mehr
seinem N.-Ende noch erhaltenen alten Mauertürme verleihen ihm, von dieser
Seite aus gesehen, einen stark mittelalterlichen
Charakter. Hier, in der Oberstadt
, finden sich auch die Pfarrkirche und einige Ueberreste ehemaliger Bogengänge. Im Gegensatz
zur alten Oberstadt
dehnt sich die neue Unterstadt mit ihren geraden u. in rechtem
Winkel sich schneidenden
Strassenzügen in der
Ebene aus. Sie ist ausgezeichnet durch grossartige Bauten und Verkehrsadern, die jeder Grosstadt
zur
Zierde gereichen würden, wie die Pasquart- und die Lindenpromenade, die Bahnhofstrasse, die Centralstrasse, die Nidaugasse,
die Dufourstrasse. In der Oststadt
schneidet die Schützenhausstrasse ein neuentstandenes Villenquartier, das mit der Pasquart-Promenade
zusammen den sonnenreichsten u. wärmsten Stadtteil
bildet. Der neue Quartierplan
dehnt das städtische
Bebauungsgebiet bis vor
Nidau und den
See aus, wo sich das seit der Juragewässerkorrektion trocken gelegte beträchtliche
Sumpfgebiet zum Teil bereits in Promenaden und öffentliche Gartenanlagen umgewandelt hat. Hier liegt auch der
Hafen von Biel.
Biel
wird durch ein ziemlich mildes, gesundes Klima begünstigt; immerhin halten sich im Herbst und Winter
die Nebel oft verzweifelt lange, während im Frühjahr die Vegetation sich zwei bis drei Wochen früher zu entwickeln beginnt
als in den Jurathälern und die nahen Weinberge einen nicht zu verachtenden Tropfen erzeugen. Eine starke, am Ausgang der
Kluse von
Rondchâtel (Chasseralkette) gefasste Stromquelle (source vauclusienne), die durch das
Taubenloch zu dem im Riedwald
gelegenen Reservoir geleitet wird, versorgt die Stadt
mit Brauchwasser, während die öffentlichen
Brunnen von der ausgezeichneten
sog. «Römerquelle» gespiesen werden.
Die musterhafte Kanalisation der Stadt
und ihre Wasserleitungen sind der Stolz der Bewohner und werden
von Fachleuten oft bewundert. Elektrische Kraft liefern die mächtigen Turbinenanlagen an der
Schüss und dem
Hagneckkanal.
Die Bevölkerung
Biels erfreut sich der bestmöglichen Entwickelungsbedingungen. Da
die Stadt
gerade an der Sprachgrenze gelegen
ist, setzt sich ihre Einwohnerschaft aus deutsch und französisch sprechenden Elementen zusammen. Vor noch nicht langer Zeit
hatten die Deutschen weitaus die Oberhand; seit den letztvergangenen 20 Jahren hat sich aber das französische Element rasch
vermehrt, wie folgende Zahlen erweisen:
Deutsche | Franzosen (Romands) | |
---|---|---|
1888 | 13303 | 4989 |
1900 | 14045 | 7352 |
Es rührt diese Erscheinung hauptsächlich davon her, dass in Biel
das Leben angenehmer und billiger und das
Klima milder ist als in den Hochthälern des
Jura, sodass die französische Industriebevölkerung des
Jura immer mehr sich
der Stadt
zuwendet, wo zugleich das geistige Leben ein rühriges ist und die
Schulen zu den besten der
Schweiz zählen.
So ist Biel
eine ausgeprägt doppelsprachige Stadt
, in der ebensosehr französisch wie deutsch gesprochen
wird u. die Tafeln mit den Strassennamen in beiden Sprachen abgefasst sind. Diese Doppelnatur verleiht den Bielern
ihre ganz
besonderen Charaktereigenschaften: mit der Munterkeit, der Geselligkeit und dem Esprit des Franzosen paart sich der Ernst,
die Ueberlegung, der Unternehmungsgeist und die Zähigkeit des Deutschen. Der
Bieler liebt geselliges
Leben und Sport, er hält Theater u. Musik in Ehren, zeichnet sich aus im Gesang, Turnen, Schiessen und Schwimmen. Nach
Schluss
der Wochenarbeit wandern Samstag Abends und Sonntags ganze Familien und Gesellschaften ins Freie, um in den mit vollendetem
Geschmack zu diesem Zwecke eingerichteten reizenden Umgebungen einen angenehmen und vergnügten Tag zu
verleben. Es genüge,
Magglingen,
Leubringen, das
Taubenloch und die
St. Peters-Insel zu nennen.
Sehr gut eingerichtet ist Biels Schulwesen; die Primarschulen sind vorzüglich und die Sekundarschulen gehören zu den besten der Schweiz. Den besondern lokalen Verhältnissen ist durch Schaltung von deutschen und französischen Klassen Rechnung getragen. Dazu kommen ein ¶
mehr
Progymnasium, eine Handelsschule für Mädchen, eine Handwerker- und Gewerbeschule, eine Zeichen- und Malschule und endlich das westschweizerische Technikum, dessen mehr als 500 Schüler sich in folgende Abteilungen gliedern: Uhrenmacherschule mit Unterabteilung für Reparateure, Elektrotechnikerschule, Bautechnikerschule mit Unterabteilung für Stecher u. Ciseleure u. endlich Post- und Eisenbahnschule.
Die heute schon beträchtliche industrielle Entwicklung von Biel
ist in stetem Aufsteigen begriffen.
In erster Reihe steht die Uhrenmacherei (Uhrenmacherbörse), darin folgen das Goldschmiedgewerbe, Nägel-, Ketten- und Maschinenfabriken
aller Art, Eisen- und Messinggiessereien, Cement-, Kunststein- und Thonwarenfabriken, Ofenfabriken, Fabrikation von feuerfesten
Ziegeln, Töpfer- und andern Terracottawaren. Ausgedehnte Eisenbahnreparaturwerkstätten, Papier- und Holzstofffabriken,
mehrere Bierbrauereien, eine Piano-, Möbel-, Parketterie-, Stahlfedern- und Phonographenfabrik; Betriebe
für Herstellung von chemischen Produkten, elektrischen Apparaten, Heizkörpern und mehrere Druckereien vervollständigen
das Bild von Biels industrieller Tätigkeit. Endlich möge noch der Herstellung von künstlichen Blumen und der mit Erfolg arbeitenden
Diamantschleiferei Erwähnung getan werden.
Hauptsächliche Sehenswürdigkeiten: Pfarrkirche in reinem gothischen Stil, deren Chor mit bemerkenswerten Glasmalereien geschmückt ist und die noch Taufbecken aus dem 15. Jahrhundert besitzt;
die altkatholische Kirche;
die Synagoge;
der Glockenturm des Rathauses;
der noch ganz mittelalterliche «Ring»;
die Hochstrasse ^[Berichtigung: Oberstrasse.] mit dem ehemaligen Rathaus;
mehrere Brunnen mit Standbildern und Sculpturen;
das im Roccocostile erbaute Landhaus
Rothall, ^[Berichtigung: Rokhall.] einst Aufenthaltsort von Rousseau und des Grafen Cagliostro;
das Museum Schwab mit sehr reicher Sammlung von Altertümern, von Gegenständen aus der Pfahlbauerzeit, von Jurafossilien, Münzen und Gemälden, die einst Napoleon III. vergeblich anzukaufen versuchte;
die alten Mauertürme an der N.-Seite der Stadt;
das im Renaissancestil
erbaute Gebäude der Abtei ^[Berichtigung: Zunft.] der «Waldleute»,
heute durch die Kunstgesellschaft mit Unterstützung des Bundes restauriert;
Künstlerhaus, Technikum, Tonhalle, Theater und Casino.
Mehrere Banken und verschiedene gemeinnützige Anstalten, wie Waisenhäuser u. Spitäler. Bedeutende Stadtbibliothek.
Zahlreich sind in der «Zukunftsstadt» natürlich auch die beruflichen,
sportlichen und geselligen Vereinigungen vertreten. Wir finden eine Sektion des S. A. C., zwei Veloklubs,
eine ornithologische, Bienenzucht- u. philatelistische Gesellschaft, die Arbeiterunion von Biel
und Umgebung, eine Sektion
des Grütlivereines, eine geschichtsforschende Gesellschaft, die Aerzte-Gesellschaft des Seelandes, eine Gemeinnützige Gesellschaft,
einen Samariterverein, einen französischen philanthropischen u. einen Unterstützungsverein von Biel u. Umgebung, Waisenunterstützungsverein
u. zahlreiche Gesellschaften für öffentliche Wohltätigkeit zu Gunsten der armen Kranken, Witwen u.
Waisen; mehrere kaufmännische u. Arbeitervereine, einen Consumverein; endlich Gesang-, Musik-, Turn-, Schiessvereine etc.
etc. in endloser Folge. Die stark entwickelte journalistische Tätigkeit findet ihren Ausdruck im Erscheinen von mehr als
einem Dutzend von Zeitungen und Zeitschriften. An Stelle des heute zu eng gewordenen Bahnhofes soll an
einem noch nicht endgiltig bestimmten Platze ein neuer errichtet werden.
Wie wir zu bemerken schon Gelegenheit hatten, ist die Stadt Biel sehr alten Ursprunges. Das Schloss ruht auf römischen Fundamenten; hier und an der Römerquelle sind römische Münzen aufgefunden worden. Zudem hat die Tieferlegung des Seespiegels eine Anzahl von Pfahlbauten blosgelegt, deren interessante Funde aus der Stein-, Bronze- und Eisenzeit im Museum Schwab aufbewahrt ¶