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Eisenbahnstrecke Wiggerthal-Sursee-Luzern (Linie Olten-Luzern) als Sehenswürdigkeit den «schönen Bauernschlag». Gewiss, diese Bauern haben sich durch Arbeit und Entbehrungen noch nicht heruntergebracht, wie es leider mancherorts vorkommt; sie sind physisch und geistig noch gesund. Die günstige Situation der luzernischen Bauersame ist neben der vorteilhaften natürlichen Lage und Beschaffenheit des Bodens und neben der Tüchtigkeit der Bewohner zweifelsohne noch besonders auf zwei weitere Momente zurückzuführen: die bäuerliche Erbrechtsgesetzgebung und die Verteilungsweise des Grundes und Bodens.
Jene bestimmte von Alters her bis heute einen Sohnes- und einen Liegenschaftsvorteil. Die Söhne erben fünf, die Töchter je vier Teile; das Gut wird überdies von den Söhnen zu ¾ des geschätzten Wertes übernommen. Dadurch ist man einer Ueberschuldung in wirksamer Weise entgegengetreten. Häufig bleiben unverheiratete Geschwister auf Lebenszeit bei dem verheirateten Uebernehmer des väterlichen Gutes in Familiengemeinschaft. Bezüglich Grundverteilung finden wir im grössern Abschnitt des Kantons (speziell in der südl. Hälfte und im ganzen westl. Teil) in ausgesprochener Weise die Hofsiedelung, d. h. lauter arrondierte Bauernhöfe und daher keinen zerstückelten Besitz mit seinen schweren Nachteilen.
Nur in der Thalsohle des nördl., an den Aargau anschliessenden Teiles des Hitzkircher-, Suren- und Wiggerthales kommt Dorfsiedelung vor, doch auch da ohne allzuweitgehende Zerstückelung. Der Zwergbesitz ist im Kanton Luzern seltener und die grössern Bauernhöfe sind häufiger als in allen andern Schweizerkantonen. Wenn auch der Kanton Luzern leider keine Agrarstatistik besitzt, so lässt sich dies leicht durch Vergleich der Ergebnisse der eidgen. Viehzählung nachweisen. Nach den Ergebnissen der Zählung von 1896 beträgt im Kanton Luzern die Zahl der Rindviehbesitzer
Stück | % | Schweiz | |
---|---|---|---|
mit 1-2 | 1308 | 13% | 25% |
mit 3-4 | 1745 | 17% | 25% |
mit 5-10 | 3932 | 38% | 36% |
mit 11-20 | 2377 | 23% | 12% |
über 20 | 959 | 9% | 2% |
Es besitzen ferner 12 Landwirte 51-60 Stück (Schweiz 99), 6 Landwirte 61-70 Stück (Schweiz 34), 5 Landwirte 71-80 Stück (Schweiz 22) und 1 Landwirt über 100 Stück Rindvieh.
Typisch und in mancher Beziehung mustergiltig sind die Gebäulichkeiten. Auf Höfen mit über 30 Jucharten finden wir in der Regel das «Luzernische Bauerngehöfte», auf kleinern Besitzen dagegen das «Luzernische Bauernhaus». Beide, ganz besonders aber das Gehöfte, sind stolz, stattlich, dabei auch in hervorragendem Masse praktisch und arbeitssparend, leider aber auch teuer. Nach den Erhebungen des Bauernsekretariates steht das Luzernische Gehöfte von allen 10 Bauarten, die dasselbe in der Schweiz unterscheidet, in Bezug auf arbeitssparende Einrichtungen obenan.
Es waren: sehr arbeitssparend im Kt. Luzern 64,3%, in der ganzen Schweiz 19% der Gehöfte;
arbeitssparend im Kt. Luzern 35,7%, in der ganzen Schweiz 32% der Gehöfte;
ziemlich viel Arbeit erfordernd im Kt. Luzern 0%, in der ganzen Schweiz 7% der Gehöfte;
sehr viel Arbeit erfordernd im Kt. Luzern 0%, in der ganzen Schweiz 42% (!) der Gehöfte.
Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Nun aber die Kehrseite der Medaille: Während beim bernischen Bauernhaus das gesamte Gebäudekapital pro Hektar Land ohne Wald 1286 Fr. = 21,8% vom gesamten Aktivkapital betrug, sind die entsprechenden Zahlen für das Luzerner Gehöfte 2188 Fr. und 29,1%. Sie übertreffen sogar, auf die Flächeneinheit berechnet, die «herrschaftlichen Gehöfte» mit 1930 Fr. pro Hektar. Beim Gehöfte sind Wohnhaus und Scheune getrennt, oft auch noch Waschhaus, Remisen, Masterei, Schweinescheune etc. als Separatgebäude aufgeführt; beim Bauernhaus ist alles vereinigt.
Die Scheune ist geräumig und breit mit mehr flachem Dach und geräumigem, bequemem Vorschermen; Längseinfahrt, grosse Güllenlöcher und Güllenauslauf dürfen nicht fehlen. Letztere erstellt man sogar häufig auf ganz ebenem Terrain durch Einschnitte. Alles zielt somit auf Arbeitsersparnis, Bequemlichkeit und intensiven Betrieb hin. Im Gebiet der Dorfsiedelungen und im nördl. Teil des Kantons überhaupt trifft man häufig eine etwas andere und weniger charakteristische Bauart mit spitzem, steilem Dach (früher Strohdach). Schon seit vielen Jahren erstellt man Neubauten häufig nach dem amerikanischen Walmensystem, wobei der Futterraum nicht über dem Stalle, sondern getrennt zu ebener Erde sich befindet. Diese Bauart gestattet die Erreichung aller praktischen Zwecke, speziell auch der Arbeitsersparnis, mit ganz bedeutend geringerem Aufwand. Die breiten und niedrigeren Hütten sehen aber nicht so stattlich aus, weshalb mancher die alte Bauart vorzieht.
Die Bodenkultur steht im Zeichen der Intensität und des ausgesprochenen Maschinenbetriebes selbst bei mittleren Landwirten. «Gülle führen» ist eine Hauptbeschäftigung des Luzernerbauers. Bevor er aber zu dieser Arbeit schreitet, setzt er der Gülle Phosphorsäure zu. Noch nirgends fand ich die rationelle Güllewirtschaft so allgemein, wie im Kanton Luzern (mit Ausnahme des Entlebuch). Kunstdünger wird in grossen Quantitäten verwendet. Landwirte, die annähernd pro Juchart ein Stück Vieh halten, sind nicht selten; im grossen und ganzen kommt dagegen im Flachlande auf annähernd zwei Jucharten je ein Stück Grossvieh. Mähmaschinen besass der kleine Kanton Luzern viele Jahre lang mehr als die ¶
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ganze übrige Schweiz zusammen. Auch Pferderechen, Heuwender, Selbsthalterpflüge sind allgemein im Gebrauch.
Von den 1500,8 km2 Flächeninhalt des Kantons entfallen auf das Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland 1062,4 km2, auf das Rebland (Hitzkirch) 0,21 km2. Die weitere Verteilung auf die einzelnen Kulturarten ist nicht festgestellt. Im allgemeinen machte sich in den letzten Jahrzehnten (gezwungen durch die Marktverhältnisse) auch im Kanton Luzern der gleiche Entwicklungsgang geltend, wie in der übrigen Schweiz: immer stärkere Einschränkung des Ackerlandes, speziell des Getreidebaues, Ausdehnung des Futterbaues.
Früher galt Luzern als die «Kornkammer» der Waldstätte; heute sind die besonders gesegneten Obstlagen teilweise zur fast ausschliesslichen Doppelnutzung, Obstbau und Naturwiese, übergegangen, ähnlich wie viele Betriebe der Ostschweiz. Dies gilt speziell für die Gegenden von Luzern und Meggen, die Umgebung des Vierwaldstättersees und einen Teil des Amtes Hochdorf. Hier bewirken die geschützte Lage eine ausserordentliche Fruchtbarkeit der Obstbäume und das mehr feuchte Klima einen guten Naturfutterwuchs, der allerdings durch die Bäume wieder beeinträchtigt wird. Wie gut hier die Scholle ihre Bebauer ernährt, mag die Tatsache illustrieren, dass Meggen mit 1130 ganz vorwiegend landwirtschaftlichen Einwohnern über 12 Millionen Steuerkapital aufweist, d. h. pro Kopf etwa 11000 Fr. oder pro Familie 55000 Fr., daher wahrscheinlich die reichste Bauerngemeinde der Schweiz sein wird und hinsichtlich Durchschnittsvermögen mit der Millionenstadt Basel rivalisiert.
Die Aemter Sursee und Willisau weisen einerseits schon etwas weniger Niederschläge auf, andererseits sind die Lagen für den Obstbau, wenn auch vielfach nicht schlecht, doch weniger geschützt und weniger vorzüglich. Hier ist ein Gebiet mit noch ziemlich viel Getreidebau, das Gebiet der Fruchtwechselwirtschaft, des Kunstfutterbaues und der Wechselwiese, welche Betriebsweise die höchsten Anforderungen an die Intelligenz des Landwirtes stellt. Von Getreidearten dominiert bei weitem das Korn, das vorzüglich gedeiht; es folgen der Roggen, dessen Anbau des Strohertrages wegen relativ zunimmt, der Hafer, dessen Körnerpreise verhältnismässig günstig stehen, für den aber das Land vielfach zu üppig ist, der Weizen, der sehr zurücktritt, und die Gerste, die nur sporadisch vorkommt.
Herrlichere und tadellosere Kornbestände, als sie z. B. im Ettiswilerfeld vorkommen, gibt es überhaupt nicht, und mancher Fremde schon staunte, wenn er diese Bestände sah. Daneben lässt sich nicht leugnen, dass gerade der Getreidebau den Arbeitermangel häufig zu fühlen bekommt, daher gegenüber früher stellenweise auch qualitativ zurückgegangen ist, und dass mitunter recht traurige negative Musterbilder von Getreideäckern vorkommen. Wenn etwas in diesem Gebiete häufig nachlässig betrieben wird, so ist es der Getreidebau.
Heruntergesunken zum eingeschränkten, nebensächlichen Zweige, wird er als Stiefkind behandelt, rationelle Auswahl und Reinigung des Saatgutes unterlassen, das Feld zu wenig gründlich bearbeitet und rein gehalten; Säemaschinen «rentieren nicht», und die Kunst, von Hand gut zu säen, ist selten geworden. Kartoffeln, Runkel- und Kohlrüben werden noch ziemlich häufig gebaut, doch macht sich auch hier die Tendenz der Arbeitsersparnis und der Einschränkung geltend.
Zuckerrüben baut man nur in der Gegend von Reiden in untergeordneter Menge. Kleine Flachsparzellen findet man noch hie und da; doch wird der Flachs nicht des Gespinnstes wegen angebaut, sondern weil der Landwirt die Samen im Stall vorzüglich zu verwenden weiss. Ausgezeichnet versteht man im allgemeinen den Kunstfutterbau, die Zusammensetzung richtiger und den Verhältnissen angepasster Kleegrasmischungen. Da spricht man nicht nur von «Klee und Schmalen» nach berühmten Mustern und frägt den Samenhändler, was er gerne verkaufe, sondern man kennt die einzelnen Gräser und Kleearten nach ihrem gesamten Verhalten und gestützt auf eigene Erfahrung, die man im Anschluss an das aus der Literatur, aus Kursen und Vorträgen oder beim Besuch der landwirtschaftlichen Winterschule Gelernte sammelte.
Eine Kulturart haben Luzerner Landwirte zu allererst eingeführt, nämlich die Kultivierung des Besenriedes oder blauen Pfeifengrases (Molinia coerulea) durch Aussaat als Streuepflanze. Schon in den 1870er Jahren veranlasste die Streuenot intelligente Landwirte in der Gegend von Rothenburg zur Anlage künstlicher Streuerieder. Diese äusserst lohnende und ertragsreiche Kulturart, die keinen Dünger und nur Erntearbeit erfordert, gibt allerdings mit ihrem langen Gelb- und Totbleiben im Frühjahr und dem mangelhaften Grün im Sommer kein gerade ästhetisches Bild und veranlasst den Nichtkundigen zu einem schiefen Urteil. Die Hauptsache bleibt aber immer die Rendite.
Die Bedeutung des Obstbaues wurde bereits gestreift; er tritt nur im Entlebuch, im höher gelegenen westl. Teil des Hinterlandes und sonst noch hie und da an «zügigen» Lagen zurück. Meggen und das Hitzkircherthal heissen das «Mostindien» der Zentralschweiz, und der Most dieser Gebiete hat schon wiederholt interkantonale Konkurrenzen siegreich bestanden. Eine Spezialität ist der «Federweisse», der bis in's Frühjahr mit Vorliebe getrunken wird. Eine ¶