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Fürstentum der Bischöfe legte Kaiser Otto I. durch seine grossartigen Schenkungen an das Hochstift. Der erste Bischof, welcher Fürst genannt wird, ist Egino (1160-1171). Die Besitzungen und Herrschaftsrechte des Bistums lehnten sich hauptsächlich an die Strasse an, welche vom Walensee über den Septimer nach Chiavenna führt. Die Bischöfe besassen die privilegierte Schiffahrt auf dem Walensee und die Herrschaft Flums, sodann Herrschaftsrechte in Zizers, Igis, Trimmis und Untervaz mit den Burgen Marschlins, Friedau, Aspermont, Trimmis u. s. w. Für die Stadt Chur und deren Bezirk war der Bischof Territorialherr, im Jahr 1300 erhielt er auch die Reichsvogtei und damit die hohe Gerichtsbarkeit über die Stadt. Im Domleschg bildete die Burg Fürstenau den Mittelpunkt der bischöflichen Besitzungen mit voller Landeshoheit.
Die Thäler Schanfigg, Safien und Schams waren Lehen des Bistums. In der Grub, im Lugnez u. s. w. (Oberland) gehörten dem Bischofe zahlreiche Höfe u. s. w. Im 15. Jahrhundert erhielt das Bistum die Herrschaft Obervaz, und die Freien von Laax wurden freiwillig Gotteshausleute. Ferner besass das Bistum die Herrschaft Greifenstein (Bergün, Filisur u. s. w.). Im Oberhalbstein war der Bischof im Besitze der hohen und niedern Gerichtsbarkeit, ebenso im Bergell, Oberengadin und Münsterthal. Im Unterengadin und Vintschgau (mit Fürstenburg als Mittelpunkt) besass das Bistum viele Rechte und Güter. Die dortigen Herrschaftsrechte wurden jedoch später von Oesterreich sehr geschmälert. Zu den weltlichen Besitzungen der Bischöfe gehörten auch die Herrschaft Grossengstingen in Schwaben und das Schloss Wiesberg im Tirol.
Im 14. Jahrhundert bildete sich der Gotteshausbund, d. h. eine Verbindung der Gemeinden des bischöflichen Herrschaftsgebietes. Die Gemeinden wurden immer selbständiger, bis der Bischof schliesslich nur noch Vorsitzender der Bundestage war. Manche Formeln, wie z. B. die Huldigung wurden allerdings beibehalten. Durch die Ilanzer Artikel, welche die drei Bünde im Jahre 1526 erliessen, wurden die weltlichen Herrschaftsrechte des Bistums als erloschen erklärt.
Ausgenommen war der bischöfliche «Hofbezirk» in Chur (mit der Kathedrale, dem bischöflichen Schloss, den Wohnungen der Domherren u. s. w.), der bis zum Anfange des 19. Jahrhunderts eine Enklave des Deutschen Reiches bildete. Auch in Bezug auf andere Herrschaften, wie Fürstenau, Obervaz, Remüs u. s. w., wurden die Ilanzer Beschlüsse nicht vollständig durchgeführt. Immerhin blieben dem Bischof nur noch kleine Reste des Fürstentums. Die Stadt Chur hatte schon im 15. Jahrhundert die Reichsvogtei erworben und sich vom Bischof fast unabhängig gemacht. Im 17. Jahrhundert wurden die Herrschaftsrechte im Vintschgau und Grossengstingen durch Verkauf veräussert, im 18. Jahrhundert geschah das nämliche mit Münsterthal. Schon 1528 war Flums verkauft worden.
Im 16. Jahrhundert traten in Graubünden die Mehrheit der Gemeinden ganz oder zum Teil der Reformation bei. Ganz protestantisch wurden die Stadt Chur, die Herrschaft Maienfeld, Prätigau, Davos, Oberengadin, Bergell, Schams, Schanfigg u. s. w. Vorherrschend oder ganz katholisch blieben das Oberland, Oberhalbstein, Misox, Calanca u. s. w. Der Bischof behielt seinen Sitz in Chur, und auch das Domkapitel blieb erhalten. Auch mehrere Gemeinden im Rheinthal, wie Wartau, Werdenberg, Salez und Sennwald gingen zur Reformation über.
Was die Bischofswahlen betrifft, so verlangte der Gotteshausbund auf Grund der Ilanzer Artikel von 1526, dass der Bischof Angehöriger des Bundes sei und «mit Rat» des letztern gewählt werde. Da von kirchlicher Seite ein solches Recht nicht anerkannt wurde, so kam es zu öfteren Anständen. Im Jahre 1822 trat der Gotteshausbund diese Ansprüche an den gesamten Kanton Graubünden ab. Durch den Reichsdeputationshauptschluss von Regensburg wurde im Jahr 1803 das Fürstbistum Chur der helvetischen Republik zugewiesen, die Säkularisation vom letzterer jedoch nicht vollzogen. Dagegen gingen die weltlichen Herrschaftsrechte an den Kanton Graubünden über.
Die in Oesterreich gelegenen Bistumsteile wurden 1816 abgetrennt und mit den Bistümern Brixen und Trient vereinigt. Oesterreich inkamerierte die auf seinem Gebiete gelegenen Besitzungen des Bistums.
1814 trennte die römische Kurie den gesamten schweizerischen Anteil des Bistums Konstanz von diesem ab und stellte ihn zunächst unter die Verwaltung des Präfekten von Beromünster Göldlin von Tieffenau, der den Titel eines apostolischen Generalvikars erhielt. Nach seinem Tode kamen 1819 diese Lande unter die Administration des Bischofs von Chur. Für den Kanton St. Gallen wurde 1823 ein eigenes Bistum errichtet und mit dem von Chur als Doppelbistum vereinigt, 1836 von diesem aber wieder abgetrennt. Luzern, Zug, Aargau und Thurgau kamen 1828 zur neuorganisierten Diözese Basel, ebenso 1841 Schaffhausen; Appenzell 1867 zum Bistum St. Gallen. Schwyz schloss sich 1824 definitiv an Chur an. Puschlav und Brusio wurden 1867 ebenfalls vom Erzbistum Mailand abgelöst und definitiv dem Bistum Chur zugeteilt. Dieses besteht somit heute aus dem alten Gebiete (Graubünden, Thal Ursern und
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Fürstentum Lichtenstein), dem definitiv vereinigten Kanton Schwyz und den seit 1819 administrierten Kantonen Uri, Unterwalden, Glarus und Zürich. Im letztern Kanton ist der Bischof staatlicherseits nicht anerkannt, seine Funktionen und der Verkehr der Katholiken mit ihm sind jedoch nicht behindert.
Die Diözese Chur zählt 248887 Katholiken, 343 Welt- und 175 Ordensgeistliche.
Das Domkapitel besteht aus 6 residierenden und 18 nichtresidierenden Domherren, denen in ihrer Gesamtheit die freie Wahl des Bischofs zusteht. Zwei der nichtresidierenden Domherren müssen dem Kanton Schwyz angehören.
Die Diözese besitzt ein Priesterseminar in Chur mit vollständiger theologischer Lehranstalt (vier Jahreskurse, sieben Professoren). Unter der Oberleitung des Bischofs steht auch das Kollegium Maria Hilf in Schwyz mit Gymnasium und Lyceum.
Die Landkapitel der Diözese sind folgende: In Graubünden das grosse Kapitel Oberland (zerfällt in die drei kleineren Kapitel Grub, Lugnez und Disentis), das grosse Kapitel Ob und Unter dem Schyn (zerfällt in die zwei kleineren Kapitel Ob dem Schyn und Unter dem Schyn), Misox, Calanca, Puschlav, ferner Reste der ehemaligen Kapitel Chur, Engadin, Vintschgau und Bergell; Lichtenstein, Schwyz, March-Glarus, Uri, Nidwalden, Obwalden und Zürich.
Alle Graubündner Kapitel zusammen umfassen 92 Kirchgemeinden; dazu kommen 10 in Lichtenstein, 17 in Schwyz,
19 in March-Glarus, 19 in
Uri,
je 7 in Nid- und Obwalden
und 8 in Zürich.
Den Kapuzinern unterstehen die beiden apostolischen Präfekturen «Rätien» und
Mesolcina-Calanca mit 21 Kirchgemeinden.
^[Berichtigung: Alle Graubündner Kapitel zusammen umfassen 94 Kirchgemeinden;
dazu kommen 10 in Lichtenstein, 18 in Schwyz, 20 in March-Glarus, 19 in Uri, je 7 in Nid- und Obwalden und 22 Kirchgemeinden und Stationen in Zürich.]
Es bestehen Benediktinerklöster in Disentis, Einsiedeln und Engelberg;
die kantonale Lehranstalt in Sarnen steht unter der Leitung von Benediktinern aus dem Stift Muri-Gries;
Kapuzinerklöster in Näfels, Schwyz, Arth, Altorf, Stans, Sarnen, Münster und Puschlav;
Kapuzinerhospizien auf der Rigi, in Zizers, Untervaz, am Monte Sant' Antonio, in Realp, Urseren und Tarasp.
Die Frauenklöster sind ziemlich zahlreich. In Ingenbohl befindet sich das Mutterhaus der Theodosianerinnen (Schwestern vom h. Kreuze), welche Kongregation in der Schweiz, Baden, Hohenzollern, Oesterreich und Italien 3400 Mitglieder zählt. Den h. Ludwig miteingerechnet haben bis heute über das Bistum 92 Bischöfe geherrscht. (Eichhorn, Ambros. Episcopatus Curiensis. St. Blasien. 1794. - Die katholische Kirche unserer Zeit und ihre Diener; herausgegeben von der Leogesellschaft in Wien. 1900. - Abbé Daucourt. Les évêchés suisses. Fribourg, 1896.)
[Prof. J. G. Mayer.]