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ausgewasschenes (oder ausgespühltes) und angeschwemmtes Ufer.
1. Ausgewaschenes Ufer. Denjenigen Landstreifen, der (ausser bei etwaigem ausserordentlichen Hochwasser) der Einwirkung des Wassers unter allen Umständen entzogen bleibt, nennen wir den Uferrand, während wir in dem vom Wasser beeinflussten Gebiet vom Ufer gegen den See fortschreitend der Reihe nach den in der Regel nahezu senkrechten Kliff, den in Form einer schiefen Ebene ausgewaschenen Hang oder Strand (mit den Unterabteilungen des trockenen, überschwemmbaren und überschwemmten Hanges), die nahezu horizontale oder nur sehr sanft geneigte Wysse (als ausgewaschene oder angeschwemmte Wysse) und endlich als Abfall gegen die Seetiefe hin die Halde unterscheiden.
2. Angeschwemmtes Ufer findet sich nur an den Stellen, wo die Geschiebe führende Kraft eines in den See mündenden Flusses oder Baches die erodierende Kraft der Wellen übertrifft, am Bodensee vornehmlich also an den sogenannten «Hörnern». Der immer weiter in den See hinausrückende Schuttkegel, das Delta (oder «Horn»),
schützt das (ursprüngliche) Ufer vor der Auswaschung; der Kliff fehlt regelmässig, die Wysse meistens. Durch fortgesetzte Aufschüttung kann das zuerst unterseeisch angelegte Delta allmählich über den Wasserspiegel emportauchen. Vermag der Fluss nicht mehr genügendes Schwemmmaterial zur Wiederausfüllung der von den Wellen ausgenagten Lücken zuzuführen, so kann auch ein Delta sich zum Typus des ausgewaschenen Ufers umgestalten (gemischtes Ufer).
Wenn hienach im Bodensee sogar Hörner dem ausgewaschenen Ufer angehören können, so ergibt sich von selbst, dass dieser Ufertypus bei weitem den des angeschwemmten Ufers überwiegen muss. Wir finden ihn also namentlich überall in den von den Hörnern eingerahmten Buchten oder längeren Uferstrecken, in und an denen der grössere Teil des von den nächsten Zuflüssen in den See geführten und zunächst noch im Wasser schwebend bleibenden festen Materials vom Gewell abgelegt wird und die daher meistens ziemlich seicht sind.
Solche flachere Uferstrecken führen im Obersee - ohne Rücksicht auf die feinern Unterschiede des Hangs, der Wysse und der Halde - vielfach den allgemeinen Namen «Grund», z. B. Gaissauer-, Rohrspitzen-, Fussacher-, Kressbronner-, Schussen-Grund u. a.; diejenigen zu beiden Seiten der zur Insel Mainau führenden Brücke aber den eigentümlichen der «oberen» und «unteren Gill». Ziehen sich derartige verhältnismässig weniger tiefe Gebiete in der Nachbarschaft grösserer Tiefen weiter in den See hinaus, so werden sie (wie übrigens auch einzelne Erhebungen im Gebiet des tiefen Seekessels) wohl auch «Berg» genannt, so z. B. der «obere» und «untere Berg» in der Friedrichshafener Bucht. Im Untersee dagegen werden diese seichteren Strecken in der Regel als «Rain» (Bradlen-, Stuhl-, Zeller-, Hegne-Stätte-Rain u. s. f.) bezeichnet, wie auch schon die in der Konstanzer Bucht von deren Nordufer bis zum Thalweg des ausfliessenden Rheins sich erstreckende Untiefe den Namen Alet-Rain führt.
Der weite (bei Niedrigwasser grössten Teils sogar ganz trocken liegende) Flachgrund im obern Teil des Untersees von Gottlieben bis zur Linie Ermatingen-Hegne, den die Rheinfurche und eine als Ausweichstelle für die Dampfschiffe künstlich hergestellte, jener parallel laufende zweite Rinne durchziehen, wird Im Feld genannt. Während hier die Uferzone eine Breite von mehreren Kilometern erreicht und z. B. auch am Rohrspitz sich auf über 2 km ausdehnt, ist sie an anderen Stellen, wie namentlich im Ueberlinger See, auf wenige Meter beschränkt.
Wie die Breite, so wechselt auch die obere Bedeckung des Bodens der Uferzone je nach dem von den Wellen aufbereiteten Material. So liegen auf dem Hang vielfach sogar Steine von grösserem Umfang u. Gewicht, sog. «Wacken», dann auch gröberes und feineres Geröll (Kies) oder auch nur Sand, wie solcher auf der angeschwemmten Wysse so ziemlich ausnahmslos sich findet. Einzelne Uferstrecken zeichnen sich aber auch durch eine auffallende Menge von oft gewaltigen erratischen Blöcken aus, die bei den gegebenen Neigungsverhältnissen des Bodens nicht vom Kliff her dahin gelangt sein können. Es sind die Ueberbleibsel von vormals vom Gletscher an Ort und Stelle abgelegten Moränen, aus denen die Wellen allmählich alles leichtere Material aus- und fortgespühlt haben, während sie die für ihre Arbeit zu schweren grösseren Steine und Blöcke liegen lassen mussten.
Lange Linien solcher Moränenblöcke finden sich noch insbesondere längs des Ufers westwärts von Romanshorn, westwärts von Arbon, zwischen Hagnau und Immenstaad und besonders in der Gegend von Lindau und Wasserburg, die geradezu mit solchen Blöcken übersäet ist. Hier sind besonders der «Hexenstein» bei Lindau, die wie dieser bis 2,5 m unter den Wasserspiegel heraufreichenden Blöcke auf der Untiefe des Schachener Bergs, der «Salzfresser» und das «obere» und «untere Bergle» bei Wasserburg als Schiffahrtshindernisse von Alters her bekannt.
Eine solche vom diluvialen Rheingletscher herrührende Aufschüttung ist bezüglich ihres Kerns auch die ganze, jetzt vom Rhein durchschnittene Landbrücke zwischen den Molassehöhen des Thurgauer Seerückens und der Halbinsel Bodansrück bei Konstanz mit der dazu gehörigen Uferzone der Konstanzer Bucht einer- und dem oben erwähnten Flachgrund «Im Feld» andererseits. Selbst dem Laienauge ist es unzweifelhaft, dass über diesem teils vollständig zum Festland gewordenen, teils nur von einer wenig tiefen Wasserschicht bedeckten Gebiet, in das der Rhein sein schmales Ablaufsrohr, den «Trichter», genagt hat, Ober- und Untersee zu einem einheitlichen Wasserbecken vereinigt gewesen sein mussten.
Und in der That hat denn auch Rob. Sieger (Postglaciale Uferlinien des Bodensees in Schr. des Ver. f. Gesch. des Bodensees, 21, 1892; S. 164 ff.) nachgewiesen, dass der Spiegel jenes einstigen Gesamtsees zu einer gegebenen Zeit ungefähr 30 m höher stand, als der des heutigen Bodensees. Den Beweis für den glacialen Ursprung des heutigen Riegels haben artesische Brunnenbohrungen (1878-80) geliefert, die ausserdem noch ergaben, dass nicht weniger als drei Glacial- und Interglacialzeiten an der Bildung dieses Neulandes mitgewirkt haben (Th. Würtenberger Der Konstanzer Trichter in Mitt. der Thurg. Naturforsch. Ges. Heft 15). Der wallartige Rücken, auf dem sich die Kreuzlinger Hauptstrasse nach Konstanz zieht und zu dem als weitere Fortsetzung der vom Konstanzer Münster gekrönte und zuvor das römische Castrum tragende Hügel, dann «die Insel» und endlich jenseits der Rheinfurche ohne Zweifel auch der Aletrain gehören, stellt sich ohnehin sowohl nach seiner Gestalt als nach dem Material, aus dem er besteht, als eine hier niedergegangene Endmoräne dar. Schon ein flüchtiger Blick zeigt, dass das von den ¶
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beidseitig hier einmündenden, nur ganz unbedeutenden Bächen aus ihren in die Molasse des Seerückens eingerissenen «Döbeln» (Schluchten) herabgeschwemmte Material zu einer Aufschüttung von so bedeutenden Dimensionen unmöglich hätte ausreichend sein können. Die Geschiebe der Lütschine vermochten wohl das «Bödeli» zwischen Brienzer- und Thunersee zu bilden, nicht aber die Geschiebe dieser kleinen Bäche das Land zwischen Ober- und Untersee (Eberh. Graf Zeppelin, in Bodenseeforschungen; a. a. O. Abschn. III, S. 95), obwohl auch sie natürlich ihren entsprechenden Beitrag dazu geliefert haben.
Als viel später der Rhein seinen jetzigen Ablauf über die Felsschwelle unterhalb Schaffhausen gefunden hatte und damit der postglaciale Bodensee um etwa 30 m auf sein heutiges Niveau gefallen war, schieden sich Ober- und Untersee von einander, und es entstand in kürzester Zeit das beide Seen sofort wieder verbindende und noch heute bestehende Rinnsal des Rheines durch den Stauriegel u. den Flachgrund Im Feld. (M. Honsell. Der Bodensee und die Tieferlegung seiner Hochwasserstände. Stuttg. 1879. S. 49 und 53). Die Strömung des Wassers des Rheins macht sich schon in der Entfernung von 1 km oberhalb Konstanz geltend und hat auf dem die Rheinfurche begleitenden seichteren Grund zu jener eigentümlichen Kalktuff-Bildung Anlass gegeben, die durch die Thätigkeit gewisser einzelliger Algen in leichtströmendem und kohlensäurehaltigem Wasser bewirkt wird und darin besteht, dass durch Entzug eines Teiles des im Seewasser gelösten doppeltkohlensauren Kalkes einfachkohlensaurer Kalk sich niederschlägt, der die absterbende Alge zusammen mit ihrem Substrat (Steine, Muscheln etc.) mit Jahresringen umhüllt und derart Knollen bis zu 20 cm Durchmesser zu bilden vermag.
Die Uferzone unterscheidet sich vom tiefen Seekessel namentlich insofern, als sie einem mehr oder weniger ununterbrochenen Wechsel ihrer Gestaltung in ungleich höherem Masse unterworfen ist als dieser, und zwar sowohl in Bezug auf Auswaschung (an gefährdeten Stellen Uferschutzbauten oder sonstige geeignete Vorbeugungsmassregeln, z. B. Anpflanzung eines Phragmitetum) als auf Anschwemmung. Ein nach beiden Richtungen ganz besonders interessantes Gebiet ist die württembergische Uferstrecke zwischen Friedrichshafen und Langenargen.
Dem Anprall des Gewells bei den am Bodan vorherrschenden Westwinden in erster Linie ausgesetzt, ist diese Strecke zumeist sehr flach und besteht zum grössten Teil aus leichterem Material, wie es die in der dortigen Gegend mündenden Flüsse zugeführt haben. Bei Hochwasserstand überfluten die vom Westwind getriebenen Wellen des Sees das flache Land oft ziemlich weit, wühlen das weichere Material des Landes überall auf, spühlen es aus, tragen es zu einem grossen Teil, vielfach sogar bis zu ansehnlicher seitlicher Entfernung von seinem Ausgangspunkt, dem Land wieder zu und bilden seewärts neues Land überall da, wo diese Anschwemmungsprodukte in bestehenden Wasserpflanzen (Röhricht, Schilf u. s. f.) den nötigen Schutz vor erneutem Fortgespühltwerden finden. An den hier seltenen Stellen, an denen der Uferrand steinig war oder ist, findet dagegen eine solche Neulandbildung im Allgemeinen nicht statt, indem das Gewell durch Ausspühlung und Wegschaffung des die grösseren Steine umgebenden Erdreichs sich bei eintretendem Hochwasser den Weg zu weiterem Vordringen landeinwärts ebnet.
Während so zur Zeit der Hochwasserstände ein Vorrücken des Sees und ein Vorrücken des Landes sich hier geradezu die Wage halten können, so liegen während der Niederwasserstände breite Flächen der sonst überspühlten Uferzone trocken; die Wellen häufen den von ihnen erst aufgewühlten Sand auf einem vom Uferrand ziemlich entfernten Streifen zu grösseren Erhebungen zusammen, entweder in langen wallartigen Linien, hinter denen mit dem offenen See oft nur durch schmale Durchlässe verbundene Wassertümpel (Nehrungs- und Lagunenbildung) liegen bleiben, oder auch um einen festen Körper (z. B. einen erratischen Block) als Kern in zunächst rundlichen, mehr haufen- oder hügelartigen Höckern. Je nach den Umständen können sich dann diese allmählich sogar zu kleinen Inseln entwickeln, wie die erst seit etwa zehn Jahren bestehende sog. «Schulzen-Insel» bei Eriskirch. Im Uebrigen werden diese Erhebungen durch mehrere nachfolgende Hochwasser in der Regel wieder verwischt und ausgeglichen; Fuss fassende Vegetation verfestigt das abgelagerte Material, neue Anschwemmung erhöht die Ablagerung und es bildet sich vorrückendes Neuland.
Das Ergebnis aller dieser Vorgänge in der Natur lässt sich nun auch gerade für das wüttembergische Ufer an Hand der 1824 und 1825 hergestellten Kataster-Karten in 1:2500, wie solche für die Ufer der anderen Staaten fehlen, genau verfolgen und ausmessen. Es ist dies für die Zeit bis 1889, da die Neuaufnahme dieses Ufers für die neue Bodenseekarte stattfand, geschehen und hat sich dabei ergeben, dass der Landzuwachs hier auf einer Strecke von 15 km Länge bei einer mittlern Breite von 34 m im Ganzen 51,12 ha betrug (Eberh. Graf Zeppelin. Bodenseeforschungen; a. a. O., Abschn. III; S. 90 ff.). Die Neulandbildung schreitet seitdem mit Ausnahme der früher erwähnten Stellen, an denen die Landabnahme überwiegt, auch jetzt noch in gleicher Weise weiter, ja westlich von Eriskirch, wo man das neuentstehende Land als erfreulichen Zuwachs zu den wertvollen Streuwiesen der Anstösser stets eifrig in Besitz nimmt, waren einzelne Stücke schon 1893 bis zu 70 m über die Grenze von 1889 seewärts wieder mit Grenzmarken versehen worden und hatte das so neu-vermarkte Gebiet schon einen Flächengehalt von ca. 12 ha.
Wenn wir für unsere Darstellung das württembergische Ufer eben wegen der hier seit 1824 zahlenmässig festzustellenden Wirkung der besprochenen Vorgänge als Beispiel gewählt haben, so schliesst das natürlich nicht aus, dass das Nämliche in gleicher Weise nicht auch an den übrigen Uferstrecken des Bodensees sich vollziehen könne. So war u. a. ein namhafter Landzuwachs namentlich auf der W.-Seite des Rohrspitz zu beobachten, bevor der Rhein seit dem durch sein neuerstelltes Bett sich in die Fussacher Bucht ergoss. Ein Landverlust macht sich dagegen seit einigen Jahren in immer bedenklicher werdendem Masse längs des gesamten thurgauischen Ufers von Arbon bis Eschenz (am Untersee) geltend, indem sich hier die Bildung von Kliff, Hang und ausgewaschener Wysse in immer schneller weitergreifendem Umfang vollzieht. Wenn hier nicht in absehbar kurzer Zeit vollends grössere Flächen des wertvollen, hier zumeist bis unmittelbar an den See reichenden Baulandes von den ¶