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durch den Windschlag 113 Firsten im Dörfchen Randa. Indirekt verheerend wirkte im Jahr 1818 der Sturz des Giétrozgletschers. (Val de Bagne, Kt. Wallis.) Er staute nämlich die Dranse zu einem See von 2,5 km Länge. Umsonst versuchte man das Wasser durch einen Stollen zu entleeren. Die letzten ⅔ des Sees (20000000 m3) brachen auf einmal durch und verwüsteten das ganze Dransethal bis Martigny hinaus. Das neueste Beispiel ist der Gletscherabbruch an der Altels, wo am 4500000 m3 etwa 1440 m hoch herunterstürzten, die Spitalmatte und den Gemmiweg verschütteten und 6 Menschen und 158 Stück Rindvieh töteten.
Litteratur: Coaz. Die Lawinen der Schweizeralpen. 1881. - Heim. Handbuch der Gletscherkunde. 1885. - Heim. Die Gletscherlawine an der Altels. (Neujahrsblatt der naturf. Ges. in Zür. 1896).
[Dr Aug. Æppli].
E. DIE PFLANZENWELT.
Die durch die zunehmende Höhe über Meer bedingte Wärmeabnahme übt naturgemäss auf das organische Leben einen grossen Einfluss aus, so dass den verschiedenen Höhengürteln je ihre ganz bestimmten und für sie charakteristischen Pflanzenarten und Vegetationsverhältnisse eigen sind.
Wir unterscheiden:
a) Die Hügelregion (200-700 m),
das eigentliche Gebiet des Ackerbaues, mit ausgedehntestem Anbau von Futterpflanzen und Obstbaumzucht. Letztere reicht selten höher hinauf; immerhin findet man an geschützten Lagen den Apfel- und Birnbaum bis ca 900 m, den Kirschbaum bis 1000 m und höher. Das nämliche gilt von der Weinrebe, die zwar ihre hauptsächlichste Verbreitung im schweizerischen Hügellande hat, dank besonderer klimatischen Bedingungen jedoch längs der grossen Thäler noch ziemlich weit in die Alpen hinein vorrücken kann. So verdankt das Rheinthal vom Bodensee bis Chur die ausgezeichnete Güte seines Weines dem herbstlichen Fön; sobald dieser aussetzt, wird die Qualität des Weines eine merklich geringere. Die grossen Weinberge des Rhonethales von Montreux bis Aigle und von Martigny bis Brig zählen mit unter die besten der Schweiz. Noch höher hinauf wird die Weinrebe in den südlichen Thälern angetroffen; im Tessinthale z. B. steigt sie bis Giornico und Olivone, im Maggiathal bis Bignasco u. s. f.
b) Die Bergregion (700-1200 m)
weist noch vereinzelt Obstbäume auf, und auch der Anbau der Cerealien ist noch möglich, doch nimmt er nur mehr kleine Flächen ein und verschwindet in dem Masse, als die Einfuhr von fremdem Getreide eine leichtere wird. Hier finden wir die grossen ausgezeichneten Wiesen und die Maiensässe (franz. mayens, roman. acla), die vom Vieh zu Beginn des Sommers als erste Weide bezogen werden, deren Gras im Hochsommer meist geschnitten wird und die im Spätsommer dem von den Alpweiden heimkehrenden Vieh wieder als Weide dienen.
Der eigentlich bezeichnende Zug der Bergregion ist aber das Auftreten des aus Nadel- und Laubholz zusammengesetzten Mischwaldes. Die wichtigsten Vertreter des letztern sind Eiche, Buche, Esche und Ahorn. Die Eiche tritt sowohl als Stiel- wie als Steineiche auf, bildet aber doch im Alpengebiet nur kleine Bestände - kleinere noch als im Mittelland - und erreicht ihre obere Grenze schon in 800-1000 m. Durchschnittlich um 300 m höher steigt die Buche, die weit häufiger auftritt und grosse Waldungen bildet.
Mit ihrer langen Vegetationsperiode ist die dem feuchten Seeklima angehörende Buche übrigens in den an Niederschlägen reichen Alpen ganz an ihrem Platze. Die Esche kommt bis zur gleichen Höhe vor, wie die Buche (1300 m), immerhin aber ist der für die Bergregion eigentlich charakteristische Baum der Bergahorn, der in der Ebene nicht gut gedeiht, sich dagegen in Höhen von 1000-1600 m besonders schön entwickelt. Dabei sind die nahe der obern Verbreitungsgrenze stehenden Exemplare oft die schönsten und kräftigsten. Meist steht der Ahorn vereinzelt und schaart sich nur hie und da zu lichten Wäldern.
c) Die Alpenregion (1200-2600 m)
besteht in ihren untern Teilen aus Wald und Weide, in den obern ausschliesslich aus Alpweide. An einigen besonders geschützten Stellen der Hochthäler kann der Getreidebau noch bis in eine erstaunliche Höhe vordringen: so gehen z. B. im Engadin Gerste und Roggen bis 1700 m, und 1850 konnte der damals in starkem Vorrücken begriffene Gornergletscher ein noch in 1848 m Höhe gelegenes Weizenfeld zerstören. Es sind dies aber seltene Ausnahmen, und diese kleinen vorgeschobenen Aecker bringen auch nur magern Ertrag.
Der Wald der Alpenregion besteht ausschliesslich aus Nadelhölzern, in denen die vier Arten der Rottanne, Föhre, Lärche und Arve weitaus vorherrschen. Die übrigen Arten spielen eine nur untergeordnete Rolle; die Weisstanne (Abies alba Mill.) - empfindlicher als ihre Schwester - wagt sich seltener in die Alpenregion und Wachholder und Taxus treten nur vereinzelt auf. In allen erdenklichen Gestalten und Formen finden wir die Rottanne (Picea excelsa): bald als stolz ragende Säule im geschlossenen Hochwalde;
bald als vereinzelte Wettertanne, knorrig, von Blitz, Sturm und Schneedruck verstümmelt, immer aber mit stets erneuter Kraft gegen die feindlichen Elemente ankämpfend;
bald als verkrüppeltes Buschwerk von konischer Form, in seinem Wachstum durch das die Knospen abweidende Vieh derart gehemmt, dass es trotz einem Alter von oft 20-30 Jahren kaum die zwerghafte Höhe von einem Meter zu erreichen vermag (Geissetännli).
Während die Rottanne durch das ganze Alpengebiet verbreitet ist, bildet die Föhre (Pinus silvestris) nur an einzelnen Stellen der Schweizer Alpen ganze Wälder. Solche finden sich z. B. im Wallis von St. Maurice bis Brig und in St. Gallen und Graubünden von Flums bis Ems. Die Bergföhre (Pinus montana) dagegen gedeiht auf der Lenzerheide, im Davos, Engadin, am Ofenpass etc.
Die Lärche (Larix decidua) kommt überall im Wallis und in Graubünden vor, dann auch im Berner Oberland (Thäler der Saane und Kander), im Weisstannenthal und im östlichen Teil der Säntisgruppe. Sie leidet weniger unter der Trockenheit als die Rottanne, und der jährliche Laubwechsel gestattet ihr, einige Frostgrade mehr ohne Schaden zu ertragen, als die im Mittel sich um 100-200 m tiefer haltende Tanne. Die höchsten Standorte der Lärche sind bei Zermatt (2300 m), Münster (Graubünden) und am Stelvio (2400 m).
Die für die Alpen bezeichnendste Conifere ist aber die Arve (Pinus cembra) mit ihrem kräftigen Stamm, ihrer abgerundeten Krone und ihren gedrängten Nadelbüscheln. Unglücklicherweise ist sie aber heute im allmähligen Verschwinden begriffen, da ihren Früchten, den sog. Arvennüssen, von Liebhabern sowohl im Reiche der Tiere als der Menschen zu häufig nachgestellt wird, als dass ihr eine kräftige Fortpflanzung möglich wäre. Einzig im Val d'Anniviers und ob Sitten sind die für eine natürliche Vermehrung des schönen Baumes notwendigen Bedingungen noch günstige geblieben.
Selten findet sich die Arve in ganzen Wäldern beisammen; meist bildet sie nur kleine Gruppen inmitten ihrer Verwandten, die sie aber mit zunehmender Höhe nach und nach alle hinter sich lässt. Ihre eigentliche Heimat sind die Seitenthäler des Wallis und Engadins, in Gruppen findet man sie auch noch in den Thälern des Berner Oberlandes, selten und nur vereinzelt in der Zentralschweiz, im Kanton Glarus und an den Churfirsten. Kaum unter 1800 m herabsteigend ist die Arve der wahre Typus des alpinen Baumes.
Der Uebergang vom Wald zur Weide wird häufig durch Buschwerk vermittelt, das als Brennmaterial für die Sennhütten der obern Alpweiden seine wirtschaftliche Rolle spielt, aber weit wichtiger ist durch die Fähigkeit, mit seinen Wurzeln das lockere Erdreich der abschüssigen Halden zusammenzuhalten und zu verfestigen. Es sind hier besonders zu erwähnen die Grün-Erle (Alnus viridis, Dros oder Tros der Aelpler) und die Legföhre (Pinus Pumilio). Erstere wird niemals auf Kalkboden angetroffen; letztere dringt weniger tief in den Boden ein, kann aber mit ihren weit ausgreifenden Wurzeln und dem schirmförmig vom Boden aufsteigenden Astwerk den lockern Boden ebensogut zusammenhalten. Am höchsten, bis 2500 m, steigt der Zwergwachholder (Juniperus nana). Der alpine Brüsch (Erica carnea) wird von den Bewohnern der Thäler trotz seiner schönen und zahlreichen Blütenähren im Allgemeinen weniger beachtet als die Alpenrose, die mit ihrem dichten Astwerk weite Hänge bekleidet und ihnen glänzenden Schmuck verleiht. Von ihren beiden Arten ist die rostrote Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) weit verbreiteter als die gewimperte Alpenrose (Rh.
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hirsutum), die die trockenen Standorte vorzieht und daher auch fast gänzlich sich auf die Kalkalpen beschränkt. Die erste Art dagegen ist überall in den Alpen zu Hause; sie steigt bis zu 2300 m Höhe, kann aber auch längs der Wasserläufe und Lawinenzüge bis zu den Seen der südlichen Alpenthäler hinabwandern.
An die Baum- und Buschregion schliessen sich nach oben die Alpweiden mit ihrem frischen und saftigen Grün an, die ein so reizvolles Element der Alpenlandschaft bilden und deren wirtschaftlicher Wert den der Wälder weit überwiegt. Hier erlustigen sich auf Hängen und in Thalkesseln die Heerden mit ihrem Glockengetön, hier geniessen die Hirten und Sennen ihr friedliches, von einem Hauche der Poesie umwobenes und von den Bewohnern der Ebene so oft beneidetes Dasein, hier gedeihen in dichten Polstern die saftigsten Kräuter, die, unter der Sichel gefallen, dem Vieh auch im Winter ein duftendes Futter sind.
Weiter oben schiebt sich der grüne Teppich zwischen Schutthalden und Lawinenreste ein und erscheint bald nur noch in vereinzelten kleinen Flecken. Auch Felsbänder und ebenere Teile an Steilwänden geben dem verwegenen Wildheuer noch Ausbeute, der hier, wo das Vieh nicht mehr hingelangen kann, kühnen Fusses das würzige Heu sammelt. Wo immer sich sonst noch ein Grasfleck zeigt, da klettern Ziegen und Schafe hin, die sich auch an dem kleinsten Kräutlein noch gütlich tun.
So vollzieht sich allmählich der Uebergang zur höchsten und letzten Region,
d) der Schneeregion, oberhalb 2600 m.
Keineswegs herrscht in diesen Höhen ein ewiger Winter, der die Entfaltung jedes organischen Lebens zur Unmöglichkeit machen würde. Es ist im Gegenteil keine Höhe so gross, dass sie nicht wenigstens für eine kurze Zeitspanne ein freudiges Spriessen ermöglichte, und die unwirtlichsten Gebiete weisen noch ihre ihnen besonders eigentümliche und durchaus nicht arme Flora auf. In den Glarner Alpen fand Oswald Heer über 2760 m noch 24, in den Bündner Alpen noch 105 Pflanzenarten; der Piz Linard hat von 3250 m bis zu seinem Gipfel noch 11 und die Vincentpyramide in der Monte Rosa-Gruppe über 3158 m noch 47 Arten. Sogar der leichte rosige Hauch, der ziemlich häufig den Firnschnee überzieht, wird durch die Anwesenheit von Tausenden von mikroskopisch kleinen Algen, dem Protococcus nivalis, hervorgerufen.
Die biologischen Eigentümlichkeiten dieser nivalen Flora, die nur auf kleinen mitten in Felsen, Firn- und Eisfeldern zerstreuten Plätzchen Fuss fassen kann, sind bedingt durch ihre kurze Vegetationsperiode, durch die tagsüber starke Insolation, die bedeutende Abkühlung während der Nacht und durch häufigen Schneefall. Daher ihr eigenartiges Gepräge: gedrängter polsterartiger Wuchs, weitausgreifende Rhizome, niedliche Rosetten von winzigen, lederharten Blättchen, die mehrere Jahre aushalten können, stengellose Blüten von prächtigem Farbenschmelz. Der nivalen Flora gehören fast ausnahmslos nur stark widerstandsfähige Pflanzen an, die nicht in jedem Sommer ihre Früchte zur Reife bringen können; oft sind sie auch zu weiterem Schutze mit einem dichten Pelz von Wollhaaren überkleidet.
Analoge Eigentümlichkeiten zeigen auch die tiefer unten, auf den Alpweiden, wohnenden Pflanzen. Haben sie einen hohen Stengel, so ist dieser genügend stark entwickelt, um dem Schneedruck Widerstand leisten zu können. Die interessanteste Erscheinung der Anpassung an die Umgebung aber ist der sogenannte Viviparismus, der darin besteht, dass sich der Stengel unter dem Gewichte der voll entwickelten Blüten zur Erde neigt, damit die Samen dort ungehindert eindringen und Wurzel fassen können. Natürlich sind die alpinen Pflanzen zahlreicher als die nivalen. Während z. B. die nivale Flora Graubündens 105 Arten zählt, hat sie ca 500 alpine Arten über 1800 m.
Nicht überall entwickelt die Flora denselben Artenreichtum. In erster Linie stehen hier die Walliser Alpen mit nahe an 1800, dann die Graubündner Alpen und in dritter Linie die Berner Alpen mit nur noch 1300 Arten. Eher als die Beschaffenheit des Untergrundes bedingt Richtung und Stärke des die Samen transportierenden Windes die reichere oder ärmere Entwicklung des Pflanzenlebens. Das Wallis z. B. verdankt seinen Florenreichtum der Einwanderung von Pflanzen aus S. und SW., und zahlreich sind die beobachteten Fälle, dass dieser Einwanderung gerade die Passübergänge der Alpen die Wege gewiesen haben.
Mitten durch die Alpen gehen die Grenzlinien zwischen nördlicher und südlicher Flora einerseits, und östlicher und westlicher andererseits. Die erstgenannte zieht sich längs des Kammes der Berner Alpen hin und setzt sich über den Gotthard, Adula und die Maloja fort. Die Flora des Wallis ist stark von W. her beeinflusst worden, und dieser Einfluss lässt sich bis ins Ober-Engadin verfolgen, während sich das Unter-Engadin schon mehr der Flora der Ostalpen nähert. Die Flora der Tessiner Alpen endlich steht stark unter Einfluss von S. her.
Wie man sieht, hat demnach die Flora der Schweizer Alpen durchaus nicht durchweg ein einheitliches Gepräge. Was daher gewöhnlich unter dem Begriffe der alpinen Flora verstanden wird, entspricht blos den besonderen biologischen Eigentümlichkeiten, die die Flora des Hochgebirges unter dem Einfluss des diesem eigenen Klimas anzunehmen gezwungen ist.
Die dünne Luft der Hochalpen hat eine merkliche Verminderung ihres Vermögens, Wasserdampf aufzunehmen, im Gefolge, woraus eine grössere Transparenz der Atmosphäre resultiert, die hier nur noch unvollständig ihre in den niederen Regionen so wohl zur Geltung kommende Rolle als Wärmeregulator ausüben kann. Daher haben die Gipfelregionen im Vergleich zur absoluten Feuchtigkeit ein eher trockenes Klima und verfallen in Wärmeextreme, an die sich die Vegetation nur während der kurzen Zeit anpassen kann, da die Dauer der täglichen Insolation eine genügend grosse ist, um dem Boden mehr Wärme zuzuführen als ihm durch die nächtliche Ausstrahlung entzogen wird. Je grösser die Höhe über Meer, desto kürzer ist die Dauer der sommerlichen Vegetationsperiode. So ist z. B. an dem 3333 m hohen Theodulpasse ein Pflanzenleben blos von Juni bis September möglich.
Während dieser vier Monate stieg nach Beobachtungen in den Jahren 1865 und 66 das Thermometer blos an 53 Tagen von 7 Uhr Morgens bis 9 Uhr Abends über den Nullpunkt und blos an 91 Tagen Mittags auf 2° C. oder darüber. Die vegetative Periode kann aber in den Alpen eine noch kürzere sein, indem z. B. die Arten von Draba, Silene und Saxifraga, die am Finsteraarhorn und Mont Blanc noch bei 4000 m und darüber ausharren, sich mit einer Zeit von kaum mehr als 50 Tagen begnügen müssen, um ihre Blätter bilden und ihre zarten Blütenkelche öffnen zu können.
Unter dem Einflusse solcher eigenartigen Bedingungen ist es begreiflich, dass die alpine und nivale Flora eine Reihe von Anpassungserscheinungen erkennen lässt: Die Pflanzen sind im Allgemeinen ausdauernd und entwickeln eher Wurzeln und Rhizome als üppige Oberflächengebilde;
die oft in Rosetten angeordneten Blätter sind meist lederartig oder behaart und die Blütenknospen sorgfältig geschützt, zahlreiche Arten drängen sich in Polstern und Büscheln zusammen.
Alle gehorchen der Notwendigkeit einer strikten Beschränkung in der Entwickelung ihrer Organe. Der Widerstand, den sie der starken Insolation am Tage und dem Froste der Nacht gegenüber leisten müssen, äussert sich in einer schwachen Transpiration, die die Trockenheit der Luft aber immer zu steigern bestrebt ist. Die Gesamtheit aller angeführten Eigentümlichkeiten verleiht der alpinen Flora im engeren Sinne ihren erwähnten einheitlichen biologischen Charakter, den man in ähnlicher Weise übrigens bei der Flora aller in grosser Höhe über Meer gelegenen Gebiete wiederfindet.
Schon seit langer Zeit sind diese Eigentümlichkeiten der alpinen mit denjenigen der arktischen Flora verglichen worden. Ihre äussere Aehnlichkeit ist ja auch eine recht verständliche, da die Pflanzen im äussersten Norden wie in den Hochalpen, wenn auch aus recht verschiedenen Ursachen, nur über eine kurze Vegetationsdauer verfügen und dies dazu noch bei allerdings oft enbliger ^[richtig: nebliger], an absoluter Feuchtigkeit aber doch recht armer Atmosphäre.
Betrachten wir das alpine Gebiet mit Bezug auf die in ihm vorkommenden Pflanzenarten in seiner Gesamtheit, so fällt uns sofort auf, dass ihm jede Einheitlichkeit fehlt und dafür eine Verschiedenartigkeit vorherrscht, zu deren
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Verständnis uns die geologische Entwicklungsgeschichte unseres Landes und dessen heutige topographischen und klimatologischen Verhältnisse den Schlüssel geben.
Eines der am besten gestützten Hauptgesetze der Pflanzengeographie ist der Satz, dass sich die den verschiedenen Gebirgen eigentümlichen Höhentypen der Pflanzen auf Kosten der am Fusse der Gebirge lebenden Arten entwickelt haben. Nun beherbergen auch die Alpen eine gute Anzahl von Pflanzenformen, deren nächste Verwandten in keinem der unmittelbar angrenzenden Gebiete mehr angetroffen werden. Es trifft dies - um nur einige Jedermann bekannte Arten zu erwähnen - insbesondere zu für das Edelweiss, die Alpenrosen und verschiedene Tragantarten.
Während sich der subalpine Wiesenteppich aus einer ziemlich beschränkten Anzahl von Pflanzen der Tiefe zusammensetzt, die allen Ebenen des zentralen Europas gemeinsam sind, und mit ihrem Ansteigen bergwärts bloss an Grösse des Wuchses einbüssen, sind die nächsten Verwandten der weitaus grössten Zahl sowohl der eigentlich alpinen als auch der für die Tiefenregionen bezeichnendsten Formen entweder in der circumpolaren Region und in den Gebirgen von N.- und W.-Asien, oder aber im Mittelmeerbecken und sogar in den asiatischen Steppen zu finden.
Die heutigen Lebensbedingungen allein können solche merkwürdige Analogien und räumlich so weit auseinanderliegende Verwandtschaften durchaus nicht rechtfertigen; dagegen wird dies Verhalten verständlich, sobald wir uns die ganz besonderen Verhältnisse vergegenwärtigen, die die durch fortschreitende Abnahme der mittleren Wärme bedingte einstige mächtige Ausdehnung der Gletscher geschaffen hatte.
Die voreiszeitlichen Alpen mussten zweifellos von Pflanzenformen bewohnt gewesen sein, die sich zwar an die durch die Höhenverhältnisse geschaffenen Lebensbedingungen angepasst hatten, deren nächste Verwandten aber doch überall in den benachbarten anliegenden Gebieten zu finden gewesen sein mussten. Verschiedene solcher tertiären Formen sind uns denn auch in manchen miocänen und pliocänen Ablagerungen des schweizerischen Molasselandes (s. diesen Art.) erhalten geblieben, besonders immergrüne Bäume und Sträucher, die grosse Aehnlichkeiten mit der heutigen Flora von Japan verraten.
Als die eiszeitlichen Gletscher unser Land überfluteten, ging die weitaus grösste Anzahl dieser tertiären Formen zu Grunde, während ein kleinerer Teil derselben nach S. zurückgedrängt wurde, wo sie sich dann zu den Stammformen eines beträchtlichen Prozentsatzes der heutigen mediterranen Arten entwickelten. Nach dem Rückzuge der Gletscher, den wieder eine allgemeine Wärmezunahme veranlasste, eroberten sich mehrere dieser Arten das alpine Gebiet durch Aufwärtswandern in den Thälern der Rhone und des Po neuerdings zurück. Diesen typisch mediterranen Arten gehören an die Zistrosen und Baumheiden der Tessiner Alpen, der Mömpelgarder Tragant (Astragalus monspessulanus), die Raute (Ruta graveolens) der Granatapfel, die Mandel, Feige u. a.
Ebensowenig kann die bereits erwähnte asiatische Verwandtschaft bestritten werden, wenn sie auch auf verwickeltere Ursachen zurückzuführen ist. Sie erklärt sich zum Teil durch die grosse Einförmigkeit, die zu Ende des Tertiärs die Flora der grossen Bergketten der nördlichen Halbkugel auszeichnen musste und die von den durchgreifenden geologischen Veränderungen der Erdoberfläche zerstört worden ist. Gleichsam als Zeugen der einstigen Zusammengehörigkeit haben sich dann noch einige Arten erhalten, die in ihrer heutigen sporadischen Zerstreuung und geographischen Verbreitung aber zu sehr ohne alles Gesetz verteilt sind, als dass ihr gleichzeitiges Auftreten in derart weit auseinanderliegenden Gebieten sich durch eine zufällige Ausbreitung (etwa durch den Wind) erklären liesse. Als klassisches Beispiel dieser Arten von getrenntem Verbreitungsbezirk nennen wir die Pleurogyne carinthiaca, einen kleinen Alpenenzian, der vereinzelt im Altai, Ural, Kaukasus, in Kärnten und an 3-4 Standorten in den Alpen gefunden worden ist.
Ausser diesen Arten, deren nächste Verwandten in den asiatischen Gebirgen zu suchen sind, gibt es eine Anzahl von auf warme und trockene Lokalitäten unserer Alpen beschränkten Formen, die blos in den asiatischen oder südrussischen Steppen mit Sicherheit wieder nachgewiesen worden sind. Es trifft dies zu für Astragalus alopecuroides, Bunias orientalis und ganz besonders für das Edelweiss, das in Sibirien ganze Wiesen bildet und dort mehr als 30 cm hoch wird.
Endlich haben wir auch noch von circumpolaren Typen gesprochen; die bezeichnendsten derselben sind Silene acaulis, Dryas octopetala, Saxifraga oppositifolia, aizoïdes und stellaris, Erigeron alpinus, Azalea procumbens, Myosotis alpestris, Polygonum viviparum, Salix retusa und herbacea, Phleum alpinum, Poa alpina, Juniperus nana.
Man nimmt an, dass zur Zeit der grossen Vergletscherungen die Flora der alpinen Moränen, die mit diesen bis nach Mitteldeutschland gewandert sei, dort mit derjenigen der nördlichen Gebiete, deren weitestes Vorrücken nach Süden in die nämliche Epoche fiel, habe in Verbindung treten können. Beweise für diese vermutete Mischung von arktischen und alpinen Typen liefern uns die in den meisten Torflagern von Centraleuropa erhaltenen pflanzlichen Ueberreste.
Um aber die zahlreichen Aehnlichkeiten zwischen arktischer und alpiner Flora zu erklären, brauchen wir diese gegenseitige Annäherung nicht einmal anzuziehen. Es genügt hiefür die Betrachtung, dass ein grosser Prozentsatz der arktisch-alpinen Formen seine Beiden gemeinsamen Verwandten in im nördlichen und westlichen Asien vertretenen Typen besitzt. Wenn wir ausserdem noch beifügen, dass dieser Prozentsatz von arktisch-alpinen Formen abnimmt, je weiter nach Süden oder nach Osten gelegene Gebirgsketten wir untersuchen, so bestätigt sich wiederum unsere Annahme von der in Bezug auf Verteilung der Pflanzenarten von der Eiszeit gespielten Rolle.
Nachdem wir den verschiedenen Ausgangspunkten unserer heutigen alpinen Flora gerecht geworden, erübrigt uns noch, auch ihrer sicher endemischen Formen kurz zu gedenken.
H. Christ (Pflanzenleben der Schweiz, S. 285 f.) sagt hierüber Folgendes: «Die endemische Alpenflora unterscheidet sich nun von der alpin-nordischen dadurch, dass erstere weit vorherrschend aus trockenen Felsenpflanzen, letztere aus Wasser- und Moorpflanzen besteht. Bei den alpinen Arten steht ein Sechsteil von Pflanzen der nassen Standorte fünf Sechsteln von solchen gegenüber, welche den Fels oder den trockenen Rasen bewohnen. Und diese Mehrheit enthält gerade die bezeichnendsten Alpenarten.» Wir nennen die schaftlosen Androsace, die Felsenprimeln, verschiedene Potentillen und Steinbreche, die Mehrzahl der Enziane, Glockenblumen, Rapunzeln, Schafgarben, Habichtskräuter und Hauswurze trockener Lagen.
«Es steht fest, dass die wärmere und trockenere Alpenkette vorzugsweise solche Arten erzeugt hat, die sich zur Besiedelung derjenigen Oertlichkeiten eigneten, welche den nordischen nicht entsprachen, und dass diese hinwieder dem Wasser folgten und die trockenen Gebiete den endemischen Arten überliessen...»
Diese allgemeine Auseinandersetzung über die beträchtliche Rolle, die die geologischen und klimatologischen Faktoren in der Zusammensetzung der alpinen Flora gespielt haben, war zur Erklärung der grossen ihr heute eigentümlichen Verschiedenartigkeit und besonders auch ihrer merkwürdigen Verwandtschaftsverhältnisse zur Flora so gänzlich anderer und räumlich von ihr weit getrennter Gebiete durchaus notwendig.
Es ist in den Alpen nicht immer möglich, die verschiedenen Florengebiete mit der orographischen Gliederung in Einklang zu bringen. Da die Flora hauptsächlich vom Klima abhängt, müssen wir in dieser Beziehung unser Augenmerk eher auf die Thäler als auf die Bergketten richten. So entsprechen das insubrische Seengebiet, die Thäler der Rhone und des Rheins, das Engadin ebensovielen natürlichen, scharf gesonderten Florengebieten, die in den Artikeln Tessin, Wallis, Waadt, Graubünden, Engadin beschrieben werden sollen.
Leichter schon kann bei den nördlichen Hochalpen die orographische Einteilung auch für unsere Zwecke verwendet werden, und es wäre wohl möglich, in dieser Beziehung z. B. die Gruppen des Wildhorns, des
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Finsteraarhorns und der Damma je einzeln für sich zu betrachten, da sie in ihrem geologischen Bau wie in ihren respektiven Abweichungen gegenüber andern Florengebieten jede ihre besonderen Eigentümlichkeiten aufweisen. Im Gegensatze dazu bilden - so lange man sich auf die allgemeinen Züge beschränkt - die östlichen Teile der Schweizer Alpen (die Glarner Alpen im weiteren Sinne) eine schwierig zu gliedernde floristische Unterabteilung.
Nördliche Hochalpen. Im Ganzen genommen weist die Nordflanke dieser Ketten gegenüber ihrer Südflanke eine grosse floristische Armut auf. Ob man die Gemmi, Grimsel oder den Gotthard überschreitet, immer wird man eine Anzahl von Arten antreffen, die sich nur durch blossen Zufall über den die Grenzlinie bildenden Grat der Ketten nach Norden verirrt haben. Es ist bereits von verschiedenen Botanikern betont worden, dass die im allgemeinen steil nach Süden abfallenden nördlichen Hochalpen gleichsam eine sich der Einwanderung südlicher Arten entgegenstellende unüberwindliche Schranke bilden. Diese Schranke ist aber mehr nur eine klimatische, als eine orographische, da in den zahlreichen sich nach Norden öffnenden Querthälern ohne Zweifel manche jetzt fehlenden Typen hätten Fuss fassen können, wenn hier an Stelle der häufigen Niederschläge dasselbe trockene Klima, wie in den Thälern der Südseite vorherrschen würde.
So wie dieses feuchte Klima einerseits eine grosse Anzahl von Arten ausschloss, hat es anderseits wiederum die Verbreitung anderer, und gerade für die Alpweiden dieser nördlichen Gebiete bezeichnender Arten gefördert. Wir nennen die Alpen-Akelei (Aquilegia alpina), den hohen Rittersporn (Delphinium elatum), den Alpenklee (Trifolium alpinum), das langgespornte Veilchen (Viola calcarata), den fünfblätterigen Frauenmantel (Alchimilla pentaphylla), die schneeweisse Trichterlilie (Paradisia Liliastrum), den ährigen Beifuss (Artemisia spicata), das Iva-Kraut (Achillea moschata), die grossblätterige Schafgarbe (Achillea macrophylla); ferner Phaca australis, Gaya simplex, Saxifraga caesia und aspera, Aronicum Clusii, Pedicularis rostrata u. tuberosa. Veronica saxatilis, Erinus alpinus u. s. f.
Zu diesen überall in unserem Gebiet verbreiteten Arten gesellen sich im Westen, Centrum und Osten noch verschiedene, den unmittelbar benachbarten Gebieten im Süden entlehnte Formen. So weist der am weitesten nach Westen vorgeschobene Teil, die Alpen der Waadt, eine ganz beträchtliche Anzahl von südlichen und westlichen Arten auf, die sonst überall fehlen: Androsace carnea und pubescens, Valeriana Saliunca, Sedum Anacampseros, Sisymbrium pinnatifidum, Crepis pygmœa, Viola Thomasiana, Geranium lucidum, Hieracium longifolium und aurantiacum, Eryngium alpinum, Saussurea depressa, Dracocephalum Ruyschiana, Ranunculus Thora und parnassifolius, Anemone baldensis, Astragalus depressus und aristatus u. s. f. Alle diese von den Alpen Savoyens bis zur Saane verbreiteten Arten fehlen weiter nach Osten völlig.
Eine beschränkte Anzahl von Arten des Wallis sind über die Pässe der Berner Alpen nach Norden vorgedrungen: über den Sanetsch Crepis pygmœa und Saxifraga cernua;
über den Rawyl Carex ustulata, Crepis pygmœa, Linnea borealis;
auf der Grimselpasshöhe haben sich kleine Kolonien von Anemone baldensis, Ranunculus parnassifolius, Lychnis alpina, Salix caesia und Myrsinites, Crepis pygmœa, Alsine laricifolia und Oxytropis lapponica angesiedelt;
am Finsteraarhorn finden sich Salix glauca, Oxytropis lapponica, Potentilla frigida, Phyteuma Scheuchzeri, Alsine laricifolia, Woodsia hyperborea;
über die Grimsel ins obere Aarethal Salix glauca und Myrsinites, Androsace tomentosa, Pinguicula grandiflora, Potentilla frigida, Phaca alpina.
Die rein östlichen Arten Rumex nivalis, Primula integrifolia und Saxifraga stenopetala kommen in den Berner Alpen nur ganz vereinzelt vor.
Das Gadmen- und Haslethal besitzen wie die Thäler des obern Reussgebietes eine Anzahl von Arten Tessiner Ursprungs, wie z. B. Sesleria disticha, Eritrichium nanum, Saxifraga Seguierii, Tofielda palustris, Bupleurum stellatum, Asplenium Breynii, Polygonum alpinum, Saxifraga Cotyledon, Cirsium heterophyllum, Erigeron Villarsii, Achillea nana, Senecio incanus, Dianthus vaginatus u. s. f.
Das Vorhandensein einer so grossen Anzahl von transalpinen Pflanzen in den obern Becken der Aare und Reuss beruht ohne Zweifel zum grossen Teile auf der Wirkung des Föns, der nicht nur die Wärme merkbar steigert, sondern auch in starkem Masse zur Vermehrung der Niederschläge beiträgt und somit dem Klima der unter seiner Herrschaft stehenden Teile des Alpengebietes einen ausgesprochen südlichen Charakter verleiht.
Mit Ausnahme des der wohltätigen Wirkung des Föns besonders ausgesetzten Urserenthales ist die Flora der Urner Alpen im Uebrigen eine sehr arme.
Oestlicher Abschnitt (Glarner Alpen). Diese Abteilung der nördlichen Hochalpen weist keinen nach Süden gerichteten Passübergang auf, der so tief eingeschnitten wäre, dass er einer grössern Anzahl von südlichen Arten als Einfallspforte dienen könnte. Es ist daher nicht auffallend, dass dieses beinahe völlig nur nach Norden offene Gebiet eine arme Flora aufweist, die - wenigstens in den höchsten Teilen - noch nicht einmal an diejenige der Berner oder Urner Alpen heranreicht. Häufiger finden sich die interessantesten Arten dieses Abschnittes der nördlichen Ketten in den Graubündner Alpen.
Wir heben hervor Potentilla frigida, Pleurogyne carinthiaca, Viola cenisia, Saussurea alpina und discolor, Primula integrifolia, Daphne striata, Aronicum glaciale, Leontodon incanus, Campanula cenisia, Gentiana obtusifolia, Ranunculus pyrenaeus, Saxifraga biflora, Seguierii, stenopetala und planifolia u. s. f.
Die Mehrzahl der hier vorkommenden rein südlichen Formen hat nur an den günstigst gelegenen Teilen der südlichen Hänge Fuss fassen können, so Callianthemum rutaefolium, Erigeron Villarsii, Dracocephalum Ruyschiana, Ranunculus parnassifolius etc.
Im Ganzen genommen hängt die relative Armut der Flora des Nordabfalles der nördlichen Hochalpen mit dem im Allgemeinen kalten und feuchten Klima seiner eingeengten und in den obern Teilen isolierten Thäler zusammen.
Nördliche Kalkalpen. Die dem Nordrand der Schweizer Alpen angefügten vielen kleineren Ketten und Gipfel geniessen im Allgemeinen dank ihrer vorherrschend kalkigen Beschaffenheit und auch ihrer orographischen Aufgeschlossenheit in floristischer Hinsicht ganz besonderer Vorzüge. Wenn auch die in den krystallinen Alpen weitaus überwiegenden kieselsteten Arten hier fast fehlen, so treffen wir doch an manchen günstigen Standorten noch eine ziemlich beträchtliche Anzahl von südwestlichen und sogar rein südlichen Formen.
Von den erstern wollen wir anführen Ranunculus Villarsii, Arabis serpyllifolia, Linum alpinum, Cephalaria alpina, Aposeris fœtida, Narcissus radiiflorus, Betonica hirsuta, Pedicularis Barrelierii, Androsace pubescens.
Andere, nicht mehr ausgesprochen westliche Arten sind dafür für die nördlichen Kalkalpen besonders kennzeichnend, wie Valeriana saxatilis, Papaver alpinum, Draba incana, Saussurea depressa, Centaurea rhaponticum var. helenifolium, Crepis alpestris, Coronilla vaginalis, Viola lutea, Hieracium aurantiacum, Oxytropis Halleri, Juncus Hostii.
Die merkwürdigsten Arten dieser Zone sind Draba incana und Carex vaginata, die jede nur von zwei oder drei Standorten bekannt sind (Säntis, Stockhorn, Schwabhorn), ganz besonders aber die Cochlearia officinalis, die im Norden so gemeine Strandpflanze, die in unsern Alpen aber nur in zwei oder drei kleinen Kolonien auftritt (beim Schwefelberger Bad und am Ganterist). Zum Schlusse wollen wir noch die Gentiana pannonica nennen, die in der Schweiz nur an einer einzigen Stelle in den Churfirsten vorkommt.
Flora der Zone der nördlichen Randseen.
Noch mehr als ihre umliegenden Berge besitzen die Uferregionen der verschiedenen Seen am Nordrand der Alpen eine Flora, deren bezeichnendste Einzelformen für gewöhnlich südlich der Alpen zu Hause sind. Es ist dies die Folge der bevorzugten klimatischen Verhältnisse dieser Seen, die aus der ausgleichenden Wirkung ihrer Wassermasse, der geschützten Lage ihrer Ufer und ganz besonders dem beträchtlichen Einfluss des Föns resultiert. Am begünstigtsten sind die Ufer des Vierwaldstättersees, die eine gewisse Analogie mit dem insubrischen Gebiete nicht
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verkennen lassen. Der Kastanienbaum bildet hier ganze Wälder, in denen wiederum die Mehrzahl der ihn gewöhnlich begleitenden Arten anzutreffen ist. Wir nennen nur die bezeichnendsten:
Helleborus viridis, Helianthemum Fumana, Geranium sanguineum, Staphylaea pinnata, Evonymus latifolius, Rhamnus alpina, Sarothamnus scoparius, Inula Vaillantii, Carpesium cernuum, Artemisia absinthium, Achillea tanacetifolia, Leontodon pseudo-crispus, Sedum hispanicum, Echinospermum Lappula, Linaria Cymbalaria, Primula acaulis, Calamintha nepetoïdes, Daphne Laureola, Colutea arborescens, Coronilla Emerus, Vicia Gerardi, Helosciadium repens, Asperula taurina, Galium lucidum, Galium rubrum, Juniperus Sabina, Tamus communis, Allium carinatum, Allium sphaerocephalum, Allium fallax, Lilium bulbiferum, Hemerocallis fulva, Carex humilis, Stipa pennata, Selaginella helvetica, Asplenium Adiantum nigrum, Ceterach officinarum.
Alle diese Pflanzen sind von ausgesprochen südlichem Habitus.
Obwohl vom Walensee wenig mehr beeinflusst, besitzen doch auch das Linththal und die niederen Teile des Kantons Glarus ihre südlichen Arten:
Echinospermum Lappula, Hippophaë rhamnoïdes, Coronilla Emerus, Juniperus Sabina, Hemerocallis fulva, Lilium bulbiferum, Asperula taurina, Sedum hispanicum.
Im Gegensatz hierzu liegt um die Seen von Thun und Brienz eine kältere Zone, die ihren Einfluss bis in die untern Teile des Simmen- und Kanderthales geltend macht. Die Kastanie gedeiht hier nicht mehr. Trotzdem sind aber auch hier die südlichen Arten keineswegs selten, indem wir treffen:
Helianthemum Fumana, Rhamnus alpina, Coronilla Emerus, Vicia Gerardi, Vicia hirsuta, Sedum maximum, Rosa sepium, Bupleurum falcatum, Asperula taurina, Inula Vaillantii, Carpesium cernuum, Crepis nicœensis, Linaria Cymbalaria, Cyclamen europaeum, Daphne alpina, Parietaria erecta, Aceras anthropophora, Tamus communis, Lilium bulbiferum, Hemerocallis fulva, Cyperus longus, Carex gynobasis, Stipa pennata, Asplenium Adiantum nigrum.
Sogar an den Ufern des kleinen Sarner-Sees gedeihen noch zwei dem übrigen Teil des Gebirges fremde Arten: Cyperus longus und Eragrostis pilosa.
[Dr Paul Jaccard].
F. DIE TIERWELT.
Nach dem Wechsel des Pflanzenbestandes in erster Linie werden die Hügel-, Berg-, Alpen- und Schneeregion der Alpen als aufeinanderfolgende Höhenstufen auseinander gehalten. In der That ist er in die Augen springend, wenn wir unsere Schneeberge von einem nicht zu fernen Standpunkt aus betrachten, trotzdem es geradezu unmöglich ist, die jeweiligen Grenzlinien zwischen den genannten Regionen mit Genauigkeit anzugeben. Der Uebergang von einer zur andern vollzieht sich eben nur ganz allmälig.
Dass diese Unterscheidung und Abgrenzung hinsichtlich der tierischen Bewohner der Alpen noch weit grössere Schwierigkeiten darbietet, hat seinen Grund in ihrer Beweglichkeit. Sie gestattet ihnen, nach Bedürfnis den Standort zu verändern, zusagendere Existenzbedingungen aufzusuchen. Bei vielen Arten sind diese Wanderungen nicht sehr gross, sie bewohnen ständig dasselbe mehr oder weniger eng begrenzte Gebiet;
andere sind durch den Nahrungsmangel während des Winters gezwungen, aus den Höhen in das Thal hinab zu steigen oder nach benachbarten wärmeren Gegenden zu ziehen;
beim Eintritt der günstigeren Jahreszeit treten sie die Rückreise an;
dritte endlich legen aus dem gleichen Grunde regelmässig länderweite Wanderungen zurück.
Darnach unterscheidet man in der Vogelwelt, bei der diese Erscheinungen in grossartigster Weise zu Tage treten, Stand-, Strich- und Zugvögel. Haben wir bei diesen vorzugsweise den Hunger als treibende Kraft anzusprechen, so liegt sie bei den periodischen Wanderungen vieler Fische in der Fürsorge für die Nachkommenschaft. Sie suchen geeignete Laichplätze auf, um nach der Ablage der Eier wieder an ihre früheren Aufenthaltsorte zurückzukehren.
Wie für die Pflanzen, so lässt sich auch bei den tierischen Bewohnern der Alpen eine mit der grössern Höhe steigende Abnahme nach Arten- und Individuenzahl als allgemeines Gesetz aufstellen. Immerhin kann es nur im grossen Ganzen Gültigkeit beanspruchen; denn gewisse Gebiete in bedeutender Höhe weisen oft ein viel intensiveres Tierleben auf als solche in der Niederung.
Diese Uebereinstimmung ist die Folge des Wechselverhältnisses zwischen Tier- und Pflanzenwelt. Direkt oder indirekt ist jene auf diese angewiesen, da die Pflanzen die chemischen Laboratorien darstellen, in denen die Nahrung für die Tiere erzeugt wird. So sind die Pflanzenfresser unmittelbar, die Fleischfresser durch diese letztern von den Pflanzen abhängig. Pflanze und Tier sind zwei notwendige Glieder in dem grossen Kreislaufe des natürlichen Stoffwechsels.
Als Ausfluss dieser innigen Wechselbeziehung ergibt sich, dass die Stellen reichster Entfaltung der Pflanzenwelt, die Wälder, auch das reichste tierische Leben zur Entwicklung bringen. Sie bieten ausser einem reich gedeckten Tisch auch eine grosse Anzahl schützender Schlupfwinkel.
Aber nicht nur die Ortsveränderungen der Tiere erschweren die Charakteristik der einzelnen Regionen nach ihrer Fauna. Diese muss gegenüber derjenigen nach der alpinen Flora auch darum im Rückstand bleiben, weil sie viel weniger erforscht ist. Das tierische Leben ist ungleich mannigfaltiger, spielt sich zumeist im Verborgenen ab und entzieht sich der Beobachtung. Die Schwierigkeiten, die dem Eindringen in das tierische Leben entgegenstehen, sind also weit grösser als in dem leichter übersehbaren Gebiet der Pflanzenwelt.
Dieser Mangel an Beobachtungstatsachen macht sich namentlich fühlbar bei den niedern Tieren. Die höhern Tiere und unter ihnen die Säuger und Vögel reizten viel eher zum Studium ihrer Lebensweise, weil sie meist durch ihre Grösse oder ihr Gebahren auffallen und ein hervorragendes wirtschaftliches Interesse beanspruchen. Von den Wirbellosen sind verhältnissmässig gut bearbeitet die Klassen der Weichtiere (Schnecken und Muscheln) und der Gliedertiere, während für die Würmer mit ihren verschiedenen weit auseinander gehenden Ordnungen (Ringel-, Faden-, Schnur-, Plattwürmer u. s. w.) und für die Welt der Einzelligen erst bescheidene Anfänge vorliegen.
Wie gross der zu bewältigende Reichtum an tierischen Formen ist, erhellt am besten aus einigen statistischen Daten. Vergleichsweise sei erwähnt, dass die ganze Schweiz etwa 2500 Gefässpflanzen zählt, während sie wohl gegen 15000 Tierarten beherbergt. Von letztern rechnet O. Heer allein auf den Kanton Glarus deren 5600; davon entfallen nach seiner Zählung auf die Wirbeltiere 213, die Gliedertiere 5000, die Weichtiere 100 und auf die Würmer 50. Zu den 5000 Gliedertieren gehören 1500 Käfer, 1000 Fliegen, je 800 Schmetterlinge und Hautflügler, je 100 Gerad- und Netzflügler, 300 Saugkerfe und eine kleinere Anzahl von Spinnen. An Wirbeltieren beherbergt die ganze Schweiz über 500, nämlich etwa 60 Säuger, 360 Vögel, 15 Reptilien, 14 Amphibien und etwa 50 Fische.
Nur allein an Käfern haben wir für dieses Gebiet über 4500 Arten in Anschlag zu bringen. Hervorzuheben ist, dass es für die vergleichende Betrachtung der verschiedenen Regionen nicht genügt, das Vorhandensein irgend einer Spezies an einem bestimmten Orte konstatirt zu haben, vielmehr sollte für jede das ganze Verbreitungsgebiet festgestellt sein, eine Forderung, die nicht für viele der Wirbellosen erfüllt ist. Für die Wirbeltiere dagegen ist die Faunistik zum mindesten in ihren grossen Zügen abgeschlossen.
Die Bergregion zeigt gegenüber den tiefern Lagen der Schweiz in ihrem Tierleben nicht sehr auffällige Abweichungen. Als wesentlichstes Merkmal ist eine nicht unbeträchtliche Reduktion desselben hervorzuheben, die darin sich zeigt, dass eine Reihe von Arten sich da nicht heimisch fühlen und nicht mehr vorhanden sind, oder dass sie hier die obere Grenze ihrer Verbreitung erreichen. Die Insektenwelt scheint allerdings in grösserem Individuen- und Artenreichtum sich zu entfalten. Doch ist diese Erscheinung mit dem Umstande in Zusammenhang zu bringen, dass die warme Jahreszeit gegenüber dem Flachland schon wesentlich verkürzt ist; es drängt sich in Folge dessen auf eine knappere Spanne Zeit zusammen, was in der Ebene auf eine Reihe von Monaten verteilt erscheint.
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Ausstrahlungen nach oben sind der Skorpion, der im Puschlav bis über 1000 m ansteigt, ferner die Mannazikade, die am Walensee ihren nördlichsten Standpunkt erreicht. Beide sind Einwanderungen aus dem Süden und darum in den südlichen Alpenthälern zu Hause. Andere Saugkerfe, die Blattläuse, decken in Kolonien von Hunderten und Tausenden die saftigsten Kräuter. Leichtbeschwingte Libellen schweben am Rande der Gewässer. Scharen von Bremsen, Mücken und Fliegen belästigen Mensch und Vieh, sonnen sich am steinigen Bachufer oder naschen in Blumen den Honig. In Unzahl bewohnen ihre Larven die Wasserlachen, Tümpel und Seen der Bergregion.
Bienen und Hummeln tragen emsig Honig ein. Dass die holzbohrenden Immenarten sehr häufig sind, beweisen die reich durchlöcherten Wände der Hütten und Stadel. Am Boden kriechen die behenden Ameisen so zahlreich wie im Thal. Käfer kriechen auf Raub aus oder suchen ihre Nährpflanzen heim. Der bekannteste dieser auf vegetabilische Kost angewiesenen Deckflügler, der Maikäfer, geht eigentümlicher Weise in den südlichen Alpen bloss bis 900 m, in Bünden dagegen 1800 m hoch. Bunte Schmetterlinge flattern von Blume zu Blume; gerade hier sind die farbenprächtigen Arten in grosser Individuen- wie Artenzahl vertreten. Wenn sie im allgemeinen nicht so sehr auffallen, so hängt dies damit zusammen, dass die Nachtfalter gegenüber den Tagschmetterlingen überwiegen. All' dies reiche Leben erlischt im Winter vollständig; höchstens dass eine kleine Wolfspinne noch auf dem Schnee ihr Wesen treibt.
Von Wassertieren wurde der Flusskrebs noch in Flims, 1120 m, der Blutegel in Tarasp, 1400 m hoch, gefunden; Flohkrebse bergen sich in Schaaren unter den Steinen in Bächen und Seen. Die Schwebefauna der stehenden Gewässer steht derjenigen der Seen im Thal an Reichhaltigkeit durchaus nicht nach. Sie könnten deswegen ebenso gut wie letztere einen Bestand von Edelfischen aufweisen, der allerdings nicht durchweg fehlt. Diese Beobachtungen über das Vorhandensein einer genügenden Menge niedriger Wassertiere in anscheinend leblosen Seen hat denn auch mancherorts zu gelungenen Versuchen der künstlichen Einfuhr von Fischen geführt. So werden dem Menschen immer mehr Gebiete nutzbar gemacht. Die fliessenden Gewässer sind wegen ihres grösseren Gefälles ärmer an Wassertieren als diejenigen der Ebene.
Trotzdem die Seen durchweg nur klein, die Flüsse reissend und die Flussgebiete beschränkt sind, treffen wir doch von Fischen immer noch etwa 20 Arten. Es sind von ihnen namhaft zu machen die Trüsche, die bis 750 m, der Hecht, der noch im Thalalpsee, 1100 m, vorkommt. Der Lachs steigt über den Walensee und in die Linth, also gegen 1000 m hinauf, und im Ober-Engadin erreicht die Forelle ihren höchsten Standort mit 2400 m. Diese Angaben bezeichnen allerdings, wie bereits berührt, nicht die obere Grenze des Fortkommens dieser Tiere, da sie sich noch in höher gelegenen Wasserbecken ganz wohl halten liessen.
In welchen Schaaren die Kaulquappen oft die Tümpel und seichten Uferzonen der Seen beleben, ist jedem Alpenwanderer bekannt. Der Wasser- und Grasfrosch sind eben auch hier recht häufige Tiere. Der Laubfrosch ist als Seltenheit zu bezeichnen und der Springfrosch eine Eigentümlichkeit der südlichen Alpenthäler, in die er aus wärmern Gegenden eingewandert ist. Es fehlen ferner nicht verschiedene Kröten, so namentlich die interessante Geburtshelferkröte, so genannt, weil die Männchen die von den Weibchen gelieferten Eischnüre um die Hinterbeine wickeln, etwa 10—20 Tage vergraben in der Erde zubringen und erst dann mit ihnen ins Wasser gehen, wo die Jungen auskommen.
Ihre nächtliche Lebensweise und ihr verborgener Aufenthalt in Erdgängen bringt es mit sich, dass sie nur selten beobachtet werden. Sie findet sich noch im Kanton St. Gallen und wurde auch im Oberhaslethal konstatirt. Die veränderliche Kröte ist nur in den südlichern Teilen zu Hause. Von Schwanzlurchen verdienen der gefleckte und schwarze Salamander, welch letzterer höher hinauf steigt als jener, und die wasserbewohnenden Tritonen Erwähnung.
An Eidechsen und Schlangen weist die Südschweiz wiederum einen grössern Reichtum auf als die nördlichen Gebiete; denn von erstern besitzt sie die Mauer- und die schöne grüne Eidechse, letztere 2—3 mal länger als die gemeine, beide bis 1300 m Höhe vorkommend. Während die Kreuzotter fast überall zu Hause ist, sind die giftige Redi'sche Viper, die unschädliche Äskulap- und die Würfelnatter südliche Arten.
Die Vogelwelt der montanen Region unterscheidet sich einmal dadurch von derjenigen des Flachlandes, dass die Zugvögel nur noch die Hälfte der Standvögel ausmachen, während hier die Zahl der erstern überwiegt. Dagegen ist die Zahl der Strichvögel bedeutend; von einzelnen, z. B. der Amsel und dem Edelfinken, verbleiben die Männchen an ihren Wohnsitzen, indes die Weibchen im Winter in die Thäler hinab gehen. Ein ferneres unterscheidendes Merkmal ist die viel geringere Artenzahl, die nur etwa auf die Hälfte der in der Ebene vorhandenen Arten sich beläuft. Es fehlen z. B. die Wasservögel, weil ausgedehnte Seen dem Gebiete abgehen.
Ein regelmässiger Bewohner der Bergseen ist einzig die Stockente. Eine Reihe anderer Schwimmvögel sind nur vereinzelte Erscheinungen. Sumpfvögel stellen sich in grösserer Zahl ein, so einige Reiherarten; dagegen ist der Storch selten zu treffen. Günstiger liegen die Verhältnisse für die Hühnerarten, denn von diesen finden sich als geradezu typische Formen das stattliche Ur- und das zierliche scheue Haselhuhn. Auch hier lässt der Kukuk seinen eintönigen Ruf erschallen, klopfen Spechte nach schädlichem Ungeziefer.
Finken, Meisen und Kehlchen sind reichlich vertreten. Die Raubvögel weisen dieselben Arten auf wie die Ebene mit ihren Eulen, Käuzen, Habichten, Falken, Bussarden. So ist an Vögeln überhaupt keine nur dieser Region zukommende Art zu verzeichnen. Dasselbe gilt bezüglich der Vierfüsser: von ihren Vertretern ist nicht einer für sie charakteristisch, und diese Einförmigkeit wird noch dadurch erhöht, dass die südlichen Gebiete gegenüber den nördlichen keineswegs begünstigt erscheinen.
Die 16 Fledermäusearten kommen vor bis 1500, die grosse Hufeisennase und die Alpenfledermaus sogar bis 1900 m. Von den Insektenfressern sind mit dem Igel, den Maulwürfen (2 Arten) und mehreren Spitzmäusen alle drei Familien vertreten. Als schlimme Räuber liegen auch hier ihrem Handwerk ob das Wiesel und der Hermelin, der Fischotter, der Dachs, Iltis, Marder, Fuchs und vereinzelt die Wildkatze. Von Nagern sind ausser Schafmäusen die Haus-, Wald- und Feldmäuse in verschiedenen Arten und das Eichhörnchen zu nennen. Zu den Seltenheiten gehören Reh und Hirsch; letzterer ist schon seit Jahren ausgerottet.
Charakteristischer und von ausgesprochenem Gepräge stellt sich die Alpenregion dar. Da der Jura kaum mehr in Betracht fällt, so macht sich für sie eine bedeutende Reduktion ihrer horizontalen Ausdehnung geltend. Noch entschiedener als in der Bergregion verkürzen sich die Sommer und verlängern sich die Winter. Die Strenge der letztern und die dichte Schneedecke nötigen einen grossen Teil der tierischen Bewohner, diese Jahreszeit in tieferen Lagen zu verbringen, wo ihnen mehr Nahrung zur Verfügung steht. Innerhalb der Region selbst bedingt die obere Waldgrenze eine tiefgreifende Aenderung in der ganzen Physiognomie des tierischen Lebens. Viele Arten überschreiten sie kaum oder nur ausnahmsweise; dies gilt in erster Linie für die zahlreichen Arten, die auch in den tieferen Lagen vorkommen und den überwiegenden Hauptbestandteil der alpinen Fauna ausmachen.
Wie die Flora so zeigt auch die Fauna einige typische Erscheinungen, die als Anpassungen an die eigenartigen Lebensverhältnisse aufzufassen sind. Namentlich ist es der strenge Winter, welcher der Tierwelt ein eigenartiges Gepräge verleiht. Viele niedere Tiere, so die erdbewohnenden Arten, sind gegen die Kälte durch die Schneedecke hinlänglich geschützt und bedürfen keiner weitern Hülfsmittel. Die meisten höhern Formen verbringen diese Jahreszeit im Thale oder wenigstens in der benachbarten Bergregion. Für diese Wanderungen, die im Sommer in der Höhe oft in grossem Masse nötig werden, wenn der Hunger oder Verfolger sie treiben, sind die Tiere mit einer verhältnismässig kräftigen Organisation ausgestattet; so die Gemse, der Steinbock. Mehrere Mäuse, das Murmeltier, der Dachs und der Bär, sodann ein ganzes Heer von Insekten und anderen Wirbellosen brauchen den Winter
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über keine Nahrung, weil sie ihn schlafend zubringen. Für alle Tiere dieser Region ist es von grösster Wichtigkeit, den kurzen Sommer möglichst ausnützen zu können, daher sehen wir, wie das Eileben abgekürzt, die Verwandlungszeit dagegen in den Winter verlegt u. verlängert wird; so die Insekten; die Alpenreptilien gehen in dieser Richtung noch weiter: sie sind lebendig gebärend, während ihre Verwandten im Thale sämtlich Eier legen. Bei den Käfern tritt häufig Flügellosigkeit auf; sie entgehen dadurch der Gefahr, von Winden in unwirtliche Gebiete verschlagen zu werden oder selber zu verfliegen.
Bei ihnen mehr als bei den Schmetterlingen, die nicht selten noch bunte Flügelzeichnungen aufweisen, tritt fast durchweg dunkle Färbung auf, auch bei denjenigen Arten, deren Verwandte in der Ebene durch prächtigen Metallglanz sich auszeichnen (Laufkäfer). Gegen die Unbill der Witterung schützen sich die höhern Tiere durch ein sehr dichtes Haar- oder Federkleid, und einzelne von ihnen, so der Alpenhase, vertauschen mit dem eintretenden Winter ihr dunkles Sommergewand gegen ein weisses Kleid, das sie gegen Nachstellungen sichert.
Die Bewohner der kleinen Alpenseen und Tümpel, alles Vertreter der niedern Tierwelt aus den Ordnungen der Platt-, Faden- und Ringelwürmer, der Gliedertiere (Krebse, Insektenlarven), der Weichtiere (Schnecken und Muscheln), stehen wohl an Artenzahl, jedoch durchaus nicht an Menge der Individuen gegen denen der grösseren Wasserbecken der ebenen Schweiz zurück. So fanden sich auf der Mürtschenalp, 1650 m, in 60 cm3 Schlamm und Wasser eines Bächleins 160 Borsten-, viele Fadenwürmer, zahlreiche Müschelchen (Pisidium) und Insektenlarven.
Dass übrigens auch der Boden ein ungemein reiches Leben bergen kann, beweist eine Zählung von Cresta im Avers, 1900 m; darnach sind dort auf 1 m2 Wiesenfläche als Bestandteile der Bodenfauna gegen 2000 Regen- und 80000 kleine Borstenwürmer zu rechnen. Jene kommen im Bündnerland noch in 2600 m Höhe vor, wurden sogar im Wallis bis 3200 m beobachtet. Die Schnecken treten sehr zurück, eine Vitrina steigt bis 2400 und eine Helix bis 2300 m, das vorerwähnte Müschelchen, Pisidium, bis 2200 m Höhe an.
Die Gliedertiere zeigen meistens die auch in der Ebene vorkommenden Arten; anderseits macht sich eine bedeutende Differenz in dieser Fauna zwischen den nördlichen und südlichen Gebieten geltend; Spinnen sind immer noch recht häufig und es tummeln sich Heere der verschiedensten Insekten, die sehr oft in ungemeiner Individuenzahl auftreten. Saugkerfe und Libellen treten nach oben sehr zurück oder fehlen ganz, dagegen sind die Fliegen immer noch in Menge vorhanden; so fehlt auch die Stubenfliege nicht.
In den vielen Wasserlachen, Tümpeln und Seelein haben ihre Larven eine grosse Auswahl günstiger Gelegenheiten für die Entwicklung. Von Hartflüglern konstatirte Heer in den Glarnerbergen zwischen 1800 und 2300 m noch 40 Spezies; überall sind Felsen- und Erdhummeln häufig, die bis 2400 m Höhe Blütenstaub und Honig eintragen. Noch weiter oben treffen wir nicht selten Ameisen. Die vielen Missbildungen an Weiden und Alpenrosen beweisen, dass Gallwespen durchaus nicht selten sind.
Unter den Schmetterlingen überwiegen die Tag- gegenüber den Nachtfaltern, da sie mehr als die Hälfte ausmachen, während im Thal auf eine Art der erstern 6 der letztern zu rechnen sind. Vielfach entbehren sie des bunten Farbenschmuckes, wie auch die Käfer fast durchweg braune oder schwarze Färbung tragen. Ob die lange Winterruhe in dunkeln Verstecken, das Bedürfnis nach Wärmeaufnahme oder nach einer schützenden Tracht hiefür als Ursache in Anspruch zu nehmen sind, bleibt weitern Untersuchungen zu ergründen übrig.
Die Holzfresser und Rüssler treten sehr zurück, ebenso die Wasserkäfer, wiewohl einzelne Arten noch bis 2000 m ihr Wesen treiben, während dagegen die Mist- und Raubkäfer sehr häufig sind. Interessant ist, wie die Verhältniszahl der letztern mit ⅔ gegen ⅓ Pflanzenfresser sich zu ihren Gunsten gestaltet. In der Ebene machen die räuberischen Arten bloss ⅓ die letztern die Hälfte der ganzen Artenzahl aus. Somit sind die Alpenpflanzen vor den Nachstellungen durch die Käfer sicherer als die im Thal. Ein Borkenkäfer ist diesem Gebiete eigentümlich, Bostrichus bi-tridentatus, der hauptsächlich die Arven und Lärchen heimsucht und nicht unter 1600 m gefunden wird. An Lärche und Fichte saugt ferner eine Rindenlaus, eine Chermes-Art. Dass und warum die Mehrzahl dieser Deckflügler des Fliegens unfähig ist, wurde bereits oben erwähnt.
Von Lurchen kommt der braune Grasfrosch noch häufig vor, an der Bernina sogar bis 2600 m. Die Fähigkeit, lange Zeit ohne Nahrung auszukommen, macht der gemeinen Kröte bis in die obern Gebiete der Alpenregion die Existenz möglich; bei günstiger Witterung ist ihr Tisch mit Kerbtieren dann allerdings reich gedeckt. Der Bergmolch ist nicht nur hier, sondern auch im Thal zu Hause;
der schwarze Salamander lässt sich durch den Regen verlocken, seine Schlupfwinkel auch am Tage zu verlassen. Er ist wie die Bergeidechse, die oft noch vorkommende Blindschleiche und die überall verbreitete giftige Kreuzotter, lebendig gebärend;
im Thale unten legen die letztern beiden normalerweise Eier;
erstere ist eine echte Gebirgsform.
Nur den südlichen Alpen kommt die Redi'sche Viper zu.
Dem Reichtum an Pflanzen und kleinem Getier verdankt eine verhältnismässig zahlreiche Vogelwelt ihr Dasein. Ein auffälliger Charakterzug derselben ist das Ueberwiegen der Standvögel, da die Zugvögel nur ungefähr ¼ ihrer Artenzahl ausmachen. Immerhin bewohnen nur wenige jahraus jahrein das gleiche Gebiet; es sind also zumeist Strichvögel, da sie im Winter in das Thal hinab gehen. Viele Thalbewohner steigen auch bis an die obere Holzgrenze hinauf und tragen viel zur Belebung der Bergabhänge bei.
Dass die Zugvögel beim Ueberschreiten der Alpen nur wenig sich bemerkbar machen, hängt zusammen mit ihren nächtlichen
Reisen, oder dann fliegen sie hoch oben in der Luft. Schlechte Witterung zwingt sie bisweilen zu kurzer Rast in der Alpenregion.
Von Arten, die für dieses Gebiet charakteristisch sind, können angeführt werden der Nusshäher, von
Drosseln die stattliche Ringamsel, einige Piegerarten, ^[Berichtigung: Pieperarten.] der grüngelbe hübsche Zitronenfink.
Die graue Bachstelze zeigt das Gebahren ihres Verwandten im Thale, die Alpenflühlerche, wie jene auf Insekten pirschend, nistet mit Vorliebe in Dickichten der Alpenrosen. Von Schwalben findet sich die Felsenschwalbe vor; sie hat hier ihren nördlichsten Standpunkt. Der Alpenmauerläufer, durch sein buntes Gefieder ausgezeichnet, steigt bis 3000 m hinauf. Auch die Hühner sind vertreten durch das farbenschillernde grosse Birk- und das nicht minder schöne Steinhuhn, die beide gerne das Alpenrosengestrüpp bewohnen. Hoch in den Lüften schweben der bald ausgerottete Lämmergeier, der grösste europäische Vogel, und noch häufiger der stattliche Steinadler.
Eine merkliche Abnahme erfahren die Vierfüsser. Von den Handflüglern fliegt am höchsten die Alpenfledermaus, nämlich bis 2300 m, die damit ihre Verwandten zurücklässt. Das Mardergeschlecht ist ebenfalls spärlicher vertreten als im Thale, und seine Zugehörigen, Marder, Iltis, Wiesel begegnen dem Jäger, wie der Fuchs, nur selten. In Wald und Weide finden die Wald- und Feldmäuse immer noch hinreichende Atzung; die Hausmaus bleibt auch da des Menschen treuer, wenn auch unerwünschter Begleiter.
Die Insektenfresser, wiewohl nur noch in den untern Gebieten zu Hause, haben in der Alpenspitzmaus eine diesen Höhen eigene Art. Der gemeine Hase wird ersetzt durch den Alpenhasen, der im Winter einen dichten weissen Pelz trägt. Namentlich charakteristisch sind aber das Murmeltier, dessen eigentliches Verbreitungsgebiet von 1300-2600 m sich erstreckt - bekanntlich kommt ihm ein langer Winterschlaf zu - und die Königin der Berge, die zierliche Gemse, die allerdings auch der letzten, der Schneeregion, angehört.
Während diese dank der überall eingerichteten Schonreviere immer noch in oft zahlreichen Rudeln die einsamen Gebirgshöhen belebt, ist der stattlichere Steinbock vollständig verschwunden. Dem Aussterben nahe sind der selten gewordene Luchs, der nur hie und da auftretende Wolf und der Bär, der sich vor dem Menschen in die unzugänglichsten und abgelegensten Thäler zurückgezogen hat. Im Süden und Osten der Schweiz hat er sich immer noch halten können und wird deswegen alljährlich in einigen wenigen Exemplaren erlegt. Sie alle gehören bald, wie Hirsch und Wildschwein, der Geschichte an.
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In der obersten, der Schneeregion, endlich prägt sich die Verflachung der Lebenswelle in ausgesprochenstem Masse aus; immerhin ist bloss ein Rückgang, nicht ein völliges Erlöschen zu konstatiren. Flora und Fauna verhalten sich in dieser Beziehung ganz gleich, d. h. der sehr reduzierten Pflanzenwelt entspricht ein spärliches Tierleben. Hier sind für beide die klimatischen Verhältnisse am ungünstigsten; ein wenige Monate dauernder von Frost und Schneegestöber unterbrochener Sommer wechselt in ewiger Einförmigkeit mit einem entsprechend verlängerten Winter ab. Der überwiegende Teil der Niederschläge besteht aus Schnee, der oft in donnernden Lawinen der Tiefe zustürzt.
Es ist klar, dass auch in diesen unwirtlichen Gebieten sich eine ganze Reihe von Besuchern von unten her einfinden, sei es dass sie in der schönen Jahreszeit bis dahin der Jagd obliegen oder der pflanzlichen Nahrung nachgehen, sei es dass sie durch Verfolger hinauf getrieben worden sind oder endlich die Beute eines Sturmes geworden sind, der sie hieher verschlagen hat. So werden häufig Fluginsekten der verschiedensten Ordnungen nicht selten auf dem Firn getroffen, die den tiefern Regionen entstammen und nun dem Tode verfallen sind. Solche freiwillige oder unfreiwillige Gäste stellen eine breite Verbindungsbrücke her zwischen der Fauna der nivalen und der weiter unten gelegenen Regionen. Doch sind sie immer mehr oder weniger zufällige Bestandteile der erstern, die weniger Interesse beanspruchen können.
Der niederen Tierarten, die in der Schneeregion ihren ständigen Wohnsitz haben, zählt man bereits über 30. Zu ihnen gehören über 2800 m 18 Insekten, 13 Spinnen und 1 Schnecke, Vitrina, die im Spätherbst auch im Flachland auftritt. ¾ dieser Tiere führen eine räuberische Lebensweise, ein ganz eigenartiges Verhältnis, das zum Teil darin seine Erklärung findet, dass die vorerwähnten Besucher aus tiefern Lagen ihnen als willkommene Beute anheimfallen. In den Glarneralpen wurden die obersten Spuren tierischen Lebens in 2900 m, in Bünden bei 3500 m konstatirt, in den südlichen Alpen steigt er noch höher. Dass die Spinnen noch in so grosser Anzahl vorhanden sind, ist ein Beweis ihrer grossen Lebenszähigkeit; sie sind auf tierische Kost angewiesen, während der Gletscherfloh, der mit Hülfe seiner Schwanzgabel auf den Firnfeldern herumhüpft, wahrscheinlich die in solchen Mengen vorkommende Schneealge als Nahrung wählt, dass sie den Schnee auf weite Strecken rot färbt. Alle diese nivalen Insekten sind von dunkler Färbung und nur wenige geflügelt.
Gegen die untere Grenze der nivalen Region steigert sich die Artenzahl sehr rasch, so dass wir hier schon ein Dutzend Schmetterlinge zu verzeichnen hätten, von denen nur drei auch den obern Teilen derselben angehören. Den grössten Bestandteil machen aber die Käfer, fast ausschliesslich Kurzflügler und Laufkäfer, aus.
Diesen Höhen gehören die Lurche nicht mehr an; die Bergeidechse und die Kreuzotter haben da ihre vorgeschobensten Stationen. Die hier vorhandenen Vögel sind ausnahmslos Standvögel. Zu ihnen gehören die rotschnäblige Stein- und die gelbschnäblige Schneekrähe, die meistens in grösseren Gesellschaften beisammen hausen. Das Geschlecht der Finken ist durch den Schneefinken vertreten, der am liebsten über der Waldgrenze nistet. In den Alpenrosenbüschen und zwischen dem Steingeröll leben die schönen Schneehühner; auch sie wissen ihr Kleid ihrer Umgebung anzupassen, indem es im Winter weiss, im Sommer braunfleckig wird, so dass sie nur geübten Jägeraugen auffallen.
Vielleicht der einzige Vierfüsser, der beständig in der Schneeregion lebt, ist die Schneemaus; gewiss muss sie sich während des Winters kümmerlich genug durchschlagen. Wohl alle anderen Säuger, die im Sommer da oben getroffen werden, verbringen die kalte Jahreszeit in tieferen Lagen, sind also mehr als Gäste dieser höchst gelegenen Gebiete anzusehen. Aus naheliegenden Gründen ist jedoch gerade das Winterleben ihrer tierischen Bewohner noch nicht genügend erforscht, so dass die Liste derselben noch eine, wenn auch wohl unbedeutende, Bereicherung erfahren dürfte.
(In vorzüglichster und erschöpfender Weise ist das ganze einschlägige Material behandelt in Frdr. von Tschudi, das Tierleben der Alpenwelt).
[Dr C. Bretscher].
G. WIRTSCHAFTLICHE VERHÄLTNISSE.
Das Gebiet der Alpen zeigt eine Reihe von Eigentümlichkeiten in der Waldwirtschaft, der Viehzucht und Alpwirtschaft, sowie in der Fremdenindustrie. Aber alles dies ist so eng mit den übrigen Teilen des Landes verbunden, dass es richtiger in den betreffenden Abschnitten des Artikels «Schweiz» behandelt wird.