mehr
Oberland den Getreidebau fast ganz aufgab, die übrigen Landesteile ihn stark einschränkten. Der alte Weidgang konnte, als er abgeschafft wurde, nur durch Vermehrung der Wiesen um die neu aufgekommenen Futteräcker ersetzt werden. Dabei verschwand immer mehr das ehemalige Gemisch von Landbau und Weidwirtschaft. Die letztere wurde ins Gebirge verbannt. Aber gerade das erscheint charakteristisch für die Landwirtschaft des Kantons, dass die Beziehungen zwischen den beiden örtlich getrennten Wirtschaftsformen fortbestehen und mit dem grossartig zunehmenden Viehbestand nur immer grössere Bedeutung erlangen.
Das Kulturland ist wie folgt verteilt:
ha | % | . | ||
---|---|---|---|---|
Aecker und Gärten | . | 133750 | = 54,6% | . |
Davon Getreide | 47940 ha = 19,5% | . | . | |
- Hackfrucht | 25970 ha = 10,6% | . | . | |
- Handels- und Gemüsepflanzen | 3470 ha = 1,4% | . | . | |
- Kunstfutter | 55800 ha = 22,7% | . | ↘ | |
Wiesen und Obstgärten | . | 110500 | = 45,1% | 67,8% |
Reben | . | 750 = | = 0,3% | . |
Summe: | . | 245000 = | = 100% | . |
Aus dieser Tabelle geht hervor, dass nicht weniger als 67,8% des gesamten Kulturlandes der intensiven Futtergewinnung übergeben sind, während der Getreidebau über bloss noch knapp 1/5 derselben Fläche verfügt.
Das meiste Viehfutter wird von den Wiesen gewonnen. Mähmaschinen sind erst seit einem halben Jahrzehnt im allgemeinen Gebrauch. Besondere Dörrvorrichtungen gibt es nicht; zur Unterbringung des Trockenfutters ist das bernische Bauernhaus durch seine Heubühne vorbereitet, welche unter einem gewaltigen Dach den ganzen Raum über der Tenne und den Stallungen einnimmt und zu welcher eine gedeckte Einfahrt führt.
Nur die Herbstweide führt das Stallvieh an die freie Luft. Das ist wenigstens für das zum Schlachten bestimmte Jungvieh ein Uebelstand, welchem sehr viele Viehbesitzer dadurch abhelfen, dass sie gemeinde- oder korporationsweise Bergweiden in höheren Lagen des Alpenrandes erwerben. In den ersten Sommertagen (Mitte Juni) fährt dann der Hirt mit dem Jungvieh zu Berg, und es ist ein spezifisch bernisches Zeichen des Sommers, wenn dann an allen Oberlandstrassen (diejenigen der Bundesstadt nicht ausgenommen) die Nächte durch das Geläute dieser wandernden Herden erklingt. Im Jura gibt es noch viele Gemeindeweiden (Pâturages communaux), auf denen der Weidgang geübt wird von Herden, welche der Winter acht Monate lang in die Ställe gebannt hat. Es besitzt namentlich das Plateau der Freiberge solche durch alle Wälder sich erstreckenden Naturwiesen: eine Parklandschaft von grossartiger Schönheit, aber geringer wirtschaftlicher Bedeutung.
Die Verteilung des Wiesen- und Futterbaues auf die einzelnen Landesteile gestaltet sich folgendermassen: Vom behauten Boden entfallen auf die Wiesen im:
Oberland | 75% |
Emmenthal | 32% |
Mittelland | 27% |
Oberaargau | 29% |
Seeland | 40% |
Jura | 59% |
Von derselben Fläche entfallen auf den Anbau von Futterkräutern (Kunstfutter, meist als sog. Futtermischung: Klee, Lucerne und Esparsette, hin und wieder Grünmais) im:
Oberland | 9% |
Emmenthal | 37% |
Mittelland | 36% |
Oberaargau | 30% |
Seeland | 19% |
Jura | 14% |
Der Gesamtertrag der Wiesen und Futteräcker des Kantons beläuft sich in guten Jahren auf 10 Millionen q. mit einem Geldwert von 75 Mill. Fr. Das Jahr 1893, wo zur seltenen Ausnahme die Regen des Frühjahrs ausblieben, ergab freilich nur 5,2 Millionen q. Dennoch erreichte der Wert dieser Missernte die Summe von 75,6 Mill. Fr., ein schlagender Beweis für die enorme Wichtigkeit einer ordentlichen Futterernte für die gesamte Volkswirtschaft des Kantons Bern.
Getreidebau.
Noch beträgt in den flacheren, trockeneren aber auch in den verkehrsentlegeneren Gegenden sein Anteil bis ¼ des bebauten Areals. Die Bezirke Pruntrut, Aarberg, Burgdorf, Laupen und Schwarzenburg stehen in dieser Hinsicht im ersten, Nidau, Laufen, Erlach, Büren, Delsberg und Trachselwald im zweiten Range. Im Oberland hat nur noch Thun ansehnliche Getreideareale aufzuweisen. Saanen hatte 1895 bloss noch 5 ha mit Getreide bestellt.
Folgende Getreidearten sind in den einzelnen Landesteilen vorherrschend (die Reihenfolge gibt das Verhältnis der Areale an):
Oberland | Korn (d. i. Dinkel), Weizen. |
Emmenthal | Korn, Roggen. |
Mittelland | Korn, Hafer, Roggen, Weizen. |
Oberaargau | Korn, Roggen, Hafer. |
Seeland | Weizen, Roggen, Korn, Hafer. |
Jura | Weizen, Hafer, Gerste. |
Im ganzen Kanton waren 1895 von 46000 ha Getreideland:
ha | mit |
---|---|
13870 | Korn |
11360 | Weizen |
10890 | Hafer |
7600 | Roggen |
2360 | Gerste |
bestellt. Roggen und Gerste waren früher im Gebirge stark vertreten. Sie in erster Linie sind durch den Wiesenbau verdrängt worden.
Dem Kartoffelbau sind bedeutende Areale überwiesen: im Seeland und Oberaargau fast 1/6, im Mittelland 1/9, im Emmenthal 1/11, im Jura 1/12 und im Oberland 1/14 des bebauten Bodens. In den Bezirken Aarberg und Pruntrut ist der Kartoffelbau am bedeutendsten.
Die nämlichen zwei Bezirke weisen auch den meisten Gemüsebau auf. Das gesamte Flachland, besonders aber das Seeland, beginnt seit kurzem einen lebhaften Anbau von Zuckerrüben für die Zuckerfabrik in Aarberg. Im Emmenthal ist das am meisten angebaute Gemüse das Kraut. Reps wird besonders im Amtsbezirk Pruntrut, Hanf und Flachs immer noch in ansehnlichem Masse in Konolfingen und dem obern Emmenthal, Tabak in Laupen und Cichorie im Bezirk Burgdorf gepflanzt.
Der Weinbau spielt nur in der Gegend des Bielersees eine Rolle. Dort ist er aber für vier Gemeinden die Hauptkultur (Neuveville, Ligerz, Twann und Tüscherz). Als schmaler Saum, der 100-150 m am Berge ansteigt, zieht sich das Rebgelände dem jäh abfallenden Jura am Nordufer des Sees entlang bis nach Biel und Bözingen. Der Weisswein, der hier gewonnen wird und unter den Namen Neuveville und Twanner wohlbekannt ist, ähnelt an Säuregehalt dem Neuenburger, ist jedoch leichter als dieser. Auch am Jolimont und bei Ins wächst ein guter Wein. Von der ehemals viel ausgedehnteren Weinkultur durchs ganze Land zeugen noch Reste im Bezirk Büren, im Laufenthal, bei Spiez, Merligen und Oberhofen am Thunersee.
Obstbau.
Die Obstbaumzählung von 1888 ergab folgende Resultate:
Bäume | |
---|---|
Oberland | 459000 |
Emmenthal | 329000 |
Mittelland | 926000 |
Oberaargau | 300000 |
Seeland | 342000 |
Jura | 422000 |
Kanton: | 2778000 |
¶
mehr
davon waren:
Apfelbäume | 1170000 |
Birnbäume | 386000 |
Kirschbäume | 625000 |
Zwetschgen- u. Pflaumenbäume | 434000 |
Nussbäume | 78600 |
Spalierbäume, etc. | 84400 |
Während Apfel- und Birnbäume in allen flacheren Obstbaugegenden des Kantons ziemlich gleichmässig verbreitet sind, findet sich der Kirschbaum in den höheren Lagen am stärksten vertreten, und sind die Nussbäume in den milden Fönthälern des Alpenrandes, dann aber auch im Seeland besonders zu finden. Die reichsten Obsterträge ergeben die Gegenden von Biel, Nidau, Burgdorf, Thun und Interlaken. Die Quantität der Ernten ist durchschnittlich gross. Trotz vielfacher Verbreitung feiner Sorten ist die Qualität im ganzen eher mittelmässig. Modernere und sorgfältigere Verfahren bei der Pflege der Bäume, namentlich aber bei der Ernte und dem Sortieren des Obstes kennt der eigentliche Landmann noch sehr wenig. Und doch würden sowohl die Gunst des Klimas als die Marktlage vielerorts der Tafelobstwirtschaft entgegenkommen. Dem Bauer liefert sein Obst eine tüchtige Zukost und als Most gesunden Trank.
Der Wert der Ernte belief sich 1895 auf 7 Mill., 1898 auf 14½ Mill. Frs. Im ersteren Jahr schlug die Apfelernte fehl, im letzteren war der Ertrag des Steinobstes gering.
Viehstand.
In der geographischen Verbreitung des Viehstandes hat sich im Laufe der letzten hundert Jahre eine bemerkenswerte Veränderung vollzogen. Das Gebiet der dichtesten Viehverbreitung ist aus den Alpen ins Flachland hinuntergerückt. Das engere Mittelland allein übertrifft jetzt das Oberland in dem Bestand aller Vieharten, ausgenommen der Schafe. Gleichzeitig hat aber auch der Viehstand des Kantons in gewaltigem Masse zugenommen, vollständig Schritt haltend mit dem Zuwachs der Bevölkerung. Wuchs nämlich die Volkszahl von 1819-1896 von 338000 auf 542000 an, so vermehrte sich der Viehstand in demselben Zeitraum von 230000 auf 368000 Einheiten. Beide Vermehrungen betragen 60%.
Der Pferdebestand bleibt bei rund 30000 Stück, soweit die Zählungen zurückreichen, ziemlich stabil. Er nimmt zu in den Städten und wohlhabenden Dörfern, ab dagegen in den rein ländlichen Bezirken. Sowohl die alte Pferdezucht des westlichen Oberlandes (Saanen, Erlenbach) als diejenige der Freiberge haben an Bedeutung eingebüsst, nur Kreuzung mit Auslandtieren bringt hier noch Erfolg. Die Nachfrage nach dem schweren Schlag ist infolge des eingegangenen Wagenverkehrs gesunken, während die nach Luxuspferden, wobei fremdes Geblüt bevorzugt wird, gestiegen ist. Ein beträchtlicher Teil der obigen Zahl fällt auf den Bestand an Militärpferden.
Der Rindviehbestand ist in der Periode von 1819-1896 von 158000 auf 276400 Stück angewachsen, die sich folgendermassen verteilen:
Oberland | 66355 |
Emmenthal | 33113 |
Mittelland | 82953 |
Oberaargau | 21729 |
Seeland | 24371 |
Jura | 47888 |
Total | 276409 |
Die Zunahme kommt hauptsächlich dem Mittelland (42000) und dem Seeland (15000) zugute. Etwa die Hälfte des Bestandes entfällt auf die Kühe. An Zahl derselben excellieren besonders die Mittellandsgegenden, während Jura und Alpen sich durch grosse Bestände an Zucht- und Schlachtvieh hervorthun.
Der verbreitetste Schlag ist das Simmenthalerfleckvieh, dieses jetzt durch die ganze Erde verbreitete, durch Grösse sowohl wie durch Milchreichtum ausgezeichnete Tier, dessen Aufzucht im westlichen Oberland nach wie vor mit grossem Erfolg betrieben wird. Der Schlag des Braunviehs ist im östlichen Oberland heimisch.
Milchwirtschaft, Käsebereitung.
In weitaus den meisten Landesteilen ist das Hauptziel der Rindviehhaltung die Gewinnung der Milch und deren Verarbeitung zu Käse. Der jährliche Milchertrag wird auf 3550000 hl geschätzt, was auf den Kopf der Bevölkerung 646 l ausmacht. Davon werden verwendet: 1234000 hl für den direkten Konsum (224 l per Kopf), 1467000 hl zur industriellen Käsebereitung, 438000 hl zur Aufzucht, und 225000 hl zur häuslichen Butter- und Käsebereitung. Dabei ist die Sennerei des Oberlandes nicht berücksichtigt. Die Menge des in den Käsereien gewonnenen und in den Handel gebrachten Käse wird auf 112000 q (Wert 16 Mill. Fr.) jährlich geschätzt.
Nach wie vor ist das Emmenthal das Centrum der feinen Käsebereitung; doch machen ihm Mittelland und Oberaargau scharfe Konkurrenz in der Bereitung derselben Spezialität (Emmenthaler).
Saanen produziert seine kleineren und härteren Saanenkäse (Gruyère), und der Jura hat in seinem Weichkäse von Bellelaye eine ausgezeichnete Sorte aufzuweisen. Die Butterproduktion tritt gegen die des Käse naturgemäss stark zurück.
Die Mästung ist wenig entwickelt, sodass wenigstens in den Städten ein grosser Teil des Fleischbedarfs durch ausländisches Schlachtvieh gedeckt wird. Eine sehr ¶