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diesem Umstand zuzuschreiben, dass hier der rationelle Betrieb der damit zusammenhängenden landwirtschaftlichen Arbeiten besser verstanden wird, als in vielen anderen Gegenden des Kantons. Die von den Alpweiden des Goms herstammenden kleinen Fettkäse sind die am vorzüglichsten bearbeiteten und die geschätztesten des ganzen Kantons Wallis; sie werden besonders gern für die Herstellung der sog. râclette, einer namentlich in Sitten mit Vorliebe hergestellten Art von Käsekuchen verwendet. Früher war es, besonders im Binnen- und Fiescherthal, Sitte, einzelne dieser Käse als wahre Familienandenken lange Jahre hindurch aufzubewahren. Mehrere solcher Muster, von denen einige aus dem 17. Jahrhundert stammten und das älteste, bis zum Jahr 1600 zurückreichende heute noch im Gemeindehaus zu Fiesch gezeigt wird, waren z. B. auf der 1871 zu Sitten veranstalteten landwirtschaftlichen Ausstellung zu sehen.
Der Bezirk Goms lieferte einst für die landwirtschaftlichen Arbeiten in den zentralen Walliser Bezirken (Siders, Sitten und Conthey) zahlreiche Arbeitskräfte; jetzt hat diese periodische Auswanderung schon längst aufgehört, doch besteht in Brämis gegenüber Sitten als Andenken an diese Zeit immer noch eine wirkliche Gomserkolonie. Heute verdingt sich die Gomser Jungmannschaft im Sommer in die Gasthöfe des eigenen Landes, im Winter in diejenigen der Riviera und des französischen Mittelmeerufers. Vieles zur Hebung des Goms hat namentlich auch die Eröffnung der Furkastrasse beigetragen. Alpine Sommerkurorte und Fremdenstationen sind Fiesch, Gletsch, Binn und Münster.
Die Viehstatistik ergibt folgende Resultate:
1886 | 1896 | 1901 | |
---|---|---|---|
Hornvieh | 4557 | 4616 | 4720 |
Pferde | 96 | 72 | 89 |
Schweine | 791 | 892 | 806 |
Ziegen | 1932 | 2693 | 2317 |
Schafe | 3783 | 4314 | 3854 |
Maultiere | - | - | 1 |
Esel | - | - | 6 |
Bienenstöcke | 251 | 339 | 285 |
In dem an seltenen Mineralien reichen Binnenthal bestand einst ein Schmelzwerk. Das Fiescherthal ist bekannt durch seine vielen schönen Bergkrystalle.
Zwei Alpenstrassen und zahlreiche Passübergänge verbinden das Goms mit den Nachbarlandschaften. Die beiden Strassen führen über die am N.- und O.-Ende des Bezirkes gelegenen Pässe der Grimsel (2164 m) und Furka (2436 m) ins Berner Haslethal einerseits und ins Reuss- und Vorderrheinthal andererseits. Der Nufenen- und Griespass, beide einst stark begangen, leiten durch das Eginenthal ins Tessiner Bedrettothal bezw. nach den italien. Thälern von Formazza und Antigorio. Ueber den Albrunpass steht das Goms durch das Binnenthal ebenfalls mit dem Antigoriothal und Domo d'Ossola in Verbindung. Diese 3 letztgenannten Pässe sind für Lasttiere gangbar.
Die Rolle, die die Landschaft Goms in der Geschichte des Wallis gespielt hat, ist bedeutender als die irgend eines anderen Bezirkes. Die Gomser betrachten sich mit Stolz als die Hüter der politischen Unabhängigkeit und des katholischen Glaubens des Wallis, was ihr Widerstand gegen die Einführung der Reformation und ihr zäher Kampf gegen die französische Invasion zu einem grossen Teil rechtfertigt. In der That war das im obern Winkel zwischen den zwei das schweizerische Rhonebecken begleitenden Hochgebirgsketten geschützt gelegene und thalauswärts gegen Brig durch die wilden Schluchten des Deischberges verteidigte Goms schon von der Natur zum letzten Bollwerk der durch eine Invasion bedrohten Freiheit bestimmt.
Die mit den Urkantonen verbündeten Gomser hatten ausserdem noch genügenden Einfluss, um die einst für kurze Zeit im Rhonethal bis Brig hinauf verbreiteten Lehren der Reformation im ganzen Kantonsgebiet wieder zu vernichten. Und nicht zuletzt fällt den Gomsern auch ein wesentliches Verdienst an den beiden Siegen von Ulrichen zu, die im zeitlichen Abstand von einem Jahrhundert den ins Land eingefallenen, aber hier zu Stücken gehauenen Bernern für immer das Gelüste nahmen, sich die Bewohner des Rhonethales zu unterwerfen.
Goms ist die Heimat der bedeutendsten und geschicktesten Staatsmänner des Wallis gewesen, so des Kardinales Matthäus Schinner und des Bischofs Walter Supersaxo, der die Savoyarden endgiltig aus dem Rhonethal verjagt hat. Gomser waren auch der Senn Thomas Riedi und Minichow, die beiden Helden von Ulrichen. Daneben kann sich das Goms noch einer Reihe von auf anderen Gebieten berühmten Persönlichkeiten rühmen: ihm gehört die Familie Ritz an, der mehrere Maler und der Pfarrer entsprossen sind, der dem Pfarrhaus und der Kirche zu Münster die von seiner Hand bemerkenswert schön geschnitzten Holztüren und -möbel hinterlassen hat;
ferner der Kanonikus Weger, Erzieher des Kaisers Josef II., der Dichter lateinischer Lieder Josef Binner und endlich auch ein Zweig des Geschlechtes von Riedmatten, aus dem fünf Bischöfe von Sitten hervorgegangen sind.
Obwohl das Goms für einen der ältesten Besitze des bischöflichen Stuhles von Sitten gilt, vollzog sich doch die Einigung der Landschaft zu einem geschlossenen Staatswesen nur langsam. Man findet hier noch bis ins 18. Jahrhundert hinein Ueberreste von einer Reihe von ganz kleinen Gerichtshoheiten, die alle mehr oder weniger vom Majorat Aernen abhängig waren. So besass z. B. das heute beinahe unbewohnte Gerenthal bis zur französischen Revolution seinen eigenen Ammann, Galgen und Gericht.
Vor der Einrichtung der Selbstverwaltung der einzelnen Gemeinden waren auch alle im Becken von Goms sitzenden Statthalter des bischöflichen Stuhles dem Majorat Aernen untertan, so dass dieses Dorf der erste Hauptort des Goms wurde, in welche Würde es sich dann vom 14. Jahrhundert an mit Münster teilen musste. Die jetzigen Gemeinden Gluringen, Reckingen, Biel und Blitzingen bildeten zusammen lange Zeit die sog. Landgrafschaft, die den seit 1290 in einer heute zerstörten Burg zu Biel sitzenden und den Grafentitel führenden Vitztumen zu eigen war.
Die Bewohner des Goms kauften sich in der Folge nach und nach von den meisten feudalen Verpflichtungen los, die seit 1374 nur noch in ganz unbedeutendem Masse auf ihnen lasteten. Um dieselbe Zeit benutzten die Gomser die zahlreichen Verlegenheiten und Unglücksfälle, die die Vitztume Edeln von Blandrate Schlag auf Schlag trafen, um diese Familie aus dem Lande zu verjagen. Die dem Zehnten Goms zustehende eigene Verfassung blieb bis zu Ende des alten Régime die denkbarst demokratische, indem die Gomser, gestützt auf ihre alten Beziehungen zu den Waldstätten und auf einen mit Johannes von Attinghausen in Uri geschlossenen Bund, sich als oberste Behörden ihre eigenen Ammänner gaben und, im Gegensatz zu den anderen Zehnten, auch ihre eigenen Abgeordneten in die Tagsatzung sandten.
Das Stimmrecht konnte damals noch vom 14. Altersjahr an ausgeübt werden. Nach dem Geschichtschreiber Boccard soll der Zehnten Goms, der in den Urkunden ursprünglich a Monte Dei superius geheissen wird, seinen jetzigen Namen im 14. Jahrhundert erhalten haben, wonach die französische Form Conches älter wäre als die deutsche Gombs oder Goms und die erst nachträglich daraus abgeleitete lateinische Bezeichnung Gomesia. Ferner stellte Zimmerli fest, dass Conches zuerst der Name des Dorfes Münster, der damals einzigen Kirchgemeinde oberhalb Aernen, gewesen sei; 1322: curatus de Conches, 1332: curatus de Monasterio.
Obwohl Gremaud die urkundlichen Formen apud Gomes (1272) und ecclesia de Conches (1285) gefunden hat, scheint es doch festzustehen, dass die damals vorherrschend gebräuchliche französische Form des Namens von der natürlichen Beschaffenheit des obersten Thalbeckens herzuleiten sei, das in der Tat einer sog. contze gleicht, mit welchem Ausdruck der Unterwalliser Dialekt einen Brunnentrog oder eine Brunnenstube zu bezeichnen pflegt. Ein Blick auf die Gegend, in deren Mitte Münster liegt, genügt, um uns wirklich das Bild eines weiten muschelförmigen Beckens (conque, concha) zu geben. 1211: Gomesianum.
Wie ein grosser Teil des Wallis überhaupt, ist auch das Goms von einer brachycephalen Urbevölkerung besiedelt worden und zwar ist dies wahrscheinlich zu Ende der neolithischen oder zu Beginn der Bronzezeit geschehen. Die in den verschiedenen Beinhäusern des Thales befindlichen Schädel sind von Dr. Eugen Pittard, dem man alle anthropologischen Studien über das Wallis ¶
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verdankt, genau untersucht und von ihm der Völkergruppe der Kelten oder Alpenkelten zugeschrieben worden.
[L. Courthion.]
Flora.
Obwohl die Flora des Gomserthales eine verhältnismässig arme ist, weist sie doch einen sehr interessanten Charakter auf. Mehrere der hiesigen Arten finden sich im übrigen Wallis überhaupt nicht oder doch nur sehr selten. Als dem Goms eigentümliche Arten kann man neben der an den tieferen Gehängen überaus häufigen Rosa uriensis und dem nach der Thalschaft benannten Hieracium gombense noch nennen: Viola persicifolia var. elatior, Drosera anglica, Spergula anglica, Orobanche maior, Potamogeton praelongus;
Carex aterrima var. Wolfii, C. Zahnii und C. Favrati.
Die Salix phylicifolia findet sich einzig im obersten Becken von Münster bis Gletsch, und auch mehrere Habichtskräuter sind vollständig auf das Goms beschränkt oder steigen wenigstens nicht tiefer als bis Brig hinab, so z. B. Hieracium Jordani, H. raeticum, H. atratum, H. Bocconei, H. intybaceum, H. picroides, H. praeruptorum und H. macilentum. Andere im übrigen Wallis nur sehr vereinzelt anzutreffende Arten kommen im Goms häufig vor, so u. a. Salix daphnoides, Prunus padus var. petraea, Spergularia campestris, Nasturtium pyrenaicum, Erigeron intermedius, Gentiana obtusifolia, Soldanella pusilla, Armeria alpina, Carex Laggeri, Koeleria hirsuta. Polygonum alpinum, eine am Simplon sich findende seltene Art, ist in den Wiesen zwischen Reckingen und Ober Gestelen ein häufiger Gast, wo es zusammen mit Cirsium rivulare, C. heterophyllum und Phyteuma Ballen sich entfaltet. An trockenen Hängen sind häufig Peucedanum oreoselinum, Laserpitium panax, Stachys recta.
Die Flora der höher gelegenen Gebiete ist entschieden arm und von einer trostlosen Einförmigkeit, mit Ausnahme allerdings des Münsterthales, das noch folgende Arten besitzt: Campanula excisa, Primula longiflora, Phaca alpina und Ph. frigida, Saxifraga cotyledon, Androsace imbricata. Der grösste Teil der alpinen Arten der Penninischen Alpen fehlt hier, gleich den für die Kalkalpen bezeichnenden Formen, denen der hier vorwiegend granitische Boden nicht zusagt. Der Florenreichtum erscheint erst wieder an der Grimsel, Furka, dem Gries- und Nufenenpass, wo günstigere klimatische Faktoren und abwechslungsreichere geologische Beschaffenheit des Untergrundes ins Spiel treten.
Trotz dem rein alpinen Charakter des Gomserthales besitzen doch die wärmsten der tiefer gelegenen Standorte noch mehrere dem untern Rhonethal eigenen Arten, von denen wir auf Grund des von H. Jaccard aufgestellten Catalogue de la flore valaisanne (auf den wir für nähere Einzelheiten hiermit verweisen) blos folgende ö. Blitzingen bis Münster und Oberwald beobachtete Formen aufzählen wollen: Neslea paniculata, Holosteum umbellatum, Malva neglecta, Geranium rotundifolium, Prunus cerasus und Pr. mahaleb;
Potentilla rupestris, P. Gaudini und P. verna;
Rosa rubiginosa und R. graveolens, Scleranthus collinus, Sedum maximum und S. purpureum, Saxifraga tridactylites, Bunium bulbocastanum, Aethusa cynapium, Torilis anthriscus, Sherardia arvensis, Galium Vaillantii, Artemisia absinthium und A. campestris;
Achillea tomentosa, A. nobilis und A. setacea;
Hieracium Peleterianum, H. tardans und H. pulmonarioides;
Convolvulus arvensis, Myosotis arenaria, Veronica agrestis und V. verna, Chenopodium botrys und Ch. vulvaria, Polycnemum arvense und P. officinale, Carex nitida, Agrostis spica venti, Koeleria valesiaca und K. cristata var. gracilis, Melica ciliata, Festuca valesiaca.
Alle diese über 1300 m Höhe gedeihenden Arten beweisen uns, dass der mildernde Einfluss des Klimas der untern Gebiete an der Rhone sich bis zu oberst ins enge Gomserthal hinauf fühlbar macht.
[Prof. Dr. Paul Jaccard.]