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und diente hauptsächlich den Armen. Daneben bestanden noch der kleine Hôpital de Saint Jean und die Infirmerie de la Madeleine, die 1443 zum Hôpital de Saint Roch erweitert wurde. Der Hôpital de Saint Jean l'Évangéliste gehörte ursprünglich dem Kapitel Lausanne, kam 1228 an das Kloster auf dem Grossen St. Bernhard und wurde 1603 um den Preis von 450 Dukaten Eigentum der Stadt. Er stand in der Unterstadt. Kurze Zeit vor der Reformation (1528) übernahm der Rat von Lausanne gegen den Willen des Bischofs die Oberaufsicht über den Hauptspital (und seine Einkünfte), den die Stadt auf Anraten des Arztes Tissot abtragen und 1766 durch einen nach den Plänen des Architekten Rudolf de Crousaz-de Mézery ausgeführten Neubau ersetzen liess.
Der 1803 neu gegründete und der Eidgenossenschaft angegliederte Kanton Waadt wollte neben andern Reformen auch das Spitalwesen ordnen und kaufte 1806 zu diesem Zweck der Gemeinde Lausanne ihren Spital ab. Zunächst wurden nun im selben Gebäude die Kranken, Irrsinnigen, Sträflinge und jugendlichen Verbrecher untergebracht, sodass zu jener Zeit ein Aufenthalt im Spital als Schmach galt und im Volk auch lange Zeit nachher noch als solche empfunden wurde. 1810 kam dann endgiltige Ordnung in die kantonalen Spitalverhältnisse, indem an der Rue de la Mercerie in Lausanne der Kantonsspital mit 100 Krankenbetten, auf dem Champ de l'Air (im Gebäude des heutigen landwirtschaftlichen Institutes) eine Irrenanstalt für 40 Insassen und eine Versorgungsanstalt für 30 Unheilbare geschaffen wurden. 1827 führte man die Sträflinge in die jetzige Strafanstalt und 1847 die Knabenkorrektionsanstalt nach Les Croisettes über, während die Besserungsanstalt für Mädchen bis 1869 im Spital verblieb. Da der Sanitätsrat von 1868 an den Bau eines grösseren und günstiger gelegenen Spitales verlangte, beschloss der Grosse Rat 1874, auf einem dem Staat gehörenden Grundstück am Calvaire einen neuen Spital mit 200 Krankenbetten und 4 Isolierpavillons errichten zu lassen, der mehr als 2 Millionen Fr. kostete und 1883 eingeweiht wurde. Er zählt heute 470 Krankenbetten (407 im Hauptgebäude und 63 in den Nebengebäuden) und bietet jedem Kranken 30-40 m3 Luft.
Mit ihm vereinigt sind die Frauenklinik und eine Hebammenschule. Jene ist 1874 im einstigen Lazaret für ansteckende Krankheiten zu Montmeillan eingerichtet und 1883 in einen der Pavillons (Einrichtung nach System Tarnier, das jeden Frauensaal für sich isoliert) am Calvaire übergeführt worden. Da der Raum allmählig zu klein geworden, wird gegenwärtig ein Neubau für die Frauenklinik geplant. Den Bedürfnissen der Studierenden und angehenden Hebammen dient eine Poliklinik, die vom Professor für Geburtshilfe und Frauenkrankheiten an der Universität und einer in der Frauenklinik wohnenden Hebamme geleitet wird.
Im 16. Jahrhundert wirkte in Lausanne der geniale Chirurg Franco, dessen Erfolge in der Augenheilkunde zahlreiche Kranke aus allen Ländern anzogen. Dieser gute Ruf hielt auch unter Fabrice de Hilden noch im 17. Jahrhundert vor, während im 18. Jahrhundert der Rat von Bern an alle Gemeinden der Waadt die Einladung richtete, ihre Augenkranken nach Bern zu senden. Erst als 1840 Dr. Recordon zusammen mit seiner Frau in seiner Wohnung eine ophthalmologische Gratisklinik einrichtete, erlangte Lausanne seinen Ruhm als Heilort für Augenkranke wieder.
Diese Klinik ist der erste Ausgangspunkt für die Blindenanstalt geworden, deren Gründung der Grossmut von W. Haldimand und Fräulein de Cerjat zu verdanken ist und die 1844 eröffnet wurde. Sie nimmt sowohl Augenkranke als blinde Kinder auf, lässt diesen eine besondere Erziehung und Schulung angedeihen und besorgt ihnen zugleich passende Arbeit. 1855 richtete man in der Anstalt, deren Ruf schon weithin gedrungen war, eine Werkstätte ein, an deren Kosten W. Haldimand 75000 Fr. beisteuerte, und 1873 konnte sie einen Neubau beziehen.
Die einzig auf Schenkungen und Legate angewiesene Anstalt umfasst heute 1) eine Erziehungsanstalt für blinde Kinder beider Geschlechter im Alter von 5-18 Jahren;
2) einen Augenspital mit 45 Krankenbetten;
3) eine Korb- und Bürstenmacherwerkstätte, in der solche Blinde beschäftigt werden, die nach dem Austritt aus der Anstalt keine regelmässige oder passende Arbeit finden oder deren Lehrzeit noch nicht vorüber ist, ferner alle übrigen männlichen Blinden, die sich zum Erlernen eines Handwerkes eignen;
4) das sog. Asile Recordon als Heimstätte und Arbeitssaal für ehemalige Zöglinge der Anstalt. Wenn die Umstände es erlauben, können in der Anstalt auch solche Blinde Aufnahme erhalten, die ihr Augenlicht erst in späterem Alter verloren haben und nun ein Handwerk lernen wollen. In der Anstalt befindet sich ferner eine kleine Buchdruckerei nach System Braille, die bisher eine Bibel und verschiedene Lehrbücher für die blinde Jugend gedruckt hat. Im Augenspital werden jährlich 500-600 Kranke verpflegt und 2500-3000 öffentliche Gratiskonsultationen erteilt. Die Anstalt, die seit ihrer Gründung 376 ¶
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Kinder erzogen und unterrichtet hat, zählte 1901 27 Zöglinge beider Geschlechter. Ihre Werkstätten haben bis 1900 143 Blinde kostenlos in einem Handwerk ausgebildet.
Lausanne besitzt im Moulin Creux (Thal des Flon) ein Gemeindelazaret (mit 23 Betten) für ansteckende Krankheiten. Der einer Aktiengesellschaft gehörende katholische Spital der Dreifaltigkeit (Trinité) in Bois Cerf (Strasse nach Ouchy) ist 1903 vergrössert (über 100 Krankenbetten) und mit den modernsten Einrichtungen versehen worden. Den Pflegerdienst besorgen Schwestern vom Orden der Dreifaltigkeit. 1876 gründete Dr. Henri Martin im Verein mit einigen Freunden in Lausanne das orthopädische Institut der romanischen Schweiz (Hospice orthopédique de la Suisse romande), das Kinder unter 12 Jahren aufnimmt und sich aus freiwilligen Gaben erhält.
Der 1861 durch Privatinitiative gegründete und seit 1865 in einem eigenen Gebäude untergebrachte Kinderspital (Hospice de l'enfance) mit 30 Krankenbetten ist im Besonderen zur Aufnahme armer oder wenig bemittelter Kinder im Alter von 2-12 Jahren bestimmt, die von nicht ansteckenden, heilbaren Krankheiten befallen sind; daneben werden regelmässig auch Arzneien nach Hause abgegeben. Diese Anstalt ist ebenfalls auf freiwillige Liebesgaben angewiesen. Die Universitätspoliklinik, die 1892 an die Stelle der Lausanner Gemeindeapotheke (dispensaire communal) getreten ist und 1904 in der Solitude einen prachtvollen Neubau bezogen hat, erteilt kostenlos allgemeine und spezielle Konsultationen (Augen-, Frauen-, Zahnkrankheiten), gibt Arzneien gratis ab und dient zugleich den Unterrichtszwecken der medizinischen Fakultät. Die Aerzte der Poliklinik machen auch Besuche bei Kranken zu Hause. Die Kosten dieses Institutes, das jährlich von 5000-8000 Patienten in Anspruch genommen wird, werden vom Staat getragen (jährlicher Beitrag der Stadt Lausanne: 2400 Fr.); an seinen Neubau hat die Stadt 1899 eine Summe von 200000 Fr. beigetragen.
An dieser Stelle erwähnen wir noch eine von F. Naef 1884 gegründete Stiftung, die bedürftige Kranke in Lausanne und im übrigen Kanton mit bequemen Krankenstühlen versorgt (Œuvre des fauteuils pour malades), und die von der Source unabhängige evangelische Pflegerinnenschule, eine von Agénor de Gasparin und Frau 1859 gegründete und mit den nötigen Mitteln ausgestattete Anstalt. Die Krankenpflege in der Familie besorgen ausserdem die der deutschen Methodistenkirche angehörenden Bethanienschwestern, deren Haus in Lausanne sich in Saint Roch befindet. Neben den staatlichen und sonstigen öffentlichen Krankenanstalten bestehen in Lausanne noch zahlreiche Privatkliniken. Etwa 60 Aerzte und Chirurgen, 24 Zahnärzte und mehr als 60 Krankenschwestern. Die Gemeinde Lausanne hat Friedhöfe in Montoie (648 Aren), La Sallaz, La Pontaise, Vers chez les Blancs und Montherond, wozu noch ein israelitischer Friedhof kommt.
Gefängniswesen.
Als die Bischöfe von Lausanne im Lauf des 15. Jahrhunderts ins Schloss (dem heutigen Sitz der Kantonsregierung) übersiedelten, richteten sie einen Teil ihres ehemaligen Sitzes des Évêché, als Gefängnis ein, in dem lange Zeit Sträflinge aller Art untergebracht wurden. Heute befinden sich hier nur noch die Zellen für die Untersuchungsgefangenen und die zu kurzer Haft (bis zu 3 Monaten) Verurteilten. Der Évêché war bei der grossen Feuersbrunst von 1235 teilweise zerstört, später aber wieder aufgebaut worden.
Nachdem man 1707 einen grossen Teil des Gebäudes abgetragen hatte, um für die Anlage der Terrasse vor der Kathedrale Platz zu gewinnen, erbaute man 1823 an derselben Stelle ein viereckiges Gefängnis, in dem zugleich bis 1837 eine Schule hauste, deren Räume nachher zum Gerichtssaal umgewandelt wurden. Dieser Bau enthielt zunächst nur 32 Zellen und war für 50-80 Insassen berechnet. 1880-83 erstellte man den jetzigen Sitzungssaal des Bezirksgerichtes Lausanne und richtete in den erhalten gebliebenen Räumen des alten Évêché 22 weitere Zellen ein. Nach mehr als 20 jährigen Vorstudien beschloss man endlich 1901 den Bau eines neuen Bezirksgefängnisses mit 77 Zellen, das gegenwärtig im Bois Mermet bei La Pontaise erstellt wird und für welches ein Kredit von 518000 Fr. zur Verfügung steht.
Die kantonale Strafanstalt steht in Villamont an der Strasse nach Chailly. Zur Zeit der Berner Oberhoheit waren die Waadtländer Sträflinge jeweilen ins Schallenwerk zu Bern abgeführt worden. Kurz nach der Konstituierung des Waadtlandes zum selbständigen Kanton richtete man das dritte Stockwerk des 1776 erbauten Spitales zur Strafanstalt ein. Dieser Zustand hatte indes mancherlei Widerwärtigkeiten zur Folge, so dass man sich schon seit 1806 mit der Frage einer neuen Strafanstalt beschäftigte.
Nachdem die finanziellen Schwierigkeiten beseitigt waren, ging man 1822 an die Erstellung des Neubaues, in den dann 1826 die 82 Kriminalsträflinge und Insassen der Korrektionsanstalt übergeführt wurden. Der Bau kostete im Ganzen die Summe von 348000 alten Franken oder 512000 Franken nach dem heutigen Geldwert. 1853 fügte man der Anstalt ein eigenes Weiberhaus bei. Die Sträflinge sind zum Schweigen verpflichtet und werden mit verschiedenen Handwerken (Spinnen, Weben, Schuhmacherei, Schreinerei, Schneiderei, Buchbinderei, Schmiedearbeit, Korb- und Pantoffelmacherei etc.) beschäftigt, wofür ihnen ein bescheidener Lohnanteil gutgeschrieben wird.
Heute entspricht die kantonale Waadtländer Strafanstalt, die während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Muster ihrer Art galt, den modernen Ansprüchen nicht mehr. Ihre Zellen sind zu klein und nicht heizbar, so dass in ihnen nicht gearbeitet werden kann und das heute allgemein geltende Prinzip der absoluten Isolierung der Gefangenen auf beliebig lange Zeit nur des Nachts verwirklicht werden kann. Die Ueberwachung ist ausserordentlich schwierig durchzuführen, und die Arbeit in gemeinsamen Sälen führt zu unangenehmen Verständigungsversuchen der Gefangenen. Es hat sich aus diesen und andern Gründen der Bau einer neuen kantonalen Strafanstalt als unabweisbar gezeigt, so dass man sich gegenwärtig ernstlich mit Projektstudien beschäftigt und die wirkliche Ausführung nur noch von finanziellen Rücksichten abhängt. 1827 hat man auch zwei Korrektionsanstalten eingerichtet, die eine für Knaben in Les Croisettes über Lausanne (27-41 Insassen) und die andere für Mädchen in Chailly (Ende 1896 aufgehoben). Juni 1825 entstand das Zentralgefängnis für Häftlinge, die ¶