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Frutigen: 189 Häuser, 1380 Ew. Der Kirchgemeinde Frutigen ist neben den eben genannten Siedelungen noch der zur politischen Gemeinde Reichenbach gehörende Weiler Wengi zugeteilt. Ein Grossratsbeschluss hat 1840 die bis dahin ebenfalls dieser Kirchgemeinde angegliederten Orte Kandergrund, Mitholz und Kandersteg von ihr abgelöst und zu einer Helferei vereinigt, die nach Vollendung von Kirche und Pfarrhaus in Bunderbach 1859 in eine eigene Pfarrei umgewandelt wurde.
Bezirksspital. Sekundarschule. Hauptbeschäftigung der Bewohner sind Landwirtschaft und Viehzucht, die heute in beträchtlichem Umfange betrieben werden. Bedeutender Viehhandel und stark besuchte Viehmärkte. 6 Zündholzfabriken. In den Wildbachrunsen der aus Flyschsandsteinen und -schiefern bestehenden Niesenkette bricht man Schiefer, die in Frutigen selbst zu Schreibtafeln verarbeitet werden. Uhrsteinschleifereien. Von geringer Bedeutung sind Seidenweberei und Holzschnitzerei. Die Fabrikation des einst weitbekannten und stark gesuchten sog. Frutigentuches ist heute beinahe völlig eingegangen. Dafür hat sich in neuerer Zeit die Fremdenindustrie mächtig entwickelt. Frutigen ist der Ausgangspunkt des häufig begangenen Weges über die Gemmi und der Strasse zum klimatischen Kurort Adelboden. Mehrere Gasthöfe. Im Sommer grosser Wagenverkehr auf den Strassen nach Kandersteg und Adelboden. Mühlen.

Zu beiden Seiten der die Ortschaft in das Oberdorf und Unterdorf trennenden 1 km langen Hauptgasse stehen schöne Häuser. Mitten im Dorf zweigt davon die Strasse nach Kandersteg ab, die zunächst mit einer eisernen Brücke über den Engstligenbach setzt, dann das Aussenviertel Widi durchzieht und am weiten Schiessplatz vorübergeht, wo alle 2 Jahre ein Bezirksschützenfest abgehalten wird. Auf einer Anhöhe über der Kanderbrücke stehen die noch beträchtlichen Ueberreste der 1885 durch eine Feuersbrunst zerstörten Tellenburg.
Hoch über dem Dorf die Pfarrkirche mit ihrem hohen Turm, eine ausgeprägt typische Berner Oberländer Kirche; daneben eine hoch gewachsene alte Linde. Von hier aus weite Rundsicht auf die ganze umliegende Landschaft und weiterhin auf Doldenhorn, Altels, Balmhorn und die Gebirge um das Thal von Adelboden. Die erste Kirche soll in Frutigen von König Rudolf II. von Burgund 933 erbaut worden sein; 1421 folgte ein Neubau, der 1726 mit dem ganzen Dorf Frutigen durch eine Feuersbrunst in Asche gelegt wurde, während der Brand vom die wiederum erstandene Kirche verschonte. Damals hat man das Dorf nach einem neuen Bauplan aufgebaut und seine Häuser aus Stein errichtet. 1830 verursachte ein Ausbruch des von der Niesenkette herabkommenden Leimbachs grosse Verheerungen, deren Folgen z. T. heute noch sichtbar sind.
Aus vorhistorischer Zeit ist oberhalb Frutigen ein Bronzebeil aufgefunden worden. Im 11. Jahrhundert war das Frutigland unmittelbares Reichsland, woher wahrscheinlich auch der Reichsadler im Wappen der Ortschaft stammt. 1232: Wrutingium; 1234: Frutingen. Im 12. und 13. Jahrhundert tauchen die Edelgeschlechter von Kien, Scharnachthal und Faltschen auf. Die ersten urkundlich beglaubigten Herren des Landes waren zu Beginn des 13. Jahrhunderts die Freiherren von Wädiswil, von denen aber die Herrschaft durch Heirat schon 1302 an das Walliser Geschlecht Im Thurm zu Gestelen (La Tour-Châtillon) überging. 1400 verkaufte Anton Im Thurm das Frutigland an Bern, bei welcher Gelegenheit sich dessen Bewohner gewisse Ausnahmsrechte, so namentlich ihr eigenes Zivil- und Strafrecht, zu sichern verstanden.
Die Verwaltung besorgte ein auf der Tellenburg wohnender bernischer Burgvogt. Die Reformation fand im Frutigland kräftigen Widerstand und konnte 1528 nur durch Anwendung von Zwangsmitteln durchgeführt werden. Ursprünglich zerfiel das ganze Land in nur zwei Kirchgemeinden: Frutigen und Aeschi. 1433 erstand dann die Kirche zu Adelboden und 1564 diejenige zu Reichenbach. Eine heftige Pestseuche raffte 1669 in Aeschi 313 und in Adelboden 550 Personen hinweg. 1798 zeichneten sich die Frutigländer im Gefecht von Neuenegg durch besondere Tapferkeit aus. Vergl. Stettler, Karl. Das Frutigland. Bern 1887. - Stettler, Karl. Des Frutiglands Geschichte. Bern 1901.