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versteht darunter alle staatlichen Anstalten und Einrichtungen zur Pflege von armen Kranken, Verunglückten und Gebrechlichen.
Alle diese Einrichtungen stehen unter der Aufsicht des Staatsrates und im Besonderen unter derjenigen einer von ihm bezeichneten
bestimmten Verwaltungsabteilung; sie werden alle je von einer eigenen Verwaltungskommission geleitet, deren Mitglieder vom
Staatsrat und Grossen
Rat ernannt werden. Vollkommen ohne Entgelt können in diesen Anstalten nur bedürftige
Genfer
bürger aufgenommen werden, während Nichtkantonsbürger hier auf Kosten des Justiz- und Polizeidepartements verpflegt
werden.
Die älteste und wichtigste dieser Anstalten zur öffentlichen Krankenpflege ist der Kantonsspital, der in eine medizinische und chirurgische Abteilung zerfällt und keine Geisteskranke aufnimmt. Mit dem Kantonsspital verbunden ist die unter derselben Verwaltungskommission stehende Frauenklinik (Maternité), die Wöchnerinnen und mit Frauenleiden behaftete Kranke verpflegt. Beide Anstalten dienen wie die gleich zu nennende Irrenheilanstalt auch dem Unterricht an der medizinischen Fakultät der Universität.
Die kantonale Irrenheilanstalt behandelt Geisteskranke, Alkoholiker, Epileptiker und Schwachsinnige und ist 1900 von Plainpalais nach Bel Air (Gemeinde Thônex) verlegt worden. Andere vom Staate betriebene Krankenanstalten sind das Asyl von Loex (für chronische und unheilbare Krankheiten mit Ausnahme von Geistes- und ansteckenden Krankheiten) und das von der Baronin von Rothschild erbaute Erholungshaus (Hospice des Convalescents) in Petit Saconnex (für Erholungsbedürftige u. Unheilbare).
Diese Einrichtungen werden ergänzt durch die 1900 eingerichtete poliklinische Behandlung von bedürftigen Kranken zu Hause
(Service d'Assistance médicale à domicile), die in ärztlichen Konsultationen und Besuchen, sowie im Bedürfnisfall auch
in der kostenlosen Abgabe von Arzneimitteln, Verbandmaterial und Bädern besteht. Dieser Dienstzweig ist für das Stadtgebiet
an die Universitätspoliklinik angegliedert, während die Landgemeinden gruppenweise von je einem vom
Staatsrat ernannten Bezirksarzt versehen werden. Die Ausgaben für die staatliche Kranken- und Armenpflege betrugen 1901 518521
Franken, denen noch die vom Justiz- und Polizeidepartement für nichtgenfer
ische Arme und Kranke ausgelegten 294240 Franken
zugerechnet werden müssen. Man zählt im Kanton Genf
168 Aerzte, 50 Zahnärzte, 54 Apotheker und 100 Hebammen.
Daneben verdankt der Kanton Genf noch der privaten Initiative und der Freigebigkeit Einzelner zahlreiche andere Anstalten für die Pflege armer Kranken oder die unentgeltliche Abgabe von Arzneien. Wir wollen hier blos deren wichtigste nennen: Spital Butini in Plainpalais (für Frauen und Kinder), Spital Butini in Les Pâquis (für Männer und Knaben; beide Anstalten schliessen ansteckende Krankheiten aus), der von Baron A. von Rothschild gegründete und unterhaltene Spital für Augenkranke in Les Pâquis, der von Diakonissinnen geleitete Kinderspital (Maison des Enfants malades) in Plainpalais, die Apotheke für kranke Kinder (Dispensaire des Enfants malades), das Asile de la Miséricorde (für ledige Wöchnerinnen, die es später auch in Dienst zu bringen versucht), die Fondation Trembley-Tollot in Petit Saconnex (für erholungsbedürftige Frauen und Kinder beiderlei Geschlechtes), das Asile de Pressy (für Frauen und junge Mädchen), die Enfantine in Grand Saconnex (für Kinder beiderlei Geschlechtes). Dieser Liste wären noch anzufügen mehrere Apotheken (Dispensaires), die Kranke und Wöchnerinnen unterstützen und ihnen Arzneien, Nahrung, Leib- und Bettwäsche etc. liefern.
Die staatliche Fürsorge für die Armen, Waisen und Greise ist einer Einrichtung übertragen, die aus dem Jahre 1868 stammt und den Namen des Hospice général trägt. Durch Gesetz vom sind das Vermögen des Genfer Spitales (Hôpital de Genève) und des sog. Bureau de Bienfaisance, sowie die Fondation Tronchin, die Waisenfonds und alle anderen von den einzelnen Gemeinden verwalteten Stiftungen zu einer einzigen Stiftung, dem Hospice général, vereinigt worden.
Dieses untersteht keiner der staatlichen Verwaltungsabteilungen und wird von einer alle drei Jahre zu erneuernden Kommission von 23 Mitgliedern verwaltet, von denen 17 von den resp. Gemeinderäten, 3 vom Grossen Rate und 3 vom Staatsrat ernannt werden. Zum Zwecke der Armenunterstützung zu Hause oder in Anstalten ist der Kanton in 23 Kreise eingeteilt, deren jedem eines der Kommissionsmitglieder vorsteht. Unter der Verwaltung und Aufsicht des Hospice général stehen: das Waisenhaus für Knaben in Chêne Bougeries, das etwa 100 Knaben aufnehmen und erziehen kann;
das Waisenhaus für Mädchen in Varembé, mit Raum für etwa 60 Zöglinge;
das Altersasyl in Anières und das für reformierte Frauen bestimmte Asyl Magnenat in Carouge, die beide zusammen etwa 180 Greise verpflegen können.
Daneben besorgt das Hospice général die Unterbringung von Lehrlingen und die Versorgung von Pensionären in Privatfamilien oder in Spezialanstalten für Schwachsinnige, Geisteskranke, Trinker, Taubstumme, Blinde, Epileptiker, Erholungsbedürftige etc. Die folgenden aus dem Bericht des Hospice für 1901 geschöpften Zahlen können uns einen Begriff von dem Umfange dieser Tätigkeit vermitteln: ¶
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Art der Unterstützung | Zahl der Unterstützten | Wert der Unterstützung Fr. |
---|---|---|
In barem Geld | 2515 | 165038 |
In Naturalien | - | 52670 |
Versorgte Kinder | 317 | 78397 |
Versorgte Greise | 212 | ➚ |
Lehrlinge | 116 | 42811 |
Waisen | 126 | 61856 |
Greise | 212 | 58752 |
Es hat somit 1901 das Hospice général im Ganzen 3498 Personen mit Aufwand einer Gesamtsumme von etwa 460000 Franken unterstützt, während seine Gesamtauslagen sich auf 520484 Franken beliefen. Das Hospice besitzt an Liegenschaften und Kapitalien ein die Summe von 3600000 Franken übersteigendes Vermögen, dessen Zinsenertrag im Betrage von 249890 Fr. den Hauptposten seiner Einnahmen bildet. Das Total der Einnahmen betrug 1901 die Summe von 347823 Fr., die sich neben den genannten Kapitalzinsen aus zahlreichen freiwilligen Gaben, der jährlichen Kollekte (27000 Fr.), Einkaufsgebühren von Neubürgern (10000 Franken), Zuschuss der Polizeikasse (10000 Fr.) etc. zusammensetzen. In seinem Kampfe gegen die Armut ist dem Staat die private Initiative in ausgibiger Weise zu Hilfe gekommen; Angaben über philanthropische Unternehmungen, die nicht vom Staate ausgehen, findet man im Art. Genf (Stadt).
Finanzwesen.
er für die Staatseinnahmen wichtigste Faktor der direkten Steuern ist die Vermögenssteuer (taxe mobiliaire), die jedes Vermögen über 3000 Franken zur Besteuerung zieht und als Progressivsteuer gedacht ist, wobei sich der Pflichtige selbst taxiert. Sie hat dem Staat 1901 die Summe von 1683063 Franken eingebracht. Dazu erhebt der Staat noch von jedem Familienvorstand oder Inhaber eines Mietvertrages eine Mietwertsteuer (taxe locative) im Verhältnis von 1,5% des Mietwertes einer Wohnung für Junggesellen, Witwer und Geschiedene und von 1% für Verheiratete und alle Personen mit minderjährigen Kindern.
Davon befreit sind solche Verheiratete oder Ledige, deren jährlicher Mietzins ein festgesetztes Minimum nicht überschreitet. Die Grundwertsteuern sind so bemessen, dass von jeder Gebäulichkeit 3% ihres Nettoertrages (wobei jedoch der bauliche Zustand des betreffenden Hauses berücksichtigt wird) und von jeder unbebauten Liegenschaft ein ihrem Werte proportionaler Betrag erhoben werden. Ferner werden besteuert das Halten von Dienstboten, Pferden, Wagen, Automobilen und Fahrrädern, von Billards, Hunden etc. Von den Gemeindesteuern der Gemeinden Genf, Plainpalais und Carouge fällt dem Staat ein Anteil im Betrag von etwa 75000 Franken zu. Die einzelnen Gemeinden besteuern Einkommen und Vermögen und teilen zu diesem Zweck die Pflichtigen in 11 Klassen ein, deren 9 erste die verschiedenen Berufsarten umfassen, während die beiden andern von den Rentnern und Grundbesitzern gebildet sind. Es kann ein Steuerpflichtiger in eine, zwei oder in drei dieser Klassen eingereiht und somit einmal, zweimal oder dreimal besteuert werden.
Jedes Jahr wird nach dem Budgetgesetz bestimmt, ob zu Handen des Staates auf einzelnen dieser verschiedenen Steuern Zuschlagstaxen (sog. centimes additionnels) erhoben werden sollen und in welchem Masse dies der Fall sein solle. Im Jahr 1901 sind diese Zuschlagstaxen erhoben worden auf den direkten Steuern, den Kanzleigebühren, der Erbschaftssteuer, der Wirtschaftssteuer und andern Abgaben; sie haben zusammen eine Einnahme von 716924 Fr. erzielt. Die beträchtlichsten Einnahmequellen des Staates sind die Kanzleigebühren und die Stempel- und Hypothekensporteln, die 1901 zusammen 2731975 Fr. eingetragen haben. Andere wichtige Einnahmeposten des Staates sind: Mietwertsteuer 129876 Fr.;
Liegenschaften, Mietzinse und Grundzinse 167280 Fr.;
Anteil am Alkoholmonopol 221472 Fr.;
Schulgelder 259265 Fr.;
Salzmonopol 238020 Fr.;
Militärsteuer 178314 Fr.
In Folgendem geben wir die Tabelle der Einnahmen und Ausgaben der einzelnen Verwaltungszweige für 1901:
Ausgaben | Einnahmen | |
---|---|---|
Amortisierung der Staatsschuld | 1647083 | - |
Allgemeine Verwaltung, Verschiedenes | 612027 | - |
Finanzdepartement | 327830 | 7033002 |
Erziehungsdepartement | 2062750 | 305704 |
Justiz- und Polizeidepartement | 1598849 | 346922 |
Departement des Innern, der Landwirtschaft und des Kultus. | 955698 | 134199 |
Departement der öffentl. Bauten | 533567 | 93839 |
Militärdepartement | 285757 | 274118 |
Handels- u. Industriedepartement | 179038 | 288197 |
Subventionen u. Unterstützungen | 211469 | - |
Armen- und Krankenwesen | 518521 | - |
Unvorhergesehenes, Ausserordentliches und Verschiedenes | 682743 | 44984 |
Total Fr. | 9615332 | 8520965 |
Seit 1881 hat der Staat Genf 5 Anleihen im Gesamtbetrag von 42674200 Fr. aufgenommen, nämlich 1) 1881 eines im Betrag von 19529200 Fr., zu 3½%, in 66 Jahren rückzahlbar;
2) 1888 Obligationen im Betrag von 900000 Fr., zu 3½%, zu Gunsten der staatlichen Entrepôts;
3) 1900 245000 Fr., zu 3%, zu Gunsten der Wasserversorgung, in 55 Jahren rückzahlbar;
4) ein Anleihen von 10 Millionen Franken, zu 3½%, von 1901 an in 66 Jahren rückzahlbar;
5) ein Anleihen von 12 Millionen Fr., zu 4%, von 1910 an in 55 Jahren rückzahlbar.
Geschichtlicher Ueberblick.
Ueber die Frage der Entstehung Genfs herrscht das tiefste Dunkel. Wir wissen blos, dass Genf im 2. Jahrhundert v. Chr. eine Stadt der Allobroger war und 120 v. Chr. von den Römern erobert worden ist. Julius Cæesar berichtet in seinen Commentaria, dass er hier sein Lager aufgeschlagen und die über die Rhone führende Brücke zerstört habe, um die Helvetier am weitern Vordringen zu verhindern (58 v. Chr.). Zu dieser Zeit gehörte das Gebiet links des Flusses zum Lande der Alloroger, das rechts des Flusses zum Lande der Helvetier.
Das Christentum fand in Genf frühzeitig Eingang. Beim Untergang des Römerreiches kam Genf unter die Herrschaft der Burgunder (456) und entwickelte sich bald zu einer ihrer wichtigsten Städte. Als während der Regierung von König Sigismund (516-524) das Reich Burgund von den Ostgoten überflutet wurde, fiel Genf mit einem Teile des Reiches in die Gewalt dieses Volkes, das sich hier halten konnte, bis 536 ihr Reich dem Ansturm der Franken zum Opfer fiel. Die nun folgende fränkische Periode bietet für die Geschichte von Genf nur wenig Interesse.
Nach dem Tode Karls des Grossen zerbröckelte unter Karl dem Dicken auch das Frankenreich nach und nach, bis 888 das Königreich Neuburgund entstand, zu dessen Hauptzentren nun auch Genf zählte. Durch die Feigheit seines letzten Königs, Rudolfs III. des Unvernünftigen, kam dieses Reich, Genf mit inbegriffen, an Deutschland. Während Genfs Schicksale bis zu dieser Zeit stets aufs Engste mit demjenigen der rund herum gelegenen Mächte verknüpft gewesen, ward die kleine Stadt nun ein ¶