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die Bünde zu schimpflichen Verträgen. Zwar erhoben sich die Bürger des Prätigaus am Palmsonntag 1622 heldenmütig und vertrieben, nur mit Keulen bewaffnet, die Unterdrücker. Aber noch im selben Jahre fiel der Feind aufs Neue ein und verbreitete noch grössern Schrecken als zuvor. Da mischte sich Frankreich ein: die Oesterreicher wurden wieder vertrieben (1624) und später sogar das Veltlin zurück erobert (Herzog Rohan 1635). Allein als Frankreich zögerte, dasselbe an Bünden zurückzugeben und es dann nur unter ungünstigen Bedingungen tat, mussten die Bündner trachten, sich ihrer zweifelhaften Freunde zu entledigen.
Dies gelang unter der Führung des gewandten und in seinen Mitteln nicht skrupulösen Jürg Jenatsch und unter Anlehnung an Oesterreich-Spanien. Endlich wurde im westfälischen Frieden (1648) die völlige Unabhängigkeit Bündens wie der Schweiz anerkannt, die religiöse Spannung liess nach, und die Bündnerpässe verloren die Bedeutung, die sie während des 30 jährigen Krieges für das Zusammengehen Oesterreichs und Spaniens gehabt hatten. Nun liess sich Oesterreich herbei, zum Teil getrieben durch die Erschöpfung der Staatskasse, auf seine ohnehin wenig einträglichen und nur schwer zu behauptenden Ansprüche in den «Gerichten» und im Unter Engadin gegen eine Loskaufsumme (122000 Gulden = etwa 854000 Fr.) zu verzichten (1649 und 1652). Auch die Untertanenländer kamen wieder an die Bünde. So fielen denn die Hauptursachen der Bündner Parteiungen dahin, und es war dem schwer geprüften Lande eine lange Ruhe vergönnt, deren es zu seiner Erholung gar sehr bedurfte.
Die französische Revolution brachte, wie für die Schweiz überhaupt, so auch für Graubünden eine Neugestaltung. Die Untertanenländer gingen durch den Machtspruch Napoleons an die Cisalpine Republik verloren und gehören jetzt zu Italien. Der Anschluss der Bünde an die Helvetische Republik wurde von der Mehrheit der Gemeinden verworfen, und als Graubünden gar österreichische Truppen aufnahm, rückten auch die Franzosen ins Land (1799), das nun der Schauplatz blutiger Kämpfe zwischen Oesterreichern und Franzosen wurde.
Die Mediationsakte brachte den endgiltigen Anschluss an die Schweiz und eine Verfassung, welche die Einteilung in drei Bünde, in Hochgerichte und Gerichte beibehielt, aber den ehemaligen «Bundestag» in einen Grossen Rat, den periodischen «Beitag» in einen ständigen Kleinen Rat, den «Kongress» in eine Standeskommission verwandelte und eine Zentralisation der wichtigsten Staatsbefugnisse anbahnte. Die jetzt bestehende Verfassung stammt aus dem Jahr 1880, nachdem schon die Jahre 1814 und 1854 einige Aenderungen gebracht hatten, darunter die Ersetzung der alten Einteilung in Bünde, Hochgerichte und Gerichte durch die moderne in Bezirke, Kreise und Gemeinden.
Literatur.
Ulrich Campell's Topographie von Graubünden, 1577, im Urtext und in deutscher Uebertragung herausgegeben von Tr. Schiess. (Beilage zum Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubündens. Bd 42-44, 1898-1900). - Sererhard, N. Einfalte Delineation aller Gemeinden gemeiner 3 Bündten, 1742; herausgegeben von C. v. Moor. Chur 1871. - Röder und Tscharner. Der Kanton Graubünden. (St. Gallen 1838). - Theobald, G. Naturbilder aus den Rätischen Alpen. 3. Auflage, herausgegeben von Chr. Tarnuzzer. Chur 1893. - Theobald, G. Geologische Beschreibung von Graubünden in den Beiträgen zur geolog. Karte der Schweiz. 2. u. 3. Lieferung. Bern 1863 und 1866. - Heim, Alb. Geologie der Hochalpen zwischen Reuss u. Rhein in den Beiträgen zur geolog. Karte der Schweiz. 25. Lieferung. Bern 1891. - Steinmann, G. Geologische Beobachtungen in den Alpen. I: Das Alter der Bündner Schiefer, in den Berichten der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg im Breisgau. 1895 und 1897. - Rothpletz, A. Das Gebiet der zwei grossen rätischen Ueberschiebungen zwischen Bodensee und Engadin. (Sammlung geologischer Führer. X). Berlin 1902. - Jahresberichte der Naturforschenden Gesellschaft Graubündens (mit Beilagen), besonders die neuern Jahrgänge, etwa seit 1880. - Annalen der Schweizer. Meteorologischen Centralanstalt (verschiedene Jahrgänge) nebst persönlichen Mitteillungen des Herrn Direktor Dr. Billwiller. - Christ, H. Das Pflanzenleben der Schweiz. Zürich 1879. - Statistisches Jahrbuch der Schweiz. Jahrgänge 1895, 1898, 1901 u. 1902. - Furrer, A. Volkswirtschaftliches Lexikon der Schweiz. Bd I. Bern 1885. - Planta, P. C. Geschichte von Graubünden. Bern 1892. - Planta, P. C. Das alte Rätien. Berlin 1872. - Heierli, J., und W. Oechsli. Urgeschichte Graubündens (Mitteilungen der antiquar. Gesellsch. in Zürich. 67). Zürich 1903.
[Dr Ed. Imhof.]