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zum Hauptdolomit, wobei letzterer oft die Gipfel bildet und überhaupt landschaftlich am meisten hervortritt. Oft fehlen aber manche Triasglieder oder sind doch nicht deutlich zu erkennen. NW. setzen sich diese Formationen in die Strelakette fort, die ihrerseits geologisch wieder mit dem Rätikon zusammenhängt, während andererseits ein auf Verrucano und Rötidolomit ruhender Lias- und Flyschstreifen von den Bergünerstöcken her über die Kette des Piz Uertsch am Albulapass nach dem Engadin zieht und das mittelbündnerische Kalk- und Dolomitgebirge mit demjenigen der Ofenpassgruppe verbindet.
Dieser Albulastreifen bildet ein System n. übergelegter Falten und ist ähnlich demjenigen von Stalla nach Samaden durch zwei ungefähr parallele Verwerfungsspalten von den Nachbargebieten getrennt. Auch im Hauptteil der mittelbündnerischen Trias beobachtet man vielfach verkehrte Lagerung der Gesteine, ältere Schichten auf jüngern, selbst Trias auf Flysch (z. B. auf beiden Seiten des Albulathals von Tiefenkastel bis Filisur), und erklärt sich dies durch grosse liegende Falten oder neuerdings durch von O. nach W. erfolgte Ueberschiebungen, wobei dann der Flysch als Grundgebirge, die Trias als Ueberschiebungsdecke erscheint.
4. Die Silvrettagruppe
im weitern Sinn erstreckt sich als flacher, nach N. geöffneter Bogen an der NO.-Grenze Graubündens von Sargans bis Landeck und wird im S. vom Prätigau und Unter Engadin, im N. vom Montavoner- und Paznaunthal begrenzt. Die zwei ersten dieser Thäler verbindet der Flesspass (2452 m), die zwei andern das Zeinisjoch (1852 m). Das Ganze ist ein typisches Kettengebirge mit fiederförmiger Gliederung und annähernd gleichmässiger Entwicklung beider Abdachungen, immerhin so, dass die Seitenzweige auf der N.-Seite zahlreicher und zum Teil auch etwas länger sind als auf der S.-Seite. Als Silvrettagruppe im engern Sinn bezeichnet man das stark vergletscherte Mittelstück zwischen dem Schlappinerjoch (2190 m) im W. und dem Fimberpass (2605 m) im O. Westl. schliesst sich der Rätikon, östl. das Samnaungebirge an.
Die engere Silvrettagruppe stellt als Ganzes ein zentralmassivisches Gewölbe dar, von dessen wö. streichender Scheitellinie die Gesteinsbänke und Schichten antiklinal nach N. und S. fallen, während sie in der Mittelzone annähernd senkrecht stehen. Die Hauptgesteinsarten sind helle Gneise u. Glimmerschiefer und dunkle Hornblendegneise und Hornblendeschiefer, die vielfach miteinander abwechseln und den Felswänden ein eigentümlich gebändertes Aussehen geben.
Die meist aus weiten Gletschern aufragenden Gipfel sind von hoher Formenschönheit und wechseln in allen Gestalten von massigen Stöcken und scharfkantigen Pyramiden bis zu schlanken Türmen und feinen Nadeln. Im Zentrum steht der Piz Buin (3316 m), ein Aussichtspunkt ersten Ranges und Lieblingsziel der Touristen in diesem Gebiet. Nw. davon folgen in der Grenzkette zwischen der Schweiz und Oesterreich das Signalhorn (3212 m), das Silvrettahorn (3248 m) und die kühn gezackten Seehörner mit dem Gross Litzner (3111 m) und Gross Seehorn (3123 m), sw., teils in der Wasserscheide zwischen Landquart und Inn, teils abseits davon, das Verstanklahorn (3301 m), wohl die schönste Gestalt der Silvrettagruppe, dann die Riesenpyramide des Piz Linard (3414 m), die abschreckend schroffen Plattenhörner (3221 und 3205 m) und der Piz Fliana (3248 m), endlich in dem nach O. verlaufenden Hauptkamm der Dreiländerspitz (3112 m), vom Piz Buin getrennt durch das Eisjoch des Fermuntpasses (2802 m), dann die Jamthalspitzen (3175 und 3169 m), der Gemsspitz (3114 m), der doppelgipflige Augstenberg (3234 m), der Piz Faschalba oder Grenzeckkopf (3051 m), der Piz Tasna (3183 m) und in einer n. Auszweigung das dreigezackte Fluchthorn (3403, 3402 und 3344 m). Von den gegen das Engadin vorspringenden Gipfeln sind der Piz Cotschen (3034 m) und der Piz Minschun (3071 m) die bedeutendsten.
Die Gletscher der Silvrettagruppe sind nach denjenigen der Berninagruppe die ausgedehntesten in Graubünden. Sie nehmen eine Fläche von etwas über 90 km2 ein und bilden von den Quellen der Landquart bis zum Futschölpass (2773 m) ein kaum unterbrochenes, aber mehrfach gegliedertes Eismeer, aus welchem sich der Silvretta- und der Verstanklagletscher nach W., der Tiatschagletscher nach S., der Fermunt- und der Jamthalgletscher nach N. senken. Dazu kommen die Gletscher der Fluchthornkette.
Die Hochgebirgslandschaften im Umkreis dieser Gletscher gehören zu den schönsten und grossartigsten im Gebiet der rätischen Alpen und ziehen denn auch einen immer mehr anwachsenden Touristenstrom an. Ausser verschiedenen hochgelegenen Berggasthäusern erleichtern nicht weniger als 7 Klubhütten die Bereisung dieser herrlichen Bergwelt: die Silvretta-, Vereina- und Linardhütte des S. A. C. auf der W.- und S.-Seite, das Madlenerhaus, die Wiesbadener-, Jamthal- und Heidelbergerhütte des Deutschen und Oesterreichischen Alpen Vereines auf der N.-Seite.
Auch die Pässe, lauter hohe Eisjoche, kommen nur für den Touristenverkehr in Betracht. Der Silvrettapass (3013 m), der Fermuntpass (2802 m) und das Jamjoch (3082 m) verbinden das Val Tuoi und Guarda im Unter Engadin mit den drei grössten Gletschern und den daran gelegenen Hütten, resp. mit Klosters (Prätigau), Pattenen (Montavon) und Galtür (Paznaun). Vom Val Tasna (Unter Engadin) führt der Futschölpass (2773 m) nach dem Jamthal und die Fuorcla Tasna (2857 m) nach dem Fimberthal. Auch die grossen Gletscher sind unter sich durch touristisch vielbenutzte Eisjoche verbunden, so der Fermuntgletscher mit dem Firnbecken La Cudèra und mit dem Silvrettagletscher durch die Fuorcla del Confin ¶
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(3058 m) und mit dem Jamthalgletscher durch die Ochsenscharte (3000 m).
Die Samnaungruppe zieht sich vom Fimberpass über den Bürkelkopf (3036 m), den Gribellakopf (2897 m), den Hexenkopf (3038 m), den Furglerspitz (3007 m) etc. nach NO. bis Landeck, gehört aber nur in ihrem sw. Teil der Schweiz an. Imposanter als dieser Haupt- und Grenzkamm ist ein kürzerer Seitenzweig, der das Samnaunthal im S. begrenzt und dem die gewaltigen Felsstöcke des Stammerspitz (3258 m), Muttler (3298 m) und Piz Mondin (3147 m) angehören. Der Muttler insbesondere ist einer der hervorragendsten Aussichtspunkte des Unter Engadin.
Die dem Paznaun zugekehrte Abdachung und zum Teil auch die Kammhöhe der Hauptkette besteht aus krystallinen Schiefern, der grösste Teil der s. Abdachung und das Muttlergebirge, wie auch die benachbarte Gruppe des Piz Minschun bis zum Val Tasna hauptsächlich aus Bündnerschiefer, über dessen Alter die Ansichten noch immer weit auseinander gehen, der aber von den Schiefern der Viamala und des Schyn kaum verschieden ist. Damit verbunden sind mesozoische Sedimente von ostalpiner Ausbildung (Dolomit, Rauchwacke, Gips, Sandsteine der Trias, auch Tithon), dann ophiolithische Eruptiva (Serpentin in grossen Stöcken, Diorit, Spilit, Variolit, Gabbro und Diabas) und einzelne kleine Schollen von Granit und Gneis. Die Bündnerschiefer sind stark gefaltet und fallen unter die übrigen Gesteine ein, die sich decken-, lappen- und schollenförmig darüber ausbreiten oder auch senkrecht daneben stehen. Das Ganze scheint ein Ueberschiebungs-, Aufbruch- und Klippengebiet zu sein ähnlich demjenigen des Rätikon und Plessurgebirges.
Der Rätikon ist in seinem Hauptkamm ein prächtiges Kalk- und Dolomitgebirge, dessen über grüne Vorberge hochaufragende, weissschimmernde Wände namentlich in der Abendbeleuchtung einen unvergleichlichen Anblick gewähren und lebhaft an die Dolomiten von S.-Tirol erinnern. Wenige Glieder der n. Kalkalpen zeigen auf so kleinem Raum eine solche Mannigfaltigkeit des Reliefs und eine so ausgeprägte Originalität der Gipfelbildung wie der Rätikon. Besonders fallen die imposanten Gestalten des Falknis (2566 m), der Scesaplana (2969 m), der Drusenfluh (2829 m), der Sulzfluh (2820 m) und der Rätschenfluh (2707 m) auf, die gleich riesigen Bastionen mit fast senkrechten Wänden abfallen und oft plateauartige, firngekrönte Scheitelflächen tragen.
Die Scesaplana gehört infolge ihrer Höhe und vorgeschobenen Lage zu den ersten Aussichtspunkten Graubündens. Aber auch Falknis, Sulzfluh und Madrishorn werden viel besucht. Von den meist rauhen und hohen Jochübergängen werden von Touristen am häufigsten benutzt das Cavelljoch (2238 m), das Schweizerthor (2151 m), das Drusenthor (2350 m), der Grubenpass (2235 m) und das St. Antönierjoch (2375 m). Der Formenreichtum des Rätikon beruht auf dem Zusammentreffen verschiedener geologischer Bildungen.
Die meist sanft gestalteten grünen Vorberge bestehen aus weichen Tonschiefern (oligocänem Flysch), deren Schichten stark gefaltet und nach NW. übergekippt sind, die hohen Felswände vom Falknis bis zur Scesaplana aus Kreide-, Jura- und Triasgesteinen in ostalpiner Ausbildung, die weissen Mauern von den Kirchlispitzen bis zur Rätschenfluh aus Tithon (oberstem Jura) und der zackige Grat des Osträtikon vom Plasseggenpass bis zum Madrishorn (2830 m) aus Gneis und krystallinen Schiefern, wobei immer die ältern Gesteinsgruppen auf die jüngern, also die mesozoischen Kalke auf die tertiären Schiefer, die altkrystallinen Schiefer auf das Mesozoikum (Tithon) geschoben sind. In der Falknisgruppe scheinen sogar vier bis sechs liegende Falten übereinander geschoben zu sein, wobei aber diese Falten durch Verwitterung und Abtragung grossenteils zerstört und zerstückelt und darum nur noch in Form einzelner Schollen und Klippen übrig geblieben sind.
Der Rätikon stellt nach dieser Auffassung hier im O. ein ähnliches Schollen- und Klippengebirge dar wie die Stockhornkette und die Voralpen des Chablais im W. Beide Schollengebiete sind verbunden durch die Klippenregion der Giswilerstöcke, des Stanser- und Buochserhorns, der Mythen und der Iberger Klippen. Ueber die Casanna bei Klosters hängt die Schollen- und Klippenregion des Rätikon zusammen mit derjenigen des Plessurgebirges, mit welchem sie auch das Vorkommen von ophiolithischen Aufbruchgesteinen gemeinsam hat. So findet sich Spilit n. vom Grauspitz in der Falknisgruppe, Serpentin und Spilit am Schwarzhorn n. von der Sulzfluh. Zum Klippencharakter passen endlich mehrere kleine Gneisschollen inmitten der Sedimente wie am Geissspitz n. von der Drusenfluh und am Grubenpass ö. von der Sulzfluh.
5. Die Plessurgruppe
umschliesst das Flussgebiet der Plessur und wird begrenzt vom Landwasser- und untern Albulathal, vom Domleschg, Churer Rheinthal (Reichenau-Landquart), Prätigau und Wolfgangpass (Klosters-Davos). Infolge ihrer mässigen Höhen und teilweise sanften Formen hat sie einen voralpinen Charakter, wie er auch dem Rätikon und den nö. Ausläufern der Adulagruppe vom Heinzenberg bis zum Piz Mundaun zukommt. Das Plessurgebirge ist orographisch und geologisch reich gegliedert.
Als Stammstück erscheint die langgestreckte Strelakette längs dem Landwasserthal mit den aussichtsreichen Höhen der Casanna (2561 m), der Weissfluh (2848 m) und des Schiahorns (2713 m) im NO., der Thiejerfluh (2785 m) und Amselfluh (2772 m) etwa in der Mitte, dem Valbellahorn (2769 m) und Sandhubel (2768 m) weiter sw. Daran schliessen sich einerseits die Hochwangkette zwischen Schanfigg und Prätigau, andererseits das Arosergebirge zwischen dem Schanfigg und dem Thal von Parpan mit den vielbesuchten Gipfeln des Aroser Rothorns (2985 m), des Lenzerhorns (2911 m), des Parpaner Rot-, Weiss- und Schwarzhorns (2870, 2828 und 2690 m) etc. Von der Hauptmasse abgetrennt ist die Kette des Stätzerhorns (2576 m) w. vom Parpanerthal, das sich von seiner ungefähren Mitte nach N. und S. senkt. Durch dasselbe führt eine Poststrasse (1551 m) von Chur nach dem Albulathal. Die übrigen Pässe der Plessurgruppe sind blosse Fuss- und Saumpfade, von welchen der Strelapass (2377 m) von Davos nach Langwies und die Maienfelder Furka (2445 m) von Davos nach Arosa die wichtigsten sind.
Geologisch zerfällt das Plessurgebirge in zwei sehr verschiedene Teile. Die Hochwang- und Stätzerhornkette bestehen aus Bündnerschiefer von wohl meist oligocänem Alter (Flysch) wie die s. Vorberge des Rätikon. Die Strelakette und die Arosergruppe dagegen sind vorherrschend Kalkgebirge, an dem sich Perm-, Trias- und Juragesteine (Verrucano, Rötidolomit, Buntsandstein, Muschelkalk, Arlbergkalk, Raiblerschichten, Hauptdolomit, Kössenerschichten, Lias, Malm, Tithon) von ostalpiner Fazies beteiligen.
Dabei sind ältere Schichten von S. und SO. nach N. und NW. auf jüngere, insbesondere mesozoische Kalke auf tertiären Flysch geschoben, welch letzterer am N.- und W.-Fuss der Arosergruppe unter jene Kalke einfällt. Der Rand des Kalkgebirges gegen das Flyschgebirge ist infolge ungleichmässiger Abtragung ein sehr unregelmässiger, verzahnter. In den Thälern dringt der Flysch buchtenförmig weit in und unter das Kalkgebirge, während auf den weniger abgetragenen Höhen die Kalkbildungen halbinselförmig und auch in Form abgetrennter Schollen und Klippen auf den Flysch hinüber greifen.
Dazu kommen noch ältere Gesteine (Granit, Gneis, krystalline Schiefer) mitten zwischen den Sedimenten, besonders im Gebiet des Aroser Rothorns, ferner ophiolithische Aufbruchgesteine (Serpentin, Diorit, Spilit, Variolit) in stock- und schollenförmigen Massen längs der Grenzzone zwischen dem Kalk- und Flyschgebiet von Klosters über die Totalp nach Langwies, Arosa und in die Churer- und Urdenalp. Das Ganze erscheint also teils als ein Ueberschiebungs- und Klippen-, teils als ein Aufbruchgebiet, ähnlich demjenigen des Rätikon, mit welchem zusammen es das grosse no.-bündnerische Flyschgebiet im NO., O. und SO. umschliesst. Es setzt sich samt dem Bündnerschiefer auch nach S. und SW. fort, einerseits bis ins Oberhalbstein, wo die Aufbruchgesteine (besonders Serpentin, Grünschiefer und Gabbro) grosse Verbreitung haben, andererseits bis in die nö. Ausläufer der Adulagruppe, wo die Splügner Kalkberge die letzte dem Bündnerschiefer aufsitzende Scholle oder Ueberschiebungsklippe bilden und Serpentine bis ins Safienthal und Lugnez vorkommen.
6. Die Berninagruppe
s. vom Ober Engadin und Bergell und w. vom Berninapass bis zur Thalebene von ¶