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Das untere Rheingebiet und besonders das Churer Rheinthal erfreut sich eines relativ sehr milden Klimas, denn wir finden da folgende Temperaturverhältnisse:
Jahr | Januar | Juli | Minim. | Maxim. | |
---|---|---|---|---|---|
Chur (610 m) | 8,4° | -1,4° | 17,6° | -14,4° | 31,1° |
Chur erscheint damit klimatisch ebenso günstig gestellt, wie das beträchtlich tiefer liegende Zürich, dessen Jahresmittel 8,5° beträgt (bei der meteorologischen Zentralanstalt 495 m). Es zeigt sich darin die steigernde Wirkung des Föhns und des Thalbeckens, vielleicht auch schon diejenige der allgemeinen Massenerhebung Graubündens. Diese Momente üben ihren Einfluss auch auf die Luftfeuchtigkeit, Bewölkung und Regenmenge aus. Chur hat trockenere Luft, helleren Himmel und weniger Regen als Zürich, denn es beträgt für Chur die mittlere Bewölkung 5 Zehntel des Himmels und die mittlere Regenmenge 828 mm, für Zürich aber 6 Zehntel, resp. 1176 mm. Das Churer Rheinthal nähert sich darin dem ähnlich gestalteten untern Rhonethal, wo die Niederschläge allerdings noch geringer sind, da sie für die Gegend von Sitten-Martigny nur etwa 65 bis 75 cm betragen.
Dem milden Klima entsprechend finden wir im Churer Rheinthal (inkl. Herrschaft), wenn auch fast nur auf den flachen Halden der rechten Seite, noch einen ausgedehnten Weinbau, der ein vortreffliches Gewächs liefert. Der weisse Completer von Malans soll der alkoholreichste Wein der Schweiz sein. Kleinere Weinberge finden sich auch noch bei Reichenau und beim Schloss Ortenstein im Domleschg. Früher ging der Weinbau bis Thusis. Auch einzelne Edelkastanien kommen da und dort im Churer Rheinthal und im Domleschg vor.
Nach Christ hindert vielleicht nur die zu grosse Trockenheit ihre weitere Ausbreitung zu eigentlicher Waldung. Die steten Begleiter der schweizerischen Kastanienzone: Cyclaminus europaea und Primula acaulis fehlen auch dem Rheinthal nicht. Als weitere Zeugen eines privilegierten Klimas nennt Christ in seinem «Pflanzenleben der Schweiz» eine längere Reihe von Arten, die sonst mehr den s. und sö. Thälern der Alpen angehören. Darunter sind es namentlich Lappula deflexa, Galium tenerum, Galium rubrum, Anemone montana, Tommasinia verticillaris u. Laserpitium marginatum rar.
Gaudini, die den eigentlichen Charakter der Churer Flora bezeichnen, während Coronilla emerus, Astragalus monspessulanus, Oxytropis pilosa, Colutea arborescens und Ononis rotundifolia die sonnigen, dürren Felshänge in ähnlicher Weise bekleiden, wie es durch eine noch grössere Reihe ähnlicher Strauch- und Staudenpflanzen im Wallis und in Südtirol geschieht. Eine andere Gruppe deutet den Einfluss des Ostens auf die Flora des Rheinthals an, so namentlich das in der Schweiz nur bei Chur vorkommende Dorycnium suffruticosum, dann Rhamnus saxatilis, Thesium rostratum und Ranunculus polyanthemus, die alle bei Chur ihre W.-Grenze erreichen. Es vereinigen sich also südalpine, tirolisch-etschländische und danubische Elemente, um der Churer Flora ein eigentümliches Gepräge zu geben.
Weiter ins rätische Hochland dringt die s. Thalflora nur wenig ein. Auch das Domleschg entbehrt schon die meisten ihrer Vertreter. Gleichwohl erfreut sich dasselbe noch eines sehr milden Klimas, wie der Ortensteiner Weinberg und zahlreiche Rebenspaliere, sowie einzelne Edelkastanien und Maulbeerbäume bezeugen. Früher pflanzte man auch mit gutem Erfolg Tabak. Bedeutend ist hier wie auch im untern Prätigau der Obstbau, dessen Erzeugnisse weithin versandt werden. Zahlreich sind die Nussbäume, die oft durch Grösse und Schönheit auffallen. Dagegen ist der Anbau von Getreide und Mais überall zu Gunsten des Futterbaus sehr eingeschränkt worden. Doch gehen Obstbäume und kleine Roggen- und Gerstenfelder noch bis Klosters. Klimatisch begünstigte Strecken sind ferner die tiefen Thalbecken von Ilanz (720 m) und Tiefenkastel (860 m), wo Getreide- und Obstbau ebenfalls noch eine Stätte finden.
Wie man aber in den Thälern höher steigt, wird das Klima rauher. So beträgt die mittlere Jahrestemperatur für Thusis (720 m) 7,8°, für Klosters (1200 m) 4,7°, für Platta im Val Medels (1380 m) 3,6°, für Splügen (1480 m) 3,1°. In den letzten vier Stationen kommt überall das Hochlandklima schon deutlich zum Ausdruck. Noch mehr ist dies im Engadin und den n. angrenzenden Thalschaften der Fall. Hier finden wir z. B. folgende Temperaturmittel:
Jahr | Januar | Juli | Differ. | |
---|---|---|---|---|
Schuls (1200 m) | 5,2° | -6,0° | 15,5° | 21,5° |
Sils-Maria (1810 m) | 1,5° | -8,0° | 11,3° | 19,3° |
Davos (1560 m) | 2,8° | -7,2° | 12,2° | 19,4° |
Rigi (1800 m; zum Vergleich) | 1,7° | -4,8° | 9,7° | 14,5° |
Was aber das Klima dieser Gegenden besonders auszeichnet, das ist die der hohem Lage entsprechende dünne, leichte, reine und trockene Luft, der relativ heitere Himmel und der geringe Niederschlag, die starke Sonnenstrahlung (Insolation) und bedeutende Bodenwärme. Dabei zeigen die Temperaturen sehr beträchtliche tägliche und jährliche Schwankungen. In Davos und im Engadin ist die Differenz zwischen Januar- und Julimittel um 5 bis 7° grösser als auf dem Rigigipfel.
Die bündnerischen Hochthäler haben also relativ kalte Winter und warme Sommer, eine Folge der stärkern Insolation und Ausstrahlung in den entgegengesetzten Jahres- und Tageszeiten, wie sie ausgedehnten Hochländern mit ihrer dünnen und reinen Luft eigen ist. (In Sils-Maria ist der mittlere Barometerstand nur 612 mm, in Davos 632 mm, in Chur aber 710 mm und in Zürich 720 mm). Die Kraft der Insolation in den Hochthälern ist so gross, dass an hellen Wintertagen selbst bedeutende Kältegrade nicht unangenehm empfunden werden.
Einheimische und Fremde können dann bei -5 bis -10° sich im Freien ergehen, ja selbst vor den
Häusern (auf der
Sonnenseite
natürlich) behaglich sitzen und liegen, ohne wärmer gekleidet zu sein als in geheizten
Zimmern. Aber so bald die
Sonne
hinter den
Bergen verschwindet
und damit die Wärmeausstrahlung überhand nimmt, wird die
Kälte empfindlich und treibt
die Leute in die
Häuser. Dies ist auch dann der Fall, wenn an zwar sonnigen Wintertagen ein
Wind sich regt oder die Luftfeuchtigkeit
zunimmt. Aber gerade die so oft herrschende Windstille und Lufttrockenheit sind weitere Vorzüge des Hochthalklimas, erstere
eine Folge der einschliessenden Gebirge, letztere ausserdem auch eine solche der
Höhe und Ausdehnung
des Hochlandes, die dem Klima einen Zug
ins Kontinentale verleihen, also einerseits die grössern Temperaturextreme, andererseits
die
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geringern Niederschläge erklären. Von welcher Seite auch feuchte Winde anrücken mögen, immer werden sie sich eines grossen Teils ihres Wassergehaltes an der Aussenseite der Gebirge entledigen und daher relativ trocken im Innern der rätischen Hochthäler anlangen. Darum ist auch das Engadin nächst dem Wallis der regenärmste Teil der Schweiz. Im untern und mittleren Engadin beträgt der jährliche Niederschlag nur etwa 60 cm, im Thalkessel von Tiefenkastel ähnlich wie bei Chur 80-90 cm. Nur bei der Annäherung an die regenreicheren Gebiete des Bergell, des Misox, des Prätigaus und des Gotthard erlangen das Engadin, Landwasserthal und Rheinthal etwas verstärkte Regenmengen: Sils-Maria und Davos je 100 cm, Tavetsch und Rheinwald 120-150 cm. Im Vergleich zu den N.-Alpen und zum Tessin sind aber auch diese Beträge, wie überhaupt diejenigen des gesamten bündnerischen Rhein- und Inngebietes nicht gross (Glarus bis 170 cm, Berner Oberland, Gotthard- und Tessingebiet bis 200 cm). Natürlich fällt im bündnerischen Hochland ein sehr grosser Teil des Niederschlags als Schnee, der die Landschaft alljährlich in eine blendend weisse Hülle kleidet. Aber darüber strahlt dann oft ein tagelang, ja wochenlang anhaltender heiterer blauer Himmel, so dass manche Bündner, namentlich Engadiner und Davoser, den Winter mit seinen sonnigen Tagen und prächtigen Schlittbahnen als ihre schönste Jahreszeit bezeichnen.
Der kontinentale Zug des Klimas im rätischen Hochland kommt denn auch im Pflanzenleben zum Ausdruck. Die Buche, diese schöne Repräsentantin des Seeklimas, dringt nur wenig in die bündnerischen Thäler ein: im Rheinthal bis etwas über Reichenau hinauf (genauer bis Versam und Schleuis), im Schanfigg bis gegen Langwies und im Prätigau bis hinter Klosters. Das ganze übrige Bünden ist frei von Buchen. Die eigentlichen Charakterbäume des rätischen Hochlandes sind die Lärchen und Arven, die beide auch durch das ganze Gebiet der O.-Alpen gehen, dann in den Zentralkarpaten wiederkehren und endlich, nach Ueberspringung des russischen Tieflandes, in Sibirien das Hauptgebiet ihrer Verbreitung finden, also deutlich den kontinentalen O. und N. bevorzugen, während sie dem feuchten NW.-Europa (inkl. Skandinavien) fehlen.
Die Lärche insbesondere ist in Bünden überall vorhanden, auch im untern Rheingebiet (Churer Rheinthal, Schanfigg und Prätigau) und in den transalpinen Thälern (Misox, Bergell, Puschlav und Münsterthal). Doch bildet sie selten grössere reine Bestände. Meist ist sie mit andern Bäumen, am häufigsten mit Rottannen und Arven, im untern Rheingebiet auch mit Buchen gemischt. Dieses Zusammentreffen von Buchen- und Lärchenwald ist besonders auffallend. Es verleiht dem untern Rheingebiet einen eigentümlichen Reiz und kennzeichnet dasselbe als ein solches, das einerseits noch unter dem Einfluss des ozeanischen W.-Europa steht (Klosters 120 cm Regenmenge), andererseits aber auch schon Anteil an dem mehr kontinentalen Klima des rätischen Hochlandes hat. Im innern Bünden hält sich die Lärche gern an die Waldränder und sonst an freie, sonnige Stellen.
Noch weniger bildet die Arve grosse, geschlossene Wälder. Meist trifft man sie nur horstweise zwischen Lärchen und Tannen. Aber in der richtigen Höhe fehlt sie nirgends, und oft bildet sie allein die oberste Baumgrenze. In das Terrain teilen sich Lärchen und Arven oft so, dass jene die trockenere Sonnenseite, diese die feuchtere Schattenseite der Gehänge einnimmt. Diesen beiden Asiaten, wie Christ sie nennt, stehen als echte Europäer Rot- und Weisstanne gegenüber, erstere namentlich in ihrer hochalpinen und zugleich hochnordischen Form (Pinus Picea var. medioxima).
Die Rottanne ist es, die in der einen oder andern Form (der gewöhnlichen und der hochalpinen) die grossen geschlossenen Wälder bildet und mancherorts bis an die Waldgrenze steigt, resp. sich mit Lärche und Arve in dieselbe teilt. Auch die Weisstanne ist wie die Rottanne ein Baum des ozeanischen Westens, liebt aber die Feuchtigkeit noch mehr als diese und beschränkt sich daher auf die Gebirge W.- und S.-Europas, während sie das kontinentalere Hochlandklima meidet und darum im Engadin nur ganz vereinzelt vorkommt (bei Scanfs bis 1630 m). Im bündnerischen Rheingebiet findet sie sich in liefern Lagen fast überall bis etwa 1500 m, doch nirgends in reinen Beständen, sondern immer zerstreut und gruppenweise im Rottannenwald. Reichlicher ist sie in den transalpinen Thälern vorhanden, und hier erreicht sie im Bergell mit 1880 m für die Schweiz ihren höchsten Stand. - Im Vergleich zu Lärche und Arve, Rot- und Weisstanne sind die übrigen Nadelhölzer von geringerer Bedeutung. Die Bergföhre findet sich in der hochstämmigen Form (Pinus montana var. uncinata) auf der Lenzerheide, zwischen Laret und Davos, am Ofenpass und auch sonst im Engadin. Sie ist sonst ein Baum des W., namentlich ¶