Raron). 3200-2000 m. Firnfeld des das Lötschenthal nach oben abschliessenden Langgletschers, dem die Hauptquelle der Lonza entspringt.
Im Maximum 1,5 km breit und zusammen mit dem Langgletscher 6,5 km lang.
Wenig zerklüftet. Am Weg vom Lötschenthal über die
Lötschenlücke.
3204 m. Gletscherpass, zwischen dem Sattelhorn
(3745 m) und Anengrat (3575 und 3240 m) und zwischen dem Lötschenfirn und Grossen Aletschfirn.
Leicht zu begehen, aber lang
und ermüdend;
verbindet Ried im Lötschenthal mit dem Gasthof Eggishorn (Ried-Passhöhe 5½, Passhöhe-Konkordiahütte 2, Konkordiahütte-Gasthof
Eggishorn 3½, zusammen also 11 Stunden).
oder Lœtschenbergpass (Kt. Bern
und Wallis).
2695 m. Passübergang, zwischen dem Balmhorn und Hockenhorn oder Schilthorn,
im Grenzkamm zwischen den Kantonen Bern
und Wallis.
Auf der Passhöhe breitet sich eine weite Eisfläche aus, von der nach N. der Lötschenberggletscher
absteigt. Verbindet das Lötschenthal mit dem Kanderthal. Ferden oder Ried-Passhöhe 5, Abstieg nach Kandersteg 4 Stunden.
Leicht zu begehen und daher schon seit langer Zeit benutzt. Bildete vor dem Bau des Gemmiweges den hauptsächlichsten Verkehrsweg
zwischen dem Kanderthal und dem Ober Wallis.
Noch heute kann man in den verwitterten Felsen ö. über dem Pass deutliche Spuren eines
gepflasterten Weges erkennen, der aber wegen Lawinengefahr und Steinschlag aufgegeben werden musste und
nicht mehr unterhalten wird. Es ist wahrscheinlich, dass einst über diesen Pass Berner ins Wallis
hinüber ausgewandert sind und
den Namen ihrer heimatlichen Lütschine (des Wildbaches des Grindelwald- und Lauterbrunnenthales) hierher verpflanzt haben.
Man betrachtet den Lötschenpass als den ältesten begangenen Eispass der Berner Hochalpen und zugleich
als einen der ältesten der Alpen überhaupt. Ueber diesen Pass hat vielleicht Johann von Im Thurn-Gestelenburg zu Ende des 13. Jahrhunderts
seine Leibeigenen, die sog. Lötscher, zur Besiedelung des Lauterbrunnenthales und der Ufer des Brienzersees ausgesandt. (Vergl.
die Fontes rerum Bernensium. VII, S. 217). Auf jeden Fall erscheint der Pass 1352 und 1380 urkundlich als
«ad Crucem» (Fontes. VII, S. 656 und Gremaud: Documents relatifs à l'histoire du Valais. VI), während er 1366, 1384 und 1419 nach
der grossen Seitenmoräne rechts vom Gletscher die Gandegg genannt wird. (Vergl. Justinger's Berner Chronik.) 1384 und 1419 fanden
auf dem Pass zwischen Bernern und Wallisern zu wiederholten Malen blutige Kämpfe statt, bei deren einem
die Kämpfer eine ganze Nacht auf dem eisigen Gletscher zubringen mussten, worauf am anderen Tag die Walliser bis zu der unter
dem Gletscher zur Gfällalp abfallenden Felswand der Balm vordrangen. 1419 trägt diese Wand den Namen Wild
Elsigli. 1698 erstellte man von der Berner Seite her einen Saumpfad bis auf die Passhöhe. (Vergl. Jahrbuch des S. A. C. Bd
36). Seit einiger Zeit studiert man die Frage, die sog. Lötschbergbahn in einem Tunnel unter dem Pass durchzuführen und damit
eine möglichst kurze und direkte Zufahrtslinie zum Simplon zu schaffen. Am N.-Hang des Lötschenpasses
verläuft der Weg nahe der Kontaktzone der Trias (dolomitische Kalke, Arkose) mit dem Gasterengranit, während man auf der
Passhöhe selbst die Ueberlagerung des Granites durch
die Trias und eine lange Zone von schwarzen Liasschiefern beobachten
kann. Der Granit ist hier von einer Menge von porphyrischen Gängen und Adern durchzogen. Im Lias des
Stierstutzes findet man Fossilien.
(Kt. Wallis,
Bez. Westlich Raron). 26 km langes Thal, grösstes und tiefstes Längsthal an der S.-Flanke der Berner
Alpen. Beginnt an der zwischen dem Anengrat und Sattelhorn eingeschnittenen Lötschenlücke (3204 m), die vom
Lötschenfirn im W. nach dem Grossen Aletschfirn im O. hinüberführt. Der Lötschenfirn sendet eine etwa 6 km lange Eiszunge,
den Langgletscher, bis zu 1990 m ins Lötschenthal hinunter. Das von der Lonza, dem Bach des Langgletschers, ausgewaschene Thal
senkt sich in sw. Richtung bis zum Dorfe Ferden, das zugleich im orographischen Mittelpunkt und an der
breitesten Stelle des Thales (7,5 km zwischen der Hohgleifen und dem Lötschenpass) liegt.
Dieser ganze obere Thalabschnitt bildet eine der schönsten Landschaften in diesem Hochgebirgsgebiet und wird umrahmt von
weiten Eisfeldern und einer Menge von wilden Spitzen. Rechts stehen das Mittaghorn (3895 m), Grosshorn (3765
m), der Jägiknubel (3143 m), das Breithorn (3779 m), der Eiskamm des Petersgrates, das Birghorn (3216 m), Sackhorn und Schilthorn
oder Hockenhorn (3297 m), links das Distelhorn (3748 m), Schienhorn (3790 m), Breithorn (3783 m), Bietschhorn (3958 m) und Wilerhorn
(3311 m). Das Thal zeigt hier beinahe dieselben regelmässigen Geländeformen wie der obere Abschnitt
der Landschaft Goms; seine mit grünem Rasen bekleideten Gehänge sind von zahlreichen kleinen Wildbachrunsen angeschnitten,
die dem Thalbach die Schmelzwasser der sie krönenden Firn- und Eisfelder zuführen. In diesem obern Thalabschnitt konzentriert
sich auch die Mehrzahl der in ihrer Anhänglichkeit an die alten Wallisersitten noch so interessanten
Bevölkerung.
Hier liegen die Gemeinden Ferden, Kippel, Wiler und Blatten mit ihren längs dem rechten Ufer der Lonza zwischen 1375 und 1600 m
Höhe aufgereihten Dörfern und Weilern. Zusammen 999 Ew. Die höchstgelegene dieser Gemeinden ist Blatten, die aus mehreren
an der Thalstrasse stehenden Siedelungsgruppen, wie Ried (ein Gasthof), Eisten und Weissenried besteht. Das
ganze Thal bildet eine einzige Kirchgemeinde, deren Pfarrkirche in Kippel steht. Seit etwa 15 Jahren ist Blatten zum besonderen
Rektorat errichtet worden.
Hauptbeschäftigung der Bevölkerung ist die Viehzucht. Die hohe Lage des Thales gestattet nur den Anbau von Kartoffeln, Gerste
und Roggen, deren Felder man an den günstigst gelegenen Stellen des rechten Flussufers findet. An geschützten
und sonnigen Lagen dieses Gehänges reift auch noch die Kirsche. Ueber den Dörfern stehen auf grünen und von Wald umrahmten
Wiesen zahlreiche Hütten und Stadel; darüber folgen die 13 Alpweiden, die im Sommer während 2-3 Monaten mit 800 Milchkühen
und nahezu 300 Ziegen bezogen werden und einen jährlichen Ertrag von etwa 4665 kg Butter und 9150 kg
Magerkäse liefern. Dieser Käse bildet die hauptsächliche Nahrung der meist grossgewachsenen und kräftigen Thalbewohner,
denen vor der Zeit der den Verkehr erleichternden Strassen und Eisenbahnen gar oft das Brot gefehlt hatte. Dieser
ausschliesslichen Käsenahrung schrieb Schinner die einst bei den Kindern häufig auftretende Krätze zu. Derselbe Gewährsmann
berichtet aus
mehr
dem Jahr 1812, dass die Lötschthaler Pferde und Ziegen züchteten und Schweine und Färsen mästeten, die sie dann im Rhonethal
gegen Hanfgespinnste austauschten. Heute liegen die Verhältnisse natürlich wesentlich anders, da sich die Bewohner jetzt
Gewebe aller Art leicht verschaffen können. Geblieben ist aber aus jener vergangenen Zeit die Aufzucht
von Pferden und Maultieren, welchem Zweck noch eine ganze Alpweide ausschliesslich dient. Es sei gestattet, an dieser Stelle
folgende, von Prof. F. O. Wolf gegebene Charakteristik der Thalbewohner anzuführen: «Der Lötschthaler
ist ein durch seine Abgeschlossenheit und den steten Kampf mit der feindlichen Natur, mit dem reissenden Gebirgsstrom, mit
Lawinen und Steinschlag und andern seine Existenz und seinen Wohlstand bedrohenden Zufällen abgehärteter Volksschlag. Im
Allgemeinen ernst und wenig mitteilsam, teilt er mit andern abgesondert lebenden Gebirgsstämmen das Misstrauen gegen Fremdes
und Neues, ist jedoch dem einmal ihm Nähergetretenen ein umwandelbar ergebener und treuer Freund. Die Tracht, vollständig
aus selbstgezogenem Flachs und selbstgesponnener Schafwolle verfertigt, ist ebenfalls ernst und einförmig.
Schwarze Röcke, Weste und Beinkleider, schwarze Hüte bei den Männern, schwarze Kittel bei den Weibern, die nur durch
die bunten Kopf- und Brusttücher etwas belebt werden, geben der Tracht ein sehr ernstes und monotones Ansehen. An hohen Festtagen
jedoch erscheinen auch gestickte Jacken, schneeweisse Wäsche, seidene Hals- und Brusttücher und die
koketten Häubchen der Walliserinnen, wodurch die Frauen und Mädchen ein überaus schmuckes Ansehen erhalten und man die
Schönheiten vom Gletscherstaffel, die man am Werktage nur in ihren schmutzigen, unschönen Hirtenhemden zu sehen gewöhnt
ist, gar nicht wieder erkennt. Während die Männer mähen und das Heu bergen, Holz schlagen und allerlei
häusliche Arbeiten verrichten, besorgen die Weiber ausschliesslich die eigentliche Alpwirtschaft. Daher das allgemein prächtig
blühende und gesunde Aussehen der weiblichen Bevölkerung, die zu den schönsten der Schweiz gerechnet werden kann. Auch
die Männer sind meist lange, hagere, knochige Gestalten, von denen viele durch ihre roten Haare und
blauen Augen urächt germanische Abstammung verraten. Im ganzen Lötschthal gibt es noch keine existenzlosen
Proletarier,
und der Bettel ist unbekannt. Die Gemeindegüter sind so gross, dass Jeder etwas davon benutzen und wenigstens ein paar Ziegen
oder Schafe sein Eigentum nennen kann.»
Der untere Abschnitt des Lötschenthales zwischen Ferden und Gampel bildet eine wilde und unbewohnbare Schlucht mit nackten
Steilhängen, längs welchen der in das obere Becken hinaufführende Weg mit so vielen Hindernissen zu kämpfen hat, dass
er stellenweise nicht fahrbar ist. Ueber den senkrechten Felswänden und den kümmerlichen Waldpartien liegen in
kleinen Thälchen einige den Gemeinden Gampel, Steg und Ferden gehörende Alpweiden. Wo sich die Schlucht etwas erweitert, trifft
man da und dort auf eine kleine Siedelung.
Eine solche ist Goppenstein mit einer Kapelle, einigen Hütten und den alten Anlagen der Bleibergwerke von Rotenberg, die jetzt
am Fuss der Felswände links über Goppenstein in einer Höhe von 1672 m wieder ausgebeutet werden. Seit
3-4 Jahren sind hier wieder zahlreiche Arbeiter mit der Neueinrichtung der Hüttenwerke und mit dem Abbau des silberschüssigen
Bleies beschäftigt. Diese im 16. Jahrhundert entdeckten und 1640 zum ersten Mal abgebauten Erzgänge werden jetzt, wenn
wir uns nicht irren, zum fünften Mal in Angriff genommen. 1854 erbaute man in Goppenstein und Steg Schmelzwerke,
die aber ihre Arbeit wegen der zu geringen Mächtigkeit der Gänge bald wieder einstellen mussten. Die heutigen Konzessionäre
haben die Fortsetzung des Hauptganges in einem tiefern Niveau aufgesucht, womit sie bis heute einen vollen Erfolg
erzielten (vergl. den Art. Goppenstein). Es werden hier auch Versuche gemacht, das Erz vermittels eines hochgespannten elektrischen
Stromes zu schmelzen. Beschäftigt werden etwa 50 Arbeiter.
Nahe Goppenstein steht am schmalen Lonzaufer ein sonderbarer Felsobelisk, der sog. Längstein, der im Volksmund «Waldisch
Ankenchübji» (Waldins Butterfass) heisst und zwar zur Erinnerung an den Meyer Waldin, der ein leidenschaftlicher
Jäger war und dessen ganzes schönes Besitztum zusammen mit dem kirchturmgrossen Butterfass zur Strafe für einen Wortbruch
zu Stein verwandelt wurde. (S. diese Sage beim Art. Goppenstein). Am Fuss dieses Obelisken stehen einige kleine Hütten. Das
Lötschenthal wird bis Goppenstein von einer
mehr
schlechten und schmalen Strasse durchzogen, die ums Jahr 1850 von der die Minen ausbeutenden englischen Gesellschaft erbaut
worden ist. Von Goppenstein aufwärts führt nur noch ein Saumpfad. Mit den benachbarten Thälern steht das Lötschenthal
über eine Reihe von hohen Pässen in Verbindung. Solche sind der Lötschbergpass oder Lötschenpass (2695 m;
Ferden-Gasterenthal-Kanderthal), der von der geplanten Lötschbergbahn (einer Zufahrtslinie zum Simplon) in einem Tunnel unterfahren
werden soll, der Ferdenpass (2834 m; nach Leukerbad); der Restipass (2639 m), Faldumpass (2644 m) und Nivenpass (2610 m; alle
nach Albinen und Leuk). Den Verkehr mit dem Lütschinenthal und Interlaken vermittelte einst auch der Uebergang
über den Petersgrat und Tschingelgletscher. Endlich kann man auch über die Lötschenlücke ins Gebiet der Jungfrau und des
Aletschgletschers gelangen.
Das Lötschenthal ist ein synklinales Erosionsthal, das aber in seinem obern und untern Abschnitt zwei wesentlich verschiedene
Charaktere zeigt. Oben ist es bis Ferden ein Längsthal, das zwischen zwei Granit- und Gneiszonen in weichen
und leicht verwitterbaren, grünen und krystallinischen Schiefern mit Einlagerungen von Amphibolschiefern ausgewaschen worden
ist. Hier streicht es genau parallel dem Hauptzug des Finsteraarhornmassives von SW. nach NO. Am s. Thalgehänge finden sich
Gänge von Kupfererzen.
Von Ferden an wird das Thal zum Querthal. Hier hat die Lonza, der am Langgletscher entspringende Thalfluss,
sich in beinahe rechtem Winkel nach S. gewandt und zwischen der Hohgleifen und Niven die Kette des Bietschhorns mit ihren Gneis-
und Schieferwänden und den in ihnen sich auskeilenden Granitgängen des hier in die Tiefe tauchenden Aarmassives durchschnitten,
um durch eine enge und lange Schlucht bei Gampel den Austritt ins Rhonethal zu gewinnen. Silberschüssige
Bleiminen bei Goppenstein und Rotenberg. Bei Gampel sieht man zu beiden Seiten der Mündungsschlucht sedimentäre Schichten
der Trias (dolomitische Kalke) und des Jura (Kalke und Kalkschiefer). Die Lonza treibt zwei Elektrizitätswerke, die die Calciumkarbidfabrik
zu Gampel mit Kraft versorgen. (Vergl. die Art. Gampel, Goppenstein, Lonza).
Das Lötschenthal war zuerst Eigentum der Herren Zum Thurm-Gestelenburg, deren Stammschloss zu Niedergestelen stand. Die Herrschaft
dieses streitsüchtigen Dynastengeschlechtes war eine harte, und das Thal war öfters der Schauplatz blutiger Kämpfe mit
den Bernern. Im Jahr 1368 wurden den Lötschern viele Menschen getötet und über 1000 Häuser verbrannt. 1346 soll
Peter zum Thurm eine Kolonie der Bewohner dieses Thales gleich einer Herde Viehes an das Kloster Interlaken für 500 Goldgulden
verkauft haben, um die Gegend der Pfarrei Gsteig zu bevölkern.
Ein im Lötschenthal im 18. Jahrhundert aufgefundenes Manuskript erzählt, dass die Schweizer (d. h. wahrscheinlich
die Berner) 1386 in feindseliger Absicht hier eingedrungen seien, aber beim Ueberschreiten eines gefährlichen Passes so
viele Leute verloren hätten, dass sie sich wieder zurückziehen mussten. Nachdem 1376 die Zum Thurm aus dem Land vertrieben
worden waren, wurden die obern Zehnten Herren des Thales. Während dieser Zeit vollzog sich die Germanisierung
der Thalleute, die heute ganz deutsch sind. Erst 1790 kauften sich die Lötschthaler um die für sie hohe Summe von 1000 Thalern
frei, ohne zu ahnen, dass die Zeit der Umwälzung, die auch ihnen die Freiheit umsonst gebracht hätte, so nahe sei. Ursprünglich
Vallis de Lyech; 1233: ecclesia de Lyehc; 1305: Liec. Vergl. Wolf, F. O. Lötschen und Leukerbad. (Europ.Wanderbilder. 105-107). Zürich
1886.