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roten Pflaumen ebenfalls ein eigenartig angenehm schmeckender und erfrischender Branntwein gewonnen. Hier werden übrigens auch noch die Kartoffel, alle Arten von Feldfrüchten und die Wurzel des gelben Enzian (Gentiana lutea) gebrannt. Die Herstellung des als Tonikum und Arznei gegen mancherlei Gebresten geschätzten Enzianschnapses ist eine Spezialität der Jurasennen. Die um Laufen, Grellingen und im Aargau im Grossen gezüchteten Johannis- und Stachelbeeren dienen zur Konfitürenfabrikation, ebenso wie die in den Jurathälern sehr gut gedeihende rote Sauerkirsche (Cerasus caproniana oder C. acida). Im Unterholz frisch geschlagener Waldungen wachsen ausgezeichnete Erdbeeren, Himbeeren etc., die massenhaft eingesammelt und ebenfalls zur Konfitürenfabrikation oder auch zur Herstellung von Sirup (Val de Travers) Verwendung finden.
Dagegen sind die auf den tonigen und kieseligen Böden der Vogesen und des Schwarzwaldes so gemeinen Heidelbeeren im Jura ziemlich selten. Zu erwähnen ist noch der Anbau des Wermuts oder der Absinthpflanze (Artemisia absinthium und A. pontica), der die schwarzen oder torfigen Böden einiger Thalsohlen (Val de Travers, Plateau von Pontarlier) besonders gut zusagen. Die im Jura in grosser Zahl wachsenden Morcheln und andern essbaren Schwämme erfreuen sich steigender Nachfrage, seitdem die nötigen Unterscheidungsmerkmale durch Liebhaber und Kenner dem Volke allgemein bekannt gemacht worden sind.
Immerhin kommen alljährlich noch Fälle von Vergiftung vor. Die geographische Beschaffenheit des Juragebirges mit dem vielfachen Wechsel von Ketten, kalten aber gesunden Hochflächen und klimatisch ausserordentlich verschieden sich verhaltenden Thälern gestattet in günstiger Abwechslung die Entwicklung von Ackerbau, Waldbau und industrieller Tätigkeit. Nirgends haben die subtilen Industrien der Uhrenmacherei und Feinmechanik festeren Fuss gefasst als in den jurassischen Hochthälern, wo Ackerbau, Viehzucht und Milchwirtschaft mehr nur den Wert eines Nebenerwerbes haben.
Von Bedeutung ist auch der Fischfang in den jurassischen Randseen und namentlich in den frischkalten Juraflüssen (Orbe, Schüss, Birs etc.). Berühmt sind die Forellen von Vallorbe, des Doubs (Goumois), der Areuse, Noiraigue und Birs (Münster). Vergl. darüber den Abschnitt Fauna dieses Artikels und den Art. Doubs. Hemmend wirken heutzutage auf die Entwicklung der Fischzucht die Papierfabriken, Färbereien und andere Betriebe ein, die ihre sauren oder salzigen Abwasser in die Flüsse auslaufen lassen. Dazu kommt, dass die Elektrizitätswerke, Turbinenanlagen etc. den bei Niedrigwasser ohnehin schon tief stehenden Flüssen noch mehr Wasser entziehen, so dass grösseren Fischen ein Aufwärtswandern gegen die Quellen zu vielfach verunmöglicht wird.
Der Jura ist nicht mehr reich an jagdbarem Gewild. Das Grosswild ist hier sogar schon so selten geworden, dass man das Reh wieder neu hat einführen und zum Schutze des ganzen Wildbestandes kantonale Gesetze hat erlassen müssen. In einigen Kantonen bestehen besondere Wildparks. Im Aargau und Berner Jura (Delsberg) wird noch die Wildsau gejagt. Fast jeden Winter kommen aus den Vogesen auch einige Wölfe herüber. In den Wäldern der Hochregion leben noch Fuchs, Wildkatze und Auerhuhn (Tetrao urogallus). Am meisten, wenn auch weit weniger häufig als in Deutschland, finden sich Hase, Rebhuhn, Ringel- oder Holztaube und Wachtel. Die Waldschnepfe wird während ihres im Jahr zweimal sich wiederholenden Durchzuges geschossen. (Vergl. auch den Abschnitt Fauna dieses Artikels).
Der Ackerbau ist überall mit Viehzucht und Milchwirtschaft verbunden. Die Vallée de Joux bereitet als Spezialität ihre immer mehr geschätzten Vacherins (Weichkäse); die Neuenburger und Berner Sennberge liefern fetten und magern Greierzerkäse und Bellelay den «tête de moine» (Mönchskopf) genannten Halbweichkäse, der aus nicht abgerahmter Milch hergestellt wird. Die Herstellung von Käse und Butter (Chasseral) bleibt auf die hoch gelegenen Bergweiden beschränkt, während Milchwirtschaft besonders in der Umgehung der Städte und Industriedörfer und Viehzucht in den Thälern betrieben werden.
Die Bodenverhältnisse gestatten auch den fast ausschliesslich agrikolen Gemeinden den Besitz von einer oder mehreren Bergweiden, die sowohl im trockenen Tannenwaldgürtel als in der feuchtkühlen Region der Sümpfe, Hoch- und Wiesenmoore liegen können und auf denen das Vieh den ganzen Sommer über bleibt. Das gleiche gilt für die Bauern- und Meierhöfe in den Bergen. Das Leben und Treiben des Landmannes unterliegt im Jura je nach den lokalen Verhältnissen einem grossen Wechsel.
Manche Gemeinden haben ihre eigenen Hirten, von denen der eine die Rinder auf die mit lichtem Wald bestandenen Sennberge oder die trockenen Wiesen, ein anderer Kühe und Pferde gemeinsam auf die nassen Wiesen oder Sumpfböden und ein dritter die Ziegen auf die felsigen Kämme treibt. In der Ajoie kommt noch die Schweinezucht in Betracht. In den meisten ackerbautreibenden Gegenden wechseln Viehzucht und Feldarbeit miteinander ab: heute werden ein Paar Stiere oder Pferde vor den Heuwagen gespannt, während man sie morgen wieder frei weiden lässt (le pasquier, le pécher, la pâturette etc.). Der Jura besitzt keine ihm eigentümliche Rindviehrasse; die jurassischen Züchter pflegen ihr Vieh mit Vorliebe aus den Alpen (Viehmärkte des Simmenthales, Greierzerlandes etc.) zu holen.
Die trockene Luft und die Beschaffenheit des Bodens und Futters sagen aber diesen alpinen Schlägen nicht besonders zu, sodass sie als Zucht- und Milchvieh eher zur Degeneration geneigt sind, während sie dagegen als Schlachtvieh den auf alpinen Weiden aufgezogenen Tieren unbestreitbar überlegen sind. Der starken Insolation wegen zieht man im Jura den rotgefleckten weissen Simmenthalerschlag dem schwarzen Greierzerschlag vor. Der von Zeit zu Zeit auftretende Milzbrand wütet auf den Meierhöfen oft derart, dass ganze Herden getötet und verscharrt werden müssen. Auch die ebenso verderbliche und ausserordentlich ansteckende Maul- und Klauenseuche sucht in heissen Sommern das Vieh oft heim.
Günstige Bedingungen bieten für die Pferdezucht die Thäler des Berner Jura und das Hochplateau der Freiberge, auf dem eine geschätzte Rasse gezüchtet wird (Pferdemärkte in Montfaucon und Chindon, Prämienschau in Saignelégier und Pruntrut). Leider ist diese einheimische Rasse durch Kreuzung mit normannischen Hengsten verunstaltet worden. Esel und Maultier sind im Jura beinahe unbekannt. Der Genuss von Pferdefleisch widerstrebt den jurassischen Bauern. In grossem Maassstab wird wiederum Schweinezucht getrieben, da die jurassischen Schweine im Allgemeinen frei von Parasiten (Trichinen, Bandwurm) zu sein scheinen. Im Waadtländer und Neuenburger Jura zieht man die französische Rasse (race bressane, aus der Bresse) vor. Neben dem Jura züchtet namentlich der deutsche Teil des schweizer. Mittellandes (Solothurn, Bern, Aargau) und die Umgebung von Payerne (englische Rasse) dieses nützliche ¶
Bevölkerungdichtigkeit und Landwirtschaft des Jura
Lf. 90.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebr. Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 4° 30’ O; 47° 0’ N; 1:770000]
BEVÖLKERUNGSDICHTIGKEIT
Einwohner per Km2.
Nur bewohnt von | ▒ 101-150 Einw. |
Juni-September | ▒ 151-200 Einw. |
░ 1 - 25 Einw. | ▓ 201-300 Einw. |
░ 26 -50 Einw. | ▓ 301-400 Einw. |
▒ 51 -75 Einw. | ▐ 401-500 Einw. |
▒ 76-100 Einw. | ▐ mehr als 500 Einw. |
LANDWIRTSCHAFTLICHE KARTE
▒ Torfmoos | ⤧ Steinbruch |
░ Weide | C Cementgrube |
▓ Wald | Gy Gypsgrube |
░ Ackerland | ⌂ Tongrube |
▐ Weinbau | ⤚ Fischerei |
V. Attinger sc.
BEVÖLKERUNGSDICHTIGKEIT UND LANDWIRTSCHAFT DES JURA ¶
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Haustier. Ziegen und besonders auch Schafe nehmen im Jura zur Zeit an Zahl ab. Geflügel wird ebenfalls wenig gehalten, weil es zu seiner Nahrung mehr Weizen bedarf, als es an Eiern und Fleisch einbringt. Zudem sagt dem jurassischen Bauern das Kapaunenfleisch weniger zu als seine althergebrachte Lyonerwurst. Gänse finden sich nur in der Ajoie in nennenswerter Anzahl.
Ein Hauptreichtum der jurassischen Gemeinden besteht in ihrem Waldbesitz. Die Wälder steigen vom schweizer. Mittelland bis zur Region der Bergweiden (1400 m und darüber) auf. Je nach Exposition, Zusammensetzung des Bodens und der Art des Betriebes bilden sie breite Zonen oder kleinere Mischwaldbestände. Die obere Waldgrenze gegen die Hochweiden hin ist sehr charakteristisch und scharf und verläuft meist ganz oder nahezu wagrecht. Sie gleicht einer dichten Vegetationsfront, die bestrebt ist, die den Winden und Stürmen ausgesetzten kahlen Gipfel wieder für sich zurückzuerobern.
Heute freilich bleibt sie nahezu stationär, doch zeigt sie deutlich den Vormarsch des jurassischen Waldes nach dem Rückzug der quaternären Gletscher. Die gleiche Erscheinung wiederholt sich übrigens auch noch in andern Gebieten, die der Wald allmählig wieder überziehen will (Landes, Dünen etc.). Es wäre unvorsichtig, durch masslosen Holzschlag die Waldgrenze tiefer zu legen. Junge Aufforstungen mitten in den Hochweiden gedeihen nicht mehr, weil die Setzlinge ohne den Windschutz durch grosse Bäume rasch zu Grunde gehen.
Die Aufgabe des Forstmannes im Jura besteht daher hauptsächlich darin, die für die weitere Verbreitung oder auch blos Erhaltung der Wälder in ihrem jetzigen Zustande geeigneten Mittel zu finden. Die Waldzonen sind weniger deutlich ausgeprägt als die Ackerbauzonen, weil die vorwiegenden Baumarten des Jura in sehr verschiedenen Höhenlagen zugleich zu gedeihen vermögen und sie je nach Beschaffenheit des Untergrundes, der Exposition oder wirtschaftlichen Bedeutung einander vielfach den Boden streitig machen.
Die selten über 1000 m steigende Weisstanne (Abies alba) ist besonders für die tiefern Regionen und die tonigen und nicht zu steinigen Böden charakteristisch. Im Gegensatz dazu liebt die Rottanne oder Fichte (Picea excelsa) gerade (trockenen oder feuchten) felsigen Untergrund und steigt hinauf bis zur oberen Waldgrenze, die sie meist für sich allein bildet. Man sieht sie sogar in der Nähe der Torfmoore. Die Föhre oder Kiefer (Pinus silvestris) zieht wieder sandige und warme Standorte vor und tritt im Jura ziemlich selten auf, wenn man auch da und dort am Fuss von Sonnenbergen (besonders auf Molasse oder sandiger Unterlage) sehr schöne Exemplare bewundern kann.
Die Moorkiefer (Pinus montana var. uncinata) gedeiht vorzüglich in kalten, feuchten und starkem Luftzug ausgesetzten Gegenden und klammert sich an die Felswände der Klusen (Court) oder erhebt sich in Mooren mitten aus Torfmoosen und Heidelbeersträuchern. Unter den Laubhölzern spielt nur die Buche (Fagus silvatica) eine bedeutende Rolle als Waldbaum. Sie findet sich im Jura in allen Höhenlagen, zieht aber steinige Kalkschuttböden und kühlen, ziemlich feuchten Untergrund vor.
Ihre jungen Blätter fallen oft Spätfrösten zum Opfer, werden aber vom Baum sofort wieder durch neue Triebe ersetzt. Die Buche bildet lichte Haine oder dichte Bestände und gewinnt oder verliert den Nadelhölzern gegenüber an Boden je nach dem betreffenden forstlichen Wirtschaftsplan. Wo ein Nadelholzbestand niedergelegt worden ist, sieht man aus den vom Wind überall hin vertragenen Nüsschen in kurzer Zeit zahlreiche Buchenschösslinge knospen. Neben und mitten unter diesen Buchen entwickeln sich dann auch junge Nadelhölzer, die aber im schattigen Buchenwald nur langsam wachsen und länger als ein Jahrhundert verkümmert dastehen können, bis einmal der Mensch die Buchen fällt. Dann schiessen diese Tannen rasch in die Höhe und erreichen in verhältnismässig kurzer Zeit ihre normale Grösse. Der Forstmann kann demnach je nach Belieben Buchen- oder Tannenwald wachsen lassen; zieht er letzteren vor, so braucht er nur von Zeit zu Zeit die Buchenbestände im gewünschten Umfang niederzulegen (Versuche von A. Müller in den Stadtwaldungen von Biel).
Die wärmsten und zugleich trockensten Gebiete des Jura (Chânet de Neuchâtel etc.) bewohnen die flaumige Eiche (Quercus lanuginosa), der italienische Ahorn (Acer italum), Feldahorn (Acer campestre), die Esche, Linde etc., die weniger ertragreiche Wälder bilden und deren Holz in der Gerberei (Eiche), Schreinerei etc. Verwendung findet. Auf den sumpfigen Plateauflächen mit tertiärem Untergrund gedeihen bis in 900 m Höhe die Stieleiche (Quercus robur), Zitterpappel (Populus tremula) und Weissbirke (Betula alba), während die Schwarzpappel (Populus nigra) tiefgründigen Boden vorzieht und die Landstrassen der untern Region begleitet.
Die in Wäldern mit stark tonigem Boden angepflanzte Lärche (Larix europaea) ist keine im Jura heimische Form. Die grössten Bäume des Gebirges sind die auf den Hochweiden stehenden Exemplare des Spitzahorns (Acer platanoides) und Bergahorns (Acer pseudoplatanus). Auf Lichtungen finden wir zahlreiche Mehlbeer-, Elsbeer- und Vogelbeerbäume (Sorbus aria, S. torminalis und S. aucuparia), wie auch wilde Apfel-, Birn- und Kirschbäume, deren Holz vom Drechsler gerne verarbeitet wird.
Der Jura ist von Haus aus ein waldreiches Gebirge, doch haben die kantonalen Behörden vielfach dem von den einzelnen Gemeinden in unsinniger Weise betriebenen Holzschlag Einhalt gebieten müssen. Diese kurzsichtige Waldverwüstung liefert wohl für eine kurze Zeit ein schönes finanzielles Resultat, birgt aber ihre grossen Gefahren in sich, da durch zu häufigen oder irrationellen Holzschlag der blosgelegte Boden durch Regengüsse leicht weggeschwemmt und durchfurcht und der Ertrag der Quellen in bedauerlicher Weise beeinträchtigt wird.
Die Waldwirtschaft lassen die Gemeinden meist durch Gemeindeförster besorgen, während staatliche Kreisförster die Oberaufsicht darüber führen. Mehrere Kantone besitzen im Jura auch selbst grössere oder kleinere Waldungen. Eine Reihe von Gemeinden des Berner und Waadtländer Jura ist heute noch in der Lage, ihren Bürgern jährlich einige Klafter von sog. Bürgerholz frei zur Verfügung stellen zu können. Alljährlich wird auch ein genau kontroliertes Quantum Bauholz geschlagen, dessen Ausfuhr heute die Eisenbahnen besorgen, während man es früher auf der Zihl und Aare nach Basel flösste.
Die schönsten Waldungen sind die am Chaumont, Chasseral, Mont Risoux etc., sowie die der Städte Solothurn, Biel u. a. Auf den Hochweiden der Freiberge hat man hundertjährige mächtige Tannen geschlagen, deren eine einen Stammesumfang von 4,85 m hatte (ein Stück dieses Stammes befindet sich jetzt in den Sammlungen der Forstschule am eidgenössischen Polytechnikum zu Zürich). Eine andere, auf der Ronde Noire geschlagene Tanne hatte einen Stammesdurchmesser von 2 m. Beinahe jede Gemeinde macht sich eine Ehre daraus, besonders kräftige und ehrwürdige ¶