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zwischen den beiden Floren. Immerhin ist aber diese Querscheide weniger scharf ausgeprägt, als diejenige, welche durch die Kammlinie zwischen den Einzugsgebieten von Aare und Rhone als Längsscheide gekennzeichnet ist. Der Unterschied in den floristischen Erscheinungen zwischen N.- und S.-Seite der Gruppe wird um so auffallender, je tiefer man thalwärts absteigt. Hermann Christ hat schon bemerkt, dass die Hochalpen des Berner Oberlandes für die Ausbreitung der Mehrzahl der südlichen Typen der reichen Walliser Flora eine unüberwindliche Schranke gebildet zu haben scheinen. So wie man nach Ueberschreitung der Gemmi oder Grimsel die Walliser Seite der Gebirgsgruppe erreicht hat, nimmt man mit Erstaunen einen plötzlichen Wechsel im Charakter u. Reichtum der Flora wahr.
Doch ist in Wirklichkeit das seltene Auftreten von südlichen Typen auf der N.-Seite weniger eine Folge der orographischen Mauer, als vielmehr der zu beiden Seiten der Kammlinie von einander vollständig verschiedenen klimatischen Verhältnisse. Es sind aber trotz allem dennoch eine Reihe von südlichen Arten auf dem Weg über die Passlücken nach N. gelangt u. haben sich hier erfolgreich zu behaupten vermocht. So findet man auf dem Plateau der Gemmi Anemone baldensis, Ranunculus parnassifolius, Viscaria alpina, Crepis pygmaea, Alsine laricifolia, Oxytropis lapponica etc.; am N.-Hang des Lötschenpasses Oxytropis lapponica, Salix glauca, Potentilla frigida, Phyteuma Scheuchzeri; am N.-Hang der Grimsel Salix glauca und S. myrsinites, Androsace tomentosa, Pinguicula grandiflora, Potentilla frigida, Phaca alpina. Andere für die Walliser Flora charakteristische Arten, wie z. B. Ranunculus pyrenaeus, Sedum alpestre, Saxifraga muscoides und S. Seguieri, Achillea nana etc. finden sich an isolierten Standorten des n. Gebirgsabfalles.
Nordseite. Im östlichen Abschnitt der Finsteraarhorngruppe, besonders im Ober Hasle und in dem orographisch schon der Dammagruppe zugehörigen Gadmenthal, zeigt sich der Einfluss des Föhns auf die Flora im Vorkommen mehrerer südlichen Elemente der insubrischen Flora, wie z. B. des Polygonum alpinum (Guttannen), der schönen Saxifraga cotyledon, einer Zierde der Felswände der zentralen und südlichen Alpen, der zusammen mit Woodsia ilvensis bei Lauterbrunnen wachsenden Betonica Jacquini etc. «Dass der Föhn, der gerade die Ostflanke des Berner Oberlandes mit ungeheurer Kraft bestreicht, an diesem südlichen Charakter ihrer Flora den grössten Anteil hat, ist unzweifelhaft. Sowohl seine wärmende und aufhellende Hauptwirkung, als seine regenspendende Nachwirkung ist in diesen Thälern bedeutender als irgendwo: ihre Niederschlagsmenge ist durchaus die der Südalpen, sie übersteigt 200 cm und erreicht im obersten Aarthal (Grimsel 226 cm) den zweithöchsten in unsern Alpen beobachteten Wert.» (H. Christ: Pflanzenleben der Schweiz. 2. Ausg. S. 372).
Diesen insubrischen Arten fügen wir als solche der zentralen und östlichen Alpen noch bei Rumex nivalis, Saxifraga aphylla und Primula integrifolia. Auch die von uns für die Kette des Faulhorns (s. diesen Art.) genannten Arten finden sich mit nur wenigen Ausnahmen auf verschiedene Standorte im übrigen Teil der Finsteraarhorngruppe verteilt. Wenn man jene Liste mit den hier schon genannten und sogleich noch anzuführenden Arten ergänzt, so erhält man ein ziemlich vollständiges Verzeichnis der auf der N.-Seite der Finsteraarhorngruppe wachsenden interessanten Florenelemente.
Erwähnenswert sind für die N.-Seite der Gebirgsgruppe ferner: Viola palustris und Drosera longifolia (Grimsel), Viola lutea (bei Mürren häufig), Spergularia campestris (von Guttannen bis Grimsel);
Trifolium rubens (Lütschenthal), T. Thalii und T. badium;
Phaca alpina und Ph. astragalina (Umgebung von Grindelwald);
Oxytropis Halleri (Gadmen) und O. cyanea (Rosenlaui und Hintergrund des Lauterbrunnenthales);
Coronilla vaginalis (Fuss des Wetterhorns bei Grindelwald);
Geum reptans, Agrimonia odorata (Innertkirchen), Potentilla dubia und P. frigida, Dryas octopetala (Fuss des Grindelwaldgletschers), Sorbus chamaemespilus (Kleine Scheidegg, Rosenlaui etc.);
Sedum villosum, S. atratum und S. annuum;
Sempervivum Mettenianum (bei Innertkirchen und Wengen);
Saxifraga cotyledon, S. caesia, S. oppositifolia, S. macropetala, S. aspera, S. stellaris, S. cuneifolia, S. muscoides (Unteraargletscher), S. exarata, S. Seguieri (Grindelwalder Eismeer, Eiger, Aargletscher) und S. androsacea;
Laserpitium panax (Grimsel, Guttannen, Umgebung von Grindelwald gegen das Faulhorn zu), Adenostyles leucophylla (Rotthal bis Jungfrau);
Achillea atrata, A. nana u. A. moschata;
Chrysanthemum coronopifolium (Sulegg, Rosenlaui), Arnica montana (Handeck bis Aargletscher, Kleine Scheidegg, Wengen, Mürren etc.), Saussurea alpina (Gipfel des Männlichen), Crepis pygmaea (Lammerengletscher).
In den Grindelwalderbergen nennt Christener zahlreiche bemerkenswerte Habichtskräuter, wie z. B. Hieracium glanduliferum, H. Gaudini, H. scorzoneraefolium, H. bernense, H. glaucum, H. Jacquini, H. Trachselianum, H. caesium, H. pseudo-porrectum, H. gothicum, H. perfoliatum, H. valdepilosum, H. albidum (Handeck bis Grimsel), etc. Ferner Orobanche salviae (Lauterbrunnen), Plantago fuscecens (Lämmernalp), Phyteuma Halleri, Pirola uniflora;
Gentiana nivalis und G. obtusifolia;
Pedicularis rostrata und P. recutita;
Salix helvetica, S. glauca, S. myrsinites, S. retusa etc. Monokotylen: Sparganium minimum (Grosse Scheidegg, Wengernalp, Spitalboden auf der Grimsel), Orchis pallens (Grindelwalder Alpen), Chamaeorchis alpina (beim Eigergletscher), Allium fallax (Innertkirchen, Wengen), Heleocharis pauciflora (Rosenlaui);
Carex pauciflora (Handeck, Grimsel), C. Laggeri (Grimsel), C. leporina (Grimsel), C. irrigua (Grosse Scheidegg, Grimsel), C. ustulata (bei Rosenlaui), die seltene C. sparsiflora (Schwabhorn; einziger Standort der Schweiz neben dem Ober Engadin), C. tenuis (Grindelwalder Alpen);
Poa hybrida (Grimsel), Festuca varia (Wengernalp).
Für weitere Einzelheiten verweisen wir auf Prof. L. Fischers Verzeichnis der Gefässpflanzen des Berner Oberlandes. Bern 1862; mit zwei Supplementen 1875 und 1889.
In der Waldzone treffen wir hauptsächlich die Weisstanne und Fichte, beide meist in gemischten Beständen. Die Fichte steigt hoch auf, geht aber doch nicht über 1800-1900 m. Nur ausnahmsweise stehen hier und da noch bis auf 2000 m und darüber vereinzelte und verkümmerte Exemplare. Im Schatten dieser Waldungen gedeiht an den feuchtesten Stellen der Thäler die Mehrzahl unserer Orchideen: Herminium monorchis (auf feuchten Wiesen, zwischen Wilderswil und Zweilütschinen häufig), Epipogium aphyllum (am Weg auf die Schinige Platte), Listera cordata (Mürren, Trachsellauenen, Ober Hasle, bei der Handeck etc.), Goodyera repens (an trockeneren Standorten, z. B. bei Wengen, Rosenlaui), Corallorrhiza innata (Wengernalp, Trachsellauenen etc.), Malaxis monophylla (beim Staubbach und Giessbach), Cypripedilum calceolus (bei Wengen und Rosenlaui).
Die Buche bildet reine oder, in den tiefern Lagen der Thäler, gemischte Bestände und steigt kaum höher als bis 1300 m an. Die Waldföhre kommt auf der N.-Seite der Gruppe nirgends in grössern Beständen vor, während die Bergföhre im Ober Hasle häufig angetroffen wird und in einzelnen isolierten Gruppen noch bis nahe an 1900 m gedeiht. Auch vereinzelte Arvengruppen lassen sich da und dort noch entdecken; oberhalb der Kleinen Scheidegg lassen noch einige alte Stümpfe die einstige grössere Verbreitung dieses Baumes erkennen.
Einzelne Exemplare der Arve steigen in der Umgebung der Aargletscher bis über 2000 m an. Sie findet sich im ö. Abschnitt des Oberlandes noch häufiger als in den Thälern der Simme und Kander, wo sie zu einer recht seltenen Erscheinung geworden ist. Auch die Eibe ist nicht mehr stark vertreten und stockt u. a. noch im Kienthal und Lütschenthal. Interessante Pflanzenarten der Bergregion sind: Clematis vitalba (Hasle), Aquilegia alpina, Delphinium elatum (Schwarzhorn, Mürren etc.), Aconitum paniculatum (Schilthorn, Ober Hasle etc.), Berberis vulgaris (Sichellauenen; auf Gneis), Papaver alpinum (Gadmenthal), Impatiens noli tangere (Ober Hasle), etc.
Südseite. Wie sich zwischen den Floren der N.-Flanken von Wildhorn- und Finsteraarhorngruppe ein Unterschied zeigt, so auch zwischen denen der S.-Flanken dieser Gruppen. Doch finden sich im S. eine grosse Anzahl der für die ö. Hälfte der Kette charakteristischen Arten auch an dem der w. Hälfte angehörenden, z. T. aus krystallinen Felsarten aufgebauten Mont Fully. Solche ¶
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beiden Hälften der S.-Flanke gemeinsame Typen sind (nach dem Catalogue de la flore valaisanne von Henri Jaccard) z. B. Aquilegia alpina, Coronaria flos Jovis, Geranium rivulare, Adenostyles leucophylla, Phaca alpina, Sedum annuum u. S. alpestre; Saxifraga aspera, S. aspera v. bryoides, S. exarata und S. adscendens; Bupleurum stellatum, Erigeron Schleicheri, Achillea nana und A. moschata, Centaurea rhaponticum, Hypochaeris uniflora, Veronica bellidioides, Empetrum nigrum, Juncus trifidus u. J. Jacquini, Silene valesia, Campanula cenisia etc. In der Bergregion zwischen den Schluchten der Massa und dem Fiescherthal trifft man noch einige der für das zentrale Wallis charakteristischen Arten, wie Astragalus exscapus, Centaurea axillaris, Campanula excisa, Linaria italica, Euphrasia Christii und Galium pedemontanum, das bis über Deisch noch blüht.
Die O.-Hälfte der Kette, im Goms, hat dagegen eine an Arten arme Flora; die grosse Mehrzahl der alpinen Typen der Penninischen Alpen fehlt hier, und es bietet auf diesen zu trockenen Rücken und Halden die Pflanzendecke oft eine ermüdende Einförmigkeit. Sie besteht der Hauptsache nach aus nur wenigen Arten, die oft ganze grosse Flächen ausschliesslich bedecken: Leontodon pyrenaicus, Arnica montana, Trifolium alpinum, Veronica bellidioides, Gentiana obtusifolia.
Auch die nivale und subnivale Flora ist hier eine kümmerliche, wie dies Henri Jaccard nachgewiesen hat. Er sagt darüber: «Man findet hier auf den Schuttfeldern u. an den Felsen kein Thlaspi, keine Achillea, keine Androsace, keine Artemisia und keine Draba; nur Saxifraga aspera v. bryoides, Primula viscosa und Phyteuma hemisphaericum grüssen den Botaniker. Auf den obersten Rasenflächen besteht der ganze Pflanzenteppich aus nicht mehr als etwa 10 Arten: Veronica alpina, Gnaphalium supinum, Gentiana bavarica, Cardamine alpina, Sibbaldia procumbens, Oxyria digyna, Salix herbacea und einigen andern.» Blos im Münsterthale stösst man noch auf einige gute Arten, die in den benachbarten Gebieten selten sind oder ganz fehlen, wie z. B. Campanula excisa, Primula longiflora, Phaca alpina und Ph. frigida, Saxifraga cotyledon, Androsace imbricata.
Grossen Florenreichtum weisen dagegen die Umgebungen der Furka, des Gries- und Nufenenpasses, sowie der Grimsel auf, wo sich die klassische Fundstelle der Maienwand findet, die wir im Artikel Goms des näheren besprechen werden.
Zahlreiche Forscher - Lindt, E. v. Fellenberg, A. Escher v. der Linth u. A. - haben ihre Aufmerksamkeit der nivalen Flora der Finsteraarhorngruppe geschenkt und die obere Verbreitungsgrenze der verschiedenen Arten festgestellt. Am Wetterhorn hat man den Leontodon pyrenaicus noch über 3000 m beobachtet, und ebenso hoch steigen Campanula cenisia, Poa alpina und Androsace helvetica an. Androsace glacialis ist am Oberaarhorn noch bei 3500 m gefunden worden. Auf dem Gaulipass (3274 m) kann man folgende neun Arten pflücken: Poa laxa, Chrysanthemum alpinum, Androsace glacialis, Gentiana bavarica, Ranunculus glacialis, Silene acaulis, Saxifraga oppositifolia und S. muscoides, Potentilla grandiflora. Am Ewigschneehorn hat man in etwa 3400 m Poa laxa und Androsace imbricata gesammelt, am Oberaarhorn in derselben Höhe Androsace glacialis, A. helvetica und A. obtusifolia, Ranunculus glacialis, Draba carinthiaca, Saxifraga oppositifolia, Artemisia spicata, Achillea moschata und Linaria alpina. Am S.-Hang des Finsteraarhorns wachsen in 3350 m noch Poa laxa, Linaria alpina, Draba frigida, Silene acaulis, Saxifraga aspera v. bryoides und S. muscoides, in 4000 m (nach Lindt) noch Saxifraga aspera v. bryoides, S. muscoides und Achillea atrata; ganz nahe dem Gipfel, in 4270, hat man im Monat September noch ein kleines Polster von blühendem Ranunculus glacialis angetroffen. An der Jungfrau hat E. v. Fellenberg in einer Höhe von 3000 m notiert Thlaspi rotundifolium, Hutchinsia alpina, Gaya simplex, Erigeron uniflorus, Artemisia mutellina und A. spicata, ferner 300-400 m höher noch Silene acaulis und Saxifraga oppositifolia. Im Uebrigen ist die oberste Grenze, bis zu welcher die nivalen Typen aufsteigen, eine sehr wechselnde, da sie hauptsächlich vom Vorhandensein von Humus abhängt und mehr vom Schnee als von der Höhenlage bedingt wird. Jeder für einige Wochen im Sommer schneefreie Fleck kann die Ansiedelung einer nivalen Florula gestatten.
(Dr. Paul Jaccard.)