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vollständigen Mauergürtel, der aber blos den Hügel am linken Ufer umfasste und den Bourg du Four, Saint Léger u. Saint Victor ausschloss. Zu dieser Zeit bespühlte auch der See noch den Fuss des Hügels und reichte bis unmittelbar an die Rues Basses hinan. Als sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte das Gemeinwesen stetsfort vergrösserte, siedelten sich nach und nach eine Reihe von Vororten ausserhalb der von Gondubald errichteten Mauern an. Da diese Aussenquartiere von den Feinden der Stadt u. des Bischofes viel zu leiden hatten u. zu wiederholten Malen geplündert u. in Asche gelegt wurden, beschloss der städtische Generalrat 1364 den Bau eines neuen umfassenderen Befestigungsgürtels. Die Arbeit begann unter dem Bischof Allaman de Saint Jeoire, wurde aber erst unter einem seiner Nachfolger, dem Bischof Guillaume Fournier de Marcossay (13661377) energisch gefördert. Diese unter dem Namen der Enceinte de Marcossay bekannten, aber erst 1428 gänzlich vollendeten Befestigungsanlagen schlossen nun auch das Quartier Le Bourg du Four in sich ein und sollen mit 22 Türmen versehen gewesen sein. Sie folgten ungefähr folgender Linie: Bel Air-La Corraterie-La Tertasse-Le Bourg du Four-Saint Antoine-Rive-Seeufer-Bel Air. In Rive stand der Hauptturm (Tour Maitresse), in Bel Air der Münzturm (Tour de la Monnaie). 9 Tore durchbrachen die Mauern, nämlich 1) das Tor von Saint Léger, südlich vom Bourg du Four; 2) u. 3) die Tore von aint Christophe und Saint Antoine, zwischen dem Bourg du Four und Rive; 4) das Tor von Rive; 5) das Tor des Molard, das sich auf den See zu öffnete und von einem z. T. noch erhaltenen Turm geschützt war; 6) das Tor von Bel Air, mit starkem, die Brücke über die Rhone schliessenden Turm; 7) das Münztor (Porte de la Monnaie), das sich gegen die Vorstadt La Corraterie öffnete; 8) das Tor von La Tertasse; 9) das Arvetor oder Tor Baudet, dessen einer mächtiger Turm heute noch das Rathaus flankiert. Aber auch am rechten Ufer hatten sich unterdessen um die alte Kirche von Saint Gervais Häuser geschaart, die immer zahlreicher wurden, so dass auch dieses Quartier mit Mauern umgeben werden musste. Zu welcher Zeit dies geschah, ist schwer zu bestimmen; doch sagt Bonivard, dass der «bourg» Saint Gervais vor der Erbauung der Enceinte de Marcossay noch offen (déclos) gewesen sei.
Im 14. Jahrhundert wurde Genf zweimal von verheerenden Feuersbrünsten heimgesucht. Am 18. April 1321 zerstörte ein heftiger Brand das am See gelegene Handelsviertel (die am stärksten mitgenommene Rue Neuve de la Rivière hat seit diesem Unglück den Namen der «Rôtisserie» sich bewahrt) u. 13 Jahre später, am 4. September 1334, ein nicht minder verderbliches Feuer beinahe die ganze Oberstadt. Erst viel später, zu Beginn des 15. Jahrhunderts, öffnete man die seit diesen zwei Katastrophen voller Schutt und Unrat gebliebenen Gassen wieder und räumte sie aus. Der Schutt wurde an der Jonction abgeladen, worauf wahrscheinlich auch die grosse Fruchtbarkeit der später hier angepflanzten Gärten zurückzuführen ist. Seit dieser Zeit begann die Stadt, sich zu verschönern, indem man einen Teil der Gassen mit Pflastersteinen besetzte und in die «Franchises» offiziell das Verbot, mit Holz zu bauen und mit Stroh zu decken, aufnahm. Schon im 14. Jahrhundert hatten die Messen und der Handel in Genf solche Bedeutung erlangt, dass die bestehenden zwei alten Herbergen (Auberge de la Mule - ums Jahr 1000 im Viertel La Madeleine eröffnet - und Auberge du Bœuf Couronné - 1009 am Grand Mézel erbaut -) dem Andrang der Fremden nicht mehr zu genügen vermochten. Es vermehrten sich nun die zur Aufnahme und Bewirtung der von allen Seiten her zu den Messen Genfs strömenden Händler bestimmten Herbergen in staunenswerter Weise, und auf einem zwischen Longemalle und der Rhonebrücke nach und nach dem See abgewonnenen Strich Landes siedelte sich rasch ein ganzes Handelsviertel an. Zu dieser Zeit waren die verschiedenen Handwerke und Handelszweige noch streng nach einzelnen Gassen und Stadtvierteln geschieden: die Küfer (fustiers) wohnten an der Fusterie, die Sattler (corroyeurs) an der Corraterie, die Schuhmacher (taconniers) an der Taconnerie, die Metzger am Grand Mézel, die Kupferschmiede (chaudronniers) an der heute noch nach ihnen genannten Gasse etc. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden in Genf auch drei Spitäler: derjenige von Saint Jacques nahe der Rhonebrücke, derjenige der Trinité in Saint Léger und derjenige von Saint Bernard nahe Saint Antoine. Die Geschichtschreiber berichten ferner, dass zu dieser Zeit auch schon eine geschätzte höhere Schulanstalt bestand, die Karl IV. 1365 sogar zu einer Akademie umwandeln wollte. 1429 gründete der reiche Kaufheer F. de Versonnex eine Schule. Eine dritte verheerende Feuersbrunst zerstörte am 21. April 1430 einen Teil des zwischen den Kirchen Saint Pierre und La Madeleine gelegenen Viertels und beschädigte auch die genannten zwei Gotteshäuser. Im 15. Jahrhundert war es namentlich Bischof François de Mies, der sich der Interessen Genfs kräftig annahm, indem er die Vergrösserung der Stadt begünstigte, die Kathedrale neu aufbauen liess und das Quartier Saint Gervais mit von Toren und Türmen besetzten Erdwerken umgab.
Ein schwerer Schlag traf Genf, als Ludwig XI. 1462 seine Messen aufhob. Dann kamen zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Pest und eine Hungersnot, die beide erschreckliche Dimensionen annahmen, während mehrere Feuerausbrüche die schon bedenkliche Lage der Stadt noch verschlimmerten. Zu gleicher Zeit sahen sich die Genfer durch neue Streitigkeiten mit dem Herzog von Savoyen gezwungen, ihre Stadt neu zu befestigen. Die
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Mauern wurden durch Festungswälle mit Bastionen ersetzt, und zugleich ward auch das Quartier Saint Gervais mit einem geschlossenen Mauerring umgeben, der 3 Türme trug: den Turm der Porte de Cornavin, den Turm von Villeneuve oder Le Cendrier (am See) und zwischen beiden den Turm Le Renardier. Diese Werke am rechten Ufer waren 1534 vollendet. Um dieselbe Zeit erbaute man am linken Ufer die «boulevarts» Saint Antoine und Saint Christophe oder Le Pin, zwei heute noch z. T. bestehende und in öffentliche Anlagen umgewandelte Bastionen (boulevarts). Trotzdem stand immer noch eine beträchtliche Anzahl von Häusern ausserhalb der Festungsanlagen in den Quartieren Saint Léger, Rive, Saint Victor und La Corraterie oder Plainpalais. Da es schwierig war, diese Aussenviertel im Kriegsfalle genügend zu verteidigen, beschloss man ihre Niederlegung. Seit 1534 dehnten sich dann allmählig die Festungswälle und Bastionen immer weiter aus und umschlossen nach und nach die Corraterie, die Crêts Baudet oder La Treille und das Quartier Saint Léger. Im Hafen, der seit mehr als 10 Jahren schon durch Pfähle und Ketten gesperrt war, begann man jetzt auch mit der Befestigung der Ile des Barques. Während der nun folgenden Zeit der Escalade konnte Genf froh sein, dass seine Befestigungen zur Abwehr eines Handstreiches hinlänglich stark und vollständig waren. Dessen ungeachtet beschloss man nach 1602 eine nochmalige Verstärkung der Wälle und Vermehrung der Verteidigungswerke auf beiden Ufern. Diese Arbeiten, auf deren Einzelheiten wir hier nicht eingehen können, nahmen einen grossen Teil des 17. Jahrhunderts in Anspruch, erschienen aber immer noch nicht als völlig ausreichend, so dass im folgenden Jahrhundert eine besondere Behörde (Chambre des fortifications) nochmals einen Plan zur Neubefestigung der Stadt ausarbeitete. Dieser sah eine grössere Ausdehnung der Wälle, den Bau von Kasematten und unterirdischen Laufgängen, sowie die Beseitigung überflüssiger Anlagen vor und kam so teuer zu stehen, dass die Stadt zur Aufnahme von beträchtlichen Anleihen und zu einer fühlbaren Erhöhung der Steuern genötigt ward. Diese neuen Arbeiten fanden ihren Abschluss im Zeitraum 1724-26. Unter der französischen Herrschaft sollte Genf mit verschiedenen Aussenforts umgeben werden, doch blieb es beim blossen Projekt, da Napoleon I. schliesslich darauf verzichtete, Genf zu einer starken Festung umzugestalten. Die aus dem 18. Jahrhundert stammenden Wälle blieben ohne grosse Aenderungen bis 1849 bestehen, nachdem man allerdings schon 1822 mehrere der Bastionen zu öffentlichen Spazierwegen umgewandelt hatte. Der raschen Entwickelung der Stadt trug man Rechnung durch Niederreissen der Kasematten, Schlagen von zwei leichten Hängebrücken quer über die Tranchées, den Bau von breiten Quaianlagen längs beider Flussufer und durch die Erstellung des Pont des Bergues. Trugen schon diese Arbeiten wesentlich zur Verschönerung von Genf bei, so war dies in noch grösserem Masse der Fall, als 1849 mit der vollständigen Beseitigung der Befestigungsanlagen begonnen worden war. Von dieser Zeit an datieren die mächtige Vergrösserung der Stadt, ihr Uebergreifen auf das umliegende Gelände und ihre tiefgreifende bauliche Umgestaltung, die sich im Bau neuer Brücken, in der Verlängerung der Quaianlagen, im Durchbrechen neuer Strassenzüge in der Altstadt, in der Erstellung zahlreicher öffentlicher Gebäude und in der Schaffung von Gartenanlagen und Spazierwegen geltend machte.
Der Name der Stadt erscheint in den Urkunden des Mittelalters unter der Form Gebenna u. soll nach Guicherat vom keltischen genava = Pforte, Tor herzuleiten sein.
Bibliographie.
Ausser den früher schon genannten Schriften sind noch folgende zu erwähnen: Mémoires de la Société d'histoire et d'archéol. de Genève. Massé. Enceintes et fortifications de Genève. Genève 1846. - Archinard. Les édifices religieux de l'ancienne Genève. Genève 1864. - Galiffe. Genève histor. et archéolog. 2 vol. Genève 1864-72. - Le Roy. Les anciennes fêtes genevoises. Genève 1868. - Le Boy. Promenade histor. et archéolog. dans la ville de Genève. 1868. - Fazy, H. Genève sous la domination romaine. Genève 1868. - Rigaud. Les beaux-arts à Genève. Genève 1876. - Borel. Les foires de Genève au XVe siècle. Genève 1892. - Rivoire. Bibliographie histor. de Genève au XVIIIe siècle. 2 vol. Genève 1892. - Mayor. L'ancienne Genève; l'art et les monuments. Genève 1896-98. - Gaberel. Histoire de l'Église de Genève. 3 vol. 1853-62.
[Dr Émil André.]