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und steinigem Geröll bestehende Boden ist seiner leichten Durchlässigkeit wegen bemerkenswert trocken; alles Wasser fliesst sofort zur benachbarten Rhone ab, die hier ein ziemlich starkes Gefäll aufweist und für diese Gegend gleichsam einen grossen natürlichen Entwässerungskanal darstellt. Die Kuranstalten sind mit dem linken Rhoneufer und Saint Maurice durch eine 1876 erstellte eiserne Brücke verbunden, die an die Stelle einer schon lange vorher von der Walliser Regierung, die hier keinen Landjägerposten mehr unterhalten wollte, abgebrochenen Holzbrücke getreten ist.
Die Kur- und Badeanstalten bilden einen grossen Gebäudekomplex. Die Quelle von Lavey ist eine am Punkt ihres Zutagetretens 51-52° C. warme Schwefeltherme und entspringt etwa 600 m sö. der Badeetablissemente im Bett der Rhone selbst genau an der Stelle, wo der fast vertikal geschichtete Gneis unter den Jurakalk des Rückens von Dailly taucht. Gneis und Jurakalk werden hier (wie übrigens in diesem ganzen Gebiet) durch eine wenig mächtige triasische Zwischenlage von grünlicher oder rosaroter Arkose, roten Schiefern und Rauchwacke von einander getrennt.
Der Quellschacht durchteuft zuerst eine Lage von Sturz- und Glazialschutt und stösst in 16 m Tiefe auf den Gneis, dem die Therme mit mehreren Quelladern entspringt. Die Therme von Lavey unterscheidet sich somit in Bezug auf ihren Ursprung und ihre chemische Zusammensetzung wesentlich von den übrigen Schwefelwassern der Schweiz, die meist aus gipshaltigen Gesteinsschichten kommen. Sie ist von bedeutender therapeutischer Wirkung. Das Thermalwasser wird durch eine Pumpe aus dem Schacht gehoben, während eine zweite Pumpe das fortwährend einsickernde kalte Wasser ausschöpft.
Beide Pumpen werden durch ein von der Rhone getriebenes grosses Wasserrad in ständiger Arbeit erhalten. Das Wasser gelangt durch eine Leitung aus galvanisiertem Eisenblech, die isoliert und von Zementröhren umschlossen ist, ins Badehaus, wo es noch eine Temperatur von etwa 44 °C hat. Im Winter werden die Bäder geschlossen und der Betrieb der Pumpen eingestellt. Neben den Maschinen steht bei der Quelle selbst die Trinkhalle, wo die Kranken täglich zwei- oder dreimal das vorgeschriebene Quantum von Thermalwasser zu sich nehmen.
Eine Spezialität von Lavey besteht in der verschiedenartigen Kombination von Trinkkuren mit Fichtennadeln- und Soolbädern. Diese letzteren kommen zur Verwendung, seitdem sich die «Société des Bains de Lavey» den Bezug von ⅔ des Ertrages der Saline Le Bévieux (s. den Art. Bex) an Mutterlauge gesichert hat. Ein am Ufer der Rhone und im Flussbett selbst stehendes kleines Gebäude ist für Wellenbäder (Rhonewasser) und Duschen (mit 8° warmem Wasser aus den Quellen von Morcles) eingerichtet.
Langjährige Erfahrung hat festgestellt, dass die verschiedenen therapeutischen Agentien von Lavey ganz besonders bei folgenden Krankheiten ausgezeichnete Resultate ergeben: Skrophulose in allen ihren Stadien; Tuberkulose der Haut, Ganglien, Knochen oder Gelenke; lymphatischen Affektionen, Anämie, Hautkrankheiten, Dyspepsie, katarrhalischen Affektionen der weiblichen Geschlechtsorgane und der Blase, rheumatischen Affektionen aller Art, verschiedenen Krankheiten der Knochen und Gelenke, Paralysen etc.
Schon der Name Lavey (lateinisch Lavetum, von lavare) scheint anzudeuten, dass die Heilquelle auch im Altertum bekannt und benutzt worden sei. Der Historiker de Gingins vermutet, dass Lavey schon zur Römerzeit ein Badeort war. Als Zeugnis dafür wird der Umstand angeführt, dass in Saint Maurice ein der Hygiea, der Göttin der Gesundheit, geweihter Tempel stand. Nach dem Bergsturz von Tauretunum sollen dann die damaligen Badeanstalten beim plötzlichen Durchbruch der gestauten Gewässer fortgerissen und die verschüttete Quelle gänzlich in Vergessenheit geraten sein.
Sicher ist übrigens, dass die Gegend um Lavey schon sehr früh besiedelt worden ist, da man im benachbarten Weiler Ès Lex Altertümer aus der Steinzeit aufgefunden hat. Wieder entdeckt wurde dann die Mineralquelle Ende Dezember 1813 durch einen Fischer aus Lavey, Namens Landry, der aber seinen Fund aus verschiedenen Gründen geheim hielt. Am wollte ein anderer Fischer seine Reusen nachsehen; er watete in die Rhone hinaus, spürte aber bald im Wasser eine intensive Wärme und erzählte darauf diese merkwürdige Erscheinung seinen Freunden.
Diese Erzählung vernahm der damals als Salinendirektor in Bex wirkende gelehrte Geologe Jean de Charpentier, der den Fall untersuchte und bald feststellen konnte, dass an einer bei Hochwasser unter dem Flussspiegel liegenden Stelle eine heisse Schwefelquelle aus dem Felsen heraustrete. Nachdem er seine Beobachtungen der Regierung des Kantons Waadt mitgeteilt, wurde er von dieser mit der Durchführung der nötigen Arbeiten zur Isolierung und Fassung der Therme beauftragt.
Diese Arbeit war 1833 vollendet, worauf das Wasser zu einem provisorischen Badehaus gebracht wurde, dem sich bald ein erster Gasthof beigesellte. Später übergab der Staat Waadt den Betrieb der Quelle und aller Badeeinrichtungen an eine Aktiengesellschaft, die so zahlreiche Verbesserungen und Neuerungen vornehmen liess, dass Lavey heute eines der bekanntesten Heilbäder Europas ist. Der Staat hat in Lavey ein unter dem Kantonsspital zu Lausanne stehendes Krankenhaus eingerichtet, dessen von ihm gewählter Arzt zugleich als ärztlicher Leiter des ganzen Heilbades amtet. Die Aerzte Bezencenet, Lebert, Cossy und Suchard haben dann durch ihre Arbeiten und Untersuchungen über den therapeutischen Wert und die Heilerfolge der Thermen von Lavey sehr viel dazu beigetragen, dass diese in der ärztlichen und wissenschaftlichen Welt bald vorteilhaft bekannt geworden sind. Vergl. Wolf, F. O. Von Saint Maurice bis zum Genfersee. (Europ. Wanderbilder. 149 und 150), wo auch verschiedene bibliographische Angaben zu finden sind.