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Brüder Hans und Karl Schnell stehende radikale Regierung von 1831, die den weittragenden Beschluss fasste, an die Stelle der bisherigen Akademie eine kantonale Hochschule zu setzen. Damit erhielt die geistige Kultur der Stadt endlich eine feste Stätte. Die Hochschule blühte rasch auf. Für die naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächer entstanden nach und nach eine ganze Reihe von Spezialinstituten, für die teilweise schon in früheren Stiftungen und Kabinetten willkommene Anfänge zum Ausbau benützt werden konnten.
Die 1812 gegründete Sternwarte wurde 1878 in ein Tellurisches Observatorium und Physikalisches Institut umgewandelt. Das erstere ist eine der ersten meteorologischen Stationen der Schweiz und giebt tägliche Witterungsberichte heraus. 1859 wurden die beiden alten botanischen Gärten bei der Stadtbibliothek und beim Waisenhaus ins Rabbenthal verlegt, wo jetzt nicht nur die Wissenschaft im botanischen Institut eine Stätte hat, sondern auch eine prächtige windgeschützte Promenade geschaffen ist.
Von hohen schönblühenden Büschen umrahmt steht hier die allzu bescheidene Büste des grossen Albrecht von Haller. Der chemische Unterricht ist seit 1892 in einem neuen grossen Gebäude in der Länggasse untergebracht. Ebendort ward 1892/93 das physiologische Institut «Hallerianum» und 1893/94 die neue Anatomie erstellt. Diese 3 Gebäude kosteten den Staat nebst ihren vorzüglichen inneren Einrichtungen 1227000 Fr. Die medizinische Klinik aller Abteilungen ist mit den grossen kantonalen Spitälern (s. unten) verbunden. Sie ist ein Hauptanziehungspunkt der vielen fremden Studierenden. Für die Veterinärschule, welche seit 1899 die sechste Fakultät der Hochschule ausmacht, wurde ebenfalls ein neues schönes Gebäude erstellt (Kosten über 700000 Fr.). Mit ihr ist die einzige Hufbeschlagsschule der Schweiz verbunden.
Reich ausgestattete Institute besitzen ferner die Fächer der Zoologie, Geologie und Mineralogie, Pharmakologie und Pharmakognosie und die Geographie, während in allen historisch-philologischen, juristischen und theologischen Zweigen Seminarien bestehen.
Die finanziellen Lasten der Universität trägt der Kanton. Dieselben sind von 150000 Fr. im Jahre 1838 auf 756989 Fr. im Jahre 1899 angewachsen. Die Zahl der Professoren und Dozenten beträgt 117. Die Studentenzahl ist besonders seit den letzten 10 Jahren in raschem Wachstum begriffen. Es betrug die Anzahl der immatrikulierten Studenten im:
Wintersemester | |
---|---|
1860/61 | 189 |
1870/71 | 324 |
1880/81 | 477 |
1890/91 | 587 |
1900/01 | 1111 (wozu noch 128 Auskultanten.) |
Auf die Fakultäten verteilt sich die Zahl von 1111 Studenten wie folgt:
Fakultät | |
---|---|
Evangelisch-theolog. | 25 |
Katholisch-theolog. | 8 |
Juristische | 203 |
Medizinische | 388 |
Veterinärmedizinische | 46 |
Philosophische | 441 |
: | 1111 |
männlich | 810 |
weiblich | 301 |
: | 1111 |
aus dem Kanton Bern | 318 (wovon 29 weibl.) |
aus der übrig. Schweiz | 296 (wovon 19 weibl.) |
aus dem Ausland | 497 (wovon 253 weibl.) |
Die ausländischen Studenten rekrutieren sich zum allergrössten Teil aus Russland (340, wovon 227 weiblich), dann kommen die Reichsdeutschen (67), die Bulgaren (22), die Oesterreicher (19) etc. Gegen 20 fremde Staaten sind vertreten. Der grösste Teil der Russen entfällt auf die medizinische, fast alle Deutschen entfallen auf die philosophische Fakultät.
Die sehr bedeutenden Büchersammlungen Berns sind leider noch zu wenig einheitlich organisiert. Die älteste und grösste Bibliothek ist die der Burgergemeinde gehörende Stadtbibliothek. Ihr Ursprung geht ins ausgehende Mittelalter zurück, als der Staat anfieng Klöster zu säkularisieren. Sie besitzt 90000 Bände, viele Inkunabeln und eine Sammlung von 3400 Manuskripten, worunter eine in ihrer Art einzige Gruppe von altfranzösischen Romanen, berühmte Chroniken und viele Klassiker. In der Stadtbibliothek sind untergebracht eine Reihe von Bibliotheken gelehrter Gesellschaften und Privaten, worunter die der Allgemeinen Schweizerischen Geschichtsforschenden Gesellschaft, der Geographischen Gesellschaft von Bern und der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft.
Aus den ehemaligen Büchereien der Prediger- und der medizinischen Bibliothek entstand die Hochschulbibliothek, deren besonderer Wert in der grossen Zeitschriftensammlung besteht (35000 Bände). Seit 1900 ist dem Publikum in liberalster Weise die eidgenössische Landesbibliothek zugänglich, die in einem schönen Gebäude (Archivgebäude) höchst zweckmässig untergebracht ist. Diese Bibliothek sammelt alle in der Schweiz erschienenen oder auf die Schweiz sich beziehenden Publikationen (37000 Bände). Endlich sind zu nennen: die eidgenössische Centralbibliothek, die Bibliothek des Generalstabs, die Bibliothek des Alpenklubs und die literarischer Unterhaltung dienenden und nur gegen Bezahlung zugänglichen Büchereien der Museumsgesellschaft und Lesegesellschaft.
Bern besitzt zwei grosse, wissenschaftlichen Zwecken dienende Museen, das Historische und das Naturhistorische Museum. Das erstere besteht aus drei Abteilungen: 1. Der historischen Abteilung, berühmt durch ihre grosse, dem alten Bernerzeughaus sowie der Challande'schen Schenkung entstammende Waffensammlung, die prachtvolle Pferderüstung, die über 100 alten Fahnen, die einst in der Mehrzahl die Innenwände des Münsters zierten, die Trachten und Trachtenbilder, die sogenannten Burgundergobelins, die Schweizerische Schützenstube etc.; 2. der prähistorischen Abteilung mit der reichsten Pfahlbautensammlung der Schweiz; 3 der ethnographischen Abteilung mit den polynesischen Waffen und Geräten, die der Berner Major Wäber von der ersten Cook'schen Reise zurückbrachte, den wertvollen Indianerstücken des Malers Kurz etc. ¶
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Von nicht geringerem Reichtum ist das Naturhistorische Museum. Für die alpine Geologie und Mineralogie ist hier durch alte und neue Sammlungen von Gesteinen, Petrefakten, durch Karten, Reliefs etc. ein glänzendes Anschauungsmaterial besammelt. Erwähnt sei nur die herrliche Morionengruppe vom Tiefengletscher. Die Tierreste der Pfahlbauzeit sind hier fast vollzählig vertreten. Im Treppenhaus fand die Geweihsammlung desselben Herrn Oberst Challande eine eigenartige Aufstellung, durch dessen grosse Schenkung erst kürzlich beide Hauptmuseen bereichert worden sind.
In mehreren wissenschaftlichen Vereinen werden die einzelnen Wissenszweige unabhängig von der Universität weiter gepflegt. So hat der historische Verein des Kantons Bern seine meisten Mitglieder und seinen Sitz in Bern. Er beschäftigt sich speziell mit der Erforschung der Stadt- und Kantonsgeschichte und sorgt für die Herausgabe mehrerer schöner Publikationen. Die Geographische Gesellschaft veranstaltet monatliche Vorträge, an denen auch das weitere Publikum ein grosses Interesse bekundet.
Sie publizert die «Jahresberichte», in denen neben Originalarbeiten von Reisenden auch die einheimische Forschung zum Worte kommt. Ausserdem giebt es eine Chemische Gesellschaft, einen Entomologischen Verein, einen Ingenieur- und Architektenverein, einen Juristenverein, eine Literarische Gesellschaft, eine Naturforschende Gesellschaft (deren reichhaltige Bibliothek bei der Stadtbibliothek untergebracht ist), eine Sozialwissenschaftliche Vereinigung und eine in Bern residierende Statistisch-volkswirtschaftliche Gesellschaft des Kantons Bern. Der Hochschulverein umfasst akademisch gebildete Männer des ganzen Kantons und bezweckt die Organisation von Vorträgen der Hochschullehrer in den wichtigeren Oertlichkeiten des Kantons (akademische Vorträge in Bern), sowie die Unterhaltung und Aeufnung der Hochschulbibliothek. Bis ins Lokal der sozial-demokratischen Arbeiterpartei, ins Volkshaus, wagt sich die Gelehrsamkeit der Professoren in Form abendlicher populärer Vorträge.
Nicht ganz so viel Gutes kann von der Pflege der Künste in Bern gesagt werden. Das soziale Milieu einer Beamtenstadt bringt es mit sich, dass hierin die Ansprüche und dementsprechend die Leistungen hinter denen Basels, Zürichs und Genfs zurückbleiben. Aber vieles ist auch hier erreicht. Durch den Bau eines Kunstmuseums wurde 1879 der bildenden Kunst eine würdige Stätte geschaffen. Dasselbe birgt neben wenigen alten Bildern, worunter zwei Altarflügeln des Niklaus Manuel, eine Sammlung neuerer und neuester Gemälde von hohem Wert, in welcher die hervorragenden schweizerischen Künstler des 19. Jahrhunderts gut vertreten sind. Im Kunstmuseum ist auch die Kunstschule der Universität untergebracht.
Dieses Museum kam besonders durch das Legat G. Heblers zustande. In einer Kunstgesellschaft versammeln sich die Ausüber und Freunde der bildenden Künste. Bern besitzt seit 1770 ein Theater; aber erst nach der Revolution, 1799, hielt in dem Hotel de Musique genannten hübschen Bau, der bis dahin nur zu Soiréen der patrizischen Stände benutzt werden durfte, eine Liebhabergesellschaft ihren Einzug. Zur Zeit ist ein neues grösseres Stadttheater im Bau begriffen, während im alten Musentempel aus feuerpolizeilichen Gründen die Aufführungen eingestellt sind. In der literarischen Abteilung der Tageszeitung «Der Bund» finden die poetisch-literarischen Interessen ein Organ, das sich dank seiner Leitung eines weiten Rufes erfreut.
Um die Pflege der Musik macht sich besonders die 1820 begründete Musikgesellschaft verdient. Ihr verdankt die Stadt eine Musikschule und die grossen Konzerte, an denen sich unter einheitlicher Leitung das Stadtorchester, der Cäcilienverein und die Liedertafel beteiligen. Für die winterlichen Abonnementskonzerte besitzt die Stadt einen prächtigen Konzertsaal im Gesellschaftshause «Museum». Die Sommerbühne auf dem Schänzli giebt Lustspiele und Operetten zum Besten.
Zum geselligen Leben tragen auch die «Leiste» mancherlei bei. Dies sind Vereine der Nachbarn, der Bewohner einer Gasse oder eines Quartiers. Es giebt deren 30.
Kirche und Schule.
Kirchlich ist Bern in 4 Gemeinden eingeteilt, deren jede um eine der reformierten Stadtkirchen gruppiert ist: 1. Die obere Gemeinde mit der Heiliggeistkirche; 2. die mittlere Gemeinde mit dem Münster; 3. die untere Gemeinde mit der Nydeckkirche und 4. die Lorraine-Breitenrain-Gemeinde mit der Johanneskirche. Eine fünfte reformierte Kirche ist die Französische- oder Predigerkirche, sie dient dem französischen Gottesdienst, ausserdem vielfach musikalischen Aufführungen u. a. den um 20 Cts. zugänglichen, von den oben genannten Musikvereinen veranstalteten Volkskonzerten. Ausserdem giebt es eine christ-katholische und eine römisch-katholische Kirche. Von den ziemlich zahlreichen, unabhängigen religiösen Gemeinschaften und Sekten üben einige eine gewisse Thätigkeit auf dem Felde der Wohlthätigkeit.
Aus Berns Schulwesen ist hervorzuheben, dass die Verzettelung der Aussenquartiere die Schaffung relativ zahlreicher Primarschulgebäude nötig machte. Die Stadt ist in 10 Schulkreise eingeteilt; es giebt 14 Primarschulhäuser. An höheren Schulen besitzt die Stadt eine Knabensekundarschule, eine städtische und eine private Mädchensekundarschule, ein städtisches und ein privates Gymnasium. Mit der städtischen Mädchensekundarschule ist eine Handelsabteilung, sowie ein Lehrerinnenseminar verbunden. Das neue Hauptgebäude dieser grossen Schulanstalt, das Monbijouschulhaus, ist das besteingerichtete Schulhaus Berns. Das städtische Gymnasium vereinigt in einer Organisation und Oberleitung die 4 Abteilungen des Progymnasiums, der Literar-, Real- und Handelsabteilung. Die letztere besteht aus 4 Jahreskursen und entlässt die ¶