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Lausanne spricht. Nach der Schlacht bei Murten drangen die Truppen des Grafen von Greierz am 26 Juni 1476 in die Stadt ein, wo sie sich arge Ausschreitungen erlaubten, die Kathedrale plünderten und u. a. auch das seit dem 15. Jahrhundert im Dominikanerkloster La Madeleine befindliche Stadtarchiv ausraubten. Um dieselbe Zeit entstanden zwischen Stadt und Bischof zahlreiche Streitigkeiten, sodass die gegenseitigen Beziehungen sich ausserordentlich verschlechterten. Um seine Rechte zu schützen, suchte daher Lausanne Anschluss an Bern und Freiburg. Trotz des Widerstandes des Herzoges von Savoyen und des Bischofs gelang es der Stadt Lausanne nach langen Bemühungen, 1525 mit diesen beiden mächtigen Republiken ins Burgrecht zu treten, an das die der Stadt von seinen beiden neuen Verbündeten gestifteten Wappenscheiben erinnern, die heute den Sitzungsaal des Gemeinderates im Rathaus zieren.
Dieses Bündnis sollte aber nicht lange dauern. Das eben der Reformation beigetretene Genf wurde vom Herzog von Savoyen, dem Oberherrn des grössten Teiles des Waadtlandes, und dem mit ihm verbündeten Bischof von Lausanne so hart bedrängt, dass es die Berner zu Hilfe rief. Diese rückten denn auch 1536 in die Waadt ein, die sie sich ohne Mühe unterwarfen. Am nahmen die Berner Truppen unter dem General Hans Franz Nägeli die Stadt Lausanne, die gezwungen wurde, die Oberhoheit der Aarestadt anzuerkennen, «da diese behauptete, dem vertriebenen Bischof in allen Rechten nachzufolgen».
Kurz nachher führte Bern durch Erlass vom die in Lausanne von Wilhelm Farel schon seit 1529 gepredigte Reformation ein. Die Stadt wurde für den verlorenen Bischofssitz durch Stiftung einer Akademie entschädigt und für ihre verlorene Freiheit dadurch zu trösten gesucht, dass man ihr ihre eigene Gerichtsbarkeit und Verwaltung beliess und ihr einen Teil der verstaatlichten Klostergüter zu Eigen gab. Diese einstigen geistlichen Ländereien sind heute noch im Besitz der Stadt.
Die Zeit der Berner Oberhoheit war für Lausanne im allgemeinen eine Periode der Ruhe und des Friedens, aber auch des unbedingten Gehorsams und der daraus sich ergebenden Gleichgiltigkeit. Nur zweimal machten sich Regungen zur Wiederherstellung des früheren Zustandes oder zur Erlangung einer grössern Selbständigkeit bemerklich. Das von Bürgermeister Isbrand d'Aux 1588 geschmiedete Komplot zur Uebergabe der Stadt an Savoyen misslang ebenso, wie der 1723 von Major Davel geplante Versuch zur Befreiung seines Landes.
Mit Ausnahme dieser beiden Ereignisse blieb die Ruhe in Lausanne ungestört. Dagegen übte die Stadt während dieser Zeit eine weitherzige Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen verschiedener Herkunft, die hier ein Asyl vor Verfolgungen suchten und fanden. Die aus Frankreich, Savoyen und einigen Teilen Deutschlands vertriebenen Protestanten wurden mit gleicher Herzlichkeit aufgenommen wie später die Richter Karls I. von England. (Doch fand einer dieser letztern, Lisle, am auf der Place de Saint François seinen Tod durch unbekannte Mörderhand). Besonders nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes kamen Tausende von Flüchtlingen ins Land, von denen sich viele (wie z. B. die Mercier, Marcel, Francillon Campart, David etc.) in Lausanne häuslich niederliessen, zu einer Korporation zusammentaten und neue Industrien einführten, die von ihren Nachkommen heute noch mit Erfolg betrieben werden.
In litterarischer und künstlerischer Beziehung war zweifellos das 18. Jahrhundert die glänzendste und regsamste Periode des Lebens in Lausanne. Damals nahmen die Edelgeschlechter der Waadt ihren Wohnsitz in der Stadt, wo nun eine glänzende Gesellschaft sich die Pflege der Litteratur, Poesie, Musik, des Theaters etc. angelegen sein liess und die zu dieser Zeit von den landschaftlichen Reizen des Genfersees angezogenen hervorragenden Fremden in ihrer Mitte aufnahm. Es kamen: J. J. Rousseau, der sich hier als Musiklehrer betätigte und Konzerte veranstaltete;
Voltaire, der sich in Mont Riond niederliess und in Mon Repos seine Theaterstücke vor einem gewählten Kreis aufführen liess;
Edward Gibbon, der hier fünf Jahre lang (1753-1758) seinen Studien lebte und später wiederkehrte (1783-1793), um seine berühmte History of the decline and fall of the Roman Empire zu vollenden;
es kamen ferner Herr und Frau Necker, Frau von Genlis, Frau von Montolieu, der berühmte Arzt Tissot, dann Raynal, Mercier u. A. Später, im Zeitraum 1790-97, suchten über tausend Flüchtlinge aus Frankreich und Savoyen in Lausanne Schutz vor den Verfolgungen der Revolution und Schreckensherrschaft, so dass einmal ein Erzbischof, zwei Bischöfe, 160 Priester und andere Religiosen, ein Fürst, 7 Herzoge und Herzoginnen, 200 Grafen und andere Edelleute, 20 Offiziere, 100 Staatsbeamte und 200 geflüchtete Kaufleute und Handwerker in der Stadt sich aufhielten.
Eines Tages sah man auf dem Rathaus drei Herzoginnen aus dem Blechgeschirr essen. Die Bevölkerungszahl wuchs derart an, dass man eine Hungersnot befürchtete, was 1797 zur Vertreibung der Fremdlinge führte. Die französische Revolution hatte auch in Lausanne die Gemüter erregt. Nachdem man am in Les Jordils den Jahrestag der Erstürmung der Bastille durch ein Bankett gefeiert hatte, schritt Bern mit grosser Strenge ein, besetzte die Stadt militärisch, verhängte harte Strafen und nötigte die Behörden zu entehrenden Demütigungen.
Mit grosser Begeisterung wurde General Bonaparte empfangen, als er auf seiner Reise nach dem Rastatter Kongress am 23./24. Novembre 1797 in Lausanne übernachtete. Am brach endlich der Aufstand gegen Bern los, der aber durchaus friedlich verlief und sich darauf beschränkte, dass die in Lausanne versammelten Abgeordneten der Waadtländer Städte sich zu einer konstituierenden Versammlung (Assemblée provisoire) vereinigten und die Unabhängigkeit ihres Landes erklärten, dem sie den Namen der Lemanischen Republik beilegten. Am Gebäude des Cercle des Négociants (Place de la Palud) wurde die grüne Landesfahne ausgehängt, auf allen Plätzen erhoben sich Freiheitsbäume, und überall verschwand das Berner Bärenwappen.
Kurz nach diesen Ereignissen marschierten die französischen Truppen auf ihrem Zug nach Bern ins Waadtland ein, und alle Kirchen und Schulhäuser verwandelten sich in Kasernen. Dann wurde die Waadt als Kanton Leman ein Glied der einen und unteilbaren helvetischen ¶
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Republik. Während dieser Zeit sah Lausanne noch einmal den ersten Konsul Bonaparte in seinen Mauern, als er sich an die Spitze der über den Grossen St. Bernhard marschierenden Armee zu stellen im Begriffe war. Das Frühjahr 1802 zeichnete sich durch Volksbewegungen aus: Schaaren von Bauern, die sog. Papierverbrenner (Brûleurs de papier oder in der Mundart «Bourla papey»),
die die Wiederherstellung der alten Feudalrechte befürchteten, durchzogen das Land, plünderten überall die Archive der Städte und Schlösser und verbrannten die alten Urkunden. Vor Lausanne angekommen, zerstreuten sie sich. Bald darauf suchten die helvetischen Behörden ihre letzte Zuflucht in dieser Stadt, von wo aus sie den Widerstand gegen die neue Bundesregierung zu organisieren gedachten. Bei diesem Anlass wurde am für die katholischen Mitglieder des helvetischen Senates zum erstenmal wieder seit 1536 in der Kathedrale die Messe gefeiert.
Der durch die Mediationsakte geschaffene neue Kanton Waadt gab sich am zum erstenmal eine selbstgewählte Regierung, als deren Sitz die neue Kantonshauptstadt Lausanne bestimmt wurde. Am wählte die schweizerische Bundesversammlung die Stadt Lausanne auch zum Sitz des schweizerischen Bundesgerichtes. Seither ist die Stadt zusehends aufgeblüht und beträchtlich angewachsen.
Zur Zeit der Erstellung der Eisenbahnen drohte der Stadt die Gefahr, von diesem neuen Verkehrsmittel umgangen zu werden, so dass sich ihre Behörden zu grossen finanziellen Opfern genötigt sahen und sogar der kantonalen Regierung entgegentreten mussten, um die Linie Bern-Lausanne zu erlangen. Die die Entwicklung der Stadt hindernden Ringmauern und Türme sind seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts bis auf wenige Reste gefallen.
Verschiedenes; berühmte Männer.
Lausanne ist die Heimat oder der Aufenthaltsort einer grossen Zahl von bedeutenden Männern und Geschlechtern gewesen. Von Stadtbürgern seien neben vielen Andern folgende genannt: der Philosoph Allamand (1709-1784) und sein Bruder der Physiker Allamand (1713-1787);
das Geschlecht de Chandieu-Villars;
der Generalmajor Henri de Charrière (1715-1792), der Erzieher des Erbprinzen von Hessen-Kassel Salomon de Charrière (1724-1793) und der Historiker Pierre Marc Louis de Charrière (1795-1874);
das Geschlecht Clavel de Brenles;
das Geschlecht Constant de Rebecque mit dem Schriftsteller Benjamin Constant (1767-1830);
Frau von Charrière (1740-1805), die Verfasserin der Lettres écrites de Lausanne;
das Geschlecht de Crousaz mit dem Schriftsteller Jean Pierre de Crousaz (1663-1750);
der Historiker Abraham Ruchat (1678-1750);
der Astronom und Physiker Jean Philippe Loys de Cheseaux (1718-1751) und der Physiker und Nationalökonom Charles Louis Loys de Cheseaux (1730-1789);
der Arzt Auguste Tissot (1728-1797), Verfasser des Avis au peuple sur sa santé;
der Dekan Louis Auguste Curtat (1759-1832);
der Schriftsteller Deyverdun (1734-1789), Mitarbeiter von Gibbon;
der Pfarrer Louis Fabre (1797-1871);
das Geschlecht de Loys mit dem gelehrten Historiker Charles de Loys de Bochat (1695-1754);
der Chirurg Mathias Mayor (1775-1817);
die Schriftstellerin Isabelle de Montolieu (1751-1832);
der Schriftsteller Dekan Philippe Sirice Bridel (1757-1845) und der Naturforscher, Erzieher der Prinzen August und Friedrich von Sachsen-Koburg-Gotha und Privatsekretär des Grossherzogs Samuel Élie Bridel (1761-1828);
das Geschlecht Polier de Bottens;
der Dichter Jean Jacques Porchat (1800-1864);
der Rechtsgelehrte Charles Secrétan (1784-1858), der Rechtsgelehrte und Historiker Édouard Secrétan (1813-1870) und der Moralphilosoph Charles Secrétan (1815-1895);
der Arzt und Historiker Auguste Verdeil (1795-1856);
Alexander Vinet (1797-1847);
Eugène Rambert (1830-1886);
der hervorragende Physiker Louis Dufour (1832-1892);
der Geschichtschreiber der Reformation Aimé Louis Herminjard (1817-1900);
der Militärschriftsteller Ferdinand Lecomte (1826-1899);
die Schriftsteller und Dichter Henri Warnery (1859-1902) und Louis Favrat (1827-1893);
der Jurist und Politiker L. Ruchonnet (1834-1893), und noch viele Andere.
1756 wohnte Voltaire im Landhaus Mont Riond-Dapples (später ebenfalls Heim des berühmten Arztes Tissot) und im Haus Rue du Grand Chêne 6. Er liess seine neuen Tragödien oder, wie er sie zu nennen pflegte, die oiseaux du Léman auf einer kleinen Bühne im Landhaus Mon Repos in Villamont aufführen. Das einst dem Chorherrn Benoît de Pontareuse gehörende haus an der Place de la Madeleine, das nach der Reformation von der Stadt angekauft wurde und nun in Bälde abgetragen werden soll, diente den ersten reformierten Pfarrern von Lausanne vom Ex-Karmeliter Pierre Caroli (1536) bis J. P. L. Ricou (1838) als Amtswohnung. In diesem Haus, das auch von Viret 15 Jahre lang bewohnt wurde, fanden sich die drei Reformatoren Calvin, Viret und Farel oft zusammen.
Das Haus Forney (Rue de Bourg 16) war während des ganzen 18. und bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Namen des Lion d'Or ein berühmter Gasthof, wo alle bedeutenden Fremden abstiegen. Zu Ende des 18. Jahrhunderts hat auch das ehemalige Haus Steiner (an der Stelle des heutigen Cercle de Beau Séjour) eine gewisse Rolle gespielt: es war 1798 Hauptquartier des Generales Ménard und diente den Generalen Brune, Pouget und Bonaparte (1800) mit Murat und A. Marmont als Absteigequartier; in seinem Hof wurden am 40 den Bernern abgenommene Kanonen aufgefahren.
Berthier wohnte 1800 im haus Haller an der Rue de Bourg, das im Juin 1799 auch den General Suchet beherbergt hatte. Die der Reihe nach aus Aarau, Luzern und Bern vertriebene helvetische Regierung, die sich am nach Lausanne geflüchtet hatte, nahm ihren Wohnsitz in Beau Séjour. Das Landhaus La Chablière war im 18. Jahrhundert die Wohnung des Prinzen Ludwig von Württemberg, der hier eine grosse Anzahl von berühmten Ausländern empfing (vergl. darüber das illustrierte Werk des während des deutschfranzösischen Krieges als Botschafter der Vereinigten Staaten in Paris lebenden Generales Meredith Read: Historie studios in Vaud, Berne and Savoy. London 1897). Der in Ungnade gefallene Minister Necker fand Zuflucht im Schloss Beaulieu, wo ihm seine Frau Suzanne Curchod starb.
Während der Erhebung der Waadt haben im Januar 1798 auch das Haus Morin (Place de la Palud 21) und das Haus Bugnion (Rue du Grand Chêne 1) eine Rolle gespielt. 1815 bewohnten drei Brüder Napoleons das Landgut La Rosière. In der Auberge de l'Antre (heute Hôtel d'Angleterre) in Ouchy schrieb im Juni 1816 der hier durch einen Sturm zwei Tage lang aufgehaltene Lord Byron seinen Gefangenen von Chillon. Der berühmte englische Schauspieler Kemble, dessen Standbild in der Westminster-Abtei zu London steht, starb 1823 im Landhaus Beau Site (Strasse nach Vevey). Im Landhaus La Rosière wohnte und starb 1832 die Königin Katharina von Westfalen, Gemahlin von Jérôme Bonaparte. Auch dieser letztere selbst hielt sich mehrere Jahre in Lausanne (Beau Séjour) auf.
Im Mittelalter kehrten alle über den Grossen St. Bernhard nach Italien ziehenden deutschen Kaiser und alle auf demselben Weg nach Frankreich oder Deutschland reisenden Päpste in Lausanne ein. Ob Dante die Stadt besucht habe, ist noch umstritten. Dagegen hatte Lausanne die Ehre, eine grosse Reihe anderer berühmter Gäste in seinen Mauern zu sehen. Es genüge, folgende Namen aufzuführen: Benvenuto Cellini, Theodor von Beza, Rousseau, Voltaire, Gibbon, Chevalier de Boufflers, Goethe, Haller, Necker, Joseph und Xavier de Maistre, Fürst zu Lippe, Markgraf von Baden, Kaiser Joseph II., Fox, Benjamin Constant, Bonaparte und die Generale der nach Italien bestimmten Armee, Chateaubriand, Lamartine, Frau von Staël, Byron, Adam Mickiewicz (der grosse polnische Dichter), Sainte Beuve, der amerikanische Erzähler Fenimore Cooper (der sich besonders an der Aussicht vom Signal begeisterte), Charles Dickens (der sich besonders für die Blindenanstalt interessierte), Königin Amalie, Prinzessin von Orléans, Prinz von Condé, Herzog von Aumale, Gambetta, Thiers, Victor Hugo, Ruskin, der Prinz von Wales (jetzt König Eduard VII. von England), Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, Herzog Philipp von Orléans. In Lausanne haben studiert der ehemalige und der jetzige deutsche Reichskanzler Fürst Hohenlohe und Graf von Bülow.
Epidemien, Feuersbrünste, Ueberschwemmungen etc.
Die im Mittelalter so oft auftretende Pest oder der «Schwarze Tod» hat Lausanne häufig und zuletzt noch ¶