mehr
Gletscherzirkus abgeschlossen, dem die auf ihrem Laufe von zahlreichen Bergbächen genährte
Dranse de Bagnes
entspringt,
die das Val
de Bagnes
seiner ganzen Länge nach durchströmt. Bei
Châble nach W. abgelenkt, hat sich die
Dranse in der Richtung
auf
Martigny über
Sembrancher und
Bovernier ihren Weg geöffnet, und diesem folgt auch die einzige Strasse,
die das Val
de Bagnes
mit dem
Rhonethal verbindet. Von
Châble oder Vollège aus führt dann noch ein Fusspfad über den
Pas du Lens
(1660 m) nach
Saxon.
Die ca. 4500 Ew. des
Thales sind zu einer einzigen politischen und Kirchgemeinde, Bagnes
, vereinigt, obwohl diesen Namen weder
ein Dorf noch ein
Weiler tragen. Im
Unter-Thal findet sich eine ganze Gruppe von
Dörfern und beträchtlichen Weilern, deren
wichtigstes
Châble (836 m) mit 500 Ew. ist, das eine Poststrasse mit der Station
Martigny verbindet (18 km, 3 Stunden Wagenfahrt).
Thalaufwärts setzt sich die Strasse als solche zweiter Klasse bis
Lourtier (1080 m) fort, von wo ein
Maultierweg über
Fionnay (1493 m) und
Mauvoisin (1824 m) bis zum Thalhintergrund führt.
Das oft recht malerische Val
de Bagnes
ist ein stark besuchtes Exkursionszentrum; die Fremden sammeln sich besonders in
Fionnay,
dann auch in
Châble und
Mauvoisin an. Ein herrlicher Kranz von Hochgipfeln ladet zum Besuch ein:
Grand Combin 4317 m,
Mont Gelé 3517 m,
Mont Avril 3341 m,
La Ruinette 3879 m,
Rosa Blanche 3348 m,
Mont-Blanc de
Seilon 3878 m,
Mont Pleureur 3706 m,
u. a. Dazu kommen die
Gletscher
Corbassière,
Mont-Durand,
Otemma und
Giétroz. Zwei Klubhütten des S. A. C.,
die von
Chanrion im Thalhintergrund in 2460 m und die von
Panossière am Fusse des
Grand Combin
in 2715 m, erleichtern die Hochtouren
im Gebiet.
Mit dem
Val d'Entremont ist das Val
de Bagnes
verbunden durch die
Cols de
Tzerzera oder du
Six Blanc 2337 m, de
Mille 2476 m,
de Panosseyre 3600 m, de
Boveyre 3487 m, des
Maisons Blanches 3426 m, de l'Ane 3037 m, du
Sonadon 3489 m;
nach Italien leiten die Cols de By oder Buy 3164 m, de Fenêtre 2786 m, de Crête Sèche 2888 m, de Ciardonnet 3300 m, d'Oulie Cecca 3321 m, d'Otemma 3400 m, de Blancien, de la Reuse d'Arolla (auch d'Ollen oder d'Oren geheissen);
ins Val d'Arolla hinüber gelangt man über die Clos de Chermontane 3084 m, de l'Evêque, de Serpentine und de Breney 3650 m;
zum Val d'Hérémence führen die Cols du Crêt 3148 m, de Severeu 3201 m, de Vasevay 3263 und de Seilon 3250 m;
ins Val de Nendaz endlich die Cols de la Chaux 2820 m, de Cleuson 3150 m und de Louvie 2738 m.
Die Hauptbeschäftigung der Bewohner bildet die Viehzucht und, im Sommer, die Fremdenindustrie. Fruchtbäume steigen bis Lourtier in 1060 m; ein kleiner Weinberg, la Forclaz, geht oberhalb Châble bis 1000 m, und Getreide gedeiht gut bis 900-1100 m je nach Lage der Aecker. Im 18. Jahrhundert beutete man noch bei Peiloz Minen von silberschüssigem Blei aus.
Die Flora des Val
de Bagnes
ist eine der reichsten und interessantesten des ganzen Gebietes der
Alpen.
Sie weist verschiedene äusserst seltene alpine Arten auf, so Crepis jubata auf den Moränen des
Breney- und Giétrozgletschers
und Saxifraga diapensoïdes an der
Pierre à Voir und bei Mazéria. Ueber die ganze alpine Zone des Hochthales sind
¶
mehr
zerstreut Saxifraga Rudolphiana, Draba Wahlenbergii, Astragalus leontinus, Arenaria Marschlinsii, Arabis serpyllifolia, Adenostyles hybrida. An feuchten Orten die äusserst seltene Carex ustulata, begleitet von den ebenfalls seltenen Carex bicolor, microglochin und pauciflora, Triglochin palustris, Tofieldia borealis. Der Erwähnung wert sind noch zwei seltene Enziane: Gentiana punctata × purpurea und Gentiana utriculosa, ebenso der Tüpfelfarn Woodsia hyperborea (= Woodsia ilvensis).
Bei Mauvoisin blüht die Hugueninia tenacetifolia, eine Crucifere piemontesischen und mediterranen Ursprunge, die nur vereinzelt auf die N.-Seite der Alpen übergreift. Gleichen Ursprungs ist auch die im mitteren Thalstück verbreitete Labiate Scutellaria alpina. Ebenfalls bei Mauvoisin einige Exemplare der Betula Murithii (von Gaudin nach dem Walliser Botaniker Murith so benannt). Ueberhaupt ist die Flora der Umgebung von Mauvoisin, wo dolomitisches Gestein ansteht, durch einen ganz besonders eigentümlichen Charakter ausgezeichnet, wie auch die grosse Mannigfaltigkeit im geologischen Aufbau die verschiedenartige Ausbildung der Flora im obern Thalstück erklärt. Erwähnenswert ist noch das Vorkommen der herzblättrigen Listere (Listera cordata) im Humus der Wälder bei Fionnay. Das untere Thal endlich weist dieselbe Trockenflora (Xerophilen) auf, wie das untere Walliser Rhonethal.
Das von zahlreichen Gletschern umschlossene Val
de Bagnes
ist fortwährend gefürchteten Ueberschwemmungen ausgesetzt. 1818 brach
die durch herabgestürzte Eismassen des Giétrozgletschers zum See gestaute Dranse durch diese hindurch
und verwüstete das ganze Land bis Martigny hinunter. 1595 ^[Ergänzung: wurden mehrere Dörfer zerstört. 1894 und 1898] leerte
sich ein Gletschersee des Gletschers von Crête-Sèche auf einmal, mehr als 1 Million m3 Wasser stürzten sich zur Dranse
hinunter, die derart anschwoll, dass sie Brücken wegriss, Strassen und Wege zerstörte und Aecker und
Wiesen verwüstete. Mit mehr oder minder starker Heftigkeit hatte sich der gleiche Ausbruch jedes Jahr wiederholt, bis
bedeutende Schutzarbeiten in Angriff genommen worden sind, die die Wiederkehr solchen Unglückes für die Zukunft zu verhüten
bestimmt sind. Immer aber werden die Gletscher für die friedsamen und fleissigen Bewohner dieses bemerkenswerten
Thales eine grosse Gefahr vorstellen.
Der Name des Val
de Bagnes
leitet sich vom lat. Vallis balnearum her und wurde dem Thale deswegen beigelegt, weil es einst
eine stark besuchte Schwefelquelle aufwies; 1545 zerstörte ein Bergsturz die Quelle mitsamt dem in alten Chroniken erwähnten
Dorfe Curru, von dem heute jede Spur verschwunden ist. 1150 verlieh der Graf von Savoyen das Thal der
Abtei Saint-Maurice, die daselbst bis 1798 ihre Oberhoheit ausübte.