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schäumenden Wogen hart längs der Kantonsstrasse, während die Eisenbahn aus Mangel an Raum oft gezwungen ist, den Fels in Tunnels zu durchbrechen und ihre Linie durch Kunst- und Schutzbauten zu sichern, die an die der Gotthardbahn erinnern.
Oberhalb Münster verlässt die Birs diese wilde Felsmasse, wird zahmer und tritt gegen NO. ins Münsterthal (536 m) ein, wo sie von links die Perrefitte oder besser Pierrefitte durchfliessende Chalière aufnimmt. Auch hier hat man den Flusslauf teilweise kanalisiert und verschiedenen Fabrikbetrieben nutzbar gemacht. Bei 526 m mündet von rechts die 8 km lange Raus, die der Birs die Wasser des N.-Abhanges der Hasenmatt, eines Teiles des Graitery und des Grand Val zuführt.
Kurz nach der Vereinigung beider Flüsse schliesst sich, ganz ähnlich wie bei Court, das Thal im NO. neuerdings. Um aus dem alten Seebecken von Münster abfliessen zu können, musste sich die Birs wiederum ihren Weg durch die Felsen bahnen und schuf hier die 7 km lange, direkt von S.-N. durchsägte Kluse von Münster (Gorges de Moutier), die an Grossartigkeit diejenige von Court noch übertrifft. Es treffen hier der Mont Raimeux mit seinen Ausläufern von O. her, der Mont de Moutier und Mont de Vellerat von W. her zusammen und bilden eine zusammenhängende Schluchtenreihe mit auf das erstaunlichste gefalteten, gewundenen und aufgerichteten Felsschichten, in deren Verwitterungsnischen mit ihrem verzweigten Wurzelwerk Fichten, Tannen und Buchen haften.
Ungefähr in der Mitte der Kluse liegt in 498 m das durch seine zahlreichen Sägemühlen bekannte Dorf Roche, wo der Birs von links der vom Hochthal von Astai herabkommende Bach von Roche zuströmt. Zwei Kilometer weiter nach N. fliesst die Birs an der ehemaligen, seit vielen Jahren verödeten Glashütte von Roche (479 m) vorbei und quert nach weitern 1,5 km in 467 m die ausgedehnten Anlagen der wichtigen Hüttenwerke von Choindez. Bei Courrendlin (442 m) endlich öffnet sich die düstere Schlucht, und die Birs tritt in die weite Ebene von Delsberg (Val de Delémont) ein.
Hier vereinigen sich das Thal der Birs von S., das Val Terbi von O. und das Thal der Sorne von W. her zu einem einheitlichen Becken von ca. 20 km2 Fläche, einem ehemaligen von der Birs im S., der Scheulte im O. u. der Sorne im W. gespiesenen, grossen See, der nach NO. abfloss. Bei Courroux (416 m) empfängt die Birs von O. aus dem Val Terbi die 18 km lange Scheulte, lässt darauf Delsberg mehr als 1 km im W. liegen und nimmt von W. her die 28 km lange Sorne, den Abfluss des Sornethales, auf.
Das Thal von Delsberg ist oberflächlich ganz mit diluvialen Schottern überführt; in der Tiefe dagegen lagern die ausgezeichneten Eisenerze, die das Thal zum wichtigsten Centrum der Erzgewinnung und -verarbeitung der Schweiz gemacht haben. Heute ist die Birs von Choindez bis zur Mündung der Sorne völlig zu einem Fabrikkanal umgewandelt, der zahlreiche Betriebe speist und den Werken von Choindez und Les Rondez, sowie den Minengängen elektrisches Licht spendet.
Den Ausweg aus dem weiten Kessel von Delsberg findet die Birs an der nämlichen Stelle, an der schon der einstige See abfloss, am Fusse der Felsen von Vorburg. Hier wird sie wiederum zum Querfluss, der den Mettenberg bis Soyhières (402 m) von S.-N. durchschneidet. Bis Grellingen windet sich die Birs in onö. Richtung durch ein enges Thal, das von steilen, oft senkrecht abgebrochenen Felsen mit 500 m mittlerer Höhe eingeschlossen ist und dessen stark eingeengte Sohle nur an wenigen Stellen etwas Kulturland, Wiesen und Obstgärten auf ehemaligem Flussbett, trägt. Es ist dies das eigentliche Centrum der Fabrikation von Zement, hydraulischem Kalk und Kunststein, deren Betriebe überall die Wasserkraft der Birs sich nutzbar gemacht haben. Bei Liesberg nähern sich die Felswände derart, dass sie dem Flusse kaum den Durchgang gestatten; von der Station Liesberg bis zur Station Bärschwil bildet der Thalweg der Birs (380 m) auf eine Länge von 4 km die Kantonsgrenze zwischen Bern und Solothurn.
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Nach der Einmündung des von S. kommenden Bärschwilerbaches treten die Berge etwas zurück; in 362 m, 1200 m sw. Laufen, nimmt die eben nach NNO. abbiegende Birs von links die 28 km lange Lützel aus dem Lützelthale auf, und das Thal schliesst sich neuerdings.
Erst bei Laufen bleiben die Berge beträchtlich nach S. zurück, das Thal weitet sich, und der Birs fliessen von rechts der Wahlenbach und bei Zwingen in 344 m die 17 km lange Lüssel oder Lüsslein zu. In einem letzten, 2 km unterhalb Zwingen in 338 m beginnenden Engpass windet sich die Birs in ö. Laufe gegen Grellingen (328 m), wo plötzlich das Landschaftsbild sich ändert und auf den der Sonne zugewendeten Hügeln des linken Flussufers die Weinrebe zum erstenmale auftritt.
Bei Grellingen treibt die Birs die zahlreichen hiesigen industriellen Betriebe, nimmt von S. den Ibach und Seebach auf und windet sich in der Folge als nun wirklich bedeutender Fluss durch ein von wenig bedeutenden und allmählig sich abstufenden Höhen begrenztes Thal. Da und dort treten noch vereinzelte Felsköpfe zum Flusse vor, die meist noch mächtige Ueberreste von zahlreichen mittelalterlichen Burgen tragen. Bei Angenstein (309 m) verlässt die Birs endgültig den Kanton Bern, bildet bis Dornachbrugg (294 m) die Grenze zwischen Baselland und Solothurn und von St. Jakob an diejenige zwischen Baselland und Baselstadt.
Sie empfängt bei Aesch ihren letzten nennenswerten Zufluss, den Klusbach, und durchquert dann den Tafeljura in einer das Plateau von Gemsen von dem tiefer gelegenen Bruderholz scheidenden Rinne. Das Thal weitet sich zur Ebene und behält diesen Charakter bis zur Mündung der Birs in den Rhein bei. Das breite, seichte und geschiebeerfüllte Bett des Flusses zwischen Angenstein und Rhein ist völlig korrigiert, der Fluss kann nicht mehr über seine Ufer treten und wird an zahlreichen Stellen von Fabrikkanälen abgezapft. Die Mündung der Birs (259 m) in den Rhein endlich liegt ö. der Stadt Basel, zwischen der Eisenbahnbrücke und Birsfelden.
Betrachten wir noch den Birslauf in seinem Ganzen, so sehen wir, dass er von seinem Ursprung bis zu seiner Einmündung in die Rheinebene mindestens acht Antiklinalen des Kettenjura durchschneidet, die aus jurassischen Gesteinen gebildet und in ihren tiefsten Entblössungen oft bis zur Trias hinunter durchfressen sind. Zahlreiche Geologen sind heute der Ansicht, dass diese Querdurchbrüche ihre Entstehung nicht dem blossen Zufalle verdanken, sondern dass sie an tektonisch besonders hiezu geeigneten Stellen erfolgten und dass die Arbeit der Erosion zugleich mit dem Beginne der Jurafaltungen einsetzte, während der ganzen Dauer derselben ihr Werk fortführte und die immer schärfer sich ausbildenden Falten vorweg wieder anschnitt und modellierte.
Das ganze Becken der Birs lässt sich in fünf, wohl von einander unterschiedene Teile trennen: 1. Das Längsthal von Pierre-Pertuis bis Court mit einer mittleren Höhe von 700 m;
wenig fruchtbar, aber mit arbeitsamer Bevölkerung französischer Zunge, der Uhrenmacherei und Holzhandel zu bedeutendem Wohlstande verhelfen;
2. das Querthal von Court bis Courrendlin mit den malerischsten Schluchten im schweizerischen Kettenjura;
Fels, hie und da mit Wald bestanden, Kulturland um Münster und Roche;
französisch sprechende Bevölkerung, mit eingewandertem deutschem Element, in Münster (Moutier), Roche und Courrendlin, überwiegend deutschsprechende Bevölkerung in Choindez, dessen Eisenhütten u. Giessereien zahlreiche Arbeiter aus der deutschen Schweiz angezogen haben;
bedeutende industrielle Thätigkeit: blühende Uhrenmacherei in Münster;
Glashütte, Ziegelei, grosse Sägemühle u. Holzhandel in Roche;
ausserordentlich bedeutende Eisengiesserei in Choindez;
Backstein- u. Kunststeinfabriken;
3. die Ebene von Delsberg, fruchtbar, mit Getreidebau;
415 m mittlere Höhe;
Eisenwerk u. Hochofen in Les Rondez;
überall Uhrenindustrie;
Bevölkerung französisch sprechend;
4. die Strecke von Soyhières bis Angenstein, bald Quer-, bald Längsthal;
zahlreiche kurze und enge Thalkessel, mit Ausnahme der Umgebung von Laufen wenig fruchtbar;
mittlere Höhe 305 m. Bevölkerung deutsch, sehr rege industrielle Thätigkeit: Fabrikation von hydraulischem Kalk, Zement, Backsteinen, Ziegeln;
Sägen, Kornmühlen, ausgedehnte Brüche von ausgezeichnetem Baustein in den Kalkfelsen von Laufen, wichtige Papier- und Seidenfabrik in
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Grellingen; 5. das Thal von Angenstein bis zur Rheinebene, 270 m mittlere Höhe; sehr fruchtbar, Vegetation derjenigen von Münster und Tavannes um 14 Tage bis 3 Wochen voraus. Sehr thätige Bevölkerung deutscher Zunge. Wein- und Kornbau, gepflegter Gartenbau, Obstbaumzucht im Grossen (besonders Kirschbäume); Hanfspinnereien, Maschinenfabriken und Elektrizitätswerke.
Es dürfte in der Schweiz anderswo kaum einen Fluss geben, dessen Anwohner die natürlichen Vorteile ihrer Heimat derart sich zu Nutzen gemacht haben, wie dies bei der Birs der Fall ist. Von unschätzbarem Wert ist ferner der Umstand, dass eine ausgezeichnete Strasse und eine Haupteisenbahnlinie dem Laufe der Birs von der Quelle bis zur Mündung folgen. 46 Brücken, wovon 12 Eisenbahnbrücken, führen über den Fluss. Der Einsturz der Brücke bei Mönchenstein, 5 km oberhalb Basel, führte im Juni 1891 zu dem noch in Aller Erinnerung lebenden furchtbaren Eisenbahnunglück. Von Tavannes bis Basel unterfährt die Bahn die Jurafelsen in 15 Tunnels, deren längster zwischen Court und Münster liegt. In früheren Zeiten war die Birs fischreich, und ihre Forellen fanden weithin guten Absatz; die Turbinenanlagen, Dammbauten, Fabrikkanäle und ganz besonders die von den Fabrikanlagen verunreinigten Wasser haben aber heute dem Fischfang in der Birs unrettbar den Todesstoss gegeben.
[Prof. Th. Zobrist.]