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1000 m. Dafür erreicht aber auch
Tschappina in einem schlimmen Rutschgebiet über dem finstern
Tobel der
Nolla eine
Höhe von
fast 1600 m.
Ueber der obern Waldzone folgen breite Alpweiden
, die bis auf den sanft gerundeten
Rücken des
Berges steigen,
dem man es von der Domleschgerseite nicht ansieht, mit welcher Schroffheit er nach dem
Safienthal abfällt.
Durch die Nollaschlucht vom
Heinzenberg getrennt erhebt sich die schöne Pyramide des
Piz Beverin, mit gerade 3000 m der höchste
Berg des Domleschg, das weithin sichtbare Wahrzeichen desselben. Ein östlicher Ausläufer erstreckt sich bis zu der weltberühmten
Schlucht der Viamala. In der
Gabel zwischen dieser und der Schynschlucht gewährt die nördlich steil abfallende
Muttnerhöhe (2003 m) den schönsten und vollständigsten Ueberblick über das ganze Domleschg.
Alle diese Gebirge setzen sich aus Bündnerschiefer zusammen, der in sehr mannigfaltigen Formen auftritt und ungemein gefaltet ist. Dunkelgraue oder fast schwarze Thonschiefer wechseln mit mehr sandigen oder kalkigen oder auch glimmerigen und talkigen Schichten ab, die im ganzen von SW.-NO. streichen und nach SO. fallen, wenn auch manche Abweichungen davon vorkommen. Ueber das Alter dieses Gesteinskomplexes wird immer noch gestritten. Die einen teilen ihn dem Lias zu, andere lassen ihn durch Mittel- und Oberjura und durch die Kreide bis ins Eocän und Oligocän des Tertiär gehen.
Das weiche und leicht verwitternde Gestein veranlasst die rundlichen Gipfel und sanften Kammlinien seiner Gebirge, sowie die breiten Gehänge und weiten Alpen derselben, aber auch zahlreiche tiefeingerissene Bachrunsen und Tobel, die sich nach oben meist vielfach verzweigen und unten im Thal oft wüste Verheerungen anrichten. Die Nollaschlucht ist als Typus dieser Tobel schon erwähnt. Aber auch das benachbarte Porteinertobel, das zwischen Thusis und Katzis hervorbricht, hat wiederholt grossen Schaden angerichtet und soll an der Stelle von Summaprada einst ein Dörfchen verschüttet haben.
Viele solcher Tobel kommen von der Stätzerhornkette herunter. Die grössten davon sind das Scheider- oder Tomilser-, das Duschner-, Almenser- u. Scharansertobel. Alle haben unten im Thal ihre Schuttkegel aufgehäuft und mussten mehr oder weniger verbaut werden, um weitern Schaden zu verhüten. Aber abgesehen von solchen in steter Bewegung und Veränderung befindlichen Stellen liefert der Bündnerschiefer einen sehr fruchtbaren, wenn auch etwas schweren Boden.
Die Thalböden und untern Terrassen geben darum dem Landwirt reichen Ertrag, und die Abhänge sind bis hoch hinauf in schöne
Weiden und Wälder gekleidet. Letztere steigen an manchen
Stellen bis auf 1900 und selbst bis auf 2000 m und darüber, so z. B.
ö. über
Paspels,
Almens und
Scharans gegen das
Stätzerhorn, den
Piz Danis und
Piz Scalottas. Die Alpweiden
reichen hier und am
Heinzenberg bis auf die
Kämme und Gipfel, d. h. bis 2200 und selbst bis über 2400 m.
Das Domleschg erfreut sich bei seiner tiefen und geschützten Lage eines ungemein milden Klimas. Dies erklärt in Verbindung mit dem fruchtbaren Schieferboden seine reiche Vegetation, die auch manche südliche Typen aufweist. Bei Tomils und beim Schloss Ortenstein finden sich noch kleine Weinberge, ebenso beim Schloss Baldenstein an der Albula, wo ausserdem auch einige Edelkastanien vorkommen. Früher war der Weinbau ausgedehnter u. ging bis nach Thusis. Hier wie noch an einigen andern Stellen stehen auch einige Maulbeerbäume, die früher der Seidenraupenzucht dienten.
Doch ist letztere, wie auch der einst betriebene Tabakbau, aufgegeben, aber weniger aus klimatischen als aus wirtschaftlichen Gründen, da andere Kulturen besser rentieren. Sehr bedeutend ist der Obstbau, und das Domleschger Obst erfreut sich weithin eines guten Rufs. Auch die Nussbäume sind zahlreich und erlangen eine stattliche Grösse. Neben Kartoffel-, Gemüse- und Kornfeldern finden sich auch Maispflanzungen. In den Wäldern aber fehlt die Buche, die überhaupt in Graubünden nur wenig verbreitet ist und nur im untern Rheinthal, im Prätigau und Schanfigg waldbildend auftritt.
Ein von Natur so reich ausgestattetes Thal ist natürlich auch dicht bevölkert. Die beiden Kreise Domleschg und Thusis zählen zusammen 5861 Ew. und zwar der erstere 2680, der letztere 3181 Ew. Im Kreis Thusis kommen 2019 Ew. allein auf die zwei grossen Ortschaften Thusis (1281 Ew.) und Kazis (738 Ew.), so dass für den Heinzenberg 1162 Ew. übrig bleiben. Diese Bevölkerung verteilt sich sowohl auf der Domleschger- als auf der Heinzenbergseite auf zahlreiche kleine Dörfer und Weiler, die gar malerisch über die Terrassen und sanfteren Gehänge zerstreut sind und 22 politische Gemeinden bilden (12 auf der Domleschger- und 10 auf der Heinzenbergseite). ¶
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Unten in der ebenen Thalsohle, aber auch hier an den Fuss der einschliessenden Bergwände geschmiegt, liegen nur Rotenbrunnen und Sils auf der rechten, Kazis und Thusis auf der linken Seite. Alle andern liegen erhöht auf sonnigen Terrassen und Berghalden. Auf der rechten Thalseite ordnen sie sich in drei Gruppen:
1) Fürstenau, Rotels und Paspels in einer untern Reihe;
2) Scharans, Almens und Tomils in einer etwas höhern Reihe am Fuss des Steilabhangs der Stätzerhornkette und 3) Trans, Scheid und Feldis in freier Bergeshöhe über diesem Steilabhang. Der Heinzenberg hat weder einen Steilabhang, noch eine darunter sich ausbreitende Terrassenlandschaft. Er steigt gleichmässiger in ungebrochenem Profil an. Die meisten Dörfer lagern hier in einer schönen Wiesenzone, die sich in halber Höhe zwischen einer untern und einer obern Waldzone hinzieht. Es sind von N. und S. Präz, Sarn, Portein, Flerden und Urmein. Tiefer liegen nur Tartar und Masein, höher nur Tschappina, mit 1585 m (bei der Kirche) die höchste Ortschaft des Domleschgerthals. Die grössten dieser Orte sind Thusis mit 1281, Kazis mit 738, Sils mit 621, Scharans mit 439, Paspels mit 302, Fürstenau mit 235, Tomils mit 233, Masein mit 228 und Almens mit 217 Ew. Die anderen haben meist nur 100-200 Ew.; nur wenige übersteigen noch 200, und mehrere erreichen nicht einmal 100 Ew.
Ein besonderer Schmuck des Domleschg sind seine Schlösser und Burgen, deren es nicht weniger als 16 bis 18 zählt. Früher waren es noch mehr, aber manche sind völlig verschwunden. Von andern stehen nur noch geringe Reste, so von Nieder Realta am Fuss des Heinzenberg etwa 1½ km s. von der Rotenbrunner Brücke, dann auch von Ober Tagstein, im Wald ob Uebernolla, sw. Thusis, versteckt. Wieder andere sind zwar auch gebrochen und geborsten, zeugen aber durch hochragende Türme von ihrer einstigen Bedeutung, so die auf schroffen Felsvorsprüngen tronenden beiden Juvalta bei Rotenbrunnen, dann Alt und Neu Sins bei Paspels, Hasensprung bei Rotels, Campi an der Albula, Ehrenfels bei Sils und vor allen prächtig Hoch Realta auf stolzem Felsvorsprung hoch erhaben am Eingang der Viamala. Es gibt aber auch eine Reihe von noch gut erhaltenen oder restaurierten und bewohnten Schlössern.
Das grösste und schönste von allen ist Ortenstein bei Rotenbrunnen, von hoher Felswand das ganze Rheinthal beherrschend, dann folgen Rietberg, Fürstenau und Baldenstein noch auf der Domleschgerseite und das kleinere Schlösschen Unter Tagstein bei Thusis am Heinzenberg. Manche dieser Schlösser und Burgen spielen in der bündnerischen Sage und Geschichte eine bedeutende Rolle. Allgemein bekannt ist die Ermordung des Pompejus Planta durch Georg Jenatsch im Jahr 1621 im Schloss Rietberg.
Die Bevölkerung des Domleschg ist sprachlich und konfessionell ausserordentlich gemischt, mehr als sonst irgend in einem andern Teil Graubündens oder der Schweiz. Doch überwiegt auf beiden Thalseiten der Protestantismus, denn das Domleschg im engern Sinne zählt 1778 Reformierte gegenüber 901 Katholiken, der Heinzenberg mit Thusis und Kazis 2086 Protestanten gegenüber 1095 Katholiken. Im Kreis Domleschg haben nur Tomils, Paspels und Rotels, im Kreis Thusis nur Kazis und Tartar eine katholische Mehrheit.
Der erstere Kreis ist dabei vorherrschend romanisch (1329 Romanische und 1087 Deutsche), der letztere vorherrschend deutsch (2173 Deutsche und 869 Romanische). Insbesondere überwiegt das Deutsche stark in Thusis und seinen Nachbarorten (Urmein, Tschappina, Masein, Tartar, Sils und Fürstenau). Oben auf der Hauptterrasse des Heinzenberg (Präz, Sarn, Portein, Flerden) dagegen herrscht das Romanische, zugleich aber auch der Protestantismus. Aehnlich sind auch drüben auf der Domleschgerseite die hochgelegenen Orte Feldis, Scheid und Trans fast rein romanisch und zugleich fast rein reformiert. Auch die romanischen Orte sind also vorherrschend reformiert. Nur Tomils, Paspels, Rotels und Kazis sind vorherrschend romanisch und katholisch, während nur das kleine Tartar ein vorherrschend deutsch-katholischer Ort ist.
Die Haupterwerbszweige der Domleschger sind Landwirtschaft und Viehzucht, letztere in den höhern Lagen allein herrschend, erstere besonders blühend in den sonnigen Gefilden der untern Domleschgerstufe. Die Industrie hat wenig Boden gefasst. Doch steht unter dem Schloss Baldenstein an der Albula eine Baumwollspinnerei und bei Thusis eine Calciumkarbidfabrik. Sehr bedeutend war dagegen von jeher der Verkehr, der sich durch das Thal bewegte und noch bewegt. Denn hier durch gehen wichtige Strassen, die ihren Knotenpunkt in Thusis finden.
Von da geht es einerseits durch die Viamala und über den Splügen- und Bernhardinpass nach Italien, andererseits durch den Schyn und über den Julier- und Albulapass ins Engadin. Gegenwärtig ist Thusis der Endpunkt der Rätischen Bahn, deren Fortsetzung durch den Schyn und Albula im Bau begriffen ist und 1903 eröffnet werden soll. Vor dem Bau der jetzigen Kunststrassen führten Saumwege, vielfach auf- und absteigend, einerseits hoch am Heinzenberg hin nach Thusis und von da durch das Thälchen zwischen Crapteig und Ober Tagstein - also nicht durch die Viamala - nach Rongellen und über Lohn und Mathon nach Splügen, andererseits durch das Domleschg über Scharans und Obervaz ins Albulathal. Thusis ist auch Mittelpunkt eines bedeutenden Fremdenverkehrs und Uebergangsstation nach dem Engadin, Rotenbrunnen ein besuchter Badeort mit einem jodhaltigen, alkalischen Eisensäuerling. Gewiss wird auch der Heinzenberg sich mit der Zeit als Sommerfrische aufthun. Ansätze dazu sind bereits vorhanden. 1116: Tumilasca; 1290: Tumelaschga.
[Dr Ed. Imhof.]