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In der obersten, der Schneeregion, endlich prägt sich die Verflachung der Lebenswelle in ausgesprochenstem Masse aus; immerhin ist bloss ein Rückgang, nicht ein völliges Erlöschen zu konstatiren. Flora und Fauna verhalten sich in dieser Beziehung ganz gleich, d. h. der sehr reduzierten Pflanzenwelt entspricht ein spärliches Tierleben. Hier sind für beide die klimatischen Verhältnisse am ungünstigsten; ein wenige Monate dauernder von Frost und Schneegestöber unterbrochener Sommer wechselt in ewiger Einförmigkeit mit einem entsprechend verlängerten Winter ab. Der überwiegende Teil der Niederschläge besteht aus Schnee, der oft in donnernden Lawinen der Tiefe zustürzt.
Es ist klar, dass auch in diesen unwirtlichen Gebieten sich eine ganze Reihe von Besuchern von unten her einfinden, sei es dass sie in der schönen Jahreszeit bis dahin der Jagd obliegen oder der pflanzlichen Nahrung nachgehen, sei es dass sie durch Verfolger hinauf getrieben worden sind oder endlich die Beute eines Sturmes geworden sind, der sie hieher verschlagen hat. So werden häufig Fluginsekten der verschiedensten Ordnungen nicht selten auf dem Firn getroffen, die den tiefern Regionen entstammen und nun dem Tode verfallen sind. Solche freiwillige oder unfreiwillige Gäste stellen eine breite Verbindungsbrücke her zwischen der Fauna der nivalen und der weiter unten gelegenen Regionen. Doch sind sie immer mehr oder weniger zufällige Bestandteile der erstern, die weniger Interesse beanspruchen können.
Der niederen Tierarten, die in der Schneeregion ihren ständigen Wohnsitz haben, zählt man bereits über 30. Zu ihnen gehören über 2800 m 18 Insekten, 13 Spinnen und 1 Schnecke, Vitrina, die im Spätherbst auch im Flachland auftritt. ¾ dieser Tiere führen eine räuberische Lebensweise, ein ganz eigenartiges Verhältnis, das zum Teil darin seine Erklärung findet, dass die vorerwähnten Besucher aus tiefern Lagen ihnen als willkommene Beute anheimfallen. In den Glarneralpen wurden die obersten Spuren tierischen Lebens in 2900 m, in Bünden bei 3500 m konstatirt, in den südlichen Alpen steigt er noch höher. Dass die Spinnen noch in so grosser Anzahl vorhanden sind, ist ein Beweis ihrer grossen Lebenszähigkeit; sie sind auf tierische Kost angewiesen, während der Gletscherfloh, der mit Hülfe seiner Schwanzgabel auf den Firnfeldern herumhüpft, wahrscheinlich die in solchen Mengen vorkommende Schneealge als Nahrung wählt, dass sie den Schnee auf weite Strecken rot färbt. Alle diese nivalen Insekten sind von dunkler Färbung und nur wenige geflügelt.
Gegen die untere Grenze der nivalen Region steigert sich die Artenzahl sehr rasch, so dass wir hier schon ein Dutzend Schmetterlinge zu verzeichnen hätten, von denen nur drei auch den obern Teilen derselben angehören. Den grössten Bestandteil machen aber die Käfer, fast ausschliesslich Kurzflügler und Laufkäfer, aus.
Diesen Höhen gehören die Lurche nicht mehr an; die Bergeidechse und die Kreuzotter haben da ihre vorgeschobensten Stationen. Die hier vorhandenen Vögel sind ausnahmslos Standvögel. Zu ihnen gehören die rotschnäblige Stein- und die gelbschnäblige Schneekrähe, die meistens in grösseren Gesellschaften beisammen hausen. Das Geschlecht der Finken ist durch den Schneefinken vertreten, der am liebsten über der Waldgrenze nistet. In den Alpenrosenbüschen und zwischen dem Steingeröll leben die schönen Schneehühner; auch sie wissen ihr Kleid ihrer Umgebung anzupassen, indem es im Winter weiss, im Sommer braunfleckig wird, so dass sie nur geübten Jägeraugen auffallen.
Vielleicht der einzige Vierfüsser, der beständig in der Schneeregion lebt, ist die Schneemaus; gewiss muss sie sich während des Winters kümmerlich genug durchschlagen. Wohl alle anderen Säuger, die im Sommer da oben getroffen werden, verbringen die kalte Jahreszeit in tieferen Lagen, sind also mehr als Gäste dieser höchst gelegenen Gebiete anzusehen. Aus naheliegenden Gründen ist jedoch gerade das Winterleben ihrer tierischen Bewohner noch nicht genügend erforscht, so dass die Liste derselben noch eine, wenn auch wohl unbedeutende, Bereicherung erfahren dürfte.
(In vorzüglichster und erschöpfender Weise ist das ganze einschlägige Material behandelt in Frdr. von Tschudi, das Tierleben der Alpenwelt).
[Dr C. Bretscher].
G. WIRTSCHAFTLICHE VERHÄLTNISSE.
Das Gebiet der Alpen zeigt eine Reihe von Eigentümlichkeiten in der Waldwirtschaft, der Viehzucht und Alpwirtschaft, sowie in der Fremdenindustrie. Aber alles dies ist so eng mit den übrigen Teilen des Landes verbunden, dass es richtiger in den betreffenden Abschnitten des Artikels «Schweiz» behandelt wird.