mehr
ihre verschiedenen Teile nicht aus derselben Epoche stammen. Die Aussenmauern bestehen aus Backsteinen, die Kapellen aus gehauenen Bausteinen. Im Jahre 122 soll hier eine kleine Kapelle erstellt worden sein, die vielleicht mit der Gruft der heutigen Kirche Saint Gervais identisch ist; darüber erhob sich dann später eine weit grössere Kirche, über deren Existenz freilich erst 1218 eine Urkunde Auskunft bietet. Zu dieser Zeit war die Kirche reich begütert und verfügte über so ansehnliche Einnahmen, dass ihr Pfarrer zu Gunsten eines der Kreuzzüge eine ziemlich bedeutende Summe spenden musste. 1455 baute Bischof François de Mies den Glockenturm um. Nahe dem Temple de Saint Gervais steht die 1859 erbaute, dem staatlichkatholischen Gottesdienst eingeräumte Kirche Notre Dame, ein in gotischem Stil gehaltener Bau ohne architektonisches oder geschichtliches Interesse. Neben diesen Gotteshäusern besitzt das rechte Ufer noch eine Reihe von anderen religiösen Bauten, so die amerikanische Kapelle (Emanuel Church), die reformierte Kirche in Les Pâquis, die römisch-katholische Kirche zum h. Antonius von Padua in Servette und zahlreiche kleine Kapellen, die den verschiedensten Kultusrichtungen dienen.
Obwohl das geistige Leben Genfs, wie schon bemerkt, hauptsächlich am linken Ufer sich konzentriert, besitzt doch auch unser rechtsufriger Stadtteil wichtige Unterrichtsanstalten, wie die 1876 erbaute Gewerbeschule (École des Arts Industriels), die aus dem Jahre 1878 stammende Uhrenmacherschule (Ecole d'Horlogerie), sowie die Handwerkerschule (École professionnelle) und das Technikum, die beide in einem im Quartier de la Prairie stehenden hufeisenförmigen Gebäude (1884 erbaut) untergebracht sind. Ferner sind über die verschiedenen Quartiere des rechten Ufers noch zahlreiche Kleinkinder- und Volksschulen verteilt.
Vor dem Legat des Landgutes Mon Repos durch Philipp Plantamour bestanden im rechtsufrigen Stadtteil nur zwei öffentliche Anlagen, die Cropettes mitten im Quartier Montbrillant und der Jardin de Saint Jean längs der Rhone, in dessen Mitte die Denkmalbüste von James Fazy steht.
Hafen, Inseln.
Zwischen die beiden Stadthälften dringt das zusehends sich verschmälernde Seeende ein und bildet so einen natürlichen Hafen, der seewärts durch zwei rechtwinklig vom Ufer abgehende Hafendämme geschützt ist. Den rechtsufrigen Damm, die sog. Jetée des Pâquis, schliesst ein Leuchtturm mit Drehfeuer ab; gegenüber zieht sich die Jetée des Eaux Vives in den See hinaus, nahe an deren Ende ein mächtiger Springbrunnen seinen dicken Wasserstrahl 90 m hoch in die Lüfte senden kann.
Von diesen Hafendämmen aus gesehen zeigt sich das Stadtbild von Genf von seiner vorteilhaftesten Seite: prachtvoll ist der Kontrast zwischen den den Horizont abschliessenden Bergrücken, den weissschimmernden Quais, den malerischen Turmsilhouetten und alten Häusern einerseits mit dem azurblauen Wasser des Sees und Flusses und den Baumreihen an den Ufern und auf der Rousseauinsel andererseits. Dieses ganze harmonische Bild muss auf jeden der Stadt vom See her nahenden Reisenden unfehlbar einen mächtigen Eindruck machen. Den Hafen beleben eine Menge der verschiedensten Schiffe und Schiffchen: Dampfer, Frachtschiffe mit ihren grossen lateinischen Segeln, die den Verkehr von Ufer zu Ufer besorgenden Schraubenboote, Lustschiffchen etc. Da die Jagd im Hafen untersagt ist, belustigen sich hier im Winter in aller Sicherheit ganze Schaaren von Möven und wilden Enten.
Den untern Abschluss des Hafens bildet die reizende He Rousseau, die mit Pappeln bepflanzt ist und das von Pradier ausgeführte und 1834 eingeweihte Bronzedenkmal von Jean Jacques Rousseau trägt. Vor dieser Zeit hiess das Inselchen die Ile des Barques. Weiter flussabwärts wird die Rhone durch eine weitere, grössere Insel (kurzweg l'Ile genannt) in zwei Arme geteilt, die ganz mit hohen Häusern überbaut ist und an deren oberem Ende ein weitläufiges Bauwerk direkt aus dem Wasser aufsteigt. Es ist dies das die Stadt Genf einst mit Trinkwasser versorgende ehemalige Pumpwerk, das heute zur elektrischen Lichtzentrale umgestaltet ist.
Die erste Turbine wurde 1708 am linken Flussarm eingerichtet; ihre letzten Ueberreste sin erst 1884 bei Anlass von Arbeiten im Flussbett verschwunden. 1843 stellte man in dem jetzt noch bestehenden Gebäude eine neue Turbine auf. Mitten auf der Insel lehnt sich an die Häuser ein zum linken Ufer hinüberschauender alter viereckiger Turm an, der der Ueberlieferung nach von Julius Caesar erbaut worden sein soll. In der That errichtete dieser im Jahr 58 v. Chr. an dieser Stelle einen ¶
mehr
den Flussübergang hütenden Turm, der aber später wieder zerstört wurde und an dessen Stelle 1200 Jahre später der Bischof Pierre de Cessons eine feste Burg erbaute. Dieser Burgletzter Ueberrest ist der heutige Turm, die sog. Tour de l'Ile, die vor Kurzem mit Sorgfalt und Diskretion restauriert worden ist. Am Fusse dieses ehrwürdigen Denkmales aus längst vergangenen Zeiten wurde Philibert Berthelier, der Märtyrer der Unabhängigkeit Genfs, am mit dem Schwert hingerichtet.
Das untere Ende der Ile trägt eine gedeckte Markthalle und setzt sich in ein Stauwehr fort, das sich an das quer über dem linken Flussarm stehende und der Fassung der Wasserkraft der Rhone dienende Bauwerk anschliesst. Mit ihren alten, baufälligen und zum Teil auf Pfählen direkt über dem Wasser sich erhebenden Häusern und Häuschen war die Insel einst eines der malerischsten Quartiere Genfs. Vor Kurzem erst hat diese ganze Herrlichkeit grossen und schönen Neubauten Platz machen müssen.
Linkes Ufer.
Auch hier kann man einen ziemlich gut umgrenzten Kern unterscheiden, dessen alte Quartiere in vieler Hinsicht dem Stadtteil Saint Gervais gleichen. Um diesen zuweilen die Altstadt genannten Kern haben sich dann nach und nach neue Quartiere gruppiert, die heute schon weit über die Grenzen der Stadt Genf auf Boden der Gemeinden Plainpalais und Les Eaux Vives übergreifen. Die Altstadt zieht sich von der Mont Blanc Brücke bis zur Inselbrücke längs der Rhone hin und steigt die nahe dem Flusse gelegenen steilen Hänge des von der altertümlichen Kathedrale Saint Pierre gekrönten Hügels hinan.
Hauptverkehrsadern sind hier die dem Fluss parallel verlaufenden Rue du Rhône und Rues Basses. Dazwischen öffnen sich weite Plätze: Longemalle, der Molard und die Fusterie. Auf der hie und da mit Recht das genferische Forum geheissenen Place du Molard haben sich eine grosse Anzahl von wichtigen Ereignissen der Geschichte Genfs abgespielt. Trotzdem die Bedürfnisse der Neuzeit dem Molard viel von seiner ursprünglichen Gestalt geraubt, hat er sich zusammen mit dem ihn gegen den See hin abschliessenden mächtigen Turm doch noch ein sehr malerisches Gepräge zu erhalten vermocht. An der Place de La Fusterie steht der dem Dienste der reformierten Landeskirche eingeräumte Temple Neuf oder Temple de La Fusterie, eine 1708 im Bau begonnene aber erst sieben Jahren später vollendete und eingeweihte Kirche von nur geringem architektonischen oder geschichtlichen Interesse.
Die früher den Jahrmärkten und Messen dienenden Rues Basses wurden bis 1822 zu beiden Seiten von Holzschuppen eingeengt, deren breite Vordächer (die sog. dûmes) von hohen Pfeilern gestützt waren. Bis zu dieser Zeit hatte sich die Unterstadt überhaupt ihr mittelalterliches Gepräge noch ganz erhalten, und damals reichte auch der See noch bis beinahe an den Turm Molard heran. Einige Jahre nach dem Abbruch der Schuppen und Vordächer gab der Bau der Quaianlagen dem Quartier sein heutiges Aussehen; immerhin sind auch seither noch neue Strassen durchgebrochen und ganze Häuserreihen niedergelegt worden, an deren Stelle grosse moderne Bauten getreten sind.
Von den Rues Basses zweigen zahlreiche unregelmässige, enge und steile Gassen ab, an denen hohe, vielfach noch aus dem 14. und 13. Jahrhundert stammende Häuser stehen und die durch schmäle Gässchen und düstere Durchgänge mit einander in Verbindung stehen. Mehrere dieser gegen die Kathedrale Saint Pierre hin konvergierenden Gassen erinnern in ihren Namen (Rue d'Enfer, Rue du Purgatoire, Rue du Paradis, Rue des Limbes, Rue de Toutes Ames) noch an die Zeiten vor der Reformation, da hier Glieder der niedern Geistlichkeit u. Kirchendiener aller Art ihren Wohnsitz hatten.
Heute sind sie als Sitz von Kleinhandwerkern und Trödlern volksreich, stark belebt und voller Lärm. Mitten in diesem Gewirr liegt das Quartier La Madeleine, dessen alte Häuser sich um die Kirche La Madeleine schaaren. Dieses im Spitzbogenstil gehaltene und von einem Glockenturm aus karolingischer Zeit flankierte alte Gotteshaus stammt aus unbekannter Zeit (vielleicht aus dem 11. Jahrhundert), hiess zuerst Saint Oyen de Joux und wurde später zum Temple de Sainte Marie Madeleine umgetauft. Rings herum zog sich einst ein Friedhof. In einem Zeitraum von 96 Jahren ist die Kirche zweimal (1334 und 1430) vom Feuer verwüstet worden.
Zuoberst über den steilen Hängen der Altstadt thront weithin sichtbar das bedeutendste Gotteshaus von Genf, die Kathedrale Saint Pierre (404 m), das alte Wahrzeichen der Stadt Genf. An dieser Stelle sind seit den ältesten Zeiten der Reihe nach zahlreiche religiöse Bauten gestanden. Zuerst ein unter Marcus Aurelius ums Jahr 170 n. Chr. durch Feuer zerstörte Apollotempel, von dem heute noch einige Ueberreste vorhanden sind. Neu aufgebaut, ward der Tempel im ersten Dritteil des 4. Jahrhunderts zur christlichen St. Peterskirche umgewandelt, von Chlodwig bei seiner Eroberung des Burgunderreiches (zu dem auch Genf gehörte) niedergebrannt, später von Gondubald neu errichtet und vom Erzbischof Avitus von Vienne 516 geweiht. Als später die Kirche zu zerfallen drohte, liess König Konrad der Friedliebende das ganze Gebäude abtragen und an seiner Stelle eine neue Basilika aufrichten, die aber erst viel später unter Konrad dem Salier ums Jahr 1035 vollendet wurde. Seit dieser Zeit hat die Peterskirche unter manchem Missgeschick gelitten: 1291 liess sie Graf Amédée de Genevois durch Feuer verwüsten;
1334, ¶