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dass der Untersee als südl. Arm des einstigen Gesamt-Bodensees seinen Anfang gleichwie der nördl. Arm (der Ueberlinger See) an der Spitze der Halbinsel Bodansrück nahm und dass er vor den heutigen beträchtlichen Verlandungen eine erhebliche Breite hatte, so ist ersichtlich, dass dieser südl. Seearm dem nördlichen (dem Ueberlinger See) bezüglich des Flächengehalts und der Längenausdehnung erheblich überlegen war. Die Hauptlängenachse des Gesamtsees lag daher in Wirklichkeit in ihm, nicht im Ueberlinger See.
Bei ringsum mässig steilen Böschungen (Maximalgefäll bei Berlingen mit 20%) wird der Untersee durch eine Reihe von Erhebungen, die der Hauptsache nach glacialen Ursprungs sein müssen, in mehrere gesonderte Tiefbecken zerlegt. Das erste und grösste dieser Becken, im S. durch das Schweizer Ufer von Ermatingen bis Steckborn und im N. an der Insel Reichenau und der Linie Reichenau-Halbinsel Höri-Hemmenhofen begrenzt, erreicht mit 46,4 m die grösste Tiefe des Untersees überhaupt.
Indem wir den den südlichen Seearm von Steckborn nach Hemmenhofen überquerenden Rücken überschreiten, gelangen wir in das zweite Becken, das noch eine grösste Tiefe von 45,7 m aufweist und abwärts durch einen von Mammern nach Wangen hinüberziehenden Rücken begrenzt ist. Unterhalb Mammern folgt noch ein drittes Becken mit 32,4 m grösster Tiefe. Kurz oberhalb Stiegen, wo die beiderseits einmündenden Bäche das See- bezw. Flussbett auf 150 m Breite eingeschnürt haben, hat das Wasser nur mehr 2 m Tiefe.
Obwohl hydrographisch schon hier der eigentliche Rheinlauf wieder beginnt, rechnet man doch gewöhnlich die nach der Stiegener Enge folgende nochmalige Verbreiterung des Wasserspiegels als noch zum Untersee gehörend und lässt diesen erst an der Steiner Brücke sein Ende nehmen. Ausserhalb des südl. Seearms erreicht der Untersee nur noch zweimal Tiefen von mehr als 20 m und zwar in dem vierten Becken, der Zeller Bucht zwischen den Halbinseln Höri und Mettnau, und im fünften Becken, dem sog. Gnadensee zwischen dem nördl. Seeufer und der Insel Reichenau.
Geologisches; mutmassliche Entstehung des Bodensees; Charakter der Landschaft.
Der geologische Aufbau der Gegend, in die der Bodensee eingesenkt ist und deren Mittelpunkt er bildet, ist ebenso einfach als die ihn umgebende Landschaft eine reizend-wechselvolle. Während nur die äusserste Kette der alpinen Nagelfluh im Pfändler bei Bregenz bis dicht an den Bodensee herantritt u. durch ihre steilen Felsabstürze im Verein mit dem Blick in das durch das breite Rheinthal bis tief hinein erschlossene Hochgebirg dem Ostende des Sees ganz besonderen subalpinen Charakter verleiht, haben wir es sonst ringsum lediglich mit den verschiedenen Schichten der Molasse und den Massen glacialen Schuttmateriales zu tun.
Der Untersee insbesondere ist ausschliesslich in obere Süsswassermolasse gebettet, die u. a. bei Oeningen (auf der Halbinsel Höri) die durch ihren grossen Reichtum an Petrefakten weitberühmten Steinbrüche enthält. Wo die Tagwasser nicht allein die massenhaft verbreiteten glacialen Geschiebe abgetragen, sondern auch in die weichen Sand- und Thonfelsen der Molassehöhen selbst sich tief eingenagt haben, sind die malerischen Berg- u. Schlucht-Partien entstanden, die dem Untersee einen besonderen Reiz verleihen, so um Arenaberg, Salenstein, Mannenbach, bei Stein u. s. w. Hier krönen fast überall alte Burgen und Schlösser die stehen gebliebenen steilen Bergeshöhen, während schmucke, von reichen Obstgärten umgebene Dörfer die fruchtbaren, weit in den See hineinragenden Hörner zieren.
Auch im Ueberlinger See und weiter hin ostwärts bis zum Pfändler bildet Molasse in nach SO. fallenden, aber nicht dislocierten Schichten das Gerippe der Landes. So tritt zwar das Unterste unmittelbar auf dem weissen Jura ruhende Formationsglied der Molasse, der Landschneckenkalk, nw. vom Ende des Ueberlinger Sees noch zu Tage, liegt aber am Seeende selbst schon tief unter dem Wasserspiegel; nur ein Teil der Knauer- oder eigentlichen Süsswasser-Molasse mit den bunten Mergeln reicht noch über denselben, um aber gleichfalls bald unterzutauchen und schon bei Ueberlingen 33 m tiefer als der Seespiegel zu liegen.
Darüber erhebt sich eine bis 120 m mächtige Sand- und Sandsteinablagerung, deren Decke aus dem schweizerischen Muschelsandstein und vielfach einer gleichfalls ziemlich mächtigen Schicht oberer Süsswassermolasse besteht. Ueber dieser sind fast überall wieder Quartär-Ablagerungen, wie diluviale Nagelfluh (Deckenschotter), Moränen, Glacialschutt und diluviale Geschiebe verbreitet, die in ihrer Verwitterung die hohe Fruchtbarkeit der Umgebung des Bodensees bedingen. Fast noch mehr als am Untersee erhalten die Ufer am Ueberlinger See ihren Charakter einer teils wilden, teils lieblichen Mittelgebirgslandschaft von jenen mächtigen Molasseschichten.
Im mittleren Teil des Sees werden die ihn begleitenden Höhen zu beiden Seiten niederer und fallen in sanfterer Neigung nach ihm ab - ein mit Reben und Obstbäumen, Wiesen und Feldern reich bebautes, höchst fruchtbares Gelände. An den Mündungen der grösseren Flüsse erstrecken sich kleinere und grössere Ebenen, in ihrem untersten Teil mehrfach versumpft und der Ueberschwemmung bei Hochwasser unterworfen, aber als Streuwiesland auch wertvoll. Als auf Schweizerboden gelegen, seien hier nur die Mündungsebenen der Aachen bei Arbon und Romanshorn namhaft gemacht.
Endlich haben wir noch jener eigentümlichen Gruppen ovaler, bewaldeter Hügelchen mit dazwischen liegenden kleinen Seen, Weiern, Mooren und Sümpfen zu gedenken, die an verschiedenen Stellen des Bodenseeufers, nämlich bei Lindau, nö. Meersburg und Ueberlingen und auf dem sö. Teil der Halbinsel Bodansrück der Landschaft ein so auffallendes aussergewöhnliches Ansehen verleihen. Es sind das die sog. Drumlins, Reste der Grundmoräne der jüngsten Vergletscherung.
Ueber die Frage der Entstehung des Bodensees gehen die Ansichten der Forscher noch weit auseinander. Als es 1882 Albr. Penck gelungen war, Argumente für das eiszeitliche Alter der oberbayerischen Seen zu finden, alsbald aber auch Alb. Heim in Zürich am Zürchersee Tatsachen kennen lehrte, die für eine jugendliche Bewegung der Erdkruste im Bereich der Thäler, für eine Einbiegung dieser und damit für Bildung der Seewannen in Folge eines Rücksinkens der Alpen sprachen, da konnte es scheinen, als ob die Seen Ober-Bayerns unter andern Gesichtspunkten betrachtet werden müssten, als die weit grösseren Seen der Schweiz. Um so mehr musste sich daher auch die Aufmerksamkeit der Forscher auf den ¶
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Bodensee lenken, der mit den deutschen Alpenseen die Lage vor dem Gebirge, mit den schweizerischen dagegen die grossen Dimensionen gemein hat. In diese Zeit fiel denn zu nächst die Herstellung der schon erwähnten internationalen Bodenseekarte, womit für den Bereich des Sees selbst eine wesentliche Grundlage auch für die weitere Untersuchung der Frage nach seiner Entstehung geschaffen war. Da hierzu aber zudem noch eine genaue Erforschung der geologischen Verhältnisse der Umgebung des Sees im weiteren Umkreise sich als unentbehrlich erwies, genügten weder diese das angrenzende Uferland nur in einem Streifen von etwa 5 km Breite gebende Karte, noch die früheren - an sich höchst verdienstlichen - geologischen Aufnahmen älterer Forscher.
Die österreichische Regierung berief daher Prof. Penck in Wien als ihren Vertreter in die internationale Kommission zur wissenschaftlichen Erforschung des Bodensees und diese beauftragte ihn mit einer neuen und genauen Untersuchung der Geologie des Seegebietes. Penck hat nun diese 1891 begonnene Arbeit mit Ende 1900 auf dem Felde abgeschlossen. Er ist in ihrem Verlaufe zu interessanten und ganz neuen Ergebnissen gelangt, die er in ihrer allgemeinen Erscheinung zuerst am Berliner internationalen Geographenkongress (Herbst 1899) und in ihren Anwendungen speziell auf das Bodenseebecken in einem zu Stuttgart Ende 1900 gehaltenen Vortrag einem engern Kreise bekannt gegeben hat.
Mit Erlaubnis des Redners geben wir im Folgenden Pencks Resultate in ganz kurzer Fassung wieder. Zunächst ergab die genaue Untersuchung der Quartärablagerungen, dass das Bodenseebecken nicht blos drei Vergletscherungen, wie früher angenommen worden war, sondern deren vier erlitten hat. Zugleich liess die Anordnung der sog. «älteren Deckenschotter», d. h. der fluvioglacialen Ablagerungen zur Zeit der ältesten Vergletscherung, erkennen, dass das Bodenseegebiet wie das ganze Alpenvorland überhaupt als eine ehedem ziemlich ebene Landoberfläche aufzufassen ist, über die die Flüsse ihre Gerölllast gleichmässig ausbreiten konnten, indem sie, unbeengt durch steile Ufer, unregelmässig hin- und herpendelten. In diesem Stadium schneiden die Flüsse nicht mehr ein; sie tragen das Land allmählich fast bis zum Niveau einer schiefen Ebene ab, die durch das Flussgefälle festgelegt ist. Es bildet sich eine Rumpf- oder Abtragungsebene im Sinne Pencks (Peneplain nach der Bezeichnung von Will. M. Davis), die sich, wie die deckenförmige Verbreitung des ältesten Deckenschotters lehrt, vor Eintritt der grossen Eiszeit quer durch das Alpenvorland Oberschwabens entwickelte und zwar in einer Höhe von 300-900 m über dem Spiegel des heutigen Bodensees.
Die Fortsetzung dieser alten Thalsohlenfläche fand sich alpeneinwärts überall vor, zunächst im sog. Appenzeller Sporn (ziemlich ebene Oberfläche von Appenzell A. R. mit Heiden und Trogen in 900-1000 m), dann in zahlreichen Leisten und Kanten am Thalgebirge rheinaufwärts, die sich alle in das Niveau unserer Rumpffläche einordnen, und endlich oberhalb Chur in jenen hochgelegenen und in der Vertiefung zurückgebliebenen Thalböden des mittleren Graubünden (Lenzer Heide u. a.), auf die Prof. Heim in Zürich schon längst hingewiesen hat.
Alle diese Einzelerscheinungen lassen sich zu dem grossen Gesamtbild eines hoch über dem heutigen gelegenen Thalsystems zusammenfassen, in dem die Flüsse blos noch in die Breite arbeiteten und so in den Alpen selbst ungewöhnlich breite Thäler schufen. Das Alpenvorland wurde einheitlich abgeböscht und in eine weite Abtragungsebene verwandelt, die einem riesigen Schuttkegel gleich mit 4-5‰ Gefäll alpeneinwärts anstieg und im Grossen und Ganzen heute noch mit unveränderten Höhen, hoch über jetzigem Bodensee und Rheinthal, vorhanden ist. Nicht Bewegungen der Erdkruste haben das heutige Thalsystem mit dem See in diese Ebene eingesenkt, sondern eine riesige Erosionsarbeit, die seit der ersten nachweisbaren Vergletscherung des Bodenseegebietes eingesetzt hat.
Damit lässt sich nun aber auch die Entstehung des Seebeckens und seiner Wanne erklären. Sie ist eine verhältnismässig jugendliche und fällt in das grosse Eiszeitalter. Die Erosionsarbeit, die sie schuf, kann nicht die des fliessenden Wassers gewesen sein, denn diese furcht Thäler ein, die sich in gleichmässigem Gefäll zum Meere senken und die sich - bei der Einmündung von Seitenthälern in das Hauptthal - gleichsohlig treffen. In die Wanne des Bodenseegebietes münden aber ihre Seitenthäler nicht gleichsohlig, sondern um 100-250 m höher ein, und auch die hochaufgeschüttete Thalsohle rheinaufwärts liegt immer noch weit tiefer als die der Seitenthäler.
Die Erosion hat im Hauptthal stärker gearbeitet als in den Nebenthälern und hat jenes so stark «übertieft», dass es sich zum Teil mit Wasser angefüllt hat (Bodensee). Die Erosionsfurchen des Rheinthals und Bodenseegebietes können daher angesehen werden als die Werke grosser Strömungen, die in den grossen Gletschern der Eiszeiten bestanden und ihre Betten in ähnlicher Weise ausgestalteten, wie das rinnende Wasser die seinen. Der Obersee ist in seiner heutigen Erscheinung wesentlich dadurch bestimmt, dass die letzte Vergletscherung weniger weit reichte als die vorletzte und so in das von dieser gebildete, weitaus grössere Zungenbecken seine Moränenablagerungen hineinbaute und es verkleinerte. Daher die mächtigen Moränenaufschüttungen, die nahezu ringsum die Ufer des jetzigen Obersees bilden. So weit Penck.
Ganz anders lautet die von den Schweizer Geologen (vornehmlich Prof. Heim und Prof. F. A. Forel) gegebene Erklärung der Entstehung der alpinen Randseen und damit auch des Bodensees. Es sind dies Thalfurchen, entstanden hauptsächlich in der ersten Interglacialzeit durch die Erosionsarbeit des strömenden Wassers. Ein nach der Ausspühlung dieser Molassethäler, aber immer noch zwischen erster und zweiter Eiszeit erfolgtes Nachsinken der im Pliocän aufgefalteten Alpen mit Einschluss der Molasse am Alpenrand (an der N.-Seite der Alpen um ca. 300 m) gab diese Thalstrecken teilweise rückläufiges Gefäll, sie tauchten unter und es entstanden die Seen.
Die Eismassen der nachfolgenden Glacialzeiten füllten diese Becken später wieder aus und bewahrten sie so vor Zuschüttung durch fluvioglaciale Geschiebemassen. Diese Auffassung erklärt auch ungezwungen die von der sonst üblichen Regel abweichende Erscheinung, dass die meisten der in den Bodensee mündenden Flüsse dem Rheinlauf entgegengesetzt fliessen: infolge des Zurücksinkens der Alpen und mit ihnen des obern Teiles des Ur-Rheinthales mussten auch die Flüsse ihren Lauf nach dem tiefsten Punkte des Thales nehmen, der sich ohne Zweifel sogar noch weiter thalaufwärts befunden haben wird als der jetzige tiefste Punkt des Sees.
Die Frage nach der Entstehung der Alpenrandseen aber erscheint noch immer nicht völlig einwandfrei entschieden.
Physik, Hydraulik, Chemie.
Bei der Grösse des Bodan ist auch für das unbewaffnete Auge die Erdkrümmung schon warnehmbar; die ganz über Wasser verlaufende Linie Bregenz-Konstanz weist eine Aufwölbung der Seeoberfläche von etwas mehr als 9,5 m auf, sodass die nicht besonders hohen und nieder gelegenen Gebäude beider Städte gegenseitig dem Blick entzogen bleiben. Abgesehen davon erscheint uns der Seespiegel im Allgemeinen als eine ebene Fläche, die aber vielfachen, mehr oder minder starken und augenfälligen Deformationen unterworfen ist.
Erwähnenswert ist in dieser Beziehung die Erscheinung, dass der Seespiegel vor den Mündungen der grösseren Zuflüsse und vor allen des Rheins in Folge der hier stattfindenden Wasserzufuhr die Gestalt eines äusserst flachen konvexen, vor dem Ausfluss des Rheins aber die eines gleichfalls sehr flachen konkaven Kegels erhält. Deformierend wirken dazu noch aus hydrostatischen und thermischen Ursachen (Wechsel der Temperatur und Dichte des durch Zuflüsse oder durch atmosphärische Niederschläge in den See gelangenden Wassers) herrührende, im See ohne Unterbrechung sich wiederholende vertikale und horizontale Strömungen, denen sich noch andere, vornehmlich durch Winde hervorgerufene (der «Ruuss» oder «Rüs» und das «Rinnen» der Bodenseefischer) anreihen.
Verschieden von diesen nicht rhythmischen Deformationen des Seespiegels sind die in einem bestimmten Rhythmus sich wiederholenden Bewegungen der fortschreitenden und stehenden Wellen. Ueber das Gewell des Bodensees sind besondere Beobachtungen bis jetzt noch nicht gemacht worden. Schätzungsweise wird angenommen, dass auch die grössten Wellen im offenen See kaum mehr als 2-2,5 m Höhe erreichen. Anders verhält es sich natürlich da, wo die Wellen gegen einen festen Körper ¶