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Piz Plavna, Piz Pisoc, Piz San Jon, Piz Lischanna, Piz Ajüz, Piz S-chalambert, Piz Lad etc. sind daraus aufgebaut, eine Gipfelreihe von einer Mannigfaltigkeit der Formen und Farben, wie sie nur selten in solcher Höhe und in so langer Front vorkommt. Doch reicht dieses Triasgebiet nicht überall an die Innlinie. Im NW. grenzt es längs einer ziemlich geraden, aber orographisch nicht markierten Linie von Cinuskel über den Stragliavitapass etwa bis Tarasp an die Gneis- und Schiefermasse des Piz Nuna, die vom Inn w. und n. umflossen wird und nach SW. und NO. sich allmählig verschmälert, so dass gegen die genannten Enden hin noch der Sockel der Bergwände aus krystallinen Felsarten, die obern Stockwerke aber aus Triasgesteinen bestehen. Von Tarasp weiter abwärts und von Cinuskel weiter aufwärts etwa bis Ponte treten dann die Triasformationen bis an die Innlinie heran. - Ein zweites Sedimentgebiet liegt links vom untersten Engadin, etwa von Giarsun unter Guarda bis über Finstermünz hinaus und von der Thalsohle hinauf zum Piz Minschun, Piz Tasna, Piz Spadla, Stammerspitz, Muttler, Piz Mondin und bis ins Samnaun. Hier dominieren die in ihrem Alter immer noch nicht sicher bestimmten und in ihrem petrographischen Charakter sehr wechselnden Bündnerschiefer mit grossen Einlagerungen von Gips und Serpentin und mit reichen Mineralquellen, letztere besonders bei Fetan, Schuls, Tarasp und im Val Sinestra. Die mächtigsten Serpentinmassen finden sich oben am Piz Minschun und hinter demselben, dann unten bei Ardez, sowie in zwei durch Gneis getrennten Streifen auch auf der rechten Thalseite. Dazwischen finden sich auch einzelne kleinere Massen von Granit, Diorit, Kalk und andern Gesteinen. Das dritte und kleinste Sedimentgebiet zieht sich als schmaler Streifen aus dem mittleren Bünden über Bergün und den Albulapass bis nach Ponte und Capella und setzt sich über den Piz Casana und quer durch das Livignothal fort bis nach den Quellen der Adda und in die Nähe der Bäder von Bormio. Er besteht hauptsächlich aus Jurakalken.
Auch die alteruptiven und altkrystallinen Gesteine des Engadin zerfallen in drei Gruppen: 1) die Granite, Diorite, Syenite in teils massiger, teils schiefriger Ausbildung; dann Gneise, Hornblendegneise und verschiedene krystalline Schiefer der Berninagruppe vom Murettopass bis zum Berninapass und auch noch darüber hinaus in der Piz Languardgruppe bis ins Val Chamuera; 2) die Granitmasse (vorwiegend Hornblendegranite, Julier- und Albulagranit) vom Septimer bis zum Albulapass und Piz d'Err mit einigen Trias-, Lias-, Serpentin-, Grünschiefer- und Gabbroeinlagerungen; 3) die ausgedehnte Gruppe von vorherrschenden Gneisen und Hornblendeschiefern vom Piz Kesch bis zum Fluchthorn, die die Thalsohle des Engadin auf der Strecke von Capella bis Giarsun erreicht und im Piz Nunastock auch noch beträchtlich auf die rechte Thalseite hinübergreift. Dazu gesellen sich partienweise auch Sericit- und Talkschiefer, Phyllite (Theobalds Casanaschiefer) und verwandte Gesteine. Verfolgt man diese Gesteinsgruppen speziell längs der Thalfurche des Engadin, so zerlegt sich dieses in fünf geologisch verschiedene Abschnitte. Vom Maloja bis Ponte ist es in krystalline Felsarten (Granit, Syenit, Diorit, Gneis, Glimmerschiefer), von Ponte bis Capella in Trias- und Liaskalke, von Capella bis Zernez als ungefähre Formationsgrenze zwischen Gneisgebirge links und Dolomitgebirge rechts, von Zernez bis Giarsun in Gneis und krystalline Schiefer und von Giarsun bis Finstermünz in Kalkformationen (links Lias, rechts Trias) eingegraben. Jeder dieser Abschnitte zeigt seinen besondern landschaftlichen Charakter. Doch ist dieser nicht allein durch die Gesteinsverhältnisse bestimmt. Es spielen dabei vielmehr auch die Höhenlage, die Thalbreite, das Klima und die Vegetation eine wesentliche Rolle, und man unterscheidet darum unter Berücksichtigung aller Verhältnisse nicht fünf, sondern nur zwei Hauptstufen des Thales: das Ober Engadin und das Unter Engadin. Die Grenze zwischen beiden nimmt man in der Regel bei der Brücke Punt Auta, etwa 5 km unterhalb Scanfs, an.
Das Ober Engadin ist ein flaches Muldenthal mit weitem, ebenem Thalboden und meist nicht allzusteil ansteigenden Seitengehängen. Durch einen Querriegel zwischen St. Moritz und Celerina zerfällt es selber wieder in zwei Stufen. Die oberste Stufe schmückt eine lange Kette prächtiger Seen, die die stolzen Formen und blinkenden Gletscher der umstehenden Gebirge wiederspiegeln und an deren Ufer stattliche Dörfer mit den einfachen Häusern der Eingebornen und den glänzenden Palästen der Fremdenetablissemente sich ausbreiten. Auch die zweite Thalstufe von Celerina bis unter Scanfs muss einst ihren See gehabt haben, der aber durch die Ablagerungen der Seitenbäche längst zugeschüttet worden ist. Jetzt nehmen weite Wiesenflächen, zum Teil auch Sumpf- und Moorböden seine Stelle ein. Aehnlich wie auf der obern Stufe
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zieht sich auch hier eine lange Perlenschnur stattlicher und reicher Dörfer von zum Teil städtischem Aussehen längs dem Fuss der linken Bergwand, d. h. auf der Sonnenseite des Thals und in etwas erhöhter Lage hin. Nur Campovasto liegt ähnlich wie auch Sils-Maria der obern Stufe auf der rechten Thalseite.
Einen ganz andern Charakter hat das Unter Engadin. Hier arbeitet sich der Inn in meist enger, schluchtartiger Rinne zwischen hohen, steilansteigenden Bergwänden durch. Nur selten und auf kurze Strecken findet sich eine kleine Thalerweiterung mit ebenem Boden und flachen Flussufern, so bei Zernez und von Süs bis Lavin. Dafür ziehen sich, besonders auf der linken Seite, schöne, sanfter geneigte und sonnenreiche Terrassen an den Gehängen hin, auf welchen freundliche Dörfer, umgeben von Wiesen und Feldern, hoch über der engen Thalrinne tronen, während die steilere und schattigere rechte Thalseite fast durchweg dem Wald reserviert ist. Nur Tarasp und einige ganz kleine Oertchen haben hier noch Raum gefunden. Der grössern Erhabenheit und den einheitlicheren Formen des Ober Engadin gegenüber zeichnet sich das Unter Engadin durch einen mehr romantischen Charakter und einen grössern landschaftlichen Wechsel aus, wie dies durch die finstern Schluchten und rauschenden Wasser der Tiefe, die sonnigen Terrassen mit den langhingestreckten Dörfern der linken Thalseite und der reichen Vegetation, der es auch nicht an zahlreichen Kornfeldern und einigem Obstbau fehlt, die dunklen weit hinaufreichenden Wälder überall in den Schluchten und besonders an den steilen Gehängen der rechten Seite und durch die stolzen Gipfel der «Engadiner Dolomiten» bedingt wird.
Die ungewöhnliche Höhenlage und das auffallend geringe Gefälle des Engadin, sowie sein Charakter als Längsthal und seine allseitige Abgeschlossenheit durch hohe Gebirgswände üben einen wesentlichen Einfluss auf sein Klima und seine Vegetationsverhältnisse aus. Das Engadin hat ein typisches Hochthal- und Längsthalklima: eine dünne, leichte, reine und trockene Luft, relativ heitern Himmel und geringe Niederschläge, bei frischkühler Luft doch eine starke Sonnenstrahlung und bedeutende Bodenwärme. Dabei zeigen die Temperaturen sehr beträchtliche tägliche und jährliche Schwankungen. Das Klima erhält überhaupt einen Zug ins Kontinentale. Eine Vergleichung von Sils-Maria im Ober Engadin (1810 m) mit der ungefähr gleich hohen Rigi (1790 m) mag dies verdeutlichen. Sils-Maria hat eine mittlere Jahrestemperatur von 1,5° C. bei einer Januartemperatur von -8° und einer Julitemperatur von 11,3°; die Rigi dagegen ein Jahresmittel von 1,7° bei einem Januarmittel von -4,8° und einem Julimittel von 9,7°. Bei ungefähr gleichen mittleren Jahrestemperaturen ist also im Ober Engadin der Winter kälter, der Sommer wärmer als auf der Rigi, die Differenz zwischen kältestem und wärmstem Monat dort fast 5° grösser als hier. Der grössern Sommerwärme ist es gewiss auch hauptsächlich zuzuschreiben, dass die Vegetationsgrenzen und insbesondere die Waldgrenze im Engadin höher steigen als in den übrigen Teilen der Alpen, ausgenommen das Wallis, wo ähnliche Höhen- u. Klimaverhältnisse herrschen wie im Engadin. Günstig auf das Pflanzenleben wirken ferner die starke Sonnenstrahlung und die erhöhte Bodentemperatur, wie sie dem Hochthal mit seiner dünnen und trockenen Luft eigen sind. Die Insolation ist selbst im Winter an hellen Tagen so kräftig, dass die dann sonst herrschende niedrige Lufttemperatur nicht unangenehm empfunden wird und die Leute oft mitten im Winter ohne Ueberzieher sich im Freien aufhalten können, ein Umstand, der neben der trockenen und ruhigen Luft das Engadin ähnlich wie Davos auch zu Winterkuren für Lungenkranke geeignet machen würde. Eine weitere Eigentümlichkeit des Engadinerklimas sind die geringen Niederschläge, für welche innerhalb der Schweiz auch wieder nur das Wallis ein Analogon bietet. Dabei nehmen dieselben vom Ober Engadin gegen das Unter Engadin allmählig ab. Für Sils-Maria, das sich dem regenreichen Bergell nähert, betragen sie nach Hann im Jahresmittel 95, für Bevers 79, für Zernez 59 und für Remüs 57 cm, während sie im schweizerischen Mittelland meist zirka 100 und in den nach diesem sich öffnenden Alpenthälern etwa 120-150 cm betragen. Im langen Winter, nicht selten auch mitten im Sommer, fällt dieser Niederschlag natürlich als Schnee, der Berg und Thal in ein gleichmässiges, blendend weisses Gewand hüllt und im Leben der Engadiner, in ihrem Verkehr, in ihren Heu- und Holztransporten, in ihren winterlichen Belustigungen und Festen, in Sport und Spiel eine wichtige Rolle spielt. Bei der Schneeschmelze helfen dann der warme Sonnenschein und die trockene Luft durch rasche Verdunstung den Boden trocknen und die Vegetation vor einem Uebermaass kalten Schneewassers bewahren.
[Dr Ed. Imhof.]
Flora.
Wie das Wallis ist auch das Engadin für den Botaniker ein Fund- und Arbeitsgebiet ersten Ranges. Die topographische Beschaffenheit u. Höhenlage des