Von Bedeutung sind auch Industrie und Kleingewerbe. Erstere beschäftigt 1275 Arbeiter und 177 Handlanger, wovon 460 in den
Schuhwarenfabriken von Egelshofen, Kreuzlingen und Gaisberg tätig sind. Die Stickerei unterhält 332 Handmaschinen und 11 Schifflimaschinen;
sie ist zum Teil Hausindustrie, beschäftigt 632 Arbeiter und 107 Hilfsarbeiter und wird besonders in den Gemeinden
Illighausen, Langrickenbach, Alterswilen und Altnau betrieben. Kreuzlingen hat Weberei, Güttingen Färberei, Emmishofen und Gottlieben
Rosshaarspinnerei. In Emmishofen eine grosse Ziegelei; Fischerei in Ermatingen, Gottlieben und Landschlacht.
Rege Handelsbeziehungen mit Konstanz. Eine ganz besondere Stellung nimmt das sog. Tägermoos ein, eine unmittelbar w. vor der
Stadt Konstanz gelegene weite Fläche von Gemüsegärten und Wiesen, indem hier auf Thurgauer Boden die
Konstanzer Behörden die polizeilichen Funktionen ausüben und die Verpflichtungen der Grundeigentümer nach Thurgauer Gesetzen
und unter Aufsicht des Kantons regeln, wofür sie diesem eine Grundsteuer zu entrichten haben. Den Bezirk bedienen die Linie
Schaffhausen-Konstanz-Romanshorn, die Dampfbootstationen Ermatingen und Gottlieben und die Postwagenkurse
Kreuzlingen-Bürglen, Langrickenbach-Bürglen und Neuwilen-Märstetten. Es wird der Bau einer Sekundärbahn Konstanz-Weinfelden-Wil
geplant. Drei kantonale Anstalten: Lehrerseminar in Kreuzlingen, Irrenheilanstalt und Kantonsspital in Münsterlingen.
(Kt. Thurgau,
Bez. Kreuzlingen). 404-430 m. Gem. und blühendes Pfarrdorf, Hauptort des gleichnamigen Bezirkes; am
linken Ufer des Bodensees, s. und sö. Konstanz, mit welcher Stadt es durch eine fortlaufende Reihe von
Häusern unmittelbar zusammenhängt. Station Kreuzlingen der Linie Rorschach-Romanshorn-Konstanz und Station Emmishofen-Kreuzlingen
der Linie Konstanz-Etzwilen-Schaffhausen. Postbureau, Telegraph, Telephon; Zollamt; Postwagen Kreuzlingen-Bürglen.
Munizipalgemeinde, zusammen mit Kurzrickenbach und Egelshofen: 872 Häuser, 4788 Ew.;
Dorf Kreuzlingen: 483 Häuser, 2207 Ew. Katholische Kirchgemeinde;
die Reformierten sind in Egelshofen
eingepfarrt.
Lebhafter Handelsort. Filialen der Thurgauer Hypothekenbank und der Kantonalbank. Sitz des Bezirksgerichtes,
Möbel-, Seifen- und Kerzenfabrik, Fabrik für Kassenschränke; eine Segel-, Zelt- und Sacktuchweberei; Zementwaren- und Strickwarenfabrik,
Vorhang- und Stickereigeschäfte, Trikotfabrikation, Zuckerwarenfabrik, lithographische Anstalt, Kartonnagefabrikation. Eine
Mühle, 2 Buchdruckereien und 1 Bierbrauerei. 4 Weinhandlungen. Eine Anzahl der Bewohner arbeitet
in den Schuhwarenfabriken von Egelshofen und Gaisberg.
Gasthöfe. Handelsgärtnereien. Fabrik für Elektrotechnik und Beleuchtungsanlagen. Sehr reges gesellschaftliches Leben: Verschönerungsverein,
Genossenschaft für Wasserversorgung, landwirtschaftlicher Bezirksverein, Konsumgesellschaft, Stenographenverein, allgemeine
Krankenunterstützungskasse. Das 500-800 m vom Seeufer entfernte Dorf besteht in der Hauptsache aus einer von
schönen Bauten und schmucken Villen begleiteten Strasse, die auf eine Länge von 2 km N.-S.-O. zieht und in ihrer Art im
ganzen Kanton ohne Gegenstück ist.
Aussicht auf den See, die Stadt Konstanz und das malerische deutsche Ufer mit Loretto, Heiligenberg, Meersburg, Friedrichshafen
etc. Die Umgebung der Häuser bildet einen einzigen Garten, da und dort unterbrochen von einigen Weinbergen,
die allmählig immer neuen Häusern weichen müssen. Besonders bemerkenswert das grosse Gebäude des ehemaligen Klosters, in
dem jetzt das
kantonale Lehrerseminar untergebracht ist. Daneben die katholische Pfarrkirche mit dem berühmten Meisterwerk
der Leidensgeschichte, dem sog. Oelberg, der aus 2000 aus Holz geschnitzten Figuren von je 30 cm Höhe
besteht und an dem der Künstler, ein Tiroler, 18 Jahre lang arbeitete; ausserdem schöne Fresken und ein grosses Chorgitter
in Kunstschmiedearbeit.
Zwei prachtvolle Primarschulhäuser; 3 Sekundarschulabteilungen und eine Gewerbeschule. Am See eine Badeanstalt. Kreuzlingen
wird mit Vorliebe von Privaten als Ruhesitz gewählt. Grosse Heilanstalt für Nerven- und Geisteskranke,
von Dr. L. Binswanger 1857 gegründet; sie erfreut sich eines europäischen Rufes und zählt im Durchschnitt 50-60 Pensionäre
(meist Deutsche, Russen und Oesterreicher). 18 Villen. Das Dorf steht auf einer alten Moräne des einstigen Rheingletschers.
Der Ausblick auf den von Schiffen aller Art stark belebten See ist ausserordentlich reizend, besonders
am Abend, wenn er in allen möglichen Farbentönen prangt.
Kreuzlingen verdankt seine Gründung dem h. Konrad I., der 943-975 Bischof von Konstanz war und sich besonders durch seine
Fürsorge für die Armen auszeichnete. Nach der Rückkehr von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem stiftete er 968 in Stadelhofen,
einem Vorort des damaligen Konstanz, ein Asyl für Arme, Kranke und Pilger und beschenkte dieses Haus mit einem von ihm aus
Jerusalem heimgebrachten Splitter des heiligen Kreuzes. Daher erhielt das Hospiz den Namen Crucelin (woher Kreuzlingen). Es
wurde dem Orden der Augustiner zugeteilt.
Ums Jahr 1084 verlegte Bischof Gebhard III. das damit verbundene Nonnenkloster nach Münsterlingen. Bischof
Ulrich I. (ein Graf von Kiburg; 1111-1127) wandelte das Hospiz in ein Augustiner Chorherrenstift um, vergrösserte es, gab ihm
den Rang einer Abtei und stattete es mit dem Grundbesitz und den Gefällen von Hörnli, Buchackern, Rickenbach und Trüllikon
aus. Weitere Vergabungen machten Herzog Heinrich von Baiern (Welf VI., 1160), Herzog Friedrich von Schwaben,
Walter von Tägerfeld, die Grafen von Altorf und andere Herren. So kam das Kloster schliesslich zu grossem Reichtum; es besass
Güter, Höfe und Gefälle in Murkart, Aawangen, Dingenhard, Güttingen, und - am gegenüberliegenden Seeufer - in Hittenhausen,
Rankweil, Sasbach, Hirschlatt.
Zur Zeit des Konziles von Konstanz (1414-1418) übernachtete Papst Johann XXIII. am im Kloster Kreuzlingen, um
am folgenden Tag mit einer Eskorte von 600 Reitern seinen feierlichen Einzug in Konstanz zu halten. Er schenkte bei diesem
Anlass dem Abt eine silbervergoldete und mit Perlen besetzte Mitra, die heute im Museum zu Frauenfeld aufbewahrt
wird. Im Schwabenkrieg wurden Turm und Kirche des Klosters 1499 von den schwäbischen Bundesvölkern verwüstet und zerstört;
diese mussten dann nach Beendigung des Krieges auf Verlangen der Eidgenossen das Kloster wieder neu aufbauen.
Als die Schweden im 30jährigen Krieg 1633 die Stadt Konstanz belagerten, bemächtigten sie sich des
Klosters und beschossen von da aus die Stadt, worauf die Konstanzer Bürger nach dem Abzug der Schweden dieses niederbrannten
(2. Oktober). Das 1653 neu aufgebaute Kloster wurde 1 km weiter nach SO. verlegt, steht heute noch und beherbergt jetzt das kantonale
Lehrerseminar. Zu gleicher Zeit verlegten die Mönche ihren Seehafen, der ihnen wegen ihrer Beziehungen
zur Herrschaft Hirschlatt unentbehrlich war, weiter nach O. zum Hörnli, was in der Folge zu zahlreichen Reibereien zwischen den
Bewohnern von Konstanz einer- und Kreuzlingen und den Eidgenossen andererseits führte. Konstanz erhob den Anspruch auf die
Oberherrlichkeit über
mehr
den ganzen See, und da es von dem neuen Hafen an dem innerhalb seiner Gerichtsbarkeit gelegenen Hörnli für seinen Handel fürchtete,
verbot es den grossen Lastschiffen, hier zu landen, zerstörte die neu errichteten Landungspfähle und konfiszierte Boote
und Waaren. Daraufhin beschloss die eidgenössische Tagsatzung, dass die Grenze der Mitte des Sees zu
folgen habe und die Ansprüche der Konstanzer ungerechtfertigt seien, worauf 1756 unter militärischem Schutz eine neue Landungsbrücke
erbaut wurde. 1849 ging durch Kreuzlingen die Flut der badischen Flüchtlinge, die in der Schweiz Schutz suchten.
Seit 1833 ist der Ort Sitz des kantonalen Thurgauer Lehrerseminars. Diese Anstalt war zuerst in einem kleinen
Schloss am See, im sog: Hörnli, untergebracht und zählte nur 23 Schüler. Als erster Direktor wurde Armenerzieher J. J. Wehrli
in Hofwil berufen. Die 1835 von Wehrli hier gegründete landwirtschaftliche Privatschule kam seit 1841 in die Klostergebäulichkeiten.
Hierher wurde dann nach der Aufhebung des Klosters 1848 auch das Seminar verlegt, das jetzt durchschnittlich 80 Zöglinge
und 7 Lehrer zählt; 1854-1897 stand ihm als Direktor Ulrich Rebsamen aus Turbenthal vor.
Im Kloster sind bemerkenswert der altertümliche Examensaal und Wandmalereien. Die Klosterkirche war ursprünglich Pfarrkirche
für die Ortschaften Kreuzlingen, Egelshofen, Kurzrickenbach und Stadelhofen. Der 1529 hier eingerichtete reformierte Gottesdienst
wurde schon 1532 (nach der Schlacht bei Kappe!) wieder unterdrückt, worauf die Tagsatzung die Reformierten von ihren Rechten auf
die Klosterkirche ausschloss, ihnen dafür die Kapelle zu Kurzrickenbach zuwies und zugleich die Abtei zur Entrichtung von 300 Gulden
an die Besoldung des reformierten Pfarrers verpflichtete. 1620 errichtete die Abtei in Egelshofen einen
Friedhof für die Reformierten. Kreuzlingen ward 1869 Bezirkshauptort und 1871 Eisenbahnstation. Vor der Villa Seeburg hat
man einen bedeutenden Pfahlbau aus der neolithischen Zeit entdeckt; Flachgräber aus der La Tène Zeit und Alemannengräber.
Vergl. Kuhn, K. Geschichte der thurg. Klöster. Frauenfeld 1876. - Kuhn. K. Geschichte derthurg. kathol.kirchlichen Stiftungen. Frauenfeld 1869. - Führer durch Konstanz und Umgebung; hrsg. vom Verkehrsverein von Konstanz. - Rebsamen,
J. U. Festschrift für das 50 jähr. Jubiläum des Lehrerseminars Kreuzlingen. Frauenfeld 1883. - Binswanger, Rob. Die Kuranstalt
Bellevue. 1903.