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münden von links der Merdenson und, 1 km tiefer unten bei Le Clou, eine ganze Reihe von kleinen, dem O.-Hang des Mont Dolent entspringenden Wildbächen. Jetzt zwingen die von links sich vorschiebenden Ausläufer des Mont Blanc Massives die Dranse de Ferret, nach NNO. abzubiegen, indem sie ihr zugleich die wasserreichen Bäche ihrer Gletscher (Glacier de la Neuva, de Planereuse und de Saleinaz; dieser letztere einer der grössten im schweizerischen Anteil am Gebiet des Mont Blanc) und unterhalb der Dörfer Praz de Fort und Issert die «reuse» d'Orny und den Bach des Vallon de Champex zusenden. Beim Weiler Som la Proz endlich biegt die Dranse de Ferret rechts um den Fuss des bewaldeten Felssporns Le Montatuay herum und mündet kurz nachher in die Dranse d'Entremont.
Die Flora der Dransethäler ist eine der reichsten im Wallis, und jedes der drei Thäler weist wieder eine Anzahl von nur ihm zukommenden Arten auf. Vergl. die Art. Bagnes, Entremont, Ferret, sowie Jaccard, P. Distribution de la flore alpine dans le bassin des Dranses im Bull. de la soc. vaud. des sc. nat. Vol. 37, 1901.
Geschichtliches.
Die traurige Berühmtheit, die die Dranse de Bagnes sich durch ihre Verheerungen, besonders bei den Ausbrüchen von 1595 und 1818, erworben hat, veranlasst uns, an dieser Stelle darüber einige genauere Angaben zu machen.
Schon im 5. Jahrhundert sehen wir, dass der Bischof Sylvius sich wegen der Ueberschwemmungen der Dranse genötigt sah, seinen Sitz von Octodurum provisorisch nach Agaunum zu verlegen, und zu Ende des folgenden Jahrhunderts müssen sich seine Nachfolger Agricola und St. Heliodor zur endgiltigen Aufgabe des zu oft den Hochwassern ausgesetzten Octodurum und zur Uebersiedelung nach Sitten entschliessen. Am fegt ein Hochwasser alle Brücken in den Thälern von Bagnes und Entremont weg und setzt den Flecken Martinach unter Wasser.
Die Schilderung der in ihrem ganzen Verlauf wohlbekannten Katastrophe von 1818 mag uns zugleich auch ein Bild von der frühern geben. Der in 600 m Höhe über der Dranse hängende Giétrozgletscher sendet beständig abgebrochene Eismassen zur Gorge de Mauvoisin hinunter, die sich am Fuss der Felswand zu einem wirklichen Eis- und Schuttkegel stauen, die Dranse allmälig bis zum Fuss der Liaz hinüberdrängen und zeitweise auch den ungestörten Abfluss ihrer Wasser hemmen. In kühlen Jahren können diese Eistrümmer quer über das gesamte Flussbett reichen u. hie u. da sogar noch an beiden Ufern in die Höhe branden. So auch 1818. Nach zwei sehr harten Wintern, denen die kühlsten Sommer des Jahrhunderts gefolgt waren, verstopfte der an Masse beträchtlich gewachsene Eiskegel die enge Schlucht der Dranse völlig, hinderte deren Wasser am Abfliessen u. liess einen mächtigen Stausee sich bilden, der mit steigendem Wasserspiegel immer weiter thalaufwärts griff. In einem Zeitraum von 34 Tagen hatte so dieser durch einen riesigen Eisdamm gestaute See eine Länge von 2333 m, eine Breite von 217 m und eine Tiefe von 60 m erreicht.
Und dazu stieg er immer noch. Der von der Walliser Regierung zur möglichsten Milderung der Folgen der sicher vorauszusehenden Katastrophe aufgebotene Ingenieur Venetz liess den obersten Teil der Eisbarre mit einem Stollen durchbrechen, welche Massregel bewirkte, dass am Abend des 14. Juni der Spiegel des Sees um 30 cm, am Morgen des 15. Juni um 3 m und am Morgen des 16. Juni um 9 m gefallen war. Unterhalb der Barre füllten die abfliessenden Wasser das Strombett vollkommen aus, traten aber nirgends über ihre Ufer, so dass man sich bereits der Hoffnung hingab, der See würde sich im Verlauf einiger Tage ohne Katastrophe entleeren. Unglücklicherweise traten aber plötzlich warme Tage ein, die der Eisbarre so stark zusetzten, dass sie am 16. Juni nachmittags um halbvier Uhr dem Druck der ungeheuren Wassermasse erlag und unter furchtbarem Getöse in Stücke ging.
Nun stürzte sich ein in der engen Schlucht von Mauvoisin über 33 m hoher, entfesselter Wasserstrom thalauswärts, der auf seinem Wege 130 Hütten, einen ganzen Wald, ungeheure Steinblöcke und in Champsec mehrere Häuser mit sich riss, die 25 km lange Strecke von Mauvoisin bis Le Châble in 40 Minuten zurücklegte und in weitern 50 Minuten vor Martinach anlangte, wo er sich weit über die Ebene ergoss und bis zur Rhone hin Alles mit Schutt und Trümmern jeglicher Art überstreute. Im Flecken Martinach selbst hatte der Strom alle Häuser bis über das erste Stockwerk hinauf unter Wasser gesetzt.
Obwohl die rechtzeitig gewarnte Bevölkerung des Thales sich an die Gehänge hinauf geflüchtet hatte, verloren doch noch 34 Personen das Leben. Ueber den Stausee selbst und seine Wassermassen spricht sich der von Hans Konrad Escher von der Linth, Prof. Trechsel und Jean de Charpentier 1821 an die Walliser Regierung erstattete Bericht über die Verhältnisse des Bagnethales folgendermassen aus: «Die im Monat May allmählig eintretende Schneeschmelze erhob den Wasserspiegel dieses Sees täglich um beynahe zwey Fuss, so dass die Wassermasse desselben den 14. Juni auf 800000 Kubikklafter (zu tausend Kubikfuss jeder) berechnet werden konnte. Noch hätte der See im Plan Durand bis auf die Höhe ¶
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derjenigen Stelle ansteigen können, wo der neue Getrozgletscher den ... Fuss des ihm gegenüber stehenden Mauvoisin berührte. Dies hätte eine Erhebung des Wasserspiegels von 60 Fuss und eine Vermehrung der Wassermasse des Sees um wenigstens 900000 Kubikklafter bewirkt u. also die ganze Wassermasse des Sees auf 1700000 Kubikklafter gebracht.» Nach dem Durchbruch des Stollens «vertiefte und erweiterte das durchströmende Seewasser bald den Gletscherstollen so sehr, dass dadurch der Wasserspiegel des aufgedämmten Sees in Zeit von drey Tagen um volle 46 Fuss gesenkt und die Wassermasse desselben um 270000 Kubikklafter vermindert wurde.»
Hätte man den Stollen nicht gegraben und den Stausee auf seine oben angegebene Wassermasse ansteigen lassen, so wäre durch den Ausbruch des Sees das ganze ebene Unter Wallis mitsamt dem in der Rhoneebene gelegenen Gebiet des Waadtländer Bezirkes Aigle unter Wasser gesetzt worden, während so die Rhone unterhalb Martinach nicht über ihre Ufer getreten ist. Die der Richtung ihres Thales entsprechend gegen Fully und Charrat zu sich ergiessenden Wassermengen der Dranse konnten sich in der Ebene frei verteilen und dann gemächlich zur Rhone abfliessen. Seit den 1822-24 vollendeten Verbauungsarbeiten, die eine grössere Anhäufung von Eismassen zu verhindern bestimmt sind, sind die Wasser der Dranse bis heute stets ungehindert abgeflossen.
Die Katastrophe des Jahres 1595 muss unter ähnlichen Umständen vor sich gegangen sein, während ihre Folgen aber noch weit furchtbarere gewesen sind. Zum Zeugnis dessen stellen wir nur folgende zwei, vom Dekan Bridel s. Z. gesammelten zeitgenössischen Urkunden zusammen: 1. Inschrift im Hause des Malers Gay in Martinach, lautend Submersio Burgi Martigniaci et planitiei 4. Junii inundatione aquae Dranciae provenientis e valle Bagnarum loco appellato Mauvoisin (am Ueberschwemmung des Fleckens Martinach und der Ebene durch den Austritt des von der Gegend Mauvoisin im Bagnesthal herabkommenden Flusses Dranse). 2. Kurze aber wertvolle handschriftliche Notiz in den Aufzeichnungen von M. Ignace, eines städtischen Beamten in Martinach und Augenzeugen des Unglückes, lautend 1595, die 25. Maii, maxima inundatio aquarum prorumpentium ex valle Bagnearum; submersio burgi Martigniaci; deletio agrorum pagorumque intra paucas horas.
Periere 70 homines noti, de ignotis non fit mentio; caeteris vero fuga salutem quaerentibus omnis fortuna ablata. Ditissimi pauperrimi facti (Am grosse Ueberschwemmung durch die aus dem Bagnesthal hervorbrechenden Wasser; Unterwassersetzung des Fleckens Martinach; Zerstörung der Felder und Dörfer im Zeitraum von wenigen Stunden. Ohne die Unbekannten, deren keiner Erwähnung getan wird, haben 70 Personen das Leben verloren; die übrigen, die ihr Heil in der Flucht suchen mussten, sind um ihr ganzes Gut gekommen. Die Reichsten sind die Aermsten geworden). ^[Die Differenz in den beiden Daten rührt davon her, dass die neue gregorianische Zeitrechnung erst seit kurzer Zeit eingeführt und noch nicht allgemein gebräuchlich war.]
Die Chroniken erwähnen ausserdem noch eine Ueberschwemmung der Dranse vom An dieser Stelle muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Hochwasser der Dranse von Bagnes ihr Thal während der letztvergangenen Jahre mehrfach (Juni 1894, 1898 und 1899) heimgesucht haben. Doch lassen sich diese vom Gletscher von Crête Sèche (nicht vom Giétrozgletscher) ausgegangenen Verheerungen denjenigen der Ausbrüche von 1595 u. 1818 durchaus nicht zur Seite stellen.
[L. Courthion.]