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so recht für das intime Familienleben eingerichtet und ausgeschmückt. Die Vorderseite des Dachfirstes steht weit vor und beschützt die grossen Lauben, welche zum Trocknen und Aufbewahren verschiedener Gegenstände dienen oder auch zum Aufenthalte der mit häuslichen Arbeiten beschäftigten Insassen. Vor den grossen Fenstern sind Blumenbeete angebracht, die dem Hause ein festliches Aussehen geben... Vor keinem Hause fehlt der wohlgepflegte Gemüsegarten, in welchem immer ein Plätzchen auch den lieben Blumen eingeräumt ist; sogar auf dem steinbelasteten Schindeldach erblickt man nicht selten Kolonien von Aurikeln, Hauswurzeln und ähnlichen Zierpflanzen."
Die wildwachsende Flora
des Thalbeckens von Illiez
entspricht seinem feuchten und regnerischen Klima. Wir haben schon bemerkt,
dass die
Buche hier geschlossene Bestände bildet, während die im innern Wallis
sonst häufige
Arve fehlt. Es fehlen ferner ganz
die Typen des heissen und trockenen Wallis,
sowie dessen endemische und andere seltenste Hochalpenpflanzen. Umgekehrt finden wir
hier eine ganze Anzahl von schönsten Pflanzen, die im innern Wallis
entweder gar nicht vorkommen oder doch
sehr selten sind.
«Diese Vegetation erfreut den Pflanzenliebhaber durch ihre Frische und reichen
Blütenschmuck; Val d'Illiez
ist das Eden der Narzissen und Primeln.» Im Folgenden geben wir nach
F. O. Wolf, dem wir unsere
floristische Skizze verdanken, noch eine kurze Liste von ganz seltenen Phanerogamen des Val d'Illiez
(mit Angabe des Standortes): Ranunculus Thora
(Col de Coux), Aquilegia alpina
(Pas d'Encel), Gentiana Thomasii (Fuss der
Dent du Midi),
Gentiana campestris × germanica (Alpweiden an den
Dents
Blanches), Eryngium alpinum (Suzanfe), Primula elatior × acaulis
(Choëx), Primula auricula-viscosa
(Valerette), Narcissus incomparabilis (Val d'Illiez
), Allium victoralis
(Pas d'Encel).
Geologie.
Das Val d'Illiez
liegt in der Uebergangszone zwischen den Hohen
Kalkalpen
(Dent du Midi) und den
Voralpen des Chablais und ist
in den Flysch eingeschnitten, der sich unter die grosse liegende Falte
Dent du
Midi-Tours Salières einschiebt und der die
Ueberschiebungsschollen der
Voralpen
(Préalpes) trägt. Dieser Flysch besteht meist aus Schiefern und
Sandsteinen, selten dagegen aus Konglomeraten, was die Fruchtbarkeit des
Bodens erklärt. In der Thalsohle hat die Erosion
zwischen
Champéry und dem Dorf Val d'Illiez
eine unter dem Flysch liegende Neocomfalte angeschnitten; eine andere solche
Falte findet sich von
Bossetan bis ins Thälchen von
La Barmaz zwischen dem Flysch und der grossen Falte
der
Dent du Midi versteckt. Am
NW.-Hang des
Thales, wo dem Flysch die Masse der jurassischen sog. Chablaisbreccie auflagert,
findet man noch einige nicht erklärte Schichtfetzen von mesozoischen Gesteinen (Trias,
Jura, Kreide), die ohne irgend welche
Anordnung ganz im Flysch eingewickelt sind
(Rochers de Savonaz,
Culet etc.). Vergl. die Art.
Midi
(Dent du)
und Chablais.
Geschichtlicher Ueberblick.
Im 13. Jahrhundert erscheint eine Burgherrschaft Monteiz
(Monthey), die das Val d'Illiez
umfasste und vom Vogt des Chablais
sowie von den
Grafen von Savoyen abhängig war. Zum erstenmal erscheint das Thal in einer Urkunde von
1180, mit welcher ein gewisser Boson und sein Sohn der Abtei
Saint Maurice neben Anderem auch ihren Landbesitz im Val d'Illiez
(etterram quam apud Yliacum habebant) vergabten. 1235 findet man: territorium de Ylies; 1244: parrochia de Ylies. Das kleine
Gebiet von
Tschiésaz über
Troistorrents ist bis in verhältnismässig neue
Zeit der Abtei als Eigentum
verblieben, während die übrigen Sonderrechte über die Gemeinde
Troistorrents schon früher vom Geschlecht Du
Fay und dann
vom Staat zurück gekauft worden sind.
Als die
Walliser 1536 die
Herrschaft
Monthey eroberten, war der Herzog von Savoyen im Val d'Illiez
nur noch
unmittelbarer Oberherr über 34 Familien, die einem «Métral» genannten
Beamten unterstanden hatten. Die übrige Bevölkerung stand damals unter verschiedenen Edelgeschlechtern, so z. B. unter
den d'Allinges und den Prioren von
Ripaille. Der Staat versuchte mehrfach, alle diese kleinen Sonderrechte an sich zu bringen,
vermochte aber erst 1715, die Leibeigenschaft völlig aufzuheben. Ein 22 Stunden anhaltender Sturm riss 1802 die
Dächer von zahlreichen
Häusern mit sich und richtete in den Waldungen einen Schaden von 42000 Franken an. Das Val d'Illiez
ist ferner im Mittelalter mehrfach von der Pest heimgesucht worden. An Altertümern hat man hier römische Münzen aufgefunden.
Bibliographie:
Wolf, F. O. Von Saint Maurice bis zum Genfersee. (Europ. Wanderbilder. 149/150). Zürich 1889. - Claparède, A. de. Champéry et le Val d'llliez. Genève 1886. Nouv. éd., augmentée. Genève 1903.