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Pers. | |
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Interlaken | 112361 |
Brienz | 94319 |
Zusammen: | 206680 |
Uebrige Stationen | 74382 |
Totalfrequenz: | 281062 |
Interlaken und Brienz partizipieren demnach am Personenverkehr mit 75, die übrigen Stationen mit 25% der Gesamtfrequenz.
Interessant ist eine Vergleichung der Personenbeförderung seeaufwärts und seeabwärts. Es fuhren 1899 seeaufwärts 138973, seeabwärts 142089. Da im internen Verkehr die beiden Richtungen sich ausgleichen, so kommt das Plus der Abwärtsbewegung dem Touristenstrome zu, woraus sich ergibt, dass entweder die Mehrzahl der Reisenden von Luzern her über den Brünig ins Berneroberland eintritt, oder dass dieses Mehr auf Rechnung des dritten Einfallsthores, der Grimselstrasse, zu setzen ist.
Im Rahmen der Gebirgslandschaft des Berneroberlandes stellt aber der Brienzersee nicht bloss das Verbindungsstück zwischen dem Bödeli und dem Brünig bezw. Oberhasle dar, sondern er beansprucht mit Recht eine besondere Würdigung seiner selbst. Tief eingesenkt zwischen die steilen Gebirgsketten ist er ein typischer Alpensee und bildet einen wirkungsvollen Gegensatz zum Thunersee, der, ausgehend von den bescheidenen Molassehügeln und Moränenzügen, nach und nach erst in das Gebirge eintritt. So ist er heiterer und offener, abwechslungsreicher und vielgestaltiger als das ernste und feierliche, engere und einförmigere Becken des Brienzersees, das gerade wegen seines einheitlichen Charakters nicht ohne tiefen Eindruck auf den Reisenden bleibt.
Sowohl die Fahrt auf dem Dampfboot als eine Wanderung längs einem der beiden Ufer bietet hohen Genuss und wer das Glück hat, längere Zeit an den Gestaden zu verweilen, wird sich überzeugen, dass der scheinbar so einförmige See des Reizes der Abwechslung nicht entbehrt. So enthüllt schon eine Dampfbootfahrt in raschem Wechsel eine Folge lieblicher Uferlandschaften. Kaum hat das Schiff in langsamer Fahrt die Kanalufer schonend den offenen See erreicht, so wendet es sich rechts gegen Bönigen, als wollte es noch ein letztes Mal vom Bödeli Abschied nehmen; dann gehts hinüber zur stillen Bucht von Ringgenberg, dessen Schloss und Kirche auf bewaldetem Hügel den Ausgang des Sees bewachen.
Mit Uebergehung von Niederried, das nur einmal täglich angefahren wird, steuern wir hinüber nach Iseltwald, in malerischem Winkel beschattet von den jähen Abstürzen der Faulhornkette. Jenseits leuchten am Fuss des sonnenbeschienenen Brienzer Grates die dichtgeschaarten Häuschen von Oberried, das nächste Ziel des Dampfers. Herrlich erhebt sich über dem Dorfe die Pyramide des Tannhorns. Die weissen Häuschen zur Linken bergen in sicherem Gewahrsam die Feuerwerksartikel der Fabrik Hamberger.
Nochmals kehrt das Boot zurück in den Schatten der Faulhorngruppe, dumpfes Rauschen tönt an unser Ohr, ein silbernes Band schlängelt sich durch den Tannenwald hinunter, ein mächtiges Hotel ragt aus dunklem Grün. Es ist der Giessbach, eines der Wunder des Berneroberlandes. Dann eilt das Schiff raschen Laufes dem freundlichen Brienz zu, das, gewaltig überragt von den Felsmassen des Rothhorns, den Ernst und die Lieblichkeit des Sees nochmals wiederspiegelt.
Eine Wanderung oder eine Fahrt auf der Seestrasse von Interlaken nach Brienz vertieft und vermehrt die auf dem flüchtigen Dampfboot gewonnenen Eindrücke. Da liegt zunächst in Obstbaumhainen fast versteckt Goldswil, mit seinen Villen und Pensionen eine Vorstadt Interlakens. Der ruinengekrönte Burghügel entzieht uns für einen Augenblick den Anblick des Brienzersees, das malerische Idyll des Faulenseeli scheint dafür entschädigen zu wollen. Nussbäume begleiten die Strasse bis nach Ringgenberg, wo die Bewohner sich bemühen, durch polychrome Behandlung der hölzernen Hausfassaden deren Zahnleisten und Flachornamente besser zur Wirkung zu bringen.
Durch geöffnete Thüren und Fenster erblickt man überall die Hobelbank des Schnitzlers, unten glänzt der See und jenseits erheben sich die Abstürze der Faulhornkette zu der zackigen Gratlinie des Oberberghorns und der Schienigen Platte. Gegen Niederried erscheint über den Höhen ob Iseltwald der Felszahn des Schwabhorns und bald folgt die feinziselierte Pyramide des Faulhorns. Ueber Nieder- und Oberried läuft die Strasse immer in ziemlicher Höhe über dem See dahin mit schönen Ausblicken auf den Hintergrund des Aarethales und die leuchtenden Gipfel des Hasleberges.
Die Faulhorngruppe gegenüber lässt immer gewaltigere Häupter aufmarschieren; über den nackten Felsgebilden des Axalphorns und des Oltschikopfes erscheinen die dräuenden Wände des Wildgerst und des Gerstenhorns. Eine kleine Ueberraschung, liegt Ebligen, angeklebt an das steile Gehänge, bis zuletzt verborgen demjenigen, der von Oberried her kommt. Aber für eine Säge war doch noch Platz. Dann folgen wir dem See; das nahe Brienz scheint stetsfort zurückzuweichen, aber in einer halben Stunde betreten wir die Hauptstadt des Brienzersees mit den engen holzgebräunten Gassen.
Bietet die Wanderung auf der sonnigen Strasse des rechten Ufers Gelegenheit zum Studium der Landschaft und der Siedelungen, so geniesst der Besucher des linken Ufers den Reiz landschaftlicher Stimmungsbilder. Die Strasse, die von Bönigen nach Iseltwald führt, hat als Sackgasse wenig Verkehr; staublos und schattig ladet sie zum Spaziergang. Noch schöner aber ist der Weg von Iseltwald zum Giessbach. Bald unten am See, bald hoch oben am Gehänge, durch saftige Matten und dunklen Wald gelangt man in einer Stunde zu dem ewig rauschenden Wasser, wo dann auch die Möglichkeit gegeben ist, auf gebahntem Pfade die Alpen und Gipfel der Faulhornkette zu erreichen.
So stellt der Brienzersee ein schönes Glied in jener Kette geographischer Einheiten dar, die einerseits durch die individuelle Ausgestaltung ihres landschaftlichen Charakters, andererseits durch ihre Verbindung untereinander jenen Eindruck des Erhabenen und Lieblichen zugleich hervorrufen, der das Berneroberland als das ersehnte Reiseziel all derer erscheinen lässt, für die landschaftliche Schönheit ein seelischer Genuss und ein Bedürfnis ist.
(Mit Beiträgen vom eidg. hydrometr. Bureau [Wasserstände], von Prof. F. A. Forel [Thermik], von Prof. Heuscher Zürich [Fischerei] und von der Direktion der Dampfschiffahrtgesellschaft, bearbeitet von Dr. R. Zeller).