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Kienthal und das Diemtigthal genannt werden. Die Zeitströmung bringt es mit sich, dass die lieblichen Niederungen und Seegestade des Gebirgs von vielen Reisenden, insbesondere den eigentlichen Touristen, etwas vernachlässigt werden. Das Hochgebirge aus unmittelbarster Nähe zu schauen, gilt als höchstes Ziel. Daher der Aufschwung der Hotelindustrie und des Verkehrswesens in den Thälern von Grindelwald, Lauterbrunnen, Kandersteg und Adelboden. Wengen ist durch die Wengernalpbahn zu einem grossen Fremdenort geworden.
Meiringen und Thun sind die grossen Durchgangspunkte, zu denen sich Brienz, St. Beatenberg, Spiez und Aeschi hinzugesellen. Interlaken ist nach wie vor das Centrum. Im westlichen Oberland ist die Lenk durch ihre Bäder berühmt. Bern zieht als typischste Schweizerstadt und als Ausgangspunkt der Bahn nach Interlaken sowie nach dem Genfersee zahlreiche Reisende an. Der Gurnigel und der Höhenkurort Magglingen oberhalb Biel sind nach wie vor stark besuchte Fremdenorte.
Man taxiert das im Kanton durch die Fremdenindustrie engagierte Kapital auf ca. 100 Mill. Fr. Eine Enquête des Oberländer Verkehrsvereins ergab als Grundsteuerkapital der oberländischen Hotelerie über 38 Mill. Fr., wovon 12 Mill. auf Interlaken entfallen. Zirka 5000 Personen sind im Hotel- und Fremdenverkehrswesen beschäftigt. Der Monat August ist die Zeit der grössten Frequenz. Aus einer in Interlaken 1898 vorgenommenen Enquête ging hervor, dass unter den Reisenden die Deutschen mit 39%, die Franzosen mit 13%, die Engländer mit 12%, die Amerikaner mit 11% und die Schweizer mit 9% beteiligt waren.
Wasserkräfte, elektrische Anlagen.
Ingenieur R. Lauterburg veranschlagte 1891 die produktiven Wasserkräfte der Kantonsgebietes auf 33470 Pferd = 13,2% derjenigen der ganzen Schweiz. Doch sind heute Fachkreise darüber einig, dass diese Zahl zu niedrig gegriffen ist. Bereits hat der Staat eine grosse Anzahl von Konzessionen erteilt für Ausnützung der Wasserkräfte in elektrischen Anlagen. Die grössten zur Zeit schon erstellten und in Betrieb gesetzten sind die Werke von Hagneck an der Einmündung des Aarekanals in den Bielersee, Winau an der Aare, La Goule in der Schlucht des Doubs und das Kanderwerk bei Einigen, welches die Stadt Bern und die elektrische Eisenbahn Thun-Burgdorf mit Kraft versieht. Ebenfalls erstellt und bereit in Thätigkeit zu treten ist das Werk von Wangen an der Aare. An kleineren Turbinenwerken ist besonders der Jura reich.
Bevölkerungsstatistik
(Soweit möglich auf Grundlage der Zählung von 1900.) Als Ganzes erscheint der Kanton Bern mit 85 Einwohner per km2 ziemlich dicht bevölkert. Auch in diesem Verhältnis gleicht er nahezu dem Gesamtstaate der Schweiz. Es muss aber zum mindesten jeder Landesteil einzeln betrachtet werden, um ein annähernd richtiges Bild von der Verteilung der Bevölkerung zu bekommen.
Die
offizielle Statistik ergibt für die oberländischen Bezirke einen Durchschnitt von 32 Einwohnern per km2. Die eigentlichen
Hochgebirgsbezirke,
Oberhasle,
Interlaken,
Frutigen und Obersimmenthal ergeben mit 12, resp. 39, 23 und 22 Einwohner per km2
die geringsten Dichtigkeitsgrade. Berücksichtigt man jedoch die Thatsache, dass dort der Bevölkerung
als bewohnbare und bebaubare Flächen nur die schmalen Streifen der Thalgründe und der Thalte
rrassen zur Verfügung stehen,
so ergibt sich ein ganz anderes
Bild. Auf 1 km2 bebaubare Fläche kommen im Amt
Interlaken 355, im Amt
Oberhasle 207, im
Amt
Frutigen 211, im Amt Niedersimmenthal 203, im Amt
Saanen 147 und im Amt Obersimmenthal 118 Menschen.
Der Einfluss des Fremdenverkehrs des Ostens ist in diesen Zahlen deutlich wahrnehmbar.
Im Emmenthal und Mittelland schwanken die Bevölkerungsdichtigkeiten der Aemter zwischen 69 (Schwarzenburg) und 135 (Konolfingen). Auch hier zeigt jedoch für die gebirgigeren Aemter eine geographische Darstellung, dass gerade in den Aemtern der geringeren Bevölkerungsdurchschnitte die Bewohner auf dem wirklich bewohnbaren Areal weit dichter zusammengedrängt sind, als in den übrigen flacheren Landesgegenden. Und doch ist hier weder Fremdenverkehr noch Industrie mitbeteiligt. So kommen im Amt Signau 231 Menschen auf 1 km2 bebautes Land. Freilich sind hier zum Unterschied vom Oberland auch alle Höhen, doch nur dünn (mit Höfen) besiedelt.
Im Seeland und Oberaargau, wo sich zu einer Landwirtschaft, die an sich schon eine grosse Anzahl von Menschen zu ernähren vermag, die Industrie in namhaftem Masse gesellt, steigert sich die Dichtigkeit auf 126 resp. 155 Einwohner per km2 der gesamten Bodenfläche (Amtsbezirk Nidau 186, Aarwangen 173).
Im Jura würde die Landwirtschaft allein nur eine sehr mässige Ansammlung von Menschen gestatten. So hat das wenig industrielle Amt Delsberg nur 59 Einwohner per km2 aufzuweisen, während das doch weit höher gelegene und weniger fruchtbaren Boden aufweisende Amt Courtelary die gleiche Zahl auf 104 ansteigen sieht. Hier reiht sich eben Fabrikdorf an Fabrikdorf. Auf die bebaubare Fläche allein kommen hier 306 Menschen.
Der Berner Jura ist etwas weniger dicht bevölkert als der benachbarte Neuenburger, doch dichter als der benachbarte Solothurner Jura. Sieht man von den beiden grösseren Städten des Landes, Bern und Biel, ab, so hat der Oberaargau als dichtest bewohnter Landesteil zu gelten. Die günstige Verkehrslage, das bei der niedrigen Höhenlage milde Klima und die Ergiebigkeit des Bodens sind die Faktoren, welche hier eine für ländliches Gebiet ausserordentlich dichte Bevölkerung sich herausbilden liessen.
Von je 100 Einwohner des Kantons wohnen 24 auf der Höhenstufe unter 500 (322-500) m, 71 zwischen 500 und 1000 m und 5 über 1000 m. Die Thalschaft Saanen, welche ¶
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ganz oberhalb 1000 m gelegen ist, und die Franches Montagnes, wo 37% der Einwohner in solcher Höhe wohnen, sind die Gegenden, welche zu den genannten 5% den grössten Anteil liefern. In den hochgebirgigen Teilen des Oberlandes sind einerseits die Thalsohlen so sehr eintieft, dass die Dörfer fast alle unter 1000 m zu liegen kommen, anderseits die Gehänge sehr selten von Siedelungen besetzt.
Der Kanton Bern
ist seit alters
ein Land grosser natürlicher Volksvermehrung. Während noch 1888 auf 1000 Männer 1015 Frauen kamen,
ist 1900 das Verhältnis der Geschlechter: 1000 M., 985 F. Die Zahl der Trauungen ist mit 7‰ fast genau
so hoch als im Durchschnitt der Schweiz. Der Ueberschuss der Geburten über die Todesfälle beträgt in der Regel zwischen 8 und
12,5‰ der Bevölkerung per Jahr. Im Jahrzehnt 1888-97 betrug derselbe 11,8‰ und war am bedeutendsten im Emmenthal (13‰)
und im Seeland (12,4‰), im Amt Schwarzenburg sogar 15,4‰, in Courtelary 15,8 und in Moutier 15,4‰,
dagegen nur 8,1 resp. 7,1 resp. 6,6‰ in den Aemtern Saanen, Oberhasle und Pruntrut.
Trotzdem vermehrt sich die Bevölkerung des Kantons nur relativ langsam, indem dem natürlichen Zuwachs eine sehr beträchtliche Auswanderung entgegensteht. Zwar hat speziell die überseeische Auswanderung, welche in dem Zeitraum 1887-97 allein dem Kanton 5‰ der Bevölkerung jährlich entführte, neuerdings sehr beträchtlich abgenommen. Im Jahr 1897 wanderten nur noch 470 Menschen (0,87‰) in überseeische Länder. Doch gibt es eine grosse jährliche Auswanderung nach den übrigen Schweizerkantonen und nach den meisten Ländern Europas, welche sich ermessen lässt aus der Thatsache, dass z. B. 1888 im Kanton Neuenburg 31000, im Kanton Waadt 23000, im Kanton Freiburg 10000 Berner Staatsbürger gezählt wurden.
Die Bevölkerung wuchs von 1818-1900 von 333176 auf 586918. Im Beginn des Jahrhunderts erfolgte der Zuwachs rasch, dann ersichtlich langsamer. Dabei zeigt sich bereits seit längerer Zeit die Erscheinung der langsamen Bevölkerungsabnahme verkehrsentlegener Oertlichkeiten. Der Zug in die Stadt hat keinen so grossen Einfluss auf die inneren Verschiebungen der Bevölkerung als der Verlauf der grösseren Verkehrswege. Immerhin zeigt er sich in aller Schärfe bei der Zunahme Biels (jährlich 25,6‰), während die Hauptstadt langsamer anwächst.
Von den 18 Städten des Kantons haben die meisten heute einen ländlicheren Charakter als einige grosse und industrielle Dörfer, die wie Langnau und St. Immer bis 8000 Einwohner aufweisen. 13 von jenen 18 Städten besitzen weniger als 4000, 4 sogar weniger als 1000 Einwohner. Man kann annehmen, dass zirka 20% der Bevölkerung städtisch wohnen.
Physischer Zustand der Bevölkerung.
Die jährliche Untersuchung der (gegenwärtig an 7000) Rekruten ergibt ein durchschnittliches Verhältnis von 50% zum Militärdienst Tauglichen. Bei der reichlichen und kräftigen Ernährung, welche in den meisten Landesteilen die Regel ist, erweist sich der Berner schon durch seinen physischen Zustand als sehr brauchbaren Soldaten. Wenn in einzelnen Gegenden, besonders des Oberlandes, die Zahl der Dienstuntauglichen auffallend gross ist, so ist das zum grossen Teil verschuldet durch die Auswanderung gerade der kräftigsten Elemente unter den jungen Männern.
Viele von diesen pflegen in späteren Jahren, nach der Heimat zurückgekehrt, ihren Dienst nachzuholen. Es giebt aber unverkennbar grosse Bevölkerungskreise, bei denen ungenügende Ernährung die Ursache der physischen Mängel ist. Der Hofbauer des Emmenthales nährt sich und die Seinigen (Dienstboten inbegriffen) luxuriös im Vergleich zum Kleinbauern des Schachenlandes, der Aemter Seftigen und Schwarzenburg, des Oberlandes etc. Hier müssen mehr als recht Kartoffeln und Milchkaffee genügen.
Während die städtischen Orte durchschnittlich eine grössere Anzahl diensttauglicher Rekruten aufweisen, als die ländlichen, besitzen diese allgemein eine langlebigere Bevölkerung, als jene. Das Emmenthal, der Oberaargau und das Oberland zeichnen sich in dieser Beziehung besonders aus. Die Kindersterblichkeit ist im Oberland am geringsten, im Jura am grössten. Und doch ist im ersteren Landesteil das Personal für Geburtshülfe sehr dünn gesäet. Gibt es doch im ausgedehnten Amt Oberhasle zur Zeit nur zwei Aerzte und zwei Hebammen.
In der Krankenpflege waren 1898 258 Aerzte, 31 Zahnärzte, 497 Hebammen und 73 Apotheken thätig. Von den Aerzten entfallen ca. 90 auf die Städte Bern und Biel. In der Stadt Bern kommt ein Arzt auf 625 Einwohner, im Kanton einer auf 2132 Einwohner.
Es gibt zur Zeit einen grossen Kantonsspital (Inselspital) einen Frauenspital und ein «äusseres
Krankenhaus» für ansteckende Kranke, alle in Bern,
ferner 3 kantonale Irrenanstalten
(Waldau, Münsingen, Bellelaye), 30 Bezirksspitäler
und eine Anzahl Privatspitäler (meist in Bern).
Als milde Stiftung von allgemeiner Bedeutung, deren Ziel die Bekämpfung der Tuberkulose und des Alkoholismus
durch Errichtung von Sanatorien und Trinkerheilanstalten
ist, ist zu nennen die Jeremias Gotthelf-Stiftung. Ebenso sucht der
Hülfsverein für Geisteskranke der Verarmung der Bevölkerung vorzubeugen.
Das Armenwesen bildet einen wichtigen Zweig der öffentlichen Verwaltung, indem durch Gesetz dafür gesorgt ist, dass die private Wohlthätigkeit (Spend- und Krankenkassen, Burgerliche Armenunterstützung etc.) mit der öffentlichen (Gemeinde und Staat) kombiniert und insgesamt unter die Kontrolle der Regierung gestellt ist. Anspruch auf Unterstützung hat der verarmte Kantonsbürger in der Gemeinde seines Wohnortes.
Es genossen 1898 33984 Personen = 62‰ der Bevölkerung die Unterstützung durch die öffentliche Wohlthätigkeit. Die Gesamtauslagen des Staates, der politischen und bürgerlichen Gemeinden, der Spend- und Krankenkassen etc., beliefen sich in demselben Jahr auf 4,2 Mill. Franken. Seit den Tagen eines Jeremias Gotthelf und Karl Schenk wird die Fürsorge für die Armen energisch befördert.
Kirche und Schule.
Reformiert ist der ganze alte
Kanton, sowie vom neuen Kantonsteil Biel, Neuenstadt, St. Immer und Münster
diesseits des Mont Raimeux. Katholisch sind die übrigen jurassischen Gebiete. Der römisch-katholische Jura bildet einen Teil
des Bistums Basel-Lugano, das an Stelle desjenigen von Basel
getreten ist. (Bischofssitz in Solothurn.)
Christ-katholische Kirchen gibt es im
Laufenthal, in Biel und in Bern.
Das geistliche Oberhaupt der Christ-Katholiken der Schweiz (Bischof) residiert
in Bern.
Die Leitung der reformierten Kirche steht der Landessynode zu. Die drei genannten Kirchen gelten als Landeskirchen. Es
gab 1900 506837 Reformierte und 81162 Katholiken, 1572 Israeliten und 1736 Andersgläubige. Im Jura gibt es noch viele
Wiedertäufer, meist einstige Deutsch-Berner, die im Laufe der letzten Jahrhunderte nach dem Münsterthal und den Freibergen
auswanderten. Das neuere Sektenwesen hat, ausser im Emmenthal, Oberland, und in den Städten wenig Boden gefasst. 90% aller
Trauungen innerhalb der Reformierten geschehen auch kirchlich. Zur israelitischen Religion bekannten sich 1888 1195 Personen.
Aus dem bernischen Schulwesen sind die ehemaligen Burgerschulen im Laufe der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts verschwunden; heute ist das ganze Schulwesen auf ausgeprägt staatlich-demokratischer Grundlage organisiert. Die wenigen Privatschulen stehen unter der Aufsicht des Staates.
Die Primarschule, welcher mit 83% aller Schüler der Hauptteil der Erziehung zufällt, ist obligatorisch und
umfasst 9 Schuljahre, deren erstes für jedes Kind mit dem zurückgelegten sechsten Alte
rsjahre beginnt. Dieser relativ langen
Schulzeit entsprechend entfallen auf je 10000
¶