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1395: Loucle. Der Name ist wahrscheinlich vom keltischen loch (lateinisch lacus, Deminutiv laculus) = See herzuleiten. Der Wanderer wird in der Umgebung von Locle wie überhaupt in den Neuenburgerbergen nirgends auf Ruinen von Burgen oder Klöstern oder auf Reste von Festungsmauern, Wällen und Gräben stossen. «Dieser verborgene Winkel des Schweizerlandes, der durch die Erzeugnisse seiner Industrie in der ganzen Welt bekannt geworden ist, kann sich mit Recht rühmen, mehr als jedes andere Gebiet ein Land der Freiheit zu sein. Die Bevölkerung dieser Thäler, deren Geschichte zwar nur fünf bis sechs Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückreicht, wusste nie etwas von Leibeigenschaft, Hörigkeit, drückendem Dienstverhältnis und von die Freiheit beengenden Schranken, unter welchen ihre Nachbarn seufzten.»
Daher der alte und heute noch hie und da gebräuchliche Name des «Clods de la Franchise» für das Gebiet, dessen natürlichen Mittelpunkt die Stadt Locle bildet. Es steht heute fest, dass die erste Kolonisation dieser einst mit endlosen Tannenwaldungen bedeckten Hochthäler den Mönchen des Klosters Fontaine André zu verdanken ist, denen Renaud von Valangin 1151 die im w. Teil des Thales von Locle gelegenen sog. Prés d'Amens schenkte. Sie erbauten sich hier ein eigenes Haus, dessen aus mächtigen Bruchsteinen gefügtes Erdgeschoss sich an einem Gebäude in La Molière (bei Le Locle) noch bis heute erhalten haben soll. Eine grössere Anzahl von Kolonen kam aber erst im 13. und 14. Jahrhundert ins Land. So soll sich z. B. der Ueberlieferung nach ein Jean Droz aus Corcelles 1303 im «Verger», einem heutigen Quartier der Stadt Locle, niedergelassen haben, und schon 1308 wird den Ansiedlern urkundlich das freie Verfügungsrecht über das von ihnen urbar gemachte Land eingeräumt.
Die Herren von Valangin, denen dieses wilde Gebiet gehörte, sahen rechtzeitig ein, dass sie den Kolonen, die sich hier niederlassen wollten, aussergewöhnliche Vorteile und Vorrechte bieten mussten, um sie an die Scholle zu fesseln. 1372 entband Johann II. von Aarberg, Herr von Valangin, die Leute von Le Locle und La Sagne von der Pflicht der Heeresfolge und anerkannte sie als Freisassen, die Niemandem untertan waren als blos dem Grafen selbst. Das ist der Ursprung dieser alten Rasse der Neuenburger Montagnards, welche der Einfluss der rauhen Berge, mehr aber noch derjenige der Freiheit zu dem gemacht hat, was sie sind: ein ausdauerndes, arbeitsames, unabhängiges Völklein. 1351 wurde Locle zur eigenen Kirchgemeinde erhoben, worauf man 1372 hier eine der h. Maria Magdalena geweihte Kapelle erbaute, die von den Landleuten als «Moustier du Creux» bezeichnet wurde und das erste Gotteshaus im Neuenburger Hochjura war.
Trotz der Nähe der Grenze hatten die Dörfer des Clods de la Franchise auch während der Burgunderkriege völlige Ruhe, bis 1476 eine Bande versprengter Soldaten Karls des Kühnen das Dorf Locle zu plündern und brandschatzen versuchten. Nachdem diese Räuber aber von den Frauen aus dem Ort verjagt worden waren, fielen sie den am Ausgang des Thales auf ihre Ankunft wartenden Männern in die Hände, die ihnen einen heissen Empfang bereiteten. Zum Andenken an dieses Ereignis heisst der Ort des Kampfes heute noch Le Crêt Vaillant. Zu Ende des 15. Jahrhunderte zählte Le Locle blos etwa ¶
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52 Haushaltungen, ein Jahrhundert später taufte man jährlich 56-73 Kinder, und 1777 hatte der Ort 70 Wohnhäuser.
In aller Ruhe erfolgte 1536 der Uebergang zur Reformation. Unterdessen hatten sich die Söhne und Töchter des Ortes auch in der Umgegend niedergelassen, wo sie neue Siedelungen gründeten, die alle das alte Locle als ihre Muttergemeinde (Mère-Commune des Montagnes) anerkannten. Dieses entwickelte sich in der Folge nur langsam, bis dann die Einführung der Uhrenindustrie auf einmal einen raschen Umschwung der Verhältnisse zur Folge hatte. 1705 liess sich in Locle Daniel Jean Richard (1665-1741) nieder, der zuvor in der Nähe von La Sagne gewohnt und dort ohne weitere Anleitung seine erste Uhr konstruiert hatte.
Der neuen Industrie kam das für die landwirtschaftlichen Arbeiten wenig günstige Klima, das den Bewohnern im langen Winter viele freie Zeit liess, wesentlich zu Hilfe. Die Leute fanden bald Gefallen an der Uhrenmacherei, die sie lange Zeit als reine Hausindustrie betrieben. Im Lauf der Jahre hat sich dann in Locle eine grosse Anzahl von intelligenten Männern um die stete Vervollkommnung ihres Kunsthandwerkes verdient gemacht. Wir nennen davon Ferdinand Berthoud (1727-1807), der den Franzosen die Herstellung der Schiffschronometer lehrte, Abram Louis Breguet (1747-1823), Abram Louis Perrelet (1729-1826), Jacques Frédéric Houriet (1743-1830), die beiden durch ihre Automaten berühmt gewordenen Jaquet-Droz (Pierre 1721-1788 und Henri Louis 1752-1789), die zwar in La Chaux de Fonds wohnten aber gleich allen alten Geschlechtern des Hochjura zugleich auch Bürger von Locle waren; ferner Sylvain Mairet (1805-1890), Louis Jean Richard (1812-1875; Urenkel von Daniel Richard), Jules Jürgensen (1808-1877), Ulysse Nardin (1823-1876) und Henri Grandjean (1803-1879), dem die Erstellung der kantonalen Sternwarte in Neuenburg und die Gründung der Uhrenmacherschule in Locle in erster Linie zu verdanken ist.
Die Stadt Locle nennt sich auch mit Stolz die Heimat der Familie Girardet, deren Stammvater der erste Buchhändler der «Montagnes» war und deren Nachkommen sich bis heute als Künstler ausgezeichnet haben. Bürger von Locle waren ferner der Landschaftsmaler Alex. Calame (1810-1864);
der durch seine Werke Voyage au Caucase und Antiquités de Neuchâtel bekannt gewordene Neuenburger Professor Frédéric Du Bois-de Montperreux (1798-1850);
der Staatsmann, Regierungsrat und Tagsatzungsabgeordnete (vor 1848) Henri Florian Calame (1807-1863);
der Staatsrat D. G. Huguenin (1765-1842), bekannt als Verfasser der Châteaux neuchâtelois;
der in La Chaux de Fonds geborene berühmte Maler Léopold Robert (1794-1835);
der Pfarrer Andrié (1792-1866), der sich um das Schulwesen von Locle und des ganzen Kantons Neuenburg verdient gemacht hat.
Lange Jahre hat in Locle der aus Sainte Croix stammende August Jaccard (1833-1895) gewohnt, der es vom einfachen Uhrenarbeiter bis zum Professor an der Neuenburger Akademie brachte und einer der geschätztesten und zugleich seiner Bescheidenheit wegen beliebtesten Geologen der Schweiz war.
Als 1813 das zweite Armeekorps der Verbündeten unter dem Befehl des Fürsten von Liechtenstein in Le Locle, Les Brenets und La Chaux du Milieu Quartier nahm, hatte die Bevölkerung unter den unaufhörlichen Requisitionen und Belästigungen aller Art vieles zu erdulden. 1814 erhielt Locle den Besuch des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preussen und 1842 denjenigen seines Nachfolgers, des Königs Friedrich Wilhelm IV. 1871 endlich zog ein Teil der über den Col des Roches auf Schweizer Boden übergetretenen französischen Ostarmee Bourbaki's durch Locle.
Die Ortschaft ist mehrere Male von verheerenden Feuersbrünsten heimgesucht worden, namentlich von denen der Jahre 1683, 1765 und 1833, welch' letzterer 45 mitten im Dorf stehende Häuser zum Opfer fielen. Diese Katastrophe hatte aber die gute Folge, dass man einen ganz neuen Bebauungsplan aufstellte und durch gegenseitigen Austausch zwischen öffentlichem und privatem Grundeigentum den zu dessen Verwirklichung notwendigen Raum schuf. Der einst dreieckige und nur kleine Marktplatz wurde vergrössert und zugleich zu einem Viereck umgestaltet, und die unregelmässig verlaufenden Gassen wurden in breite und geradlinige Strassen umgewandelt. Von dieser Zeit an beginnt die Entwicklung von Le Locle zu der modernen Stadt, als welche wir sie heute kennen. Zum Schlusse unserer Uebersicht führen wir noch an, dass David Perret und Henri Grandjean am in Le Locle die Fahne des Aufruhrs erhoben, der Neuenburg von der Herrschaft des Hauses Brandenburg ¶