mehr
unternommen zur Mutter Gottes nach Maria Einsiedeln. Ferner wird der sogen. Musegger Umgang ebenfalls von der Stadt- und Landbevölkerung zahlreich besucht. Mit der religiösen Feier wird bisweilen auch das patriotische Fest verbunden, so besonders in der Sempacher Schlachtjahrzeit, die alljährlich am Montag nach St. Ulrichstag auf dem Schlachtfeld ob Sempach abgehalten wird und an der zahlreiche Besucher aus allen Schichten der Bevölkerung teilnehmen.
Die Geistlichkeit steht im ganzen Kanton in hohem Ansehen. Jede der 80 Pfarreien, die alle zur Diözese Basel gehören, wird von einem Pfarrer geleitet, dem in grössern Pfarreien noch Kapläne oder Pfarrhelfer und Pfarrvikare beigegeben sind. Die geistlichen Amtsgeschäfte im Kanton leitet der bischöfliche Kommissär, der zwischen der Pfarrgeistlichkeit und dem Bischof vermittelt. Im Kanton bestehen drei Kapuzinerklöster, nämlich je eines auf dem Wesemlin in Luzern, in Sursee und in Schüpfheim, und zwei geschlossene Frauenklöster, nämlich dasjenige der Zisterzienserinnen in Obereschenbach und der Kapuzinerinnen zu St. Anna im Gerlisberg in Luzern. In Luzern befindet sich der Chorherrenstift zu St. Leodegar, dessen Kanonikate meistens mit Professoren der theologischen Lehranstalt besetzt sind. Beromünster hat ein Chorherrenstift für verdiente ältere Geistliche des Kantons.
Eine evangelisch-reformierte Kirchgemeinde hat die Stadt Luzern. Protestantischer Gottesdienst wird ferner noch gehalten in Willisau, Ruswil und Sursee.
Im öffentlichen und privaten Leben pflegt der Luzerner nach getaner Arbeit gerne die Gemütlichkeit. Diesem Zweck dient auf dem Lande und in der Stadt eine Reihe von Festen. Im ganzen Kanton feiert man die «Kilbi», ursprünglich der Tag der Einweihung der Kirche (Kirchweih),
heute ein allgemeines Volksfest mit Musik und Tanz. Nach dem Heuet feiert man im Gäu die «Heueten» und nach der Ernte die Sichellöse (Sichleten). Wenn die Herbstarbeiten vorüber sind (um St. Katharina herum),
werden im Dorfwirtshause die sog. «Bauernkilben» (Tanzkilbi) abgehalten, an denen es oft gar lustig zugeht. Die Länder und Entlebucher haben ihre Aelplerkilbi. Auch die fröhliche Fastnachtfreude kommt zu ihrem Recht. Ihr huldigen allen voraus die Bewohner der Stadt Luzern selbst. Am fetten Donnerstag wird alljährlich ein Maskenumzug, der sog. «Fritschizug», abgehalten, der oft sehr grosse Ausdehnungen annimmt. In grössern Ortschaften auf dem Lande veranstaltet man historische Umzüge oder führt man patriotische Schauspiele im Freien oder in geschlossenen Räumen auf.
Im Entlebuch, Hinterland und in den Ländern werden Schwingfeste abgehalten, und man übt sich im Steinstossen. In den Dörfern im Gäu messen sich die Erwachsenen im Frühjahr mit «Kugeltrölen». Das gesellschaftliche Leben erfreut sich einer sehr eifrigen Pflege. Fast jede Gemeinde hat eine Schützengesellschaft, jedes grössere Dorf einen oder mehrere Gesangvereine und Musikgesellschaften, die bei verschiedenen Anlässen sich öffentlich produzieren. Der Kirchengesang hat sich ganz bedeutend verbessert. Durch die Pflege des Liedes in den Vereinen ist aber der Gesang in der Familie, sowie bei und nach der Arbeit im Freien, der im einfachen Volkslied seinen sinnigen Ausdruck fand, eher in Rückstand gekommen. Grössere Ortschaften haben auch Theatergesellschaften, die besonders während der Winterszeit das Publikum mit ihren Aufführungen erfreuen.
In Speise und Trank ist der Luzerner einfach. Die Hauptnahrung bilden die Milch und ihre Produkte, ferner Brot. Hauptgemüse sind die Kartoffeln, die in keinem Hause und fast bei keiner Mahlzeit fehlen. Mit Aepfel- oder Birnenschnitzen gekocht bilden sie das beliebte Gericht der sog. Luzerner Hochzeit. Obst wird frisch und gedörrt viel genossen. Auch alle Arten von Gemüsen werden gepflanzt und kommen in verschiedenen Zubereitungen auf den Tisch. Der Fleischkonsum hat ganz bedeutend zugenommen. Während früher das Fleisch nur auf den Sonntagstisch kam, fehlt es jetzt ausser an den Fasttagen selten mehr beim Mittagsmahl. Auch der Käse ist immer mehr zum Volksnahrungsmittel geworden. Das Hauptgetränk in den meisten Gegenden ist der Most, der aber in den Wirtschaften vom Bier und vielerorts auch vom billigen Wein stark zurückgedrängt worden ist.
Auf dem Lande richtete sich ehemals die Kleidung nach den drei verschiedenen Volksstämmen der Länder, Entlebucher und Gäuer. Dr. Kasimir Pfyffer schreibt darüber: «Die Bewohner des Gerichtsbezirkes Weggis (Länder) kleideten sich von jeher gleich den benachbarten Angehörigen des Kantons Schwyz. Vor Altem trug der Weggisser Sonntags den braunen Rock, eine rote Weste, schwarzseidenes, herabhängendes Halstuch, kurze schwarze gems- oder bockslederne Hosen, weises Strümpfe, Schuhe mit messingenen Schnallen und einen runden Hut mit ziemlich breitem Rande. Jetzt nähert sich sein Kleid dem des Städters. Die Weibspersonen kleideten sich wie diejenigen des Kantons Schwyz. Der Entlebucher war folgendermassen gekleidet: ein ¶
mehr
sehr kurzer sog. Tschoppen (Jacke) von braunem, wollenem, grobem Tuche, welches im Lande selbst verfertigt wurde;
ein rotes oder braunes Wams;
braune oder blaue Hosen, an denen die Strümpfe unter den Knieen zugebunden wurden, samt Laschenschuhen;
auf dem Haupte eine weisse, rotgestreifte Kappe oder einen Hut, wohl auch beide zugleich.
Die Tracht der Weibspersonen bestand in einem schwarzbraunen Fleckentschoppen, einem braunen oder schwarzen Schärpenhalstuch, einem Brusttuch von Scharlach mit Nestel, einer schwarzen Jüppe bei den Verheirateten (bei den Ledigen war die Jüppe grün, rot oder braun), einer blauen Schürze, einem wollenen Unterrock mit Sammet oder roten Bändern eingefasst, roten, später weissen Strümpfen und Schuhen mit Laschen. Die Verheirateten trugen eine weisse, glatte Haube, darüber einen schwarzen Wollhut, die Ledigen aber einen Schwefelhut mit Blumen und Bändern geschmückt.
Der Gäuer trug grobleinene Pluderhosen, ein rotes, langes Kamisol, eine kurze, grobleinene Jacke und einen Strohhut mit kleiner Güpfe und breitem Rande. Später und noch am Ende des achtzehnten Jahrhunderts bestand des Gäuers gewöhnliche Kleidung aus einem heiterblauen, auch roten Rock, roter Weste, die weit hinauf offen und mit einer Schnur zum leichten Zuheften versehen war, meistens aus blauen Hosen, weissen Strümpfen, reichend bis an die Kniee, mit einem schwarzen Lederriemen über den Hosen festgebunden, einem schwarzen Halstuche, weit hinabreichend, einem schwarzen, breiten Filzhute mit einer runden Güpfe und aus Schuhen mit roten Latzen." Jetzt sieht man die Tracht nur noch selten und in wenigen Gegenden, da man sich fast überall nach der herrschenden Mode kleidet. Auch in Bezug auf die Wohnungsverhältnisse ist in neuerer Zeit zu Stadt und Land vieles besser geworden, indem man besonders den Forderungen der Hygiene nach Licht und Luft mehr Rechnung trägt. Da sich auch der Wohlstand gehoben hat, so baut man nicht nur bequemer, sondern auch schöner als ehemals. Im allgemeinen darf man sagen: der Luzerner nährt und kleidet sich besser und wohnt besser als früher.
Die Volksbildung hat ganz erfreuliche Fortschritte gemacht, und Leute, die nicht lesen und schreiben können, sind eine Seltenheit geworden. Alle Kinder werden in der obligatorischen Volksschule in den Anfangsgründen des Wissens unterrichtet. Schwachbegabte erhalten Unterricht und Erziehung in Spezialanstalten und -klassen. Für die taubstummen Kinder dient die Taubstummenanstalt in Hohenrain. Viele Kinder erhalten einen Unterricht, der über das Primarschulziel hinausgeht.
Die Sekundarschule ist sehr gut besucht. Die Söhne der besser gestellten Familien besuchen in der Regel eine höhere Schule, so etwa einige Klassen der Mittelschulen oder der Kantonsschule, oder auch ausserkantonale Anstalten. Die Bauern schicken ihre Söhne zur beruflichen Ausbildung an die landwirtschaftliche Winterschule in Sursee. Wer dazu nicht Gelegenheit hat, sucht sich in Fachkursen oder in beruflichen Fortbildungsschulen weiter zu bilden. Die Töchter der hablichern Familien besuchen die Haushaltungskurse am Töchterinstitut in Baldegg, die Haushaltungsschule in Weggis oder ausserkantonale Anstalten ähnlicher Art. In der Stadt Luzern sind besondere Kurse für die Frauenarbeiten eingerichtet. In der obligatorischen Arbeitsschule erlangen die Mädchen die nötigen Fertigkeiten in den häuslichen Handarbeiten. Die meisten Mütter geben aber ihren Töchtern auch selber Anleitung zur Führung der häuslichen Arbeiten und Geschäfte. Der Fortbildung dient auch die Lektüre. Fast jede Familie hält eine Zeitung, und gar viele haben eine belehrende oder unterhaltende Zeitschrift, die über fachliche, erzieherische oder allgemein wissenschaftliche Fragen orientieren. In jeder Pfarrei bestehen eine oder mehrere Bibliotheken, die fleissig benutzt werden.
Was die Einwohnerzahl anbelangt, so ist seit einer Reihe von Jahren eine stetige Zunahme zu verzeichnen. Zwar macht sich auch hier wie anderwärts eine Verschiebung vom Lande in die Stadt und die Industriezentren geltend, in dem Sinne, dass dort eine Abnahme, hier dagegen wie im gesamten Kanton überhaupt eine stetige Zunahme der Bevölkerungsziffer zu konstatieren ist. Im Jahr 1799 fand auf Anordnung der helvetischen Regierung eine Zählung nach den Gemeinden statt, die eine Einwohnerzahl von 76949 Köpfen ergab. Die Richtigkeit der Zählung wird jedoch bezweifelt, da das Ergebnis im Hinblick auf die folgenden Zählungen als zu gering erscheint. 1810 wurde eine zweite Zählung nach Pfarreien vorgenommen, die 101904 Ew. feststellte. Eine dritte Volkszählung im Jahre 1817, nach Gemeinden vorgenommen, ergab 108978 Ew., eine vierte 1829, nach Pfarreien, 116303 Ew. Zu Beginn des Jahres 1837 ordnete die Tagsatzung eine genaue Zählung nach Gemeinden an, ¶