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befriedigenden Erklärung spotteten, die aber wahrscheinlich im Zusammenhang unter einander stehen: exotische Blöcke, Klippen und Préalpes romandes.
Die exotischen Blöcke sind Bruchstücke fremdartiger, sedimentärer oder krystalliner Gesteine, von kleinen Geröllen bis zu über hausgrossen Blöcken, welche da und dort schwarmweise im Flysch eingebettet sind. Das berühmteste Beispiel dafür bietet das Habkernthal mit seinen merkwürdigen Granitblöcken. Die exotischen Blöcke stehen oft im Zusammenhang mit Bänken von Breccie, welche aus den gleichen Gesteinen bestehen und in den Flysch eingelagert sind; ebenso finden sie sich am häufigsten in der Nähe grösserer Gesteinsmassen von gleicher oder ähnlicher Zusammensetzung, welche ihrer Umgebung auch fremd sind, nämlich bei den Klippen.
Die Klippen bilden eine Reihe isolierter Berge: Roggenstock, Mythen, Buochserhorn, Stanzerhorn, Giswilerstöcke, welche alle hinter der nördlichsten Kreidekette, in einer Eocänmulde liegen. Sie bestehen aus Trias, Lias, Dogger und Malm; ihre Gesteine sind also viel älter als diejenigen der nördlich und südlich von ihnen liegenden Ketten. Die Klippengesteine sind aber auch von ganz andrer Fazies als die gleich alten, normalen Gesteine der nördlichen Kalkalpen. Dagegen stimmen Klippengesteine und exotische Blöcke vollkommen überein mit den südlichen Kalkalpen (Luganer Alpen) und mit den Ostalpen (mediterrane Fazies von Trias und Jura). Endlich ist auch nachgewiesen, dass die Klippen keine Wurzel nach der Tiefe haben, sie «schwimmen» auf dem Flysch.
Préalpes romandes und Chablaisgruppe (Profil 3). Bei Betrachtung der nördlichsten alpinen Ketten wurde oben das Stück westlich vom Thunersee ausser Betracht gelassen, weil sich hier ganz andre Verhältnisse zeigen. Anstatt der normalen ersten Kreidefalten finden sich da (Profil 3) an der Nordgrenze gleich mehrfach übereinander geschobene Falten aus allen Gesteinen von Trias bis Kreide. Die Fazies der Préalpes und der Chablaisgruppe stimmt wieder mit den Klippen, mit den Luganeralpen und Ostalpen überein, weicht aber stark ab von der helvetischen Fazies von Trias und Jura in nächster Nähe (Wildhorn, Wildstrubel etc.). Die Préalpes und die Chablaisgruppe haben auch keine Wurzel, sie schwimmen auch auf dem Flysch. Durch eocäne Mulden werden die Préalpes in mehrere Streifen geteilt, dabei ist fast immer die südlicher gelegene Partie mehr oder weniger auf die nördliche hinaufgeschoben.
Schneegebiet über 2500 m.
Berggebiet von 600-1200 m.
Hügelgebiet unter 600 m.
Exotische Blöcke, Klippen, Préalpes und Chablaiszone stimmen also in den Faziesverhältnissen überein; auch die Klippen zeigen Faltenbau mit Ueberschiebungen, soweit man das an diesen einzelnen Bergen noch konstatieren kann. Daher scheinen alle drei genetisch dasselbe zu sein und sich nur in den Dimensionen zu unterscheiden, und es ist für sie folgende einheitliche Erklärung aufgestellt worden: Beim Beginn der Alpenfaltung schob sich vom Südfuss der Alpen her eine grosse gefaltete Masse von Trias- bis Kreidegesteinen über den Flysch der noch wenig oder nicht gehobenen mittlern und nördlichen Teile hinweg und gelangte bis zu der Linie Bonneville (Arve)-Gruyères-Spiez-Habkern-Giswil-Mythen-Roggenstock. Unterwegs oder am Ende entstanden mehrfach Brüche in der Schubmasse und die südlichen Teile wurden auf die nördlichem teilweise hinaufgeschoben. Die Gesteine der Préalpes und der Klippen zeigen denn auch zahlreiche Spuren mechanischer Deformation.
Die Chablaiszone und die Préalpes blieben als zusammenhängende Ketten erhalten, nur von wenigen Querthälern durchschnitten. Die Klippen sind Erosionsreste, vereinzelte Berge, aus ähnlichen Ketten herausgeschnitten. Die exotischen Blöcke endlich sind einzelne Trümmer, welche während des Schubes sich loslösten und schwarmweise in den Flysch eingebettet wurden. Dass man südlich von der Zone der Klippen, auf den Alpen mit helvetischer Fazies, keine Fetzen der frühern Ueberschiebungsdecke mehr findet, erklärt sich durch die viel stärkere Erosion. Während und nach der grossen Ueberschiebung begann nämlich die normale Alpenfaltung; die «Nachzügler» der Schubmasse kamen in sehr bedeutende Höhen, wo die Erosion viel kräftiger arbeitete. Hier ist die Abtragung bis auf die archäischen Gesteine hinunter gegangen, die Ueberschiebungsreste also längst ¶
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abgetragen. Nur der Nordrand der Schubmasse blieb erhalten, weil hier die Erosion immer noch in Eocän und Kreideschichten arbeitet.
III. Gebirgsbildung und Erosion.
Die Falten der Alpen sind ungleich alt, wenn auch die Hauptfaltung ins Tertiär (Ende Eocän-Miocän) fällt. Die ältesten Falten sind die südlichsten, nach und nach haben sich nach N. immer neue vorgelagert, je weiter die Faltung ging. Die höchsten Falten sind die Zentralmassive, obschon sie viel stärker abgetragen sind als die nördlichen, jüngern Falten. Daraus folgt, dass bis jetzt die Erosion mit der Hebung des Gebirges durch Faltung nicht Schritt gehalten hat.
Trotzdem sind die heutigen orographischen Formen der Zentralalpen viel mehr durch die Erosion bedingt als durch die Faltung. Der geologische Bau hat die grossen Linien von WSW.-ONO. geschaffen: die Hauptketten der Berner, Glarner, Walliser, Bündner Alpen, die grossen Längenthäler der Rhone und des Rheins in ihrer ersten Anlage. Auch zahlreiche kleine Längenthäler folgen den geologisch für sie vorgezeichneten Linien, den Mulden: Chamonix, Niedersimmenthal, Bedrettothal, Urserenthal, Maderanerthal, Schächenthal, Urnerboden, Davos etc. etc. Dann aber biegen sie meist in rechtem Winkel um und werden zu Querthälern, die unbekümmert um den Faltenbau das Gebirge durchsägt haben.
In den Zentralalpen herrschen die Querthäler viel mehr vor als in den Ostalpen. Arve, Rhone, Aare, Reuss, Linth, Rhein, Tosa, Tessin bilden wenigstens auf einem Teil ihres Laufs Querthäler ersten Rangs. Dabei zeigt sich als Regel, dass die Querthäler sich stärker vertiefen als die Längenthäler; Seitenbäche aus Längenthälern münden fast immer mit Wasserfällen in die Querthäler ein. Die letztern sind ferner häufig ausgezeichnet durch mehrere Thalstufen, d. h. auf ein flaches Stück Thalboden folgt abwärts eine sehr steile Stelle mit Wasserfällen, oft mit einer wilden Schlucht, dann abermals ein flacheres Stück u. s. f.
Durch die energische Tätigkeit der Erosion ist oft der innere Bau in direktem Widerspruch mit der äussern Form gekommen: Zwei benachbarte Querthäler können einen Kamm herausmodellieren, der vollständig quer zum Streichen der Falten geht (Mürtschenstock). Oder der Gewölbeteil einer Falte, der doch einen Berg bilden sollte, liegt gerade in einem Thal (Tamina bei Vättis), oder eine Mulde, die zum Thal prädestiniert wäre, bildet einen Berggipfel (Scheerhorn, Bifertenstock).
Denkt man sich die Alpenfalten rekonstruiert und vergleicht man damit das jetzige Volumen, so erkennt man die gewaltige Arbeit der Erosion, die in Tätigkeit ist, seitdem die ersten flachen Inseln aus dem Eocänmeer aufgetaucht sind. Was da aus den Alpen heraus nach dem Mittelland, in die Poebene, aber auch bis in die Nordsee, das Mittelmeer und Schwarze Meer gespült worden ist, würde genügen, um nicht bloss die Alpenthäler wieder aufzufüllen, sondern die ganze Fläche noch um 1000-2000 m zu erhöhen.
Litteratur. Geologische Karte der Schweiz, 1:100000, 25 Blätter. Heim u. Schmidt. Geolog. Karte der Schweiz, 1:500000. 1894. - Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. Bis jetzt 40 Lieferungen in 4°. - Livret-Guide géologique. 1894. - Heim: Mechanismus der Gebirgsbildung. 1878. - Heer. Die Urwelt der Schweiz. 1865.
C. KLIMA.
Die Alpen bilden in gewissem Sinne eine klimatische Provinz mit besonderem Charakter, stehen aber in so vielfacher Wechselwirkung mit den übrigen Teilen der Schweiz, dass es besser ist, die klimatischen Verhältnisse des ganzen Landes im Zusammenhang zu behandeln. Man vergleiche also den Abschnitt Klima unter «Schweiz».
Hier kommt zunächst nur ein wichtiger Umstand zur Geltung, die Temperaturabnahme bei zunehmender Höhe. Sie ist im Lauf des Jahres nicht konstant; dagegen ist sie der Höhendifferenz ziemlich genau proportional. Für 100 m Höhenunterschied beträgt die Abnahme der Wärme:
im Frühling: | Sommer: | Herbst: | Winter: | Jahr: |
0,67° | 0,70° | 0,53° | 0,45° | 0,59° |
Oder: die Höhenstufe, für welche die Temperatur um 1° C. niedriger wird, ist:
im Frühling: | Sommer: | Herbst: | Winter: | Jahr: |
149 m | 143 m | 188 m | 222 m | 170 m |
Damit hängt es zusammen, dass nach oben der Frühling immer später eintritt, der Winter immer früher. Die gleiche Erscheinung, z. B. die Schneeschmelze, das Aufblühen der gleichen Pflanzenart verspätet sich nach oben im Durchschnitt für je 30 m um 1 Tag; genauer beträgt diese Verzögerung 1 Tag:
zwischen 500 und 1000 m | für je 20 m |
zwischen 1500 und 2000 m | für je 28 m |
zwischen 2500 und 3000 m | für je 36 m |
Man pflegt daher die Alpen in vertikaler Richtung in Regionen einzuteilen. Die gebräuchlichste Einteilung ist:
1. Hügelregion | 200-700 m. |
2. Bergregion | 700-1200 m. |
3. Alpenregion | 1200-2600 m. |
4. Schneeregion | über 2600 m. |
D. LAWINEN UND GLETSCHER.
Die Temperaturabnahme ruft in der anorganischen Welt in den höhern Regionen noch zwei wichtige Erscheinungen hervor: die Lawinen und die Gletscher.
1. Die Lawinen. Je höher man kommt, desto mehr fallen sämtliche Niederschläge in Form von Schnee. Allerdings sind die einzelnen Jahre sehr ungleich; die Grösse des Schneefalls wechselt sehr stark oft auf ganz kurze Distanz; aber immer sind es sehr bedeutende Mengen. Von 1500-2500 m darf man im Durchschnitt im Jahr 8,2 m Schnee rechnen; für die Grimsel und den Grossen St. Bernhard werden 16-17 m angegeben. Solche gewaltige Schneemassen können an den steilen Abhängen oft nicht halten; sie geraten ins Rutschen und erzeugen die Lawinen. Man unterscheidet Staublawinen und Grundlawinen.
Die Staublawinen (avalanche de poussière, av. par la bise, avalanga fredda, lavina da fraid) entstehen durch Abrutschen von frischem, bei tiefer Temperatur gefallenen Schnee, der daher locker und staubig ist. Am leichtesten entstehen sie bei Frostwetter, wenn auf alten, gesinterten Schnee trockener Neuschnee fällt. Sie sind die gewöhnliche Lawinenform des Winters und treten nach Zeit und Ort ganz unregelmässig auf. Der hoch aufgewirbelte ¶