemisphaericum, Androsace glacialis, Geum reptans, Ranunculus glacialis,
Arabis alpina, Saxifraga oppositifolia, S. muscoides und S. adscendens, Pedicularis rostrata, Elyna scirpina, Poa minor,
Avena subspicata, Eritrichium nanum etc. Im
See des
Val Campo fand Dr. Tarnuzzer massenhaft den pechfüssigen
Wasserküfer (Hydroporus picipes) vor.
Das Thal enthält streckenweise noch gute Alpweiden, so die
Alpen Marozzo fuori (1794 m) und Marozzo dentro (2028 m), von
denen die erste an Italiener, die andere an Private von
Soglio verpachtet wird. Vom alten Septimerweg
kommt man über eine hübsche steinerne
Brücke nach der vordern
Hütte auf Alp Marozzo fuori, von der aus man den stürzenden
Septimerbach herrlich am Abhang glänzen sieht. Auch die grosse Mairaschlucht oberhalb
Casaccia ist landschaftlich bemerkenswert.
Hinter der Alphütte von Marozzo dentro liegt eine kleine, zum Teil mit Moränentrümmern überführte
Ebene, gegenüber der im S. die junge
Maira in prächtigen Stürzen über eine steile Felsenschwelle eilt.
In ¾ Stunden hat
man diese erstiegen und befindet sich nun im
Val Campo, dem Quellthal der
Maira, dessen zwischen drei Felsenschwellen gelegene
Böden fast eben und von glazialen Rundhöckern begrenzt sind. Jede dieser drei Terrassen oder Mulden
ist ein Quellensammler. Zu hinterst folgt vor der Wasserscheide ein kleines Seelein, das auf der Siegfriedkarte nicht verzeichnet
ist. Erst über einer
Schwelle drüben liegt der schöne, etwa 300 m lange
See von
Campo. Der Passgrat über dem
See bietet eine
imposante Fernsicht auf die Gebirge des
Albigna- und Fornogebietes.
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