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Vogel einen zehnfach grössern Feind zurückschlug, erhielt die glarnerische Freiheit ihre Bluttaufe. Die Herrschaft der österreichischen Herzoge war nun definitiv beseitigt; auch von Säckingen kaufte sich 1395 das Land Glarus los, um keiner fremden Macht weiter Anlass zu geben, sich in seine Angelegenheiten einzumischen. Die Landsgemeinde, die Versammlung der wehrfähigen Bürger des Landes, war fortan die «oberste Gewalt», die Gesetze gab, sowie Gericht und Rat besetzte.
Ebenso war Glarus nunmehr wieder Glied der Eidgenossenschaft, zunächst der VIII alten Orte, und nahm als solches das ganze 15. Jahrhundert hindurch lebhaften Anteil an den Kämpfen der Eidgenossen. Glarner zogen den Appenzellern gegen den Abt von St. Gallen zu Hilfe, beteiligten sich an der Eroberung des Aargaues und Thurgaues, gewannen mit Schwyz die Landschaften Gaster und Uznach, stritten im alten Zürichkrieg an der Seite der Schwyzer und zogen (unter Hans Tschudi) mit in die Burgunderkriege und ebenso 1499 in den Schwabenkrieg.
Heftige innere Kämpfe brachte dem Lande die Reformation. Während bisher Glarus Hand in Hand mit Schwyz gegangen, stellte sich nun der grössere Teil der Glarner auf die Seite der Zürcher und der Reformation, für welche Zwingli durch seine Tätigkeit als Pfarrer von Glarus 1506-1516 den Boden wohl vorbereitet hatte. Eine aristokratische Partei, welche namentlich um der Pensionen und fremden Kriegsdienste willen Zwingli grollte, ging dagegen mit den V Orten zusammen.
Indem diese Partei, durch die von der Landsgemeinde beschlossene Gestattung der evangelischen Predigt erzürnt, das Mittel der Obstruktion zur Anwendung brachte, Unterblieb während einiger Zeit sogar «Rat und Gericht», bis die dadurch begünstigten Zuchtlosigkeiten das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Ordnung wieder zum Siege gelangen liessen. Nach dem ersten Kappelerkrieg erlangte die Partei der Neugläubigen derart die Oberhand, dass die Durchführung der Reformation für alle Gemeinden beschlossen wurde. Der für die Reformierten unglückliche Ausgang des zweiten Kappelerkrieges (1531) brachte es dagegen mit sich, dass in Glarus, Linthal und Näfels der katholische Kultus wieder hergestellt wurde. Durch den Landesvertrag von 1532 wurde beiden Konfessionen Glaubens- und Gewissensfreiheit in einem Masse zuerkannt, wie dies damals nur an wenigen Orten geschehen ist.
Dagegen benutzte nachher die katholische Minderheit jede Gelegenheit, um für sich grössere Rechte zu erlangen. Sie wurde dabei durch die V Orte kräftig unterstützt. So bestand in den 1560er Jahren die Gefahr eines Krieges, indem namentlich Aegidius Tschudi (der berühmte Geschichtschreiber, 1558-60 Landammann von Glarus) und sein Schwager Landammann Schorno von Schwyz die V Orte zum Kriege gegen die evangelischen Glarner aufhetzten, so dass 1½ Jahre lang die glarnerischen Gesandten von der eidgenössischen Tagsatzung fern blieben. Den Bemühungen von Paulus Schuler (Landammann 1556-58 und 1567-74) und Anderer gelang es, den Ausbruch eines Krieges zu verhindern.
Immerhin dauerte die konfessionelle Spaltung fort und führte zu immer neuen Reibereien, welche den Stand Glarus nach aussen schwächten und im Innern viel Verdruss bereiteten. Durch einen Landesvertrag von 1623 wurde bestimmt, in welchem Masse die Katholiken an den Landesämtern beteiligt sein sollten (in sehr erheblich grösserem Masse, als ihnen nach der Volkszahl zugekommen wäre). 1683 aber wurde, nachdem die von den Katholiken gewünschte Landesteilung (nach dem Vorbild Appenzells) durch die entschiedene Haltung der Evangelischen abgewendet worden war, wenigstens eine «Regimentsteilung» in der Weise durchgeführt, dass fortan die beiden Konfessionen ihre besondern Landsgemeinden zur Bestellung der Landesämter hatten und ebenso für die Angehörigen der beiden Glaubensparteien besondere Gerichte aufgestellt wurden. Von 1701-1798 hatten sogar die beiden Konfessionen ihre besondere Zeitrechnung, indem die Katholiken den neuen gregorianischen Kalender annahmen, während die Reformierten beim alten Kalender verblieben, so dass die Katholiken den Reformierten jeweilen um 11 Tage voraus waren, z. B. Neujahr feierten, bevor die Reformierten Weihnacht hatten.
Als 1798 die Franzosen in die Schweiz einrückten und die alte Eidgenossenschaft zusammenbrach, stellte sich auch das Land Glarus wie die Waldstätte der Einführung der helvetischen Verfassung mit Waffengewalt entgegen. Aber bei Wollerau wurden die glarnerischen Truppen geschlagen und hierauf das Land Glarus mit Gaster, Uznach, ¶
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Sargans etc. zum Kanton Linth verschmolzen. Die Volksbewegung von 1799 und der Einmarsch österreichischer und russischer Truppen brachten für kurze Zeit die alte Landsgemeindefreiheit zurück; aber neue Siege der Franzosen und der dadurch bewirkte Rückzug Suwarows über den Panixer machten auch Glarus wieder zu einer Provinz der helvetischen Regierung. Das Kriegselend, das damals die Schweiz als der Schauplatz fremder Kriegsheere durchzukosten hatte, lastete auf dem Kanton Glarus ganz besonders hart, so dass, um dem Hungertode zu entgehen, über 1100 Kinder auswandern, d. h. in andern Kantonen, bis nach Bern, Waadt, Neuenburg, Aufnahme bei Menschenfreunden suchen mussten.
Die Mediation brachte wieder die alte Landsgemeindeherrlichkeit, aber auch die frühern konfessionellen Schranken. Erst die Bewegung der 1830er Jahre schob dieselben zur Seite, indem eine neue Verfassung vom Oktober 1836 (resp. Juli 1837) an die Stelle der bisherigen konfessionellen Landsgemeinden und Behörden die eine Landsgemeinde und von der Konfession unabhängige Räte und Gerichte setzte. Dieselben 1830er Jahre brachten auch für das Schulwesen grosse Fortschritte, ebenso die Erstellung eines rationellen Strassennetzes. 1887 wurde die Verfassung von 1837 einer Revision unterzogen, wobei aber deren Hauptgrundsätze unangefochten blieben. Die Landsgemeinde blieb nach wie vor Inhaberin der obersten Gewalt, Gesetzgeberin für alle Gebiete, die nicht der Kompetenz des Bundes übertragen sind, ebenso Wahlbehörde für die kantonale Regierung und die Gerichte, sowie der Abgeordneten in den schweizerischen Ständerat.
Erwerbsverhältnisse.
Die Landwirtschaft und die da mit verbundene Viehzucht und Alpwirtschaft lieferten in früheren Zeiten der damaligen spärlichen Bevölkerung fast alles, was sie zum Lebensunterhalt bedurfte. Heute spielt sie im Erwerbsleben des Glarnervolkes nicht mehr die erste, aber immer noch eine bedeutende Rolle. Von wesentlichem Einfluss auf die Art ihres Betriebes ist der Umstand, dass der grösste Teil des Bodens entweder den Bürgergemeinden und Korporationen oder reichen Privaten gehört, welche die Liegenschaften an Lehenbauern verpachten. (Ueber das Areal der einzelnen Bodenkulturen können keine genauen Zahlen mitgeteilt werden, da noch keine Vermessung durchgeführt ist).
Der Ackerbau war zu allen Zeiten im Kanton Glarus von untergeordneter Bedeutung. Zwar wurden, wie aus dem Säckinger Urbar hervorgeht, im Mittelalter Hafer und Gerste angebaut; allein die Produkte des Getreidebaues reichten auch für die damalige geringe Bevölkerung nicht aus. Einen bedeutenden Aufschwung nahm in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Anbau der Kartoffel, die 1697 durch den Kaufmann Jakob Strub von Schwanden aus Irland nach der Schweiz gebracht worden war.
Von 1770 an machte ihre Kultur infolge der damals herrschenden Teuerung grosse Fortschritte. Sie verdrängte den Anbau des Getreides und der Gespinnstpflanzen fast ganz, und der grösste Teil des bisher als Viehweide benutzten Gemeindebodens (Allmeinden) wurde nun der Kartoffelkultur eingeräumt. Seit der Eröffnung der ersten Eisenbahnlinie (Wesen-Glarus) im Jahre 1859 und der dadurch bedingten Erleichterung des Verkehrs, wohl auch infolge des Aufschwungs der Industrie, ging der Kartoffelbau wieder stark zurück, so dass er jetzt dem eigenen Bedarfe bei weitem nicht mehr genügt. Der Getreidebau ist sozusagen ganz verschwunden, so dass heute kaum mehr von eigentlichem Ackerbau die Rede sein kann.
Der wichtigste Zweig der Landwirtschaft ist die Wiesenkultur, die Grundlage der Viehzucht. Die Wiesen des Kantons Glarus sind ausschliesslich Naturwiesen; der Anbau von Futterkräutern ist fast ganz unbekannt. Die in der Nähe der Dörfer liegenden Wiesen bilden die sogenannten Heimatgüter. Sie werden meistens durch Pächter bewirtschaftet, sind durch einen Holzzaun oder eine Mauer eingefriedet u. liefern meistens Winterfutter für 3-4 Kühe. Sie werden im Frühjahr und meist auch im Herbst abgeweidet und im Sommer geheuet.
Die Wiesen der Bergabhänge und Terrassen bis gegen die untern Alpen hinauf heissen Heuberge und entsprechen den Maiensässen Graubündens. Auch sie werden im Frühjahr und Herbst abgeweidet und im Sommer geheuet. Sie tragen Viehstall und Heugaden, meist auch ein Wohnhäuschen, das zur Zeit der Heuernte und im Winter, wenn das Heu an Ort und Stelle verfüttert wird, bewohnt wird. Mancherorts, wie auf den Näfelserbergen, auf Braunwald, auf den Weissenbergen oberhalb Matt, sind diese Berggüter das ganze Jahr bewohnt; doch ist die Zahl der ständig bewohnten Berghäuschen im Rückgang begriffen. Um mehr Winterfutter für das Vieh zu erhalten, sind im vergangenen Jahrhundert manche Alpen, die früher ausschliesslich als Viehweide dienten, in Heuwiesen umgewandelt worden.
Für den ärmern Teil der Bevölkerung sind noch die Wildheuflächen von etwelcher Bedeutung, die im Gebirge an den für das Vieh nicht mehr zugänglichen steilen Abhängen liegen. Sie sind Eigentum der Bürger- und Kirchgemeinden und werden den Bürgern alljährlich auf einen bestimmten Tag zur freien Benutzung geöffnet. Die Zahl derjenigen, die der mühsamen und gefährlichen Arbeit des Wildheuens obliegen, hat jedoch in den letzten Jahren bedeutend abgenommen.
Riedwiesen kommen nur in der Linthebene, in den Gemeinden des Unterlandes vor. In den übrigen Landesteilen wird im Herbst das Laub der Wälder in grossen Mengen gesammelt, um als Viehstreue verwendet zu werden, was die Waldkultur ungünstig beeinflusst.
Die modernen Fortschritte im landwirtschaftlichen Betriebe haben im Kanton Glarus, wohl grösstenteils des herrschenden Pachtsystemes wegen, noch wenig Eingang gefunden. Das im Lande produzierte Heu reicht auch in guten Jahrgängen nicht völlig für die Winterfütterung des Viehes aus.
Obstbau.
Wenn auch das Klima für den Obstbau nicht sehr günstig ist, so wäre doch dieser Zweig der Landwirtschaft noch erheblicher Verbesserung und Ausdehnung fähig. Einen ziemlich reichen Bestand von Obstbäumen weist nur das Unterland, vor allem die Gemeinde Mollis auf. In allen andern Landesteilen ist die Zahl der Bäume relativ gering und in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. Nicht nur das Klima, sondern vielleicht noch mehr das Pachtsystem ist einer rationellen Obstkultur hinderlich. Im Jahr 1886 betrug die Zahl der Obstbäume 70501.
Der Weinbau spielt im Kanton Glarus eine ganz untergeordnete Rolle, da es an den hiefür nötigen sonnigen Lagen mangelt. Zwar trifft man kleine Weingärten bei Schwanden, Ennenda, Mollis und Mühlehorn; von etwelcher Bedeutung ist jedoch einzig der Weinberg am S.-Fuss des Hirzli bei Niederurnen.
Viehzucht.
Die Viehzählungen ergaben im Kanton Glarus folgende Resultate:
1886 | 1896 | 1901 | |
---|---|---|---|
Hornvieh | 11297 | 10906 | 11499 |
Pferde | 328 | 374 | 439 |
Schweine | 3286 | 3971 | 3655 |
Schafe | 2015 | 1237 | 535 |
Ziegen | 6530 | 7040 | 6472 |
Bienenstöcke | 1508 | 1600 | 1788 |
Im Jahr 1796 besass der Kanton einen Rindviehbestand von 10233 Stück. Infolge der Ausbreitung der Kartoffelkultur sank er dann bis 1842 auf 8477 Stück herunter, also um 17%, obschon gleichzeitig die Bevölkerung um ca 35% gewachsen war. Wie aus obiger Tabelle hervorgeht, ist seither die Rindvieh-Stückzahl wieder um 35% gestiegen, was offenbar mit der Ausdehnung der Wiesenkultur auf Kosten des Kartoffelbaues zusammenhängt. Uebrigens ist der Viehstand im Sommer erheblich grösser als im Winter, da zur vollen Bestossung der Alpen ca 1/5 der erforderlichen Kühe aus den Nachbarkantonen ins Lehen genommen wird.
Das Vieh des Kantons Glarus gehört mit geringen Ausnahmen der braunen Schwyzerrasse an. In der jüngsten Zeit hat sich der Viehstand nicht nur quantitativ, sondern namentlich auch qualitativ gehoben. Mit Eifer und sichtlichem Erfolg wird an der Verbesserung der Rasse gearbeitet. Einen günstigen Einfluss auf die Hebung der Viehzucht üben die Viehzuchtgenossenschaften, die Prämierung guter Zuchterfolge durch Kanton und Bund und die Viehversicherung aus, die durch ein Gesetz vom Jahr 1902 obligatorisch geworden ist. Die Rindviehzucht wurde im Jahre 1901 in folgender Weise subventioniert: ¶