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künstlerischen Sinn, der sich oft ganz unerwartet äussert. Wichtige Zentren für die Luganeser Auswanderer sind besonders Luzern, Bern, Neuenburg, Genf, Paris, Mailand und Turin. Diejenigen, die ihre Heimat nur periodisch verlassen (die sog. maestrani) kehren jeden Winter regelmässig wieder in ihr Dorf zurück und stellen ihre Wanderungen erst im reifen Mannesalter ein.
Die meist nur von den Frauen und Greisen betriebene landwirtschaftliche Tätigkeit steht natürlich nicht auf einer hohen Stufe. Der einst ausserordentlich lohnende und ergibige Weinbau hat unter allerlei Pflanzenkrankheiten, besonders dem Mehltau und dem Oidium, und neuerdings auch unter dem Auftreten der Reblaus stark gelitten. Die einheimischen Reben haben daher 1901 blos noch 971 hl Wein im Wert von 22019 Franken geliefert, während aus den eingeführten amerikanischen Isabellareben 19938 hl Wein im Wert von 242283 Franken gewonnen wurden.
Seitdem die Bekämpfung der Rebenkrankheiten vermittels des Kupfervitrioles auch im Volk bekannt geworden ist, hat man wieder mit der Neuanpflanzung von einheimischen Reben begonnen. Die Zucht der Seidenraupe ist ebenfalls im Rückgang begriffen: 1871 hat sie 147371 kg Cocons im Wert von 590383 Fr., 1901 dagegen nur noch 50059 kg Cocons im Wert von 182032 Fr. geliefert. Auch die industrielle Tätigkeit hat noch keinen festen Fuss fassen können und konzentriert sich hauptsächlich in und um Lugano, wo wir Eisenkonstruktionswerkstätten, Möbelfabriken, Gerbereien, Lederfabriken, zwei Bierbrauereien, eine Schokoladefabrik, verschiedene Tabakmanufakturen und sieben Teigwarenfabriken finn. Uhrenindustrie blüht in Arogno (zwei Geschäfte), mechanische Weberei in Melano, Reisdrescherei in Maroggia. In mehr als 30 Ortschaften des Bezirkes bestehen Molkereien.
Hauptmarkt für den. Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte ist Lugano. Der Boden erzeugt jede Art von Getreide und Obst. Oliven, Granatäpfel, Tabak etc., doch ist keines dieser Erzeugnisse der Gegenstand eines intensiven Anbaues. Die einst mit üppigem Grün bekleideten Berghänge über 1400 m sind in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beinahe völlig abgeholzt worden, indem man den Wald entweder behufs Umwandlung zu Alpweiden in Brand steckte oder zu Spekulationszwecken in unsinniger Weise massenhaft niederlegte. Heute hat der Bezirk noch 4679 ha Gemeindewald und 5679 ha Privatwald. Diese Waldungen setzen sich meist aus Eichen, Buchen, Linden und Ahorn zusammen, während Nadelhölzer nur ausnahmsweise auftreten. Daneben bedecken die Kastanienhaine noch eine Fläche von 2444 ha und gehen einen ziemlich ansehnlichen Ertrag. Die Viehstatistik ergibt folgende Zahlen:
1886 | 1896 | 1901 | |
---|---|---|---|
Rindvieh | 11393 | 9540 | 9292 |
Pferde | 328 | 513 | 606 |
Maultiere | - | - | 33 |
Esel | - | - | 182 |
Schweine | 3627 | 5415 | 5019 |
Ziegen | 5967 | 3638 | 4495 |
Schafe | 4905 | 2304 | 2462 |
Bienenstöcke | 1702 | 1712 | 2167 |
Die vom Monte Tamaro herabkommende Magliasina und der am Camoghè entspringende Vedeggio, die beide in den Luganersee münden, richten durch ihre oft plötzlich eintretenden Hochwasser zeitweise grosse Verheerungen an. Aus den Bergen des Val Colla kommt der Wildbach Cassarate, der das Thal von Lugano durchzieht und ö. der Stadt ebenfalls in den Luganersee sich ergiesst. Bei starkem Regenfall kann der See ausserordentlich stark steigen und dann ebenfalls das anliegende Land überschwemmen; so stand z. B. im November 1896 der grösste Teil der Stadt Lugano während einer vollen Woche unter Wasser. Von besonderem. Interesse ist auch der geologische Bau des Bezirkes. Erratische Blöcke finden sich in grosser Zahl überall zerstreut, und der Lago Muzzano (30 ha) und Lago d'Origlio (700 ha; im ¶
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Capriascathal) sind glazialen Ursprunges. Bei Manno hat man ein bedeutendes Kohlenflöz karbonischen Alters mit zahlreichen fossilen Pflanzenresten (so z. B. Stämmen von Sigillarien, Calamiten, Lepidodendren etc.) aufgefunden. Flora und Fauna gleichen in manchen Beziehungen denjenigen der Mittelmeerregion, besonders längs den Ufern des Luganersees, wo Agave americana, Pteris cretica, Laurus nobilis etc. wild wachsen. Unter den Insekten sind nennenswert Melolontha fullo, Cetonia speciosissima, C. purpurata etc. und verschiedene am Mittelmeergestade heimische Schmetterlinge (Rhodocera Cleopatra, Libythaea celtis etc.).
Der Bezirk wird von N. nach S. durch die Gotthardbahn durchzogen; auf den Monte San Salvatore und von der Unterstadt zum Bahnhof Lugano hinauf führt je eine Drahtseilbahn. Auf dem See unterhält die Dampfschiffgesellschaft 6 Dampfboote. Schmalspurbahnen von Porlezza (Luganersee) nach Menaggio (Comersee) und von Ponte Tresa (Luganersee) nach Luino (Langensee). Elektrische Bahn von Porto Ceresio nach Mailand. Hauptstrassen Lugano-Bellinzona, Lugano-Ponte Tresa-Luino, Lugano-Figino, Lugano-Bidogno.