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Lokalbahn des Val de Travers, von Travers nach Fleurier, Saint Sulpice und Buttes;
La Chaux de Fonds-La Sagne-Les Ponts;
La Chaux de Fonds-Saignelégier;
Pruntrut-Bonfol, wird in den Elsass fortgesetzt;
Oensingen-Balsthal etc.
Dieses ganze Bahnnetz dient in erster Linie den Bedürfnissen der Industrie, trägt aber auch viel dazu bei, dass die eigenartigen landschaftlichen Schönheiten und klimatischen Vorzüge des Juragebirges in immer grössern Kreisen bekannt werden. Damit hängt nun wieder die Entstehung einer Reihe von Gasthöfen, Kurhäusern und Sommerfrischen zusammen. Im Sommer ist ein Ferienaufenthalt im Jura, besonders in der Nähe der grossen Tannenwaldungen, sehr gesund und angenehm.
Erdbeerkuren gegen Entzündungen. Kurorte: Boujailles und Gilley, auf dem Plateau von Pontarlier;
in der Schweiz Ballaigues (870 m), Saint Cergues (1045 m), Arzier (848 m), Marchissy (825 m), Gimel (736 m), Vaulion (939 m), Sainte Croix (1097 m), Les Rasses (1183 m).
Le Pont im Jouxthal (1020 m), Chaumont (1175 m), Magglingen oder Macolin (900 m), Leubringen oder Évilard (700 m), Kurhaus Weissenstein (1290 m), Hotel Balmberg (1060 m), Hotel Friedau (665 m) etc. Im frühen Frühjahr und Spätherbst, zu welcher Zeit das Klima des Hochjura wenig Anziehendes hat, kommen als angenehme Uebergangsstationen in Betracht Yverdon, Neuenburg, Biel, Münster, Solothurn, Olten, Aarau. Sehr stark besucht werden die das ganze Jahr geöffneten Bäder von Schinznach und Baden.
Der Winter ist im Hochjura sehr schön: blendend weisse Schneedecke, heller Sonnenschein, prachtvolle Aussicht von den Pässen und Kämmen auf das das Mittelland überwogende Nebelmeer und die dahinter in hehrer Majestät aufragenden weissen Ketten der Alpen. Oft werden Schlittenpartien von einem That ins andere hinüber ausgeführt, und zahlreich sind in neuerer Zeit die Skifahrer, die an den durch die topographischen Verhältnisse bedingten sanften Gehängen ihre Kunstfertigkeit zu vervollkommnen suchen.
Geistiges und soziales Leben, Volkscharakter, Sprache und Konfession.
Der Satz, dass Boden und Klima einer Gegend auf die physische und geistige Eigenart ihrer Bewohner von einem gewissen Einfluss sind, findet im Juragebirge eine vorzügliche Bestätigung. Obwohl im Jura an verschiedenen Stellen romanische und germanische Volkselemente räumlich von einander getrennt sich angesiedelt oder auch, wie namentlich in den industriellen Ortschaften, mit einander vermischt haben, kann doch mit Sicherheit von einem speziell jurassischen Volkscharakter und -typus gesprochen werden.
Dies ist aber nicht so zu verstehen, als ob der Charakter der Jurassier überall und durchweg ein gleichförmiger sei. Gleich wie das landschaftliche Bild im Juragebirge an verschiedenen Stellen wieder ein anderes Gepräge hat, so bestehen auch von einem Ende der Kette zum andern beträchtliche Unterschiede in der Bevölkerung: die Bewohner des Aargauer Jura sind anders geartet als die heterogenen Volkselemente des Berner Jura, diese wieder anders als die industriellen Bewohner der Neuenburger Bergregion und diese wieder anders als der Weinbauer am Jurafuss oder der Bewohner des Jouxthales.
Der Jurassier ist von mittlerer Körperlänge (grösser im Weinbaubezirk als im Innern des Gebirges) und mehr nervig als muskulös; er ist zäh und ausdauernd, im nüchternen Zustande meist friedliebend, berechnend und bedachtsam, ein Freund der Ordnung und Ruhe; er begeistert sich nicht stark für das Schöne und Grosse, ist meist kein Träumer und eher konservativ als zu gewagten Unternehmungen geneigt. Der Welschjurassier darf als Gallier mit germanischer Kultur angesprochen werden.
Der Bewohner des deutschschweizerischen Jura ist noch schwerfälliger und dazu sehr alltäglich gesinnt und auf seinen Vorteil bedacht; er ist stolz, hat Liebe und Sinn für militärisches Leben und ist mit seinen heimischen Bergen innig verwachsen. In den Solothurner und Aargauer Thälern sieht man vielfach Typen von aussergewöhnlicher Körperkraft. Eine besondere Gruppe für sich bilden die Ajoulots, d. h. die Bewohner der Ajoie, Nachbarn der Elsässer und Burgunder der Freigrafschaft; sie pflegen noch ihre alten Gebräuche, halten sich gern bei Seite und sind gegen Fremde vorsichtig und misstrauisch.
Aehnliche Züge zeigen die ebenfalls an die Freigrafschaft angrenzenden Bewohner des Waadtländer Jura. Anders die reinen Neuenburger mit ihrem lebhaften gallischen Charakter, die dem Unbekannten gegenüber anfangs zwar auch zurückhaltend und etwas kühl sein können. Während der Neuenburger Weinbauer seine Ruhe liebt und gerne zu Hause bleibt, ist der «Montagnard» unternehmend, lebhaft und tätig. Im rauhen Klima des Juragebirges findet man seltener schöne Frauentypen als in klimatisch günstiger gestellten Gegenden. Zu grosse Fruchtbarkeit, die harten Feldarbeiten, der Fabrikdienst und eine Menge anderer Beschäftigungen und Sorgen - Alles das wirkt zusammen, um die jurassische Frau vor der Zeit verwelken zu lassen. Man kann auch noch betonen, dass die zu sehr einseitig pflanzliche Nahrung der romanischen Volkselemente dem Körper nicht diejenige Kraft, Gesundheit und Widerstandsfähigkeit zu verleihen vermag, wie dies die abwechslungsreicheren und gesünderen Milch- und Fleischspeisen der Aelpler und Südländer tun.
Die Bevölkerung des Schweizer Jura ist ihrer Konfessionalität nach stark gemischt und kann im ganzen genommen ebensogut als katholisch wie als reformiert bezeichnet werden. Der Waadtländer und Neuenburger Jura ist reformiert, mit Ausnahme des dem alten Glauben treu gebliebenen Gebietes um Le Landeron (mit Cressier, Enges und Combes), der erst 1814 von der Freigrafschaft losgelösten Gemeinde Le Cerneux-Péquignot und der von eingewanderten Katholiken in den verschiedenen Städten begründeten eigenen Pfarreien.
Der Berner Jura teilt sich in zwei beinahe gleiche Hälften: die südlichen Bezirke von Biel bis Münster (mit dem St. Immerthal oder der Landschaft Erguel, Neuenstadt und dem Tessenberg oder Montagne de Diesse) sind reformiert, während die nördlichen Bezirke (Freiberge, Pruntrut, Delsberg, das deutschsprechende Laufen und ein Teil von Münster) katholisch sind. Dazu kommen da und dort noch freie kirchliche Gemeinschaften, die erst seit wenigen Jahren zu entstehen begonnen haben. Die konfessionelle Spaltung des Amtsbezirkes Münster datiert von dem 1711 zwischen dem Staat Bern und dem damaligen Fürstbischof von Basel, Johann Konrad von Reinach, abgeschlossenen sog. Aarberger Vertrag. Ganz katholisch ist der Solothurner Jura, ¶
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während Basel Land zur Mehrheit reformiert und der Aargau gemischt sind. Die zwei Gemeinden Lengnau u. Endingen (im Aargauer Jura nw. von Baden) haben einen starken Prozentsatz von Israeliten; jüdische Religionsgemeinschaften finden sich zudem auch in den meisten der jurassischen Industrieorte und Städte. Wir haben früher schon den Verlauf der Sprachgrenze zwischen deutschem und französischem Jura verfolgt und dabei auch gezeigt, welche Veränderungen sie im Verlauf des 19. Jahrhunderts erlitten hat.
Die welschen oder romanischen Mundarten verschwinden zur Zeit allmählig; sowohl im Waadtländer wie im Neuenburger Jura wird jetzt gut französisch gesprochen, wie dies von der Schule und Kirche, den Zeitungen und Büchern gelehrt wird. Die an einigen Orten noch übliche wenig wohlklingende Aussprache wird von allen Seiten her bekämpft und wandelt sich trotz der zunehmenden Einwanderung von Deutschschweizern ebenfalls langsam zum Bessern. Mehr als ein Drittel der Einwohner des Kantons Neuenburg ist deutschschweizerischer Herkunft; dasselbe gilt für die Landschaft Erguel (St. Immerthal).
Umgekehrt besteht etwa ein Drittel der Bewohner der deutschen Stadt Biel aus zugewanderten Welschen aus dem Neuenburger und Berner Jura (meistens Industrielle und Fabrikarbeiter). In Münster, dem Val de Tavannes und Tramelan wird zwar französisch gesprochen, doch ist hier die industrielle Bevölkerung stark mit Deutschbernern, -solothurnern etc. vermischt. Die Bewohner der Freiberge sind heute zum weitaus grössern Teil Uhrenmacher und sprechen auch ein besseres Französisch als einst, obwohl sie im Familienkreis ihren alten Bergdialekt immer noch pflegen. Dieser ist mit dem der Ajoie und des Delsbergerthales verwandt, stammt aus dem N. (langues d'oïl) und weicht von den übrigen Dialekten der französischen Schweiz beträchtlich ab. Dieser französische Dialekt wird in den katholischen Bezirken Delsberg und Pruntrut noch allgemein gesprochen; er unterscheidet sich wesentlich vom Gutfranzösischen und hat gleich demjenigen der angrenzenden Burgunder einen singenden Klang und eine breite Aussprache.
Sprachlich verschieden sind aber auch die deutschen Jurassier von Biel bis gegen Basel und Zürich. Die schleppende Aussprache der Basler und Solothurner Bergleute verschwindet gegen den Aargau hin allmählig. Hochdeutsch oder Schriftdeutsch wird überall im Jura und überhaupt in der ganzen deutschen Schweiz nur im Verkehr mit Fremden, in der Schule und Kirche gesprochen. Dazu ist dieses Schriftdeutsch - wie die Reichsdeutschen den Deutschschweizern (exkl. Bündnern) gerne vorhalten - oft langsam, hart und reich mit Kehllauten durchsetzt.
Die schweizerdeutschen Dialekte gehören alle dem oberdeutschen Sprachstamm an, wie denn ja auch die deutsche Schweiz von oberdeutschen Stämmen (Alemannen) besiedelt worden ist. Die Interessen der Jurassier pflegen sich trotz der zahlreichen Verbindungsfäden zwischen den einzelnen Volksgruppen meist um eine bestimmte Anzahl von politischen, industriellen oder geistigen Zentren zu drehen, die räumlich nicht immer innerhalb des ethnographischen oder geographischen Gebietes dieser interessierten Kreise gelegen sind - eine Erscheinung, wie sie in Gebirgsländern gewöhnlich beobachtet werden kann.
Daraus ergibt sich zuweilen ein zu stark hervortretender Mangel an geistiger Einheit und Zusammenhang, der sich u. a. auch darin zeigt, dass Kunstgegenstände oder Sammlungen zu oft verzettelt werden. Wie alle Gebirgsländer weist auch der Jura einen Bevölkerungsüberschuss auf, der - Handwerker, Bauern und Handeltreibende - nach den benachbarten Städten oder ins Ausland abfliesst, um dort sich besser zu stellen oder der heimischen Industrie neue Absatzgebiete zu erobern. In diesem letztern Falle pflegen die Beziehungen zur heimatlichen Scholle fortzudauern. Zu oft kommt es auch vor, dass reich gewordene Industrielle und Kaufleute ihre Berge verlassen und sich in den grossen Städten ansiedeln.
[Dr. Louis Rollier.]