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zirkumpolare, d. h. vom nördlichen Skandinavien über Sibirien bis Grönland vorkommende Formen. Wie kommt es nun aber, dass mitten in einer verhältnismässig pflanzenreichen, trockenen und warmen Gegend sich solche nordische Wasserlandschaft einstellt? Das Rätsel löst sich bei einer aufmerksamen Untersuchung des Untergrundes der Torfmoore. Während der Kalkboden des Juragebirges überall da, wo er blossliegt, von zahlreichen Spalten durchsetzt, für Wasser leicht durchlässig ist und rasch wieder trocken wird, ruhen die in den Mulden liegenden Torfmoore auf undurchlässigem tonigem Lehm, den einst die alpinen oder lokalen jurassischen Gletscher hier abgelagert haben (vergl. den Abschnitt Geologie).
Dieser glaziale Ursprung der jurassischen Torfmoore erklärt uns zugleich die Entstehung ihrer eigenartigen Flora. Die hier vertretenen arktischen Typen finden sich zusammen mit mehreren andern, die dem Jura fehlen, wieder in den Hochmooren am nördlichen Alpenrand. Mit Ausnahme von Lysimachia thyrsiflora, Juncus stygius, Malaxis paludosa und Trientalis europæa stimmt die Flora der jurassischen Moore überein mit derjenigen des grossen Einsiedler Moores und der Mehrzahl der grossen Freiburger und Berner Alpenmoore.
Die Moore im Jura sind noch sprechendere Zeugen für die einstige Vergletscherung als die grossen erratischen Gneis- und Granitblöcke. Diese mitten in einer Landschaft mit gemässigtem Klima stehen gebliebenen Inseln weisen rückwärts in jene längst vergangenen Zeiten, da sich nach dem Rückzug der Gletscher der Boden unseres Landes mit einer Fauna und Flora zu besiedeln begann, wie man sie heute höchstens noch im nördlichsten Skandinavien findet. Wenn sich die Torfmoore mitten unter gänzlich veränderten klimatischen und Vegetationsverhältnissen seit Tausenden von Jahren haben erhalten können, so heisst das, dass sie die Bedingungen zu ihrem Fortbestand in sich selbst tragen.
«Dass diese Vegetation sich an dieser Stelle festhält, dazu trägt auch das lokale Klima bei, das sich ein solches Torfmoor selber schafft. Das Wasser verhindert die Erwärmung des Bodens durch Insolation; eine ganz lokale Nebelschicht liegt oft tagelang über dem Moor, und während ringsum schon die Frühlingsboten walten, fällt noch tief in den Mai und Juni hinein Reif auf das Moor; die Verdunstung des Wassers durch die ungezählten feinen Blattmembranen der Torfmoose ist eine beständige und höchst energische und erklärt allein schon die niedrige Temperatur des Moors gegenüber den umliegenden Bodengestaltungen» (Christ).
Zum Schluss unserer Uebersicht über die verschiedenen Pflanzenformationen des Jura müssen wir noch der Wasserflora der Weier, Wiesenmoore und Seen gedenken. Der die Ufer säumende breite Gürtel von Schilfrohr, Binsen und Seggen bildet gleichsam einen Schutzwall um die schönblumigen Seerosen (Nymphæa alba und Nuphar luteum), die weissen und zart gefiederten Blütentrauben des Bitterklees (Menyanthes trifoliata), die kleinen weissen Blumen des haarblätterigen Hahnenfuss (Ranunculus trichophyllus) und die blassroten Aehren des Wechselknöterich (Polygonum amphibium).
Einzelne Tümpel sind ganz überzogen von den elliptischen Blättern des schwimmenden Laichkrautes (Potamogeton natans), zwischen denen sich die Blütenstände des Froschlöffel (Alisma plantago aquatica) oder die langen Stengel des Tannenwedel (Hippuris vulgaris) mit ihren im Quirl angeordneten Laubblättern in die Höhe drängen. Bemerkenswerte Wasserpflanzen der mittleren und obern Region im zentralen Jura sind ferner noch Nuphar pumilum (Lac des Rousses), Callitriche hamulata und C. platycarpa, Utricularia intermedia, U. vulgaris und U. minor, Scheuchzeria palustris, Triglochin palustris, Potamogeton densus, P. natans, P. alpinus, P. gramineus, P. lucens, P. Zizii, P. nitens, P. perfoliatus, P. pectinatus, P. filiformis, P. compressus und P. pusillus, Typha latifolia, Sparganium minimum, Sp. simplex und Sp. ramosum, Rhynchospora alba, Heleocharis acicularis, H. palustris, H. uniglumis und H. pauciflora, Glyceria fluitans und Gl. plicata, Catabrosa aquatica, Equisetum variegatum, E. palustre und E. heleocharis, sowie etwa 30 Arten von Seggen (Carex). Am Strand des Lac de Joux findet sich eine merkwürdige Form des Sandkrautes (Arenaria gothica) und eine Braye (Braya supina), die sonst im Jura nirgends mehr angetroffen werden. Diesen zwei Arten gesellen sich dort noch bei Scrophularia Hoppei, Linaria petræa, Teucrium botrys, Heleocharis acicularis u. a. Die einst von Schleicher gefundene Calla palustris ist seither im Jouxthal nie mehr angetroffen worden, und der früher augenscheinlich weiter verbreitete echte Kalmus (Acorus calamus) mit seiner aromatisch riechenden Wurzel kommt nur noch in wenigen Wasserlachen der Freiberge, in den Sümpfen von Nods etc. vor.
Obwohl die meisten Pflanzenarten des Jura zugleich auch den Alpen angehören, verleihen doch das Klima und die Trockenheit des Bodens im Jura seiner Vegetation einen besondern Charakterzug, der sich in der Physiognomie der Formationen, im Ueberwiegen oder seltenen Auftreten von bestimmten einzelnen Typen und im ganzen äussern Habitus einer Anzahl von Jurapflanzen ausspricht.
3. Für das ganze Juragebirge charakterisch
ist folgende von Christ und Thurmann aufgestellte Liste von Pflanzen, die sonst nirgends in solcher Regelmässigkeit auftreten und hier eine besondere Pflanzengesellschaft oder Spezialflorula bilden: Buchsbaum, Buche, Weisstanne, lorbeerblätteriger Kellerhals (Daphne laureola), gelber Enzian (Gentiana lutea), immergrüne Hungerblume (Draba aizoides), Alpengänsekresse (Arabis alpina), Alpenfrauenmantel (Alchimilla alpina), Alpenrispengras (Poa alpina), Alpenbärenklaue (Heracleum alpinum), stinkende Niesswurz (Helleborus foetidus) und Milch-Mannsschild (Androsace lactea). Trotz der vom einen Ende des Gebirges bis zum andern vorherrschenden Einförmigkeit in der Zusammensetzung des Pflanzenteppichs, wie sie hauptsächlich durch das massenhafte Auftreten der eben genannten Arten bedingt wird, kann man doch auf einer Wanderung vom Reculet bis zur Lägern in der oberen Region bestimmte Aenderungen in der Artenliste ¶
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beobachten. In erster Linie fällt auf, dass gegen NO. eine Anzahl von südalpinen Typen nach und nach verschwinden und durch nordalpine ersetzt werden. Folgende in den W.-Alpen allgemein verbreitete und in den Berggruppen des Reculet und der Dôle immer noch da und dort auftretende Arten kommen weiter gegen O. hin nicht mehr vor: Aconitum paniculatum, Hutchinsia alpina, Heliosperma quadrifida, Alsine verna, Viola arenaria und V. calcarata (ein Standort noch am Mont Tendre), Geum montanum (ein Standort noch am Mont du Lac im Jouxthal), Potentilla dubia, Oxytropis montana, Saxifraga aizoides und S. moschata, Eryngium alpinum, Ligusticum ferulaceum, Petasites niveus, Gnaphalium supinum, Veronica fruticans, Pinguicula grandiflora, Aspidium rigidum.
Ebenfalls an der Dôle haben ihren am weitesten gegen O. vorgeschobenen Standort Alsine liniflora, Lathyrus luteus, Aster alpinus, Leontopodium alpinum, Hieracium vogesiacum, H. bupleuroides, H. pseudoporrectum, Sideritis hyssopifolia, Veronica alpina, Plantago alpina, Androsace villosa, Paradisia liliastrum, Luzula spicata, Phleum Michelii, Cystopteris regia. Auf der Strecke vom Mont Tendre zur Dent de Vaulion verschwinden Viola calcarata und V. biflora, Trifolium Thalii, Saxifraga oppositifolia, Sibbaldia procumbens, Epilobium anagalifolium, Serratula monticula, Veronica aphylla, denen die weiter östlich nur noch einmal (am Chasseral) auftretenden Arctostaphylos alpina und Salix reticulata angefügt werden können.
Schreiten wir noch weiter gegen NO. vor, so bleiben auch Senecio doronicum, Bupleurum ranunculoides und Soldanella alpina zurück, die am Mont Suchet Halt machen; Soldanella alpina ist am Creux du Van gefunden worden (scheint hier aber jetzt verschwunden zu sein), Aconithum anthora am Mont d'Or und Cephalaria alpina an den Aiguilles de Baulmes. Am Chasseron: Chaerophyllum hirsutum var. Villarsii, Campanula thyrsoidea, Crepis montana und Cr. aurea, Epilobium alsinaefolium.
Lycopodium alpinum, Gnaphalium norvegicum, Hieracium aurantiacum, Phleum Michelii, Carex tenuis, Allium Victorialis, Heracleum spondyleum var. montanum; am Chasseral: Pinguicula alpina, Orchis sambucina, Anthyllis montana, Linaria petraea, Cerinthe alpina, Hypericum Richeri (auch bei La Brévine), Poa hybrida (auch am Chasseron und Creux du Van), Pedicularis jurana, Gentiana nivalis. Folgende Arten endlich gehen bis in den zentralen Jura, fehlen aber dem Nordjura: Anemone alpina, Ranunculus gracilis, Erysimum ochroleucum, Thlaspi alpestre, Bupleurum ranunculoides.
Vom Berner Jura an verschwindet auch Trollius europaeus beinahe ganz. Verschiedene der eben genannten Arten sind an ihren am weitesten gegen NO. vorgeschobenen Standpunkten nur noch in einer sehr kleinen Anzahl von isolierten Individuen vertreten. Wichtiger als das Auftreten solcher vereinzelten Exemplare ist in pflanzengeographischer Hinsicht die Abnahme in der Dichte des Bestandes dieser Arten, die von SW. gegen NO. sehr deutlich wahrgenommen werden kann.
Auf den zentralen und nördlichen Jura beschränkt sind Arabis arenosa, Meum athamanticum, Poa flexuosa, Androsace lactea, Gentiana latifolia, Silene rupestris, Thlaspi montanum, Gentiana asclepiadea, Primula auricula, denen die im zentralen Jura ziemlich verbreiteten aber südl. vom Mont d'Or ausserordentlich seltenen Ranunculus alpestris, Arenaria grandiflora und Dianthus caesius, sowie - für die Bergregion - der vom Weissenstein bis zum Creux du Van sich findende Centranthus angustifolius beigesellt werden können.
Mit dem von SW. nach NO. zunehmenden Verschwinden der südalpinen Arten in der Höhe geht Hand in Hand eine ähnliche Verarmung der Flora am Jurafuss in Bezug auf die mediterranen Arten. Diese Verhältnisse sind aber nicht so zu verstehen, dass diese gegen NO. verschwindenden Arten nun an einer bestimmten Stelle des Gebirges Halt machen würden. Deshalb ist auch die Einteilung des Jura in pflanzengeographische Einheiten eine mehr oder weniger konventionelle. Diese Einheiten werden daher auch nicht durch einen Wechsel in den topographischen Formen begrenzt, sondern durch gewundene Linien, an denen jeweils eine bestimmte Gruppe von südlichen Arten Halt macht.
Der Grund für das Fehlen oder Vorkommen von dieser oder jener Pflanze liegt in der Tat vor Allem in den lokalen Verhältnissen der einzelnen Standorte (Exposition, Untergrund, Höhenlage, Trockenheit oder Feuchtigkeit). Daher findet man auch an den Hängen und am Grat der mitten im nördlichen Jura liegenden, aber voll zur Sonne exponierten Ravellenfluh ob Oensingen in 700 m Höhe neben der berühmten Iberis saxatilis (einziger Standort in der Schweiz!) eine ganze Reihe von südlichen Arten (vermischt mit subalpinen Typen) die im zentralen Jura völlig fehlen.
Die Ravellenfluh ist «gewiss ein Standort, der die Eigentümlichkeit dieser reinen Felsenstationen als vorwiegend südlicher Vorposten selbst in der nördlichen Schweiz klar zur Erscheinung bringt» (Christ). Andererseits ist die Mehrzahl der südl. Arten, die bis zum sw. Jura (vom Reculet bis zum Mont Tendre) vordringen, auch in den an ähnlichen Standorten und analogem Untergrund diesen Gebieten entsprechenden Alpen am Genfersee wieder zu finden. Dass die dem Jura räumlich so nahen Vogesen und der Schwarzwald dagegen eine von der jurassischen so abweichende Flora besitzen, als ob sie hunderte von Kilometern davon entfernt wären, liegt in der völlig verschiedenen Bodenzusammensetzung (Gneise, Granite, Porphyre, Vogesen- und Buntsandstein) begründet. Die hier feuchten, tiefgründigen und sandigen, also kühlen und wasserreichen Standorte rufen einer ganz anderen Flora als die trockenen Kalkböden des Jura.
Abgesehen von den in der Schweiz sonst nicht mehr vorkommenden Typen der Iberis saxatilis (Ravellenfluh), Arabis stricta (Colombier de Gex und Salève), Androsace villosa (Dôle), Anthyllis montana (Salève, Colombier, Dôle, Creux du Van), des Centranthus angustifolius (Weissenstein bis Creux du Van) und Lathyrus ensifolius (La Brévine etc.) besitzt der Jura auch noch einige endemische Arten. Solche sind Heracleum alpinum, dessen Schwerpunkt der Verbreitung zwischen dem Weissenstein und der Schafmatt liegt und das nach S. nur bis zum Chasseron geht; dann Anthriscus torquata (eine Form von Anthriscus silvestris), die den Grund zweier Felsenzirken bei Bressaucourt im Berner Jura bewohnt; ferner Thlaspi Gaudinianum (jurassische Form ¶