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das Rügerholz und der Stähelibuck. Von den beiden letztern schöner Ueberblick über das Thal der Murg, zahlreiche subalpine Gipfel und die Kette der Alpen vom Glärnisch bis Säntis.
Die «Altstadt», das Frauenfeld der früheren Zeiten, ist sehr regelmässig angelegt und bildet (exkl. Wall und Graben) ein Rechteck von 120 m Breite und 250 m Länge, längs dessen Aussenseiten die Häuserreihen stehen. Das Innere schneiden seiner ganzen Länge nach zwei breite Strassen und die schmale Mittelgasse, die ihrerseits wieder von zwei Querstrassen gekreuzt werden. Durch drei Tore (das untere, obere und Holdertor) stand einst die Altstadt mit der Aussenwelt in Verbindung. Wälle, Gräben, Tore und Türme sind verschwunden, und an das Rechteck haben sich in der Folge drei Vorstädte angegliedert: längs der Strasse nach Winterthur die Ergaten-Vorstadt, nach NO. gegen Langdorf die Erchingervorstadt und in der Richtung auf Thundorf die Engelvorstadt. An der Strasse nach Schaffhausen dehnt sich Kurzdorf und an derjenigen nach Konstanz Langdorf aus.
An bemerkenswerten Bauwerken besitzt Frauenfeld am Schlossplatz (dem Hauptplatz der Stadt) das alte Schloss mit mächtigem, viele Jahrhunderte altem Turm. Seine aus unbehauenen, wahrscheinlich einst vom Säntisgletscher hierher verfrachteten Felsblöcken aufgeführten Mauern sind an der Basis 3 m und in der Höhe 1,3 m stark. Er steht auf einem Felssporn 17 m (Spitze 34 m) über der Murg. Ebenfalls am Schlossplatz, dem Schloss gegenüber, steht das geschmackvolle und markige Postgebäude, eine der Zierden von Frauenfeld.
Unweit des Schlosses das in seinem Innern reich verzierte städtische Rathaus, Eigentum der Bürgergemeinde; der hohe und elegante Saal, zugleich auch Sitzungssaal des Grossen Rates des Kantons Thurgau, hat prachtvolle Glasmalereien, deren eine - die Gründung der Stadt darstellend - im Jahr 1891 in Konstanz um den Preis von 4000 Fr. angekauft worden ist. Bis 1897 hatte die Oberstadt mit dem Bahnhof auf direktem Wege nur für Fussgänger eine Verbindung (Treppen); seither hat man mit Beihilfe von öffentlichen und privaten Geldbeiträgen eine neue Strasse mit 11% Steigung und 9 m hohen Stützmauern aus Beton an den Felsenrain angelegt.
Das Regierungsgebäude enthält punkto Baustil nichts Luxuriöses, ist aber deswegen
nicht minder ansprechend; in demselben
sind auch der
Saal und die Kanzleien des Obergerichts sowie die 42000 Bände zählende Kantonsbibliothek
untergebracht. Dieses wie die Schulhäuser stehen an der
Oberen Promenade, einer schönen
Allee von
Kastanienbäumen. In der
Ergaten-Vorstadt der 1895 erbaute Bezirksspital mit etwa 40
Betten, in dem 1900 531 Kranke verpflegt worden sind.
Die sehr einfachen beiden Kirchen (reformierte und katholische) besitzen je eine gute neue Orgel. Von öffentlichen Gebäuden können ferner noch genannt werden die Kaserne mit ihren weitläufigen Stall- und Reitschulanlagen, die drei Zeughäuser, das Gebäude der Hypothekenbank, die Kantonalbank, Kantonsschule, die städtische Turnhalle und das kantonale chemische Laboratorium. Der Waffenplatz Frauenfeld dient besonders der Artillerie, und seine Kasernen fassen 1000 Mann und 600 Pferde. Im hintern Gebäude der Kantonsschule ein historisches und naturhistorisches Museum. Endlich erwähnen wir noch einige Brunnen mit allegorischen Figuren.
Mit Ausnahme der neuesten Bauten entbehren die Privathäuser Frauenfelds der künstlerischen Architektonik; dafür sind sie aber wohnlich, sauber und geschmackvoll. Gärten hat man überall, wo dies möglich war, angelegt, besonders in den Aussenquartieren. Sie bekunden die Freude der Bewohner an der Natur. Einige Villen sind sogar von selten schönen Parkanlagen umgeben. Darf man aus der an den Strassen und öffentlichen Plätzen, den Wohnhäusern und in den Wohnungen herrschenden Reinlichkeit und Sorge auf den Bildungsgrad einer Bevölkerung schliessen, so muss man Frauenfeld in dieser Hinsicht einen ersten Rang zuweisen.
Man hat die alten Strassen umgebaut und neue angelegt, die Wasserversorgung mit Hydranten eingerichtet, Abzugskanäle geöffnet, ein Gaswerk und Schlachthaus erbaut und eine Badanstalt sowie gut unterhaltene Anlagen und Promenaden geschaffen. Besonderer Sorge erfreut sich auch das öffentliche Gesundheitswesen. Schon lange plant man den Bau eines an der Thur zu errichtenden Elektrizitätswerkes (die Murg kann für diesen Zweck nicht in Betracht kommen). Das Schulwesen ist von der Kleinkinderschule bis hinauf zur Stufe der Handels-, Berufs- und Fortbildungsklassen ausgezeichnet organisiert.
Die Kantonsschule umfasst ein humanistisches Gymnasium und eine den Realfächern dienende Industrieschule.
Die Stadt liefert Kindern bedürftiger Eltern kostenlos die benötigten Schulmaterialien. Die Uebernahme von kostspieligen
Unternehmungen wird der Stadt Frauenfeld dadurch erleichtert, dass ⅔ der gesamten Gemeindeabgaben von der hier bestehenden
und ein Kapital von 24 Millionen Franken versteuernden Hypothekenbank getragen werden. ^[Berichtigung: dass an
das 34 Millionen Fr. betragende Gesamtsteuerkapital der Gemeinde die thurgauische Hypothekarbank allein 8 Millionen beiträgt.]
Frauenfeld erfreut sich eines gemässigten Klimas mit vorherrschenden W.-Winden. Nebel treten verhältnismässig oft auf. Im Frühjahr steht das Wiedererwachen des pflanzlichen Lebens dem der Gegenden am Ufer des Bodensees um 14 Tage nach. Die Schneedecke verschwindet gewöhnlich rasch wieder, und auch langandauernde Kälteperioden sind selten - zum grossen Leidwesen der Freunde des Schlittschuhsportes, für die 2 km s. vor der Stadt ein eigener Eisweier eingerichtet worden ist. Ein reges Leben verleihen der Stadt die Kasernenanlagen und die Kantonsschule. Diese zählte im Schuljahr 1900-1901 22 Lehrer und 277 Schüler, wovon 69 auf das Gymnasium ¶
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und 208 auf die Industrieschule entfielen. Kadettenkorps mit Musik. Als eidgenössischer Waffenplatz für Artillerie sieht Frauenfeld vom Februar bis in den Oktober hinein Wiederholungskurse, Rekruten- und Offizierbildungsschulen der Artillerie und hier und da auch Wiederholungskurse für Infanterie und Kavallerie sich ununterbrochen folgen. Im Winter wird die Kasernenküche als Suppenanstalt benützt.
Frauenfeld zeichnet sich durch ein intensives geselliges Leben aus und bietet seinen Bewohnern zahlreiche Gelegenheiten zur Unterhaltung und Belehrung: Konzerte, volkstümliche und wissenschaftliche Vorträge, Theater. Die Zahl der Konzerte ist ungesund gross. Wenn auch Frauenfeld nicht das geographische Zentrum des Kantons ist, so darf es doch als dessen geistiger Mittelpunkt angesprochen werden, wo sich die Kantonsschule und die gesamte kantonale Verwaltung, die Kantonsbibliothek und zahlreiche andere Sammlungen, der Sitz der kantonalen geschichts- und naturforschenden Gesellschaft etc. befinden.
Der Bewohner Frauenfelds ist von Natur aus gesellig und heiteren Gemütes. Die Fastnacht wird lebhaft gefeiert und gibt hie und da Anlass zur Abhaltung von historischen und humoristischen Umzügen. Am fröhlichsten geht es aber her am Berchtolds- oder Bertelistag, dem dritten Montag im Januar, an dem sich die Stadtbürger zur gemeinsamen Rechnungsabnahme zu versammeln pflegen. Tagsüber treiben dann die Kinder mancherlei ergötzlichen Maskenscherz, und abends halten die Erwachsenen zwei grosse Bankette ab, das eine für die Gemeindebürger im Rathaus, das andere für die Niedergelassenen in der Militärkantine, wobei Reden, Musik- und Gesangvorträge in bunter Reihe miteinander abwechseln. Gross ist auch die Zahl der den verschiedensten Zwecken dienenden Vereine und Gesellschaften (mehr als 70): Beruf und Wissenschaft, Kunst, Sport, Politik etc. -
Alles ist vertreten. Am zahlreichsten (über 10) sind Gesang- und Musikvereine, dann folgen Turn- und Schiessvereine, dann berufliche Vereinigungen, philanthropische Gesellschaften und Unterstützungsvereine, sportliche Klubs, wissenschaftliche und religiöse Gesellschaften.
Frauenfeld ist die Heimat, der Geburtsort oder auch die Wohnstätte einer grossen Anzahl von hervorragenden Männern: des Armenfreundes Bischof Nikolaus II. von Konstanz;
des Historikers und Polemikers Dekan Kaspar Lang;
des 1733 geborenen berühmten Medaillenstechers Johann Kaspar Mörikofer;
der Landammänner Morell u. Anderwert;
des schweizerischen Gesandten in Paris Dr. J. G. Kern, dem die Stadt in Anerkennung seiner Verdienste um die Begründung der Kantonsschule das Ehrenbürgerrecht verliehen hat;
des ersten Präsidenten des schweizerischen Schulrates Dr. Kappeler;
des Arztes Dr. Kappeler;
der Bundesräte F. Anderwert u. Dr. Deucher;
des abessinischen Staatsministers Ingenieur Alfred Ilg;
des Geschichtsschreibers J. A. Pupikofer;
des Verlegers und Buchdruckereibesitzers Dr. J. Huber;
des weitbekannten Arztes und geschätzten Reiseschriftstellers Dr. E. Halfter etc.
Geschichte.
Die Gegend von Frauenfeld wurde von den Alemannen um die Jahre 400-700 besiedelt. Aus den Urkunden, deren älteste vom Jahr 860 datiert, ergibt sich, dass damals das ganze Gelände von Frauenfeld und Umgebung dem nach seinem Besitzer, dem vornehmen Alemannen Erich so genannten Hof Erichingen zugehörte. Daher auch die noch heute vorkommenden Namen Erchinger Vorstadt (nö. Vorstadt von Frauenfeld), Langenerchingen für den heutigen Vorort Langdorf und Kurzenerchingen für Kurzdorf.
Nachdem der Thurgau in den Besitz der Frankenkönige übergegangen war, schenkte Karl der Dicke 888 den Hof Erchingen als stetes Besitztum dem 724 gegründeten Kloster Reichenau im Untersee, dem dieses Gebiet denn auch bis zum Jahr 1803 (Loskauf durch den Kanton) verblieb. Doch war das Eigentumsrecht des Abtes am Hofe Erchingen kein unbeschränktes, da er selbst wieder unter der Reichshoheit und später unter der Hoheit der Herzoge von Oesterreich stand, die ihre Rechte (hohe und niedere Gerichtsbarkeit, Vogtsteuer, Mannschaftsrecht) durch einen Reichsvogt, bezw. Landgrafen (zugleich Schirmvogt des Klosters) ausüben liessen. Dagegen bezog der Amtmann des Stiftes Reichenau Grundzinse, Zehnten und Gefälle. 1460 ging die Oberherrschaft an die Eidgenossen über.
Es gab bei dem Hofe Erchingen noch ein besonderes, durch Reutung des Waldes gewonnenes Stück Feld, das Separateigentum «Unserer lieben Frau», der Schutzpatronin von Reichenau, war und dieser zu Ehren Vrowanveld oder Frowenveld hiess. Später ging dann dieser Name auf den auf dem «Frauen-Felde» erbauten alten Turm, auf das Schloss und die Stadt über. Aus der Bauart dieses Turmes lässt sich schliessen, dass er seine Entstehung der ersten Zeit des Burgenbaues, d. h. der Zeit des Burgen- und Städtegründers König Heinrichs I. (917-926) verdankt und gegen die Ueberfälle der räuberischen Hunnen Zuflucht bieten sollte. Die um 1080 erfolgte Erweiterung dieses ursprünglichen Burgfriedes zum Doppelturm und ¶