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30 km von der Station Ilanz, der künftigen Linie Chur-Ilanz der Rätischen Bahn. Postbureau, Telegraph; tägliche Postverbindung mit Ilanz einerseits und Tavetsch andererseits, im Sommer auch mittels der Oberalppost mit Göschenen (37 km) u. über den Lukmanierpass mit Biasca (40 km). Die Gemeinde zählt mit Rueras, Segnes, Mompè Medel, Mompè Tavetsch, Disla, Cavardiras und Acletta 221 Häuser, 1359 zur grossen Mehrzahl katholische Ew. romanischer Zunge; das Dorf: 42 Häuser, 400 Ew. Die Mehrzahl der Bewohner nährt sich von der Landwirtschaft, hauptsächlich Wiesen- und Alpwirtschaft verbunden mit Viehzucht. Mehr oder weniger hat auch die Fremdenindustrie daselbst Eingang gefunden. 766: Desertina; 846: Cœnobium Desertinense; so genannt, weil das Thal zur Zeit der Gründung des Klosters eine nahezu menschenleere Einöde war.
Das Kloster Disentis ist das älteste gegenwärtig in der Schweiz noch bestehende Benediktinerstift. Seine Anfänge datieren in die Zeit der Merowinger zurück. Die Sage bezeichnet Columbans Schüler Sigisbert als dessen Gründer und gibt als Gründungsjahr 614 an. Durch die Vergabungen des aus vornehmem rätischen Geschlechte stammenden Placidus gelangte es früh zu ansehnlichem Besitz. Viktor I., damals Präses von Rätien, raubte dem Kloster viele seiner Besitzungen; dasselbe gelangte jedoch durch weitere Schenkungen, namentlich auch durch die des Bischofs Tello von Chur (766; eines Nachkommen Viktors), zu neuem Besitz und Reichtum.
Die deutschen Könige und Kaiser hatten ihr Interesse daran, das am Fusse zweier Alpenpässe, des Lukmanier und der Oberalp, gelegene Kloster Disentis zu begünstigen, da es zur Zeit, als die deutschen Heere so oft nach Italien ziehen mussten, von grosser militärischer Bedeutung war. Von Anfang an übte das Kloster eine kolonisatorische Tätigkeit, die sich bis nach Ursern, das bis 1718 im Lehensverhältnis mit Disentis blieb, und ins Medelserthal hinein erstreckte. Schon von der ersten Zeit seines Bestehens an hatten hier die Mönche eine Schule gegründet, die für das Land von Wichtigkeit war.
Als 1424 der Obere oder Graue Bund zu gegenseitigem Schutz gegründet wurde, war der damalige Abt Peter von Pontaningen ein Hauptförderer desselben. Die Reformation brachte die Abtei der Gefahr der Auflösung nahe. Abt Martin Winkler nahm mit noch drei Konventualen, darunter Joh. Fabritius (dem spätern Pfarrer von Davos), 1536 die neue Lehre an und verliess das Kloster. Von seinen Nachfolgern zeichnete sich Abt Christian von Castelberg (1566-1584) durch grosse Energie und Tatkraft aus; als ein Werkzeug des Kardinals Carlo Borromeo war er mit Erfolg für die Gegenreformation tätig und hob das Kloster zu neuem Ansehen und neuer Blüte empor.
Während der folgenden Zeit sehen wir, dass das Kloster Disentis stetsfort die spanische und die österreichische Partei in Graubünden begünstigte u. sich an die katholischen Orte der Schweiz anlehnte. Am schlugen die Männer des obern Oberlandes zusammen mit einer daselbst stationierten österreichischen Besatzung eine unter Loison von der Oberalp her anrückende französische Heeresabteilung. Trotz dieses Erfolges musste sich jedoch Disentis am 9. März dem französischen General Demont ergeben und in der Folge eine Kontribution von 100000 Fr. leisten.
Nach dem österreichischen Siege bei Stockach bereitete sich in Disentis eine Erhebung vor, die am 1. Mai zu blutigem Ausbruch gelangte, bei dem eine grosse Anzahl französischer Gefangener erschlagen wurde; hierfür übten die Franzosen, als sie wieder Herr der Situation wurden, schreckliche Vergeltung: am 6. Mai wurden Dorf u. Kloster in Brand gesteckt, wobei 7 Personen in den Flammen umkamen und - ein für die Landesgeschichte unersetzlicher Verlust - viele wertvolle Handschriften verbrannten.
Schon 1387 und 1514 war das Kloster abgebrannt, und am wiederholte sich nochmals dasselbe Schicksal an ihm. Von 1832-1846 war das Kloster Disentis Sitz der katholischen Kantonsschule; eine Klosterschule bestand daselbst auch noch nachher, bis sie 1880 infolge Verarmung des Stiftes aufgehoben und dafür das Kloster pflichtig erklärt wurde, einen angemessenen Beitrag an eine neu zu errichtende Kreisrealschule zu leisten. Diese ist seither wieder gänzlich zur Klosterschule geworden, die Gymnasium und Realschule umfasst und ca. 60 Schüler zählt. Unter den Konventualen des Klosters ist namentlich hervorzuheben Pater Placidus a Spescha (1740-1799), ein namhafter Naturforscher und erster Besteiger einer Reihe von umliegenden Hochgipfeln. An der Ruseinbrücke ist ihm eine Denktafel gestiftet worden. Die Bevölkerung von Disentis und Umgebung repräsentiert in anthropologischer Hinsicht den durchaus reinen brachycephalen Keltentypus, der daher in der Schweiz als Typus von Disentis bekannt ist.
[S. Meisser.]
Vergl. Theobald, G. Das Bündner Oberland. Chur 1861. - Theobald, G. Naturbilder aus den rätischen Alpen... 3. Aufl. von Chr. Tarnuzzer. Chur 1893. - Cahannes, Joh. Das Kloster Disentis vom Ausgang des Mittelalters bis zum Tode des Abtes Christian v. Castelberg. Stans 1899. - Wettstein, Em. Zur Anthropologie und Ethnologie des Kreises Disentis. 1902 (unter der Presse).