mehr
demselben Muster geformt; die grössten sind das Val Piumogna, Val Chironico und Val d'Ambra. Es sind von mächtigen Felswänden umrahmte hohe Mulden oder Nischen mit ungeheuren Schutthalden und magern Alp weiden, die in einer Höhe von mehreren hundert Metern über der Sohle des Hauptthales endigen. Von diesem sind die engen, im Wald versteckten Schluchtmündungen der Seitenthäler kaum zu erkennen. Nur oben erblickt man Lücken in der Bergwand, die die Lage jener Mulden und Nischen andeuten.
Die Bäche aus denselben erreichen den Hauptfluss nur durch enge, spaltenförmige Klammen oder stürzen in zahlreichen Kaskaden über die Wände herunter. Die Leventina steht mit dem Maggiathal und Verzascathal nur über wenige u. meist mühselige Pässe in Verbindung. Die besten sind der Passo di Naret (2443 m), Passo Sassello (2346 m) und Passo Campolungo (2324 m), die alle von der obern Leventina ins Val Lavizzara hinüberführen. Die die Leventina auf der linken Seite begleitende Kette des Pizzo Molare bildet einen leicht geschwungenen, mächtigen Wall und hat einen einfacheren Bau.
Der Pizzo Molare (2583 m) ist nicht der höchste, wohl aber der zentralste und bekannteste Gipfel dieser zwischen Faido und Olivone 11 km breiten Felsmauer. Ihr n. Zweig zeigt ziemlich gezackte Formen und trägt einige schön hervortretende Spitzen, wie den Pizzo di Campello (2663 m), Pizzo d'Era (2635 m), Pizzo Lucomagno (2778 m) und Pizzo Pettano (2766 m). Der Passo Predelp (2454 m) gestattet den direkten Uebergang von Faido zu dem Lukmanier und damit nach Disentis.
Der SO.-Zweig der Kette bildet einen breiten Rücken, der sich nur wenig über die Waldgrenze erhebt und bis zu oberst mit Rasen bewachsen ist. Von seinem höchsten Punkt, dem Piz Erra (2420 m), senkt sich der schöne Waldkamm des Monte di Sobrio bis zur Vereinigung der Leventina mit dem Bleniothal bei Biasca ab. Dieser linksseitige Thalhang ist nicht wie der gegenüberliegende von kleinen Thälern durchfurcht, und die zahlreichen ihn entwässernden Bäche haben sich noch kein tief eingeschnittenes Bett gegraben; einzig der bei Bodio mündende Vallone ist ein steiniges und wildes Tobel, dem aber ein thalförmiges oberes Becken ebenso fehlt wie den anderen.
Die 34 km lange Leventina ist der abwechslungsreichste der drei Abschnitte des Tessinthales. Die zwei Schluchten von Dazio Grande und der Biaschina teilen ihn in drei Stufen, die man nach ihren grössten Dörfern Quinto, Faido und Giornico oder auch einfach als obere, mittlere und untere Leventina bezeichnen kann. Das Thal wird seiner ganzen Länge nach von der Kantonsstrasse und der Gotthardbahn durchzogen, die hier beide bemerkenswerte Kunstbauten (Gallerien, Tunnels, kühne Brücken etc.) nötig gemacht haben.
Besonders zu nennen sind die vier grossen Kehrtunnels der Bahn, von denen zwei in der Schlucht von Dazio Grande den Monte Piottino unterfahren und zwei in der Biaschina sich finden. Die beiden obern Tunnels sind der von Freggio am linken Ufer und der von Prato am rechten Ufer, die beiden untern die von Piano Fondo und Trasi, beide am rechten Ufer und fast direkt übereinander liegend. Die durch die erwähnten Schluchten voneinander getrennten Thalstufen haben eine nur wenig geneigte, flache Sohle und sind vielleicht die Becken einstiger Seen; der Tessin durchzieht sie in zahlreichen Serpentinen und teilt sich in den von ihm selbst abgelagerten Kies- und Sandbänken oft in mehrere Arme. Er tritt hier noch ziemlich häufig über seine Ufer und setzt seine Aufschüttungsarbeit fort, wobei er durch zahlreiche Wildbäche, namentlich aus der rechtsseitigen Bergkette, unterstützt wird.
Aus diesem Grund stehen die Ortschaften fern vom Flussufer und von den Wildbachmündungen an den Hängen, die sich zu beiden Thalseiten unten an die Felswände anlehnen. Andere liegen malerisch zerstreut auf hohen Terrassen, besonders am linken, weniger zerschnittenen und sonnenreicheren Gehänge. Die oberste Thalstufe, die von Quinto, die von der Schlucht von Stalvedro bis zu derjenigen von Dazio Grande reicht, ist 10 km lang, fällt von 1050 bis 950 m und hat somit eine mittlere Sohlenhöhe von 1000 m. Landschaft und Pflanzenkleid zeigen hier noch alpinen Charakter: Obstbäume sind selten, und die Hänge sind, besonders auf der linken Seite, nur dürftig bewaldet;
in den
Wiesen und Aeckern sieht
man überall
hohe Pfosten- und Lattengestelle (sog. Korngalgen oder Rescane), die wie im
Bündner Oberland zum Trocknen des
Roggens und der Gerste dienen, da der Boden des starken Regenfalles wegen hiezu zu feucht ist.
Das Hauptdorf Quinto erinnert mit seiner altertümlichen Kirche und seinen schönen Holzhäusern an die Dörfer des Berner Oberlandes und Unterwaldens. Unten im Thal liegen noch Piotta, Ambri, Varenzo und Fiesso, oben auf der 300-400 m hohen Terrasse über dem linken ¶
mehr
Flussufer Brugnasco und Altanca am Weg von Airolo ins Val Piora, dann Ronco, Deggio, Catto und Lurenco, die unter sich und mit Airolo durch einen guten Weg verbunden sind. Den Uebergang zur zweiten Thalstufe, derjenigen von Faido, vermittelt die 3-4 km lange Schlucht von Dazio Grande, die aus dem das Thal quer abschliessenden Monte Piottino (deutsch Platifer) ausgewaschen ist. Sie ist mit ihren bizarr geformten und wild zerrissenen Felsgebilden eine der grossartigsten und wildesten Schluchten der Schweiz. An ihrer Ausmündung sieht man sich mit einem Schlag in die insubrische Region, die Vorhalle Italiens, versetzt.
Schon oberhalb des Dorfes Faido trifft man auf die ersten Kastanienbäume, die von da an die untern Thalhänge bekleiden, während weiter oben Buchen und Lärchen und darüber die Alpweiden folgen, die ihrerseits wieder von Felsgipfeln und einigen Schneegipfeln überragt werden. In der Thalsohle gedeihen Mais, Weinreben und Maulbeerbäume. Diese 8 km lange Thalstufe senkt sich von 700 bis 600 m und hat somit eine mittlere Sohlenhöhe von 650 m. Im obern Abschnitt steht Faido, der Hauptort des Bezirkes Leventina, in prachtvoller Landschaft kurz vor dem Ausgang der Schlucht von Dazio Grande, von Wasserfällen umrahmt, dessen schönsten die Piumogna bildet.
Der Flecken zeigt in seiner Bauart eine eigentümliche Mischung von schweizerischem Alpenstil mit italienischem Gepräge: braune Holzhäuser mit Gallerien und grossen überhängenden Dächern wechseln ab mit steinernen Häusern mit flachen Dächern, Balkonen, Wandmalereien und schön skulptierten Fenster- und Türrahmen. Wie die übrigen Ortschaften der Leventina gewinnt auch Faido als Sommerfrische von Jahr zu Jahr an Bedeutung. Tiefer unten liegen Chiggiogna mit der ältesten Kirche des Thals, dann gegen die Biaschina zu die zwischen Kastanienhainen versteckten und von schäumenden Kaskaden (z. B. derjenigen der Gribiasca) umgebenen kleinen Dörfer Lavorgo und Nivo.
Auch hier sind die Gehängeterrassen mit zahlreichen Siedelungen besetzt, deren Kirchen oder Kapellen weithin leuchten: am linksseitigen Gehänge Osco, Mairengo, Calpiogna, Primadengo, Figione, Rossura, Tengia und Calonico (fast alle in einer Höhe von 1000 bis 1100 m). Auch über der Schlucht des Monte Piottino finden sich Terrassen mit Dörfern: links Freggio und Vigera (1215 m), rechts Prato, Cornone und Dalpe (1200 m). Hoch über der Biaschinaschlucht endlich stehen links Anzonico (1000 m) und rechts Chironico (800 m). Unterhalb der Biaschina öffnet sich die unterste Thalstufe der Leventina, die gleich der obersten etwa 10 km lang ist; die 600-800 m breite Sohle senkt sich von 450-290 m und liegt schon von Giornico an tiefer als 400 m. Hier ist der italienische Charakter von Klima und Vegetation noch schärfer ausgeprägt als im Becken von Faido.
Die Kastanienwälder sind grösser und üppiger, sie steigen an den Hängen bis zu 900 m auf und scheuen weder Steilhänge noch Schutthalden. In der Thalsohle finden wir grosse Maisfelder und Weinrebenpflanzungen. Die Rebe klettert hier an den knorrigen Stämmen des Feldahorns auf und bildet, von Pfosten und Gneispfeilern gestützt, lange grüne Lauben, unter denen Gemüse, Mais, Buchweizen etc. gezogen werden. Zahlreich sind die verschiedenen Fruchtbäume, wie Nuss-, Maulbeer-, Feigenbäume und andere südliche Arten, die als wahrer Wald die Dörfer umrahmen.
Häuser und Sitten sind schon ganz italienisch. Die bedeutendste Ortschaft ist das durch die Schlacht vom zwischen Eidgenossen und Mailändern bekannte Giornico mit seiner schönen altertümlichen Kirche. Die beiden Wasserfälle der Baroglia und Cramosina tragen nicht wenig zum landschaftlichen Reiz des Ortes bei. Im Uebrigen treffen wir hier ebenso viele Kaskaden wie in den beiden obern Thalstufen. Unterhalb Giornico liegen Bodio, Personico und Pollegio, die alle mitten in Reben und Kastanienhainen versteckt sind. 600-700 m höher oben stehen über der Grenze der Kastanien Cavagnago (1021 m) und Sobrio (1095 m), die von einem Gürtel von Buchen- und Lärchenwald überragt werden. Diese beiden Ortschaften sind unter sich und mit den Terrassendörfern der beiden obern Thalstufen durch einen bis Airolo führenden, an Aussichtspunkten reichen Weg verbunden.
Die Leventina erfreute sich einst wahrscheinlich des Schmuckes mehrerer, heute verschwundener Seen, so z. B. eines durch den Bergsturz von Chironico aufgestauten Sees von Lavorgo und eines Sees von Quinto im ¶