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Christliche und feudale Zeit.
Das Christentum fand bei den Helvetiern Eingang durch römische Soldaten, Kaufleute oder ihres Glaubens wegen Verfolgte, die das Rhonethal aufwärts oder über die Alpenpässe nach Aventicum und andern Städten kamen. Gewisse Anzeichen lassen vermuten, dass der neue Glaube hier schon vor dem 4. Jahrhundert Wurzel gefasst hatte, da um diese Zeit in Genf und Octodurum (Martigny) bereits Bischöfe residierten. Auf jeden Fall aber gab es in Aventicum zu Ende des 6. Jahrhunderts einen Bischof Marius, der als solcher die Acten des Conciles von Mâcon mit unterschrieb.
Infolge der Besiedelung des Landes durch alemannische Stämme erhielt das Avenches benachbarte Gebiet den Namen Uechtland (ödes Land), und noch später (zwischen 700 und 900) ersetzten die deutschsprechenden neuen Bewohner des Landes den Namen Aventicum durch die Bezeichnung Wiflisburg. Aus dem Pagus Aventicensis wurde ein Pagus Williacensis. Diese Neubenennungen sollen, wie aus einer etwas unklaren Stelle bei Fredegar hervorzugehen scheint, auf einen Alemannenhäuptling Wibilus oder Wifilus sich zurückzuführen, wie auch das französische Wort Vully, mit dem heute noch die Gegend von Avenches etwa bezeichnet wird, aus Vuibilus oder Vuibili entstanden sein soll. Der Grund der Umtaufe ist uns nicht bekannt, muss aber jedenfalls ein solcher von zwingender Notwendigkeit gewesen sein. Im Uebrigen behielten die Römer den alten Namen in der Form Adventica bei.
Im 10. Jahrhundert machten auch die Sarazenen der Gegend von Aventicum ihre Aufwartung. Das Andenken daran hat sich im Volke derart lebendig erhalten, dass heute noch eine der am Fusse der jetzigen Stadt verlaufenden Strasse parallel ziehende Mauer die Sarazenenmauer heisst. Auch der das Wappen von Avenches zierende Maurenkopf wird eine Reminiszenz an diesen Sarazeneneinfall sein. Vom 15. Jahrhundert an beginnt dieses Wappen auf dem Siegel der Stadt zu erscheinen; es ziert ausserdem noch eines der alten Kirchenfenster und findet sich auch auf zwei Steinblöcken eingehauen, von denen der eine dem Giebel des Rathauses eingefügt ist, während der andere im Museum aufbewahrt wird. Es zeigt im roten Felde einen schwarzen Mohrenkopf von vorn, die Stirne mit weisser Binde umwickelt.
Die Form Avenches erscheint im Mittelalter zum ersten Male 1076. Burkhard von Oltingen, Bischof von Lausanne und Günstling des Kaisers Heinrich IV., liess mit Beihülfe dieses letztern die auf dem Hügel entstandene neue Niederlassung mit einer Festungsmauer umziehen. 1250 erwarb Graf Peter von Savoyen von der Burgerschaft von Freiburg den Zehnten über Avenches, liess ihn dieser aber als Lehen bestehen.
1363 verlieh der Bischof Aymon von Cossonay der Stadt verschiedene Freiheiten und baute ihre Festungsmauer wieder auf. Von da an war Avenches bis zur Zeit seiner Eroberung durch die Berner bischöfliches Eigentum. Die dem h. Martin geweihte Pfarrkirche lag ausserhalb der Stadt an der Stelle des heutigen Friedhofes, war aber schon im 15. Jahrhundert nur noch ein Trümmerhaufen. Wahrscheinlich befand sich auch an derselben Stelle die älteste Kapelle, die des h. Symphorion, deren Andenken noch heute in der Sage fortlebt.
Bernische Zeit.
Im Frühjahr 1536 erschien die vom Schlosse Chillon unter Hans Franz Naegeli zurückkehrende Armee der Berner vor Avenches, das ihr seine Tore öffnete und dessen Bürger Bern den Treuschwur leisteten. Von jetzt an fand auch die Reformation offenen Eingang; erster reformierter Pfarrer war Georg Grivat von Orbe.
Das an der N.-Ecke des heutigen Avenches gelegene Schloss, von den Bischöfen an Stelle eines alten zur Verteidigung dieses schwächsten Punktes der Stadt errichteten Bollwerkes erbaut, wurde von den Bernern zum Sitze ihrer Landvögte eingerichtet und umgebaut. Die Türmchen der Hofseite tragen die Jahreszahl 1567; dasjenige mit der Wendeltreppe ist mit Reliefdarstellungen und zwei Büsten in natürlicher Grösse geziert. Die in reinem Renaissancestyl durchgeführte Architektur des Schlosses und seine den feinsten Geschmack verratenden Skulpturen gestalten es zu einem wahren Schmuckkästchen. Es hat denn auch die waadtländische Kommission zur Erhaltung historischer Denkmale des Schlosses sich angenommen und dessen Restauration beschlossen.
Der Genfer Archäologe J. Mayor unternahm eine eingehende Beschreibung desselben, die mit zahlreichen Tafeln in Phototypie 1901 erscheinen wird. Auch die heutige Pfarrkirche von Avenches stammt aus dem Mittelalter, wurde aber 1711 frisch aufgebaut. Aus der romanischen Zeit verblieb blos noch der n. Teil des Chors, der die Gestalt einer rechteckigen und im W. von einer halbkreisförmigen Apsis geschlossenen Kapelle hat. Die 1898/99 vorgenommene Restaurierung der Kirche hat zur Auffindung einer bemerkenswerten Freske und verschiedener anderer interessanten Détails geführt.
Unter der helvetischen Republik bildete der Bezirk Avenches einen Teil des Kantons Freiburg (1798-1803), kam dann aber mit der Mediationsakte vom Februar 1803 an den Kanton Waadt.
Bibliographie:
Bulletins de l'Association pro Aventico. I-VII. Lausanne, Bridel 1887 ff. -
Secretan, Eug. Aventicum, son passé et ses ruines. (I: Coup d'œil historique; II: Guide sur le terrain). Lausanne, Bridel 1896. - Dunant, Emile. Guide illustré du Musée d'Avenches. (I: Collections archéologiques; II: Monuments épigraphiques). Genève, Georg; Lausanne, Bridel 1900. (Die Bulletins und die zwei eben genannten Werke sind auch im Museum zu Avenches erhältlich). - Bursian, C. Aventicum Helvetiorum. Mit Tafeln. (Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. 16). Zürich 1867-70. 4°. - Morel, Ch., Notes sur les Helvètes et Aventicum sous la domination romaine. (Jahrbuch für schweizerische Geschichte. VIII). - Mommsen, Th. Inscriptiones Confœderationis Helvet. Lat. (Mitteilungen der antiquar. Gesellschaft in Zürich. X). Zürich 1854. 4°. (Enthält die Inschriften von Aventicum). - Mommsen, Th. Schweizeriche Nachstudien. (Hermes. 1881). - Hagen, H. Prodromus novae inscriptionum Lat. Helv. sylloges, titulos Aventicenses et vicinos continens. Bern 1878. (Neue Inschriftensammlung). - Burckhardt, Th. Helvetien unter den Römern. (Neujahrsblatt Basel. 1867). - Daguet, A. Aventicum, ses ruines et son histoire. (Musée neuchâtelois. 1880). Populär. - Doblhoff, J. v. Auf dem Trümmerfelde Aventicums. Wien 1883. - Major, J. Aventicensia. 1899. (Im Erscheinen begriffen; enthält die Berichte über die Nachgrabungen am Osttor etc.).
[Emil Dunant.]