recht lebhafter: 1880 beförderte die Post 4061 Reisende und 1890 deren 4712;
dazu kommen die sehr zahlreichen Fussgänger.
Im Winter beleben die Strasse die zahlreichen Weinfuhren aus dem Veltlin nach dem Engadin.
Ausserordentlich reich ist die
Berninastrasse an prachtvollen Landschaftsbildern und besonders an grossartigen Ausblicken auf Hochgebirge und Gletscher.
Schon in Pontresina taucht der Blick in das dunkelbewaldete und von blitzenden Gletschern und Schneespitzen
abgeschlossene Rosegthal; 4-5 km weiter, bei Montebello, zeigt sich durch Lücken im schönen Lärchen- und Arvenwald der
von einem wundervollen Bergkranz eingerahmte Morteratschgletscher in seiner ganzen Länge.
Diese Stelle kann getrost mit den berühmtesten Aussichten der Alpenstrassen rivalisieren, wie z. B.
dem Abstieg von der Furka nach Gletsch oder dem Stilfserjoch von der Ferdinands- zur Franzenshöhe. Neue Herrlichkeiten bietet
dem Auge die Passhöhe mit ihren Seen und dem Absturz des Cambrenagletschers. Die schmale Landenge zwischen dem Lago Nero (2222
m) und dem Lago Bianco (2229 m) bildet die Wasserscheide zwischen dem Inn (Lago Nero) und der Adda (Lago Bianco).
Nahe dem Lago Bianco liegt das zu einem Gasthause umgewandelte Hospiz.
Kurz darauf öffnet sich das von hohen Ketten eingeengte Puschlav, in das die Strasse mit mannigfaltigen Windungen und durch
zwei lange Felsgallerien führend allmählich absteigt. Bei Pisciadella enden die Schlingen, bei San Carlo
tritt man ins schöne und fruchtbare Puschlav ein. Vom Hospiz aus, oder schon vorher, führt für Fussgänger ein kürzerer
direkter Fussweg, der noch schönere Fernsichten zeigt, über die Alpweiden Grüm und Cavaglia zu Thale. Im durchschnittlich
noch 1000 m hoch gelegenen Thale von Puschlav erinnern Klima, Pflanzenwelt, die Bewohner und ihre Sitten
und Gebräuche schon an Italien.
Einer der Hauptreize des Thales ist der von einem prähistorischen Bergsturze aufgestaute Puschlaversee; an seinem obern Ende
liegen die Bäder von Le Prese, am untern Ende auf einem Schuttkegel die kleine Kirche von Meschino in herrlicher,
das ganze Thal überschauender Lage. Thalabwärts wird der Hang steiler, hohe Felswände fassen die Strasse ein, und unterhalb
Brusio führt eine enge Schlucht mitten in italienische Landschaft. Bei Campocologno überschreitet die Strasse die Landesgrenze,
um bei Madonna di Tirano in das Gebiet der mit Weinreben und
Fruchtbäumen reich bestandenen Hügel des
Veltlins einzutreten. Keine andere Alpenstrasse bietet auf einer so geringen Längenerstreckung einen so vollständigen Wechsel
der verschiedensten Landschaften und Klimaregionen.
(Kt. Graubünden).
Dieser Name wird in verschiedenem Sinne gebraucht. Im weitern Sinn versteht man darunter die ganze
Gebirgsmasse von der Clevner Ebene (Piano di Chiavenna) im Südwesten bis zur Malser Haide im Nordosten
und zwischen dem Bergell und Engadin einerseits und dem Veltlin (Val Tellina) und Trafoier Thal andererseits. Im engern Sinn
ist die Berninagruppe der westlich vom Berninapass gelegene Teil der soeben umschriebenen grössern Gebirgsmasse, während
der östlich, resp. nordöstlich von diesem Pass gelegene Teil dann etwa als Ofenpassgruppe bezeichnet
wird.
Jene, die Berninagruppe im engern Sinne, erfüllt zwar ein kleineres Areal, steigt aber in ihren Gipfeln weit höher auf
als die Ofenpassgruppe. Dort überschreiten zahlreiche Gipfel 3500 m, und das Haupt der Gruppe, der Piz Bernina, erreicht 4052 m;
hier dagegen, in der Ofenpassgruppe, bleibt auch der höchste Gipfel, die Cima di Piazzi (3439 m) noch
immer unter 3500 m zurück, und nur wenige Gipfel erreichen und überschreiten 3200 m. Die Berninagruppe ist ein glänzendes
Schnee- und Eisgebirge mit weiten Firnfeldern und mächtigen Gletscherzungen, die Ofenpassgruppe ein rauhes Felsengebirge mit
zerhackten Gräten, kahlen Mauerwänden und weiten Trümmerhalden, aber nur sehr geringer Gletscherentwicklung.
Auch ist die Berninagruppe ein weit geschlosseneres, kompakteres, von Thälern weniger zerteiltes Gebirge als die Ofenpassgruppe,
die von grösseren Thälern in allen Richtungen durchschnitten und in eine ganze Reihe selbständigerer Gebirgsglieder aufgelöst
wird. Ferner baut sich die Berninagruppe wesentlich aus krystallinischen Felsmassen (Granit, Syenit,
Diorit, Gabbro, Porphyr, Protogin, Gneiss, krystallinischen Schiefern) auf, während das Ofengebirge fast ganz aus geschichteten
Sedimenten, vorherrschend der Trias- und Liasformationen, zusammengesetzt ist. Nach der äussern Form ist die Berninagruppe
ein typisches Massiv, d. h. eine einheitliche Erhebung krystallinischer Gesteine mit einem Hauptkamm und davon ausgehenden
Seitenkämmen in teils strahlenförmiger, teils fiederförmiger Gliederung, während die Ofenpassgruppe
als kompliziertes
mehr
Kettengebirge sich darstellt mit mehr oder weniger parallelen Kämmen und dazwischen liegenden Längsthälern, wobei allerdings
die Kämme nicht immer in geraden Linien, sondern oft in gebrochenen oder gebogenen Zügen verlaufen und die einfache rostförmige
Gliederung durch zahlreiche Quer- und Durchbruchsthäler vielfach gestört wird. Endlich zeigen sich die beiden Gebirgsmassen
sehr verschieden in Bezug auf ihre Bewohnbarkeit und Wegsamkeit. Die Berninagruppe ist in ihren innern Teilen völlig unbewohnt.
Menschliche Ansiedelungen finden sich nur in den randlichen Gebieten und in den zum Veltlin abfallenden Thälern der Südseite
(Val Malenco und Val Masino). Die
Wegsamkeit ist so gering, dass vom Berninapass bis über den Piz Badile
hinaus der Murettopass der einzige einigermassen gebahnte und praktikable Pfad über das Gebirge ist und auch weiter westlich
bis zum Piz Prata nur wenige rauhe Jägerwege sich finden. Alle übrigen sog. Pässe sind nichts als Furken und Scharten in den
hohen Eiskämmen, die nur von Hochtouristen gelegentlich benutzt werden. Ganz anders die Ofenpassgruppe.
Da finden sich eine Reihe grösserer Thalschaften (Livigno-, Viola-, Grosina-, Münster- und Scarlthal), die tief ins Gebirge
eindringen und in Dörfern, Weilern und zerstreuten Hütten bewohnt sind. Unter sich und mit der Aussenwelt