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Glarnern als Industrielle und Handelsleute in allen Ländern der Erde leben. Zu allen Zeiten war dem Glarner ein stark ausgeprägter Freiheitssinn eigen, der heute noch in seinen Staatseinrichtungen zum Ausdruck kommt und sich in allen Verhältnissen fühlbar macht. Damit verbindet sich eine lebhafte Liebe zur Heimat und ein ausgeprägtes Solidaritätsgefühl. Die glarnerische Mundart, ein Zweig des alemannischen Dialekts, ist reich an eigenartigen Ausdrücken; viele Wortformen der mittelhochdeutschen Sprache haben sich hier bis auf die Gegenwart erhalten.
Die Bevölkerungszahl war in frühern Jahrhunderten, als Viehzucht und Alpwirtschaft die einzige Beschäftigung bildeten, nur eine geringe. Im Jahr 1550 z. B. betrug die Zahl der männlichen Einwohner bloss 2050. Die Einwohnerzahl wuchs dann sehr stark im 18. Jahrhundert, als Handel und Gewerbe sich lebhaft entwickelten. Während im Jahr 1700 die Zahl der über 16 Jahre alten männlichen Einwohner 3250 betrug, war sie 1797 bereits auf 6502 gestiegen, woraus man schliessen muss, dass in diesem Jahrhundert die Bevölkerung sich verdoppelte. Die im Jahre 1837 veranstaltete erste genaue Volkszählung ergab bereits eine Bevölkerungszahl von 29348. Ueber die Bevölkerungsbewegung in den letzten 50 Jahren gibt folgende Tabelle Auskunft:
1850 | 1860 | 1870 | 1880 | 1888 | 1900 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Wohnbevölkerung des Kant. Glarus | 30197 | 33363 | 35208 | 34242 | 33825 | 32349 |
Trotz der seit 1840 herrschenden starken überseeischen Auswanderung nahm die Bevölkerungszahl zu und erreichte im Zusammenhang mit der Blüte der Industrie 1870 ihr Maximum. Seither trat eine rückläufige Bewegung ein, die namentlich seit 1888, infolge des Rückganges der Industrie, beunruhigende Fortschritte macht. Während von 1837 bis 1870 die Bevölkerungszahl um 20% zunahm, ist sie in der Periode 1870-1900 wieder um 8,1% zurückgegangen. Von dieser Abnahme sind fast alle Gemeinden betroffen, am stärksten diejenigen des Mittellandes. Die Dichtigkeit der Bevölkerung beträgt 46,8 per km2.
Im Jahre 1900 zählte man 24232 Reformierte und 8006 Katholiken. Seit längerer Zeit verschiebt sich das Verhältnis stetig zu Ungunsten der Reformierten, wie die folgende Zusammenstellung zeigt:
1850 | 1870 | 1888 | 1900 | |
---|---|---|---|---|
Reformierte | 87% | 80,3% | 76,7% | 75,0% |
Katholiken | 13% | 19,6% | 23,1% | 24,8% |
Wie anderwärts, doch lange nicht in dem Masse wie in manchen andern Kantonen, ist im Kanton Glarus die Zahl der Ortsbürger gegenüber derjenigen der Niedergelassenen im Rückgange begriffen, wie sich aus der folgenden Tabelle ergibt:
1888 | 1900 | |||
---|---|---|---|---|
Bürger der Wohngemeinden | 21574 | 63,7% | 19339 | 59,9% |
Bürger anderer Kantonsgem. | 4887 | 14,5% | 5126 | 15,9% |
Bürger anderer Kantone | 6084 | 18,0% | 6268 | 19,4% |
Ausländer | 1280 | 3,8% | 1564 | 4,8% |
Im Jahre 1837 zählte man bloss 2,8% Bürger anderer Kantone und 1,1% Ausländer.
Siedelungsverhältnisse.
Fast die gesamte Bevölkerung wohnt in gedrängt gebauten Dörfern, die ausschliesslich den Thälern der Linth, des Sernf und des Walensees angehören. Da früher die Thalsohlen schutzlos den Ueberschwemmungen von Linth und Sernf preisgegeben waren, liegen die Dörfer, zumal ihre ältern Quartiere, nicht in der eigentlichen Thalebene, sondern seitwärts am Fusse der Berghänge, auf den Schuttkegeln der seitlichen Wildbäche und auf alten Bergsturzhügeln. Zerstreute Höfe treffen wir in einigen Seitenthälern und auf den Wiesenterrassen der Bergabhänge. Die höchsten ständig bewohnten Siedelungen liegen zwischen 1400 und 1500 m Meereshöhe (Braunwald, Weissenberge ob Matt).
Geschichte.
Eine grössere Anzahl romanischer Ortsnamen, verschiedene Funde (Lanzenspitzen, Feuersteine, römische Münzen) und nicht am wenigsten die Letzimauer, welche einst das Thal gegen N., d. h. gegen Einfälle der Alemannen abschloss, geben Zeugnis davon, dass das Land Glarus schon zur Zeit der Helvetier bewohnt war. Wie die Sage meldet, soll auch damals schon, durch die zürcherischen Heiligen St. Felix und Regula, das Christentum Eingang gefunden haben. Nach dem Einzug der Alemannen, wahrscheinlich aber erst im 8. oder 9. Jahrhundert, kam das Land Glarus an das Damenstift von Säckingen am Rhein; deshalb wurde auch der Heilige dieses Klosters, St. Fridolin, der Landespatron der Glarner.
Als Grundeigentümer des Landes übertrug das Kloster die Verwaltung der daraus sich ergebenden Einkünfte und die niedere Gerichtsbarkeit, das «Meieramt», 1288 an die Herzoge von Oesterreich, welche vorher schon die Reichsvogtei und damit die Verwaltung der höhern Gerichtsbarkeit an sich gebracht hatten. Durch beides, Meieramt und Reichsvogtei, hofften die Herzoge, das Land Glarus allmählig ganz an ihr Haus zu bringen. Dem setzte sich aber der Freiheitssinn der glarnerischen Bauern beharrlich entgegen, um in hundertjährigem Ringen auch das Ziel zu erreichen.
Wohl fühlend, dass es ihnen nur im Anschluss an die Waldseite möglich sei, die erwünschte Freiheit und Selbständigkeit zu erwerben, traten sie schon 1352 in einen Bund mit Uri, Schwyz und Unterwalden, sowie mit der Stadt Zürich. Durch den Regensburgerfrieden von 1355 wurde aber dieser Bund wieder aufgehoben. Allein die Glarner liessen sich dadurch ihr Streben nach politischer Selbständigkeit nicht unterdrücken. Als es 1386 aufs neue zum Kampfe zwischen den Eidgenossen und Oesterreich kam, nahmen auch Glarner an der Schlacht von Sempach teil, und Glarus benutzte den dort erfochtenen Sieg, um sich von Oesterreich loszusagen, sich als freies demokratisches Gemeinwesen zu organisieren und das Städtchen Wesen «im offenen, ehrlichen Kampf» zu erobern. Durch die «Mordnacht von Wesen» wurde dieses Städtchen im Februar 1388 wieder für Oesterreich zurückgewonnen und hierauf am 9. April desselben Jahres auch der Versuch gemacht, das Land Glarus wieder unter die Herrschaft der Habsburger zu zwingen. Durch die Schlacht von Näfels, in welcher ein Trüpplein von 400-600 Glarnern unter der Führung von Matthias Ambühl und dem spätem Landammann Albrecht ¶
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Vogel einen zehnfach grössern Feind zurückschlug, erhielt die glarnerische Freiheit ihre Bluttaufe. Die Herrschaft der österreichischen Herzoge war nun definitiv beseitigt; auch von Säckingen kaufte sich 1395 das Land Glarus los, um keiner fremden Macht weiter Anlass zu geben, sich in seine Angelegenheiten einzumischen. Die Landsgemeinde, die Versammlung der wehrfähigen Bürger des Landes, war fortan die «oberste Gewalt», die Gesetze gab, sowie Gericht und Rat besetzte.
Ebenso war Glarus nunmehr wieder Glied der Eidgenossenschaft, zunächst der VIII alten Orte, und nahm als solches das ganze 15. Jahrhundert hindurch lebhaften Anteil an den Kämpfen der Eidgenossen. Glarner zogen den Appenzellern gegen den Abt von St. Gallen zu Hilfe, beteiligten sich an der Eroberung des Aargaues und Thurgaues, gewannen mit Schwyz die Landschaften Gaster und Uznach, stritten im alten Zürichkrieg an der Seite der Schwyzer und zogen (unter Hans Tschudi) mit in die Burgunderkriege und ebenso 1499 in den Schwabenkrieg.
Heftige innere Kämpfe brachte dem Lande die Reformation. Während bisher Glarus Hand in Hand mit Schwyz gegangen, stellte sich nun der grössere Teil der Glarner auf die Seite der Zürcher und der Reformation, für welche Zwingli durch seine Tätigkeit als Pfarrer von Glarus 1506-1516 den Boden wohl vorbereitet hatte. Eine aristokratische Partei, welche namentlich um der Pensionen und fremden Kriegsdienste willen Zwingli grollte, ging dagegen mit den V Orten zusammen.
Indem diese Partei, durch die von der Landsgemeinde beschlossene Gestattung der evangelischen Predigt erzürnt, das Mittel der Obstruktion zur Anwendung brachte, Unterblieb während einiger Zeit sogar «Rat und Gericht», bis die dadurch begünstigten Zuchtlosigkeiten das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Ordnung wieder zum Siege gelangen liessen. Nach dem ersten Kappelerkrieg erlangte die Partei der Neugläubigen derart die Oberhand, dass die Durchführung der Reformation für alle Gemeinden beschlossen wurde. Der für die Reformierten unglückliche Ausgang des zweiten Kappelerkrieges (1531) brachte es dagegen mit sich, dass in Glarus, Linthal und Näfels der katholische Kultus wieder hergestellt wurde. Durch den Landesvertrag von 1532 wurde beiden Konfessionen Glaubens- und Gewissensfreiheit in einem Masse zuerkannt, wie dies damals nur an wenigen Orten geschehen ist.
Dagegen benutzte nachher die katholische Minderheit jede Gelegenheit, um für sich grössere Rechte zu erlangen. Sie wurde dabei durch die V Orte kräftig unterstützt. So bestand in den 1560er Jahren die Gefahr eines Krieges, indem namentlich Aegidius Tschudi (der berühmte Geschichtschreiber, 1558-60 Landammann von Glarus) und sein Schwager Landammann Schorno von Schwyz die V Orte zum Kriege gegen die evangelischen Glarner aufhetzten, so dass 1½ Jahre lang die glarnerischen Gesandten von der eidgenössischen Tagsatzung fern blieben. Den Bemühungen von Paulus Schuler (Landammann 1556-58 und 1567-74) und Anderer gelang es, den Ausbruch eines Krieges zu verhindern.
Immerhin dauerte die konfessionelle Spaltung fort und führte zu immer neuen Reibereien, welche den Stand Glarus nach aussen schwächten und im Innern viel Verdruss bereiteten. Durch einen Landesvertrag von 1623 wurde bestimmt, in welchem Masse die Katholiken an den Landesämtern beteiligt sein sollten (in sehr erheblich grösserem Masse, als ihnen nach der Volkszahl zugekommen wäre). 1683 aber wurde, nachdem die von den Katholiken gewünschte Landesteilung (nach dem Vorbild Appenzells) durch die entschiedene Haltung der Evangelischen abgewendet worden war, wenigstens eine «Regimentsteilung» in der Weise durchgeführt, dass fortan die beiden Konfessionen ihre besondern Landsgemeinden zur Bestellung der Landesämter hatten und ebenso für die Angehörigen der beiden Glaubensparteien besondere Gerichte aufgestellt wurden. Von 1701-1798 hatten sogar die beiden Konfessionen ihre besondere Zeitrechnung, indem die Katholiken den neuen gregorianischen Kalender annahmen, während die Reformierten beim alten Kalender verblieben, so dass die Katholiken den Reformierten jeweilen um 11 Tage voraus waren, z. B. Neujahr feierten, bevor die Reformierten Weihnacht hatten.
Als 1798 die Franzosen in die Schweiz einrückten und die alte Eidgenossenschaft zusammenbrach, stellte sich auch das Land Glarus wie die Waldstätte der Einführung der helvetischen Verfassung mit Waffengewalt entgegen. Aber bei Wollerau wurden die glarnerischen Truppen geschlagen und hierauf das Land Glarus mit Gaster, Uznach, ¶