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Grimsslen; doch habend dise See keine visch von wegen jrer wilde, dann sy sind merteils zeyts im jar mit yss und schnee bedeckt. An disem Seele ligt ein herberg und Spital, den wandelbaren dahin gebauwen zur herberg, genennt Zum Spital, ein gar schlechte Behausung, dann dahin muss man kalch unn holtz füren über ruck auff rossen; stein sind da wolfeil; kein holtz wachsst da, von rechter höhe unn wilde, dann was man dahin soumet. Die landleut von Hassle erhaltend disen Spital, setzend ein Würt und Spitalmeister dahin, der hat besondere nutzung darvon, der gibt den wandlenden essen und trincken umm jr gelt, und die es nit zebezalen vermögen, gibt er brot unn speyss durch Gott. Ein schlechte herberg ists, aber da findt man gemeinlich gut weyn, den bringend die Söumer übers gebirg auss Eschental und Walliss, und gut brot, das fürt man von Hasslen hinauf zwo gross meyl wägs; käss, Heisch, und was man da geläben, muss man alles dahin füren. Zu winters zeyt hat diser Würt unn Spitalmeister etliche monat gar kein bleybens an dem ort, muss hinab inns tal ziehen." Bähler gibt (l. c., S. 16) einen interessanten Auszug aus einer Urkunde von 1557, die einen von den Leuten von Ober Hasle damals ausgeführten Umbau des Hospizes betrifft.
Sowohl Stumpf wie Josias Simler (Vallesiae descriptio. Tiguri 1574) erzählen uns von den Bergkrystallen, die damals schon in der Nachbarschaft der Grimsel in grosser Menge gesammelt wurden. Auch in der von Aegidius Tschudi in seinem Todesjahr 1572 vollendeten aber erst 1758 in Konstanz gedruckten Gallia comata wird die Grimsel häufig erwähnt. Bemerkenswert ist, dass Gottlieb Sigmund Gruner im ersten Bande seiner Eisgebirge des Schweizerlandes schon 1760 den kleinen See auf der Grimselpasshöhe das «Todtenseelin» nennt, deshalb, weil dies die Legende widerlegt, als ob der See diesen Namen erst davon erhalten habe, dass nach dem berühmten Kampf von 1799 die Leichen der Gefallenen in ihn geworfen worden seien.
Der Name kommt einfach von der einsamen und wilden Lage des den grössten Teil des Jahres zugefrorenen Wasserbeckens her. Der ursprüngliche vom Totensee ins Ober Wallis hinunter führende Pfad war der mit Steinplatten gepflasterte Weg nach Ober Gestelen, dem erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts der heute noch bestehende Weg nach Gletsch folgte. Zwar bestand in Gletsch schon 1838 ein Wirtshaus, doch diente dies fast ausschliesslich nur dem Verkehr über die Furka. Im August 1799 war die Grimsel der Schauplatz einer wichtigen Waffentat.
Damals lagerten hier zwischen der Passhöhe und dem Grimselsee etwa 1500 Mann österreichischer Truppen unter dem Obersten Strauch, die der unter General Gudin bei Guttannen stehenden französischen Armee den Weg ins Rhonethal verlegen sollten. General Gudin, der die Stellung des Feindes für uneinnehmbar hielt, bekam zu seinem Schrecken von seinem Chef, dem General Masséna, den bestimmten Befehl, den Passübergang am 14. August unter allen Umständen zu erzwingen. Da anerbot sich Wirt Fahner in Guttannen, die französischen Truppen über die zur rechten Thalseite abfallenden Eis- und Felshänge der Gerstenhörner zum kleinen See auf dem Nägelisgrätli zu führen und ihnen so die Umgehung der Oesterreicher zu ermöglichen.
Gudin ging darauf ein und liess am frühen Morgen 400 Mann unter Fahners Führung den gefährlichen Weg antreten, während er selbst die Stellung der Oesterreicher zu gleicher Zeit mit bemerkenswerter Wucht von der Front her angriff: Der von der Aussichtslosigkeit dieses Angriffes überzeugte österreichische Befehlshaber stieg mit dem grössten Teil seiner Truppen zum Empfang der Franzosen vom Pass herab. Die des Umgehungsmanövers plötzlich gewahr werdenden und zwischen zwei Feuer gekommenen Oesterreicher erfasste ein wilder Schrecken; in der grössten Unordnung zogen sie sich über den Pass zurück und flohen nach Ober Gestelen, indem sie ihre Verwundeten ihrem traurigen Schicksal überliessen. Im ganzen scheinen in diesem Gefecht nicht mehr als 150 Mann, worunter etwa 30 Franzosen, das Leben verloren zu haben. So gelang es den Franzosen, durch ein in den Annalen der Geschichte denkwürdig gewordenes Umgehungsmanöver einen für unbezwingbar gehaltenen Pass zu nehmen. (Vergl. über diesen Kampf: Das Nägelisgrätli am im Jahrbuch des S. A. C. 23, 1887/88). Während ihrer Untersuchungen über die Bewegung und andere Erscheinungen der Gletscher sprachen die Gelehrten Agassiz, Desor, Vogt, Nicolet etc. von 1840 an mehrere Jahre lang ziemlich häufig im Grimselhospiz als ständige Gäste oder auf dem Wege nach dem von ihnen am Unteraargletscher errichteten sog. Hôtel des Neuchâtelois vor. In der Nacht vom 5. auf den ward das Hospiz von seinem eigenen Pächter in Brand gesteckt; doch wurde das Verbrechen sogleich entdeckt u. bestraft, worauf im folgenden Jahr hier das heute noch stehende Gebäude erstand.
Die mit bedeutender Bundessubvention von den Kantonen Bern u. Wallis erbaute Grimselstrasse konnte 1895 dem Verkehr übergeben werden; seither hat die Zahl der Touristen beträchtlich zugenommen (Passagierverkehr der eidgen. Post 1901: 5290 Personen) und ist auch das Hospiz in einen wirklichen Berggasthof, das Grimselhotel, umgewandelt worden, der 1902 zusammen mit dem Wirtshaus Handeck in Privatbesitz übergegangen ist. Im Sommer besteht hier jetzt eine Postablage mit Telegraph.
Die Strasse wird auch im Winter von den einheimischen Händlern mit ihren Waaren begangen und dient besonders auch dem Transit von Wein aus dem Wallis ins Ober Hasle. Das ganze Gebiet um die Grimsel, das man landschaftlich mit Recht schon mit Spitzbergen verglichen hat, ist während der Monate Februar bis April häufigem Lawinenschlag ausgesetzt, der dann ein Begehen der Strasse zu einem recht gefährlichen Unternehmen macht. Unmittelbar vor dem Niedergehen einer Lawine pflegt man die sog. Grimselstimmen, die einem lang gezogenen Freudengeschrei gleichen, zu vernehmen.
Trotzdem das Hospiz in lawinensicherer Lage zu stehen scheint, ist es doch am von einer Lawine erreicht worden, die das Dach weghob und alle Zimmer, mit Ausnahme des vom Grimselknecht und seinem Hund bewohnten, mit Schnee erfüllte. Hüter und Hund konnten sich nur mit unendlicher Anstrengung frei machen und sich nach Meiringen in Sicherheit bringen. Als merkwürdige Tatsache wollen wir anfügen, dass im Winter 1889/90 die beiden Grimselknechte trotz ihrem von aller Welt völlig isolierten Wohn ¶
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ort ebenfalls von der damals einen grossen Teil Europas heimsuchenden Influenzaepidemie nicht verschont blieben.
[F. De La Harpe.]
Botanik.
Ueber die Grimsel haben verschiedene der Walliser Flora eigentümliche Pflanzenarten ihren Weg ins obere Aarethal gefunden, wie z. B. Salix glauca und S. myrsinites, Androsace tomentosa, Pinguicula grandiflora, Potentilla frigida, Phaca alpina. Das ganze Gebiet der Grimsel und des obern Aarethales ist eines der niederschlagsreichsten der Alpen, und der jährliche Niederschlag erreicht mit 226 cm eines der höchsten in der Schweiz vorkommenden Maxima. Diese grosse Feuchtigkeit verleiht zusammen mit der Einwirkung des Föhns der Vegetation eine üppige Entfaltung.