Während 1847 12 Käsereien bestanden, zählte man 1894 deren 48, die 11603,4 Zentner
Käse lieferten.
Die Stadt Burgdorf ist ein sehr wichtiges Industriezentrum, und auch der übrige Teil des Bezirkes hat
industrielle Thätigkeit: Ziegeleien, Webereien, Giessereien, Mechanische Werkstätten, Parkettfabriken, Korbflechtereien,
Molassesteinbrüche etc.
Der Amtsbezirk wird von den Bahnlinien
Bern-Olten,
Solothurn-Langnau und Burgdorf-Thun, sowie von sechs in Burgdorf zusammenmündenden
Strassen durchzogen.
französisch
Berthoud (Kt. Bern,
Amtsbez. Burgdorf). Gem. und Stadt, Hauptort des gleichnamigen
Amtsbezirkes, 18 km nö. Bern;
47° 3' 25" N. Br. und 7° 37' 40" O. L. von Greenwich. Bahnhof in 536,
Schloss in 592 m. Am linken
Ufer der
Emme bei deren Austritt aus dem eigentlichen
Emmenthal, dessen Bergland ö. der Stadt mit einem steilen, das Thal
derEmme hier auf 300-400 m Breite einengenden Felskopf abschliesst. Auf dem
Rücken dieses Hügelzuges
liegt die Oberstadt zwischen dem dreitürmigen
Schloss im O. und der schönen Kirche im W. In der
Ebene, am N.-Fuss des Hügels,
dehnt sich die Unterstadt aus; die Verbindung zwischen den beiden
Quartieren stellt eine schraubenförmig gewundene
Strasse her. In Burgdorf vereinigen sich die Strassenzüge des
Emmenthals, von
Worb, Bern,
Grafenried, Solothurn
und
Herzogenbuchsee. Station
der Linien
Bern-Olten,
Solothurn-Emmenthal und
der elektrischen Vollbahn
Burgdorf-Thun. Postbureau, Telegraph, Telephon. Gemeinde
1827: 1894 Ew.; 1900: 8389 Ew., wovon 7958 Reformierte und 373 Katholiken. 1794 Haushaltungen in 630
Häusern. Reformierte
und katholische Kirchgemeinde.
Von N. oder S. gesehen, bietet die von Waldungen umrahmte Stadt mit ihrem glänzenden
Alpen- oder dunkeln Jurahintergrund
ein schönes
Bild. Nach wiederholtem grossen Brandunglück, dessen letztvergangenes, das des Jahres 1865, in der Oberstadt 58
Häuser
zerstörte, ist die Stadt nach regelmässigem
Plan grösstenteils neu angelegt worden; einige alte Gebäude
mit bemerkenswerten Fassaden und Bogengänge
(Lauben) erinnern noch an die einstigen Beziehungen zur Stadt
Bern. Das immer
noch interessante
Schloss hat durch Neubauten etwas von seinem altertümlichen Reiz verloren, ist aber recht sehenswert und
beherbergt im Rittersaal eine historische Sammlung.
Heute Sitz der Bezirksbehörden und der Assisen des dritten Bernischen Geschwornenbezirkes. Schöne gotische
Kirche, 1471-1487 erbaut, mit elegantem Kreuzgewölbe u. steinernem Orgellettner, einem Meisterwerke spätgotischer Architektur.
Von öffentlichen Gebäuden sind zu nennen das Stadthaus, Gesellschaftshaus Kasino, die drei Primarschulhäuser, Mädchensekundarschule,
Waisenhaus, die neue Turnhalle, Gymnasium und besonders das kantonale Technikum (das eine baugewerbliche, mechanisch-technische,
elektrotechnische, chemisch-technische und wasserbautechnische Abteilung umfasst). An der Strasse nach
Oberburg der neue Bezirksspital. Burgerliches Armenhaus. Stadtbibliothek im Stadthaus (mit 13000 Bänden).
Burgdorf ist ein wichtiges Industrie und Handelszentrum. Bau- und Reparaturwerkstätten der Emmenthalbahn, zwei Wollspinnereien
und -webereien, zwei Bleiweissfabriken (deren eine die älteste der
Schweiz), mechanische Werkstätten, eine Leinwandweberei,
Färbereien u. Bleichereien,
Mühlen, Bierbrauereien, Staniolfabrik (neben derjenigen von
Kirchberg die
einzige der
Schweiz), Halbleinfabriken, Zigarrenfabrik, Korbwarenhandlung etc. Bedeutender Käsehandel. Eidgenössische Alkoholniederlage.
Gaswerk. Stark besuchte Wochen- u. Jahrmärkte. Filiale der Kantonalbank, Amtsersparniskasse,
Spar- und Kreditkasse.
Grabhügel aus der Steinzeit sind auf der Gisnaufluh,
¶
mehr
solche jüngern Datums bei Bättwil aufgefunden worden; an mehreren Stellen römische Münzen, besonders auf dem Schlosshügel,
was die Existenz einer die Strasse zwischen dem befestigten Militärlager von Bern
und Vindonissa beschützenden römischen Festungsanlage
zu beweisen scheint. Ein an das Schloss sich anschliessendes Dorf, die heutige obere Stadt, bildet den ursprünglichen
Kern von Burgdorf, das von den letzten Herzogen von Zähringen, Berchtold IV. oder V. mit einer Mauer umzogen wurde, sich
später durch Vereinigung mit dem Weiler Holzbrunnen, der heutigen untern Stadt, vergrösserte und Stadtrecht erhielt.
Nach dem Erlöschen der Zähringer kam Burgdorf der Reihe nach an die ältere und die jüngere Linie
der Grafen von Kiburg, die hier ihren ständigen Sitz aufschlugen. Auch Rudolf von Habsburg, der spätere deutsche Kaiser, residierte
eine Zeit lang in Burgdorf. «Als der stattlichste Fürstensitz weit und breit
übertraf die Stadt im 13. Jahrhundert an Glanz und Ansehen die neu entstehende kleine, aber rührige Reichsstadt
Bern
an der Aare jedenfalls bedeutend».
Als 1382 Rudolf von Kiburg mit den Bern
verbündeten Solothurnern in Fehde kam, belagerten 1383 die Berner die Stadt zweimal, vermochten
ihr aber nichts anzuhaben. Ungünstige Vermögensverhältnisse nötigten den Grafen 1384, Thun und Burgdorf an Bern
zu verkaufen,
dessen Untertan die Stadt bis 1798 blieb, wobei sie sich jedoch gewisser Freiheiten, so des Blutbannes
und der Herrschaftsrechte über 19 Gemeinden des Ober-Aargaus, erfreute. Die gegen das bernische Patriziat gerichtete Volksbewegung
des Jahres 1830 unter der Leitung der Brüder Ludwig, Karl und Hans Schnell ging von Burgdorf aus;
ihr Gegner war der Stadtpfarrer
und Volksdichter Kuhn. In Burgdorf entstand 1475 eine der ersten Buchdruckereien der Schweiz;
im Schloss
von Burgdorf eröffnete Heinrich Pestalozzi 1798 seine später nach Münchenbuchsee und Yverdon verlegte Erziehungsanstalt;
hier lebten Friedrich Fröbel, der Gründer der Kindergärten, und der begeisterte Turnvater Adolf Spiess;
hier starb 1849 Max
Schneckenburger, der Dichter der «WachtamRhein». (Vergl. Aeschlimann, Joh. Rud. Geschichte von Burgdorfund Umgegend. Zwickau [1848]. - A. Heuer. Die ältesten Zeiten von Burgdorf im BernerTaschenbuch für 1879. - Kasser. Ausder Geschichte von Burgdorf im Kalender des hinkenden Boten für 1887. - Burgdorf; Führer durch die Stadt und ihreUmgebung,
herausgegeben von der Section Burgdorf des S. A. C. 1894).