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stärker umgewandelt worden, als dies in den flacher liegenden Kohlenrevieren Deutschlands oder Frankreichs der Fall gewesen ist. - Schichten der Karbonzeit sind dann weiter noch vorhanden am Nordabhang des Bristenstocks, auf der Bifertenalp und im Val Medels, aber nur mit Kohlenflözchen von ½-2 cm Mächtigkeit.
2. Perm (Dyas). Das Permsystem tritt unter dem Namen Verrucano an zwei Orten in bedeutender Ausdehnung und eigentümlicher Ausbildung auf, im Wallis in einem Streifen südlich von der Rhone, und zwischen Walensee und Linth. Vorwiegend ist es ein konglomeratisches Gestein, also eine Uferbildung; manchmal gehen die grobkörnigen Konglomerate in tonige Schiefer über. An vielen Stellen finden sich parallel zu den Schichten Eruptivgesteine eingelagert, wie der Melaphyr im Kärpfstockgebiet und Quarzporphyre im Verrucano Graubündens. Südlich vom Walensee, im Murgthal und Sernfthal, findet sich jene rote konglomeratische Abart des Verrucano, die von Oswald Heer als Sernifit bezeichnet wurde, und die im Gebiet des ehemaligen Linthgletschers erratisch als roter Ackerstein bekannt ist. - Wie es bei einer Uferbildung zu erwarten ist, schwankt die Mächtigkeit des Verrucano sehr; sie kann von ein paar Metern bis zu 700 m anschwellen.
c) Mesozoisches Zeitalter.
1. Trias (zusammen mit Lias violett). Sie kommt im schweizerischen Alpengebiete in zwei verschiedenen Fazies (Ausbildungsarten) vor. Die Linie vom Bodensee über Chur, Reichenau, Greinapass, Langensee ist eine geologische Grenze. Oestlich davon treffen wir die ostalpine oder mediterrane Fazies der Trias, die aus mächtigen Kalkstein- und Dolomitschichten besteht, welche zum grossen Teil als alte Korallenriffe aufzufassen sind. Für den Aufbau der Berge spielen hier die Triasschichten die gleiche Rolle, wie westlich von der Rheinlinie der Hochgebirgskalk (Malm): sie setzen eine grosse Zahl von Hochgipfeln zusammen.
Westlich vom Rhein, im Gebiet der helvetischen Fazies, ist die Trias in einem etwas tieferen Meer abgelagert worden; ihre Mächtigkeit beträgt nur 30-100 m. Als Gesteine trifft man da den Röthidolomit, einen dolomitischen und kieseligen Kalkstein, der inwendig hellaschgrau ist und aussen rauh, gelblich oder rötlich anwittert; ferner den Quartenschiefer, meist dunkel kirschrote Tonschiefer, die gelegentlich auch grün gefleckt sind. An vielen Orten gesellen sich dazu noch Zellendolomit und da und dort grössere Gipsmassen oder auch Anhydrit. In der Trias findet sich auch das einzige Salzbergwerk der Zentralalpen, in Bex, wo jährlich 30000-40000 Z. Salz gewonnen werden. - Während die ostalpine Trias ziemlich reich an Petrefakten ist (in den Ostalpen finden sich in der oberen Trias die ältesten Ammoniten), haben Röthidolomit und Quartenschiefer bis jetzt noch kein Petrefakt geliefert.
2. Jura. Derselbe zerfällt auch für die Alpen wie gewöhnlich in Lias, Dogger und Malm.
a) Lias (mit Trias zusammen violett). Beim Lias sind auch zwei Fazies zu unterscheiden, eine ausseralpine und eine inneralpine (Bündnerschiefer). Die erstere ist die normale; sie tritt am ganzen Nordabhang der Zentralalpen auf und besteht aus Thonschiefern, wechselnd mit weissen und grauen Quarziten, oft mit Rostflecken. Die Gesamtmächtigkeit beträgt 10-200 m. Versteinerungen kommen vor, sind aber bei weitem seltener als im Lias des Juragebirges. Man findet unter anderm: Belemnites brevis, Ammonites raricostatus, Trigonia navis, Cardinia depressa, Lima gigantea, Gryphäa arcuata, Posidonomya Bronni, Terebratula numismalis. - Die Gesteine und Tierreste weisen auf ein nicht sehr tiefes Meer und auf eine nicht zu ferne Küste hin.
Die inneralpine Fazies (Zone des Briançonnais, Bündnerschiefer) finden wir zwischen den nördlichen und südlichen Gneissmassen, im Wallis und in Bünden. Es ist eine 1500-2000 m mächtige Ablagerung von abwechselnd thonigen, kalkigen und quarzhaltigen Schiefern. Dabei ist es sehr wohl möglich, dass in dem Komplex der Bündnerschiefer (Schistes lustrés) auch noch ein Teil obere Trias steckt. Die Trennung ist aber nicht möglich, weil die ganze Masse durch den Druck stark metamorphosiert worden ist: aus Kalksteinen ist stellenweise Marmor oder Cipolin entstanden, aus den kalkigen oder tonigen Mergeln wurden Kalkphyllite, oft mit Glimmer oder Granat, Zoisit, Staurolith, Disthen etc. -
An einigen Orten (Nufenen, Scopi, Piz Terri, Stätzerhorn) finden sich in den metamorphen Schiefern Belemniten, sowie Gryphäa arcuata, welche auf unterjurassisches Alter hinweisen. - Einen wesentlichen Anteil an der Zusammensetzung der Bündnerschiefer machen auch Eruptivgesteine aus, wie z. T. Gabbro, Diabas, oder deren Umwandlungsprodukte wie grüne Schiefer, Serpentin etc.
b) Dogger (mit Malm zusammen blau). Am ganzen Nordabhang der Zentralalpen ist der Dogger gleichmässig ausgebildet. Er zerfällt von unten nach oben in drei Stufen:
Eisensandstein, 3-10 m; flaserig, knollig, mit Rostflecken; enthält Ammonites Murchisonae.
Echinodermenbreccie, 3-10 m; ein oft eisenschüssiger Kalkstein, fast ganz aus Bruchstücken von Echinodermen: Pentacrinus, Cidaris etc. gebildet;
enthält Amm. Sowerbyi und Amm.
Humphriesianus.
Eisenoolith, ½-5 m, eisenschüssiger, oolithischer Kalkstein, oft so reich an Eisen, dass Bergbau darauf getrieben wurde: Windgälle, Erzegg (zwischen Genthal und Melchthal). Gewöhnlich ist der Eisenoolith sehr reich an Petrefakten, um so mehr, je geringer seine Mächtigkeit. Leitfossil ist. Amm. Humphriesianus; ferner kommen vor Amm. Parkinsoni, Belemnites giganteus, Bel. canaliculatus, Ostrea Marshi, Rhynchonella varians, Terebratula etc. etc.
c) Malm (mit Dogger zusammen blau). Er zerfällt in folgende Stufen:
Schiltkalk, 10-30 m, ein grauer Kalkstein mit gelben Flecken, die von undeutlichen Petrefakten (Schwämmen) herrühren. Oft ist er durch Quetschung schiefrig geworden. Er enthält zahlreiche Ammonitenarten, aber meist schlecht erhalten.
Hochgebirgskalk, 400-600 m. Er ist ein dichter, inwendig schwarzblauer Kalkstein, der blaugrau anwittert. Stellenweise geht er durch Quetschung in Marmor über: bei Grindelwald, in der Mulde vom Oberwallis über Andermatt bis Disentis. Ueberall ist der Hochgebirgskalk durchaus eine Tiefmeerbildung und enthält daher fast nur die Schalen pelagischer Tiere: Ammoniten und Belemniten. - Vermöge seiner gewaltigen Mächtigkeit spielt er die Hauptrolle beim Aufbau der Hochgipfel, die nicht aus Gneiss etc. bestehen, also z. B.: Altels, Blümlisalp, Eiger, Titlis, Grosse Windgälle, Tödi etc.
Balfriesschiefer (Berrias) von sehr wechselnder Mächtigkeit; dunkle, kalkige Tonschiefer, die z. B. am Walensee zu Zement gebrannt werden.
Troskalk (Tithon), ebenfalls von wechselnder Mächtigkeit; gewissermassen die Fortsetzung des Hochgebirgkalkes. Er ist nur etwas heller, aschgrau, wittert fast weiss an und besteht vielfach ganz oder teilweise aus Korallen; dazu finden sich Nerinäa und Diceras Luci.
Die beiden letzten Stufen können einander auch vertreten, so dass die eine oder die andere fehlt.
3. Kreide (in der Karte grün). Die alpine Kreide lässt sich am natürlichsten in vier Stufen teilen: Neocom, Schrattenkalk, Gault und Seewerkalk. Alle Abteilungen sind durchaus marine Ablagerungen.
a) Neocom, 100-400 m. Es besteht je nach den Lokalitäten wechselnd aus harten dunkeln Kieselkalken, welche oft (Axenstrasse) ausserordentlich viele, 20-30 cm dicke Bänke bilden, oder aus dunkeln knolligen Mergelschiefern mit einzelnen Kalkbänken; oben kommen oft noch einmal Kalksteine mit Kieselknollen (Säntisgebiet). - Petrefakten: Exogyra Couloni, Ostræa rectangularis, Toxaster complanatus. Rhynchonella multiformis, Nautilus, Ancyloceras, Crioceras etc.
b) Der Schrattenkalk (Urgon), 100-250 m, ist ein hellgrauer, weiss anwitternder Kalkstein, der häufig aus Korallen entstanden ist; in den oberen Partien ist er oft Echinodermenbreccie. Vermöge seiner Festigkeit bildet er sehr steile Felswände und gleicht darin dem Hochgebirgskalk. In seiner mittlern Partie ist häufig eine mergelige Bank von wenigen Metern, welche Orbitulina lenticularis enthält. Im untern Teil finden sich besonders Requienia ammonia, Pteroceras Pelagi und Nerinäen;
im obern Teil: Requienia Lonsdali, Heteraster oblongus, Terebratula Moutoniana.
c) Gault (Albien), meist 1-3, selten bis 60 m; Grünsand
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mit Kalkknollen, oder Mergel; auch etwa Grünsandstein. Er ist oft sehr reich an Petrefakten: Belemnites minimus, Ammonites mammilatus, Turrilites Bergeri, Inoceramus concentricus und In. sulcatus etc.
d) Seewerkalk und Schiefer, 10-200 m, repräsentieren die ganze obere Kreide, also Cenoman, Turon und Senon. Der untere Teil besteht aus einem dichten, hellgrauen, etwas gelblichen Kalkstein, der steile, weisse dünnplattige Wände bildet. Charakteristisch sind kohlig-thonige, flaserig geordnete Häute, wie sie sonst in keinem alpinen Gestein zu finden sind. Nach oben geht der Kalk mehr und mehr in kalkig-thonige Schiefer über. - Petrefakten sind nicht selten: Ananchytes ovata, Turrilites costatus, viele Foraminiferen.
d) Kænozoisches Zeitalter.
1. Tertiär. Für die Alpen ist eine Dreiteilung das natürliche: Eocän, Miocän, Pliocän, während sonst meist vier Teile unterschieden werden: Eocän, Oligocän, Miocän, Pliocän. Das alpine Eocän umfasst dabei nicht bloss das Eocän der gewöhnlichen Einteilung, sondern auch noch das untere Oligocän, während das alpine Miocän = oberes Oligocän + Miocän ist.
a) Eocän (gelb), mit einer Mächtigkeit bis gegen 2000 m. -
Als Gestein tritt am massenhaftesten auf der Flysch, der aus leicht verwitternden, bald mehr kalkigen, bald mehr thonigen, gewöhnlich gelblich grauen Mergelschiefern besteht. Stellenweise geht er in wirklichen Thonschiefer über (Elm, Engi, mit Fischresten), und es sind ihm Kalkbänke eingelagert, oft auch Sandsteine und vereinzelt Konglomerate. Der eigentliche Flysch ist sehr arm an Petrefakten; man findet hin und wieder Abdrücke von Algen und die rätselhaften Helminthoiden, die man als Wurmsspuren erklären will, ferner viele Nadeln von Kalkschwämmen.
Um so reicher sind an Versteinerungen die Bänke von Nummulitenkalk, die im Eocän auch auftreten. Sie enthalten ausser verschiedenen Nummulitenarten lokal auch Korallen, Seeigel; Muscheln, wie Pecten, Osträa, Mytilus, Cardium; Schnecken wie Dentalium, Turritella, Cerithium etc. -
Endlich findet sich im Eocän wieder Eruptivmaterial: der grünfleckige Taveyanazsandstein ist aus Sand und vulkanischer Asche als eine Art submariner Tuff entstanden.
b) Miocän. Bis hieher waren alle Sedimente, vielleicht mit Ausnahme des schwach entwickelten Karbons, Meeresbildungen; das hört nun auf. Die Nagelfluh (Konglomerat), die Sandsteine und Mergel der Miocänzeit sind (mit Ausnahme der eingeschalteten Meeresmolasse) Süsswasserbildungen. Sie bilden das Abschwemmungsprodukt der Alpen in den Molassesee zwischen Alpen und Jura und gehören nicht mehr zum alpinen Gebiet, sondern zum Mittelland (schweizer. Hochebene).
c) Das Pliocän hat am Nordabhang der Alpen gar keine Sedimente geliefert; dagegen finden sich marine pliocäne Schichten gegen die Poebene hin, südlich vom Langensee und Comersee.
II. Entstehung und Alter des Gebirges.
Lange, zum Teil sehr lange Zeit, nachdem sich die im vorigen Abschnitte erwähnten Schichtsysteme gebildet hatten, begann deren Hebung aus dem Meer, entstand erst das Gebirge. Die Ursache der Entstehung der Alpen, wie der Gebirge überhaupt, ist die allmälige Abkühlung des Erdkerns. Durch die Abkühlung zieht sich nämlich der Kern zusammen, während die äussere Rindenschicht unverändert bleibt. Dadurch wird sie für den Kern zu gross, es entstehen in der Rinde Gewölbespannungen, d. h. Druckkräfte in tangentialer, horizontaler Richtung. Da nun das Gewölbe nicht überall gleich stark ist, weicht es an der schwächsten Stelle aus; es kann dies am leichtesten nach oben geschehen, und so entstehen durch horizontalen Zusammenschub Biegungen der ursprünglich horizontal abgelagerten Schichten, es bilden sich Falten. So sind die Alpen entstanden durch einen Horizontalschub von SSO. her; sie sind ein Faltengebirge mit sehr intensiver Faltung und sehr kompliziertem Bau. Am kompliziertesten ist der Faltenbau gerade in den Zentralalpen, weil hier der Faltung sich das viel ältere Festland von Vogesen und Schwarzwald als steife Stelle der Erdrinde entgegenstellte. Dadurch wurden die Falten eng zusammengedrängt, übergelegt, über einander geschoben etc. In den Ostalpen dagegen verlaufen die Falten viel einfacher, regelmässiger, weil hier Platz zu deren Ausbildung war.
Die primäre Bewegung bei der Bildung der Alpen war also horizontal; das Gebirge ist nicht, wie man früher annahm, durch senkrecht von unten wirkende Kräfte gehoben worden. Das erkennt man an den beiliegenden Profilen 1-3: Denkt man sich eine von den gefalteten Schichten wieder ausgeglättet, so hat sie auf ihrem jetzigen Grundriss nicht mehr Platz;
sie ist also tatsächlich zusammengeschoben worden.
Für die ganze Alpenkette ergibt sich ein Zusammenschub von 120 km in der Richtung von SSO. her. Zug und Como liegen jetzt 170 km auseinander; vor der Alpenfaltung waren es 290 km. Der Zusammenschub betrug also 41,4% oder ca. 2/5; dieser Streifen Erdrinde wurde auf 58,6% oder ca. 3/5 seiner ursprünglichen Breite reduziert. - Erst sekundär ergab sich durch die Faltung der Alpen zugleich ihre Hebung über den Meeresspiegel und zu den jetzigen imposanten Höhen. So sind z. B. die jüngsten alpinen Schichten (Eocän) an der Dent du Midi oder am Saurenstock bis zu 2000-2500 m gehoben; in den höchsten Teilen der Alpen finden wir die allerältesten Gneisse oder Protogine in Höhen von 4000-4800 m; wenn wir uns die ursprüngliche Sedimentdecke mit einer Mächtigkeit von 2000 m noch dazu denken, beträgt hier die gesamte vertikale Hebung 6000-7000 m. Damit soll nicht gesagt sein, dass die Alpen jemals so hoch gewesen seien! Die Alpen wurden nicht zuerst fertig als Gebirge aufgestaut worauf erst die Erosion begann; sondern sobald die ersten Hügelzüge sich gebildet hatten, fing auch schon die Erosion ihre abtragende Tätigkeit an. Sie hätten aber diese Höhe, wenn die Sedimentdecke noch vollständig erhalten wäre.
Die Zeit der Alpenfaltung geht aus folgendem hervor: Im grössten Teil der Zentralalpen sind die Schichten vom Gneiss bis und mit Eocän konkordant (unter einander parallel) abgelagert;
am Nordrand der Alpen besteht dagegen fast überall eine Diskordanz (die Eocänschichten sind steiler aufgerichtet als die Molasseschichten).
Daraus folgt, dass die Faltung im letzten Teil der Eocänzeit begonnen hat. Nun sind aber auch die ältern Miocänschichten noch stark gefaltet; also hat die Hauptfaltung in der Miocänzeit stattgefunden.
Spuren von älteren Faltungen sind nur an wenigen Orten zu finden; sie waren unbedeutend gegenüber der Faltung in der Tertiärzeit.
An Hand der Profile und der Karte lassen sich im allgemeinen nun folgende Faltengruppen unterscheiden.
a) Die Kreidefalten. Auf die Molasse folgt nach S. auf der ganzen Linie vom Thunersee bis zum st. gallischen Rhein eine schmale Eocänzone und dann kommen eine Anzahl von regelmässig ausgebildeten Falten der Kreideschichten. Die nördlichsten davon, manchmal auch die nächst folgenden, sind fast überall nach N. übergelegt: Säntis, Mattstock am Walensee, Rigihochfluh, Bürgenstock etc. Daher kehren diese Kreideberge auch die steilen Seiten mit den Schichtköpfen nach N., die flachern Seiten mit den Schichtflächen nach S. - Im Säntisgebiet kann man leicht drei Hauptfalten unterscheiden: Ebenalp, Säntisgipfel und Altmann;
alle drei zeigen dann wieder Falten zweiter Ordnung. - Sehr klar zu übersehen ist der Faltenbau der Kreide am Vierwaldstättersee, dank dem Querthal des Urnersees.
Die nördlichste Falte ist diejenige der Rigihochfluh, die sich im Bürgenstock fortsetzt, an beiden Orten stark nach N. überliegend. Die zweite bildet den Hügel von Morschach, dazu gehört westlich vom See Sonnenberg bei Seelisberg; die dritte hat ihren Gewölbescheitel am Nordabhang des Fronalpstocks und des Niederbauenstocks; die vierte bildet den hintersten Teil des Fronalpstocks und den Oberbauenstock.
b) Die Jurafalten. Auch hier lassen sich verschiedene Gruppen unterscheiden, die aber in den Hauptcharakterzügen übereinstimmen. Die nördlichern Gruppen: Mürtschenstock-Faulen-Schächenthaler Windgälle;
Uri Rotstock-Titlis-Hochstollen;
Wildstrubel-Wildhorn-Diablerets stehen noch vielfach in enger Verbindung mit Kreidefalten;
z. B. die erstgenannte Gruppe mit den komplizierten Falten von Glärnisch-Silbern.
Vorherrschend ist auch da das Ueberliegen der Falten nach N., oft liegen mehrere derselben über einander. Die übrigen, südlichem
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Jurafalten, die auch fast ausnahmslos nach N. überliegen: Tödi-Windgällen; Eiger-Blümlisalp stehen im engsten Zusammenhang mit den Zentralmassiven.
c) Die Zentralmassive. Unter diesem Namen versteht man grössere Partien von krystallinen Gesteinen, hauptsächlich Gneiss, welche mehr oder minder vollständig von sedimentären Mulden eingeschlossen sind. Im Grundriss erscheint ein solches Massiv gewöhnlich in der Streichrichtung des Gebirges elliptisch getreckt ^[richtig: gestreckt]. Die Schichtung ist meist sehr steil, stellenweise senkrecht.
Die Zahl der Zentralmassive wird sehr verschieden angegeben, gewöhnlich unterscheidet man eine nördliche Reihe: Aiguilles Rouges, Mont-Blanc, Aarmassiv, Gotthardmassiv, - und eine südliche: Mont Colon, Monte Rosa, Monte Leone, Tessiner Massiv, Adulamassiv, Berninamassiv. Die südliche Reihe hat den einfachern Bau; sie bilden weitgespannte gewaltige Gewölbe, so namentlich das Massiv des Monte Leone, das Tessinermassiv, aber auch das Adulamassiv. Das letztere weicht insofern von den übrigen ab, als es nicht im allgemeinen Alpenstreichen liegt, sondern von S. nach N. streicht.
Komplizierter sind die nördlichen: Die Aiguilles Rouges, der Mont-Blanc, der Gotthard zeigen deutliche Fächerstructur;
die Schichten stehen in der Mitte senkrecht, im N. fallen sie nach S., im S. nach N., sie divergieren also nach oben.
Das Aarmassiv endlich bildet gewissermassen einen schiefstehenden Fächer. Zwischen solchen Massiven, die sich fast berühren, wie z. B. Aiguilles Rouges und Mont-Blanc, oder Aar- und Gotthardmassiv, findet man schmale, spitz gequetschte Mulden von Sedimentgesteinen, die ebenfalls steilgestellt sind, wie die Zentralmassive selbst.
Die Natur der Zentralmassive war lange streitig. Weil in denselben ächte Eruptivgesteine vorkommen, so erklärte man sie früher überhaupt als Eruptivmassen, welche in weichem Zustande aus der Tiefe emporgequollen seien und dabei die Sedimente links und rechts bei Seite geschoben hätten. Dieser Ansicht widersprechen nun aber eine Reihe von Tatsachen: 1. Es fehlen alle Kontakterscheinungen bei der Berührung von Zentralmassiv und Sediment, wie sie bei Berührung von vulkanischen Ergüssen und Sedimenten auftreten. 2. Stellenweise gehen die Sedimente als Brücke über ein Zentralmassiv hinweg (Tödigruppe).
Die Sedimente einer solchen Brücke zeigen keine Spuren, dass das Massiv von unten wie ein Keil gewirkt habe; sie weisen vielmehr selber Faltung, also seitlichen Zusammenschub, nicht Zerreissung auf, wie es sein müsste, wenn die Massive als Eruptionen emporgekommen wären. 3. Wenn die Zentralmassive Eruptivmassen wären, müssten die Eruptionen im Tertiär erfolgt sein, denn damals falteten sich die Alpen. Nun findet man aber z. B. schon im Dogger an der Windgälle Gerölle von dem darüber liegenden Porphyr, der allerdings ächt eruptiv ist. Er ist also älter als Dogger, mithin zur Tertiärzeit als ein Teil des Zentralmassives passiv mitgehoben worden. Die Eruptivgesteine der Zentralmassive sind also viel älter als die Alpenfaltung.
Bei den südlichen Zentralmassiven sieht man dies schon aus ihrer Form, bei den nördlichen ergibt es sich aus dem obigen: Die Zentralmassive sind Falten oder Faltenkomplexe, welche in der Tiefe unter hohem Drucke durch seitlichen Zusammenschub entstanden sind, gleichzeitig und eben so passiv wie die Falten der Sedimente. Weil Falten und Zentralmassive nur verschiedene Formen des Zusammenschubs sind, können sie einander auch ablösen, ersetzen.
Der kolossale Druck, unter dem die Gesteine der Zentralmassive gefaltet wurden, hat auch die Gesteinsmetamorphose bewirkt, die man an ihnen makroskopisch und mikroskopisch bemerkt. Da findet man z. B. in den Protoginen sandigen Quarz, oder zerbrochene Feldspäte, verbogene Glimmerblättchen und dergl.; der Sericit in den Sericitgneissen etc. ist ein Mineral, von dem man keine andere Entstehung kennt als durch hohen Druck. Dadurch sind auch, wie oben angedeutet, viele paläolithische und sogar mesolithische Sedimente halb und ganz krystallin geworden. Dahin gehört der jurassische Kalk (Malm) der Mulde von Andermatt, der zwischen den zwei Zentralmassiven in Marmor verwandelt wurde;
ebenso der Marmor von Grindelwald, die «Kalkkeile» (spitze Mulden) an der Jungfrau;
dahin gehören die meist liasischen Bündnerschiefer;
die Schiefer auf dem Nufenenpass etc. Petrefacten in den Sedimenten wurden dabei oft ganz verwischt, oft gequetscht (elliptische Ammoniten), oft zerrissen (Belemniten).
d) Die Glarner Doppelfalte (Profil 1) ist eine so gewaltige Erscheinung, dass sie wohl eine gesonderte Betrachtung verdient. Vom Walensee an legt sich eine breite Falte nach S. über bis zu der Linie Richetlipass-Foopass-Graue Hörner. Der Kern der Falte wird vom Verrucano gebildet, darauf liegen Rötidolomit, Lias, Dogger, Malm und Kreide in normaler Reihenfolge. (Der ganze Mürtschenstock ist nur eine sekundäre Runzelung innerhalb des Gewölbeschenkels.) Unter dem Verrucano folgt am Bützistöckli die Schichtserie: Rötidolomit, Dogger, Malm in verkehrter Lagerung, das jüngste zu unterst.
Alles aber liegt auf Eocän. Am Bützistöckli ist also der Mittelschenkel der Falte vollständig; an andern Stellen ist er dagegen so stark ausgezogen, ausgewalzt worden, dass meist ausser dem Verrucano des Gewölbekerns nur noch das mächtigste Glied, der Malm, ausgehalten hat; er bildet von der Lochseite bei Schwanden an bis zum Kalkstöckli eine zusammenhängende schiefe Ebene, die unter einem Winkel von ca. 12° nach S. ansteigt. Bei diesem Auswalzen wurde die Mächtigkeit des Malm von ca. 600 m (normal) reduziert auf 20, 10, 2, 1 m; manchmal auf O. Das Gestein, das Arn. Escher als Lochseitenkalk bezeichnete, zeigt helle und dunkle Fasern völlig durcheinander geknetet. Die obere Begrenzung ist ganz eben, die untere wellig unregelmässig; Brocken des Kalkes stecken in den darunterliegenden eocänen Schiefern, und diese sind förmlich in Klüfte des Kalksteines hineingepresst.
Die Eocänmasse, auf welche diese gewaltige Falte von N. hinauf geschoben worden ist, bildet eine grosse Zahl isoklinaler (paralleler) Falten, die alle mit ca. 30° nach S. fallen. Es sind grosse Massen von Flyschschiefern, mit Bänken von Nummulitenkalk, Nummulitensandstein und mit den berühmten Fischschiefern von Engi und Elm.
Südlich von Elm, an den Mannen und am Saurenstock wiederholt sich die selbe Erscheinung: Oben auf das Eocän folgt wieder Lochseitenkalk (Malm), darüber Verrucano. Aber hier senkt sich die Falte nach S.; bald stellt sich im Mittelschenkel der S.-Falte der Malm in voller Mächtigkeit ein, sogar noch Kreide.
Daraus geht hervor, dass hier eine grosse Falte von N. und eine zweite von S. her über das Eocän gegeneinander geschoben worden sind; ihre Scheitel sind beide abgewittert, hätten sich aber auf der Linie Richetli-Foopass beinahe berührt. Eine solche Ueberschiebung von beiden Seiten her war nur möglich, wenn gleichzeitig die mittleren Partien einsanken. Hier ist also das Gegenteil geschehen wie bei den Zentralmassiven und speziell wie beim Aarmassiv: Die Glarner Doppelfalte ist ein negatives Zentralmassiv, ein nach unten geöffneter Fächer;
sie löst das Aarmassiv nach Osten hin ab und beweist gerade dadurch wieder, dass auch die Zentralmassive Falten sind.
Denn da die Doppelfalte einem Zusammenschub von 32 km gleich ist, muss auch das Aarmassiv gleichviel zusammengeschoben, d. h. gefaltet sein; sonst könnten nicht die gleichen Erscheinungen nördlich (Kreidefalten) und südlich (Mulde von Urseren-Rheinthal) von beiden ungestört durchstreichen.
e) Die südlichen Kalkalpen. Am Südabhang der Alpen zeigen die Sedimente eine viel geringere Ausbreitung; von Osten her reichen die Kalkalpen, mit abnehmender Breite, nur bis zum Langensee. Westlich von diesem stossen die krystallinen Gesteine direkt an die Alluvionen der Poebene. Von der ganzen Reihe der Sedimente sind östlich vom Langensee fast nur Triasgesteine vertreten; dazu kommen noch etwas Jura, wenig Kreide. Die Fazies der Gesteine ist eine andre als in den nördlichen Kalkalpen; sie stimmt mit den Ostalpen überein. Eine bedeutende Rolle spielen noch die grossen Quarzporphyrmassen, welche in der Permzeit als vulkanische Ergüsse emporgequollen sind. Im ganzen ist es eine mässig gefaltete, durch Brüche und Verschiebungen mehrfach zerstückelte Gebirgsmasse, die diskordant auf den steil gestellten krystallinen Schiefern liegt.
f) Die Klippen. Am Nordrande der Alpen sind ausserdem noch drei Phänomene zu beachten, die lange jeder
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befriedigenden Erklärung spotteten, die aber wahrscheinlich im Zusammenhang unter einander stehen: exotische Blöcke, Klippen und Préalpes romandes.
Die exotischen Blöcke sind Bruchstücke fremdartiger, sedimentärer oder krystalliner Gesteine, von kleinen Geröllen bis zu über hausgrossen Blöcken, welche da und dort schwarmweise im Flysch eingebettet sind. Das berühmteste Beispiel dafür bietet das Habkernthal mit seinen merkwürdigen Granitblöcken. Die exotischen Blöcke stehen oft im Zusammenhang mit Bänken von Breccie, welche aus den gleichen Gesteinen bestehen und in den Flysch eingelagert sind; ebenso finden sie sich am häufigsten in der Nähe grösserer Gesteinsmassen von gleicher oder ähnlicher Zusammensetzung, welche ihrer Umgebung auch fremd sind, nämlich bei den Klippen.
Die Klippen bilden eine Reihe isolierter Berge: Roggenstock, Mythen, Buochserhorn, Stanzerhorn, Giswilerstöcke, welche alle hinter der nördlichsten Kreidekette, in einer Eocänmulde liegen. Sie bestehen aus Trias, Lias, Dogger und Malm; ihre Gesteine sind also viel älter als diejenigen der nördlich und südlich von ihnen liegenden Ketten. Die Klippengesteine sind aber auch von ganz andrer Fazies als die gleich alten, normalen Gesteine der nördlichen Kalkalpen. Dagegen stimmen Klippengesteine und exotische Blöcke vollkommen überein mit den südlichen Kalkalpen (Luganer Alpen) und mit den Ostalpen (mediterrane Fazies von Trias und Jura). Endlich ist auch nachgewiesen, dass die Klippen keine Wurzel nach der Tiefe haben, sie «schwimmen» auf dem Flysch.
Préalpes romandes und Chablaisgruppe (Profil 3). Bei Betrachtung der nördlichsten alpinen Ketten wurde oben das Stück westlich vom Thunersee ausser Betracht gelassen, weil sich hier ganz andre Verhältnisse zeigen. Anstatt der normalen ersten Kreidefalten finden sich da (Profil 3) an der Nordgrenze gleich mehrfach übereinander geschobene Falten aus allen Gesteinen von Trias bis Kreide. Die Fazies der Préalpes und der Chablaisgruppe stimmt wieder mit den Klippen, mit den Luganeralpen und Ostalpen überein, weicht aber stark ab von der helvetischen Fazies von Trias und Jura in nächster Nähe (Wildhorn, Wildstrubel etc.). Die Préalpes und die Chablaisgruppe haben auch keine Wurzel, sie schwimmen auch auf dem Flysch. Durch eocäne Mulden werden die Préalpes in mehrere Streifen geteilt, dabei ist fast immer die südlicher gelegene Partie mehr oder weniger auf die nördliche hinaufgeschoben.
Schneegebiet über 2500 m.
Alpengebiet von 1200-2500 m.
Berggebiet von 600-1200 m.
Hügelgebiet unter 600 m.
Exotische Blöcke, Klippen, Préalpes und Chablaiszone stimmen also in den Faziesverhältnissen überein; auch die Klippen zeigen Faltenbau mit Ueberschiebungen, soweit man das an diesen einzelnen Bergen noch konstatieren kann. Daher scheinen alle drei genetisch dasselbe zu sein und sich nur in den Dimensionen zu unterscheiden, und es ist für sie folgende einheitliche Erklärung aufgestellt worden: Beim Beginn der Alpenfaltung schob sich vom Südfuss der Alpen her eine grosse gefaltete Masse von Trias- bis Kreidegesteinen über den Flysch der noch wenig oder nicht gehobenen mittlern und nördlichen Teile hinweg und gelangte bis zu der Linie Bonneville (Arve)-Gruyères-Spiez-Habkern-Giswil-Mythen-Roggenstock. Unterwegs oder am Ende entstanden mehrfach Brüche in der Schubmasse und die südlichen Teile wurden auf die nördlichem teilweise hinaufgeschoben. Die Gesteine der Préalpes und der Klippen zeigen denn auch zahlreiche Spuren mechanischer Deformation.
Die Chablaiszone und die Préalpes blieben als zusammenhängende Ketten erhalten, nur von wenigen Querthälern durchschnitten. Die Klippen sind Erosionsreste, vereinzelte Berge, aus ähnlichen Ketten herausgeschnitten. Die exotischen Blöcke endlich sind einzelne Trümmer, welche während des Schubes sich loslösten und schwarmweise in den Flysch eingebettet wurden. Dass man südlich von der Zone der Klippen, auf den Alpen mit helvetischer Fazies, keine Fetzen der frühern Ueberschiebungsdecke mehr findet, erklärt sich durch die viel stärkere Erosion. Während und nach der grossen Ueberschiebung begann nämlich die normale Alpenfaltung; die «Nachzügler» der Schubmasse kamen in sehr bedeutende Höhen, wo die Erosion viel kräftiger arbeitete. Hier ist die Abtragung bis auf die archäischen Gesteine hinunter gegangen, die Ueberschiebungsreste also längst
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abgetragen. Nur der Nordrand der Schubmasse blieb erhalten, weil hier die Erosion immer noch in Eocän und Kreideschichten arbeitet.
III. Gebirgsbildung und Erosion.
Die Falten der Alpen sind ungleich alt, wenn auch die Hauptfaltung ins Tertiär (Ende Eocän-Miocän) fällt. Die ältesten Falten sind die südlichsten, nach und nach haben sich nach N. immer neue vorgelagert, je weiter die Faltung ging. Die höchsten Falten sind die Zentralmassive, obschon sie viel stärker abgetragen sind als die nördlichen, jüngern Falten. Daraus folgt, dass bis jetzt die Erosion mit der Hebung des Gebirges durch Faltung nicht Schritt gehalten hat.
Trotzdem sind die heutigen orographischen Formen der Zentralalpen viel mehr durch die Erosion bedingt als durch die Faltung. Der geologische Bau hat die grossen Linien von WSW.-ONO. geschaffen: die Hauptketten der Berner, Glarner, Walliser, Bündner Alpen, die grossen Längenthäler der Rhone und des Rheins in ihrer ersten Anlage. Auch zahlreiche kleine Längenthäler folgen den geologisch für sie vorgezeichneten Linien, den Mulden: Chamonix, Niedersimmenthal, Bedrettothal, Urserenthal, Maderanerthal, Schächenthal, Urnerboden, Davos etc. etc. Dann aber biegen sie meist in rechtem Winkel um und werden zu Querthälern, die unbekümmert um den Faltenbau das Gebirge durchsägt haben.
In den Zentralalpen herrschen die Querthäler viel mehr vor als in den Ostalpen. Arve, Rhone, Aare, Reuss, Linth, Rhein, Tosa, Tessin bilden wenigstens auf einem Teil ihres Laufs Querthäler ersten Rangs. Dabei zeigt sich als Regel, dass die Querthäler sich stärker vertiefen als die Längenthäler; Seitenbäche aus Längenthälern münden fast immer mit Wasserfällen in die Querthäler ein. Die letztern sind ferner häufig ausgezeichnet durch mehrere Thalstufen, d. h. auf ein flaches Stück Thalboden folgt abwärts eine sehr steile Stelle mit Wasserfällen, oft mit einer wilden Schlucht, dann abermals ein flacheres Stück u. s. f.
Durch die energische Tätigkeit der Erosion ist oft der innere Bau in direktem Widerspruch mit der äussern Form gekommen: Zwei benachbarte Querthäler können einen Kamm herausmodellieren, der vollständig quer zum Streichen der Falten geht (Mürtschenstock). Oder der Gewölbeteil einer Falte, der doch einen Berg bilden sollte, liegt gerade in einem Thal (Tamina bei Vättis), oder eine Mulde, die zum Thal prädestiniert wäre, bildet einen Berggipfel (Scheerhorn, Bifertenstock).
Denkt man sich die Alpenfalten rekonstruiert und vergleicht man damit das jetzige Volumen, so erkennt man die gewaltige Arbeit der Erosion, die in Tätigkeit ist, seitdem die ersten flachen Inseln aus dem Eocänmeer aufgetaucht sind. Was da aus den Alpen heraus nach dem Mittelland, in die Poebene, aber auch bis in die Nordsee, das Mittelmeer und Schwarze Meer gespült worden ist, würde genügen, um nicht bloss die Alpenthäler wieder aufzufüllen, sondern die ganze Fläche noch um 1000-2000 m zu erhöhen.
Litteratur. Geologische Karte der Schweiz, 1:100000, 25 Blätter. Heim u. Schmidt. Geolog. Karte der Schweiz, 1:500000. 1894. - Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. Bis jetzt 40 Lieferungen in 4°. - Livret-Guide géologique. 1894. - Heim: Mechanismus der Gebirgsbildung. 1878. - Heer. Die Urwelt der Schweiz. 1865.
C. KLIMA.
Die Alpen bilden in gewissem Sinne eine klimatische Provinz mit besonderem Charakter, stehen aber in so vielfacher Wechselwirkung mit den übrigen Teilen der Schweiz, dass es besser ist, die klimatischen Verhältnisse des ganzen Landes im Zusammenhang zu behandeln. Man vergleiche also den Abschnitt Klima unter «Schweiz».
Hier kommt zunächst nur ein wichtiger Umstand zur Geltung, die Temperaturabnahme bei zunehmender Höhe. Sie ist im Lauf des Jahres nicht konstant; dagegen ist sie der Höhendifferenz ziemlich genau proportional. Für 100 m Höhenunterschied beträgt die Abnahme der Wärme:
im Frühling: | Sommer: | Herbst: | Winter: | Jahr: |
0,67° | 0,70° | 0,53° | 0,45° | 0,59° |
Oder: die Höhenstufe, für welche die Temperatur um 1° C. niedriger wird, ist:
im Frühling: | Sommer: | Herbst: | Winter: | Jahr: |
149 m | 143 m | 188 m | 222 m | 170 m |
Damit hängt es zusammen, dass nach oben der Frühling immer später eintritt, der Winter immer früher. Die gleiche Erscheinung, z. B. die Schneeschmelze, das Aufblühen der gleichen Pflanzenart verspätet sich nach oben im Durchschnitt für je 30 m um 1 Tag; genauer beträgt diese Verzögerung 1 Tag:
zwischen 500 und 1000 m | für je 20 m |
zwischen 1500 und 2000 m | für je 28 m |
zwischen 2500 und 3000 m | für je 36 m |
Man pflegt daher die Alpen in vertikaler Richtung in Regionen einzuteilen. Die gebräuchlichste Einteilung ist:
1. Hügelregion | 200-700 m. |
2. Bergregion | 700-1200 m. |
3. Alpenregion | 1200-2600 m. |
4. Schneeregion | über 2600 m. |
D. LAWINEN UND GLETSCHER.
Die Temperaturabnahme ruft in der anorganischen Welt in den höhern Regionen noch zwei wichtige Erscheinungen hervor: die Lawinen und die Gletscher.
1. Die Lawinen. Je höher man kommt, desto mehr fallen sämtliche Niederschläge in Form von Schnee. Allerdings sind die einzelnen Jahre sehr ungleich; die Grösse des Schneefalls wechselt sehr stark oft auf ganz kurze Distanz; aber immer sind es sehr bedeutende Mengen. Von 1500-2500 m darf man im Durchschnitt im Jahr 8,2 m Schnee rechnen; für die Grimsel und den Grossen St. Bernhard werden 16-17 m angegeben. Solche gewaltige Schneemassen können an den steilen Abhängen oft nicht halten; sie geraten ins Rutschen und erzeugen die Lawinen. Man unterscheidet Staublawinen und Grundlawinen.
Die Staublawinen (avalanche de poussière, av. par la bise, avalanga fredda, lavina da fraid) entstehen durch Abrutschen von frischem, bei tiefer Temperatur gefallenen Schnee, der daher locker und staubig ist. Am leichtesten entstehen sie bei Frostwetter, wenn auf alten, gesinterten Schnee trockener Neuschnee fällt. Sie sind die gewöhnliche Lawinenform des Winters und treten nach Zeit und Ort ganz unregelmässig auf. Der hoch aufgewirbelte
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Schnee treibt die Luft vor sich her und der Windstoss, der so entsteht, bricht die stärksten Stämme im Hochwald oft zu Hunderten, deckt Dächer ab, führt ganze Heustadel mit sich fort etc.
Die Grundlawinen, auch Schlaglawinen (avalanche de fond, avalanga calda, lavina da chod) sind die regelmässigen Lawinen des Frühlings, dann des Tauwetters überhaupt. Sie bestehen aus schwerem, nassem Schnee, der auf dem Boden abrutscht. Daher treten sie mit grosser Regelmässigkeit fast Jahr für Jahr in den gleichen Lawinenzügen auf. Beim Stillstehen bildet dieser Schnee sofort eine kompakte Masse. (Siehe die beiden Ansichten: Windwurf durch eine Lawine und Lawinenkegel im Lauterbrunnenthal.
Das Volumen der Lawinen steigt von 10000—20000 m3 bis auf über 1000000 m3; Lawinen von einigen hunderttausend m3 sind häufig. Die Zahl der Lawinen in den Alpen ist sehr gross: in der Gotthardgruppe zählt man auf 325 km2 ca. 530 regelmässige Lawinenzüge, die alle fast jedes Jahr eine Lawine liefern. Als Schutz gegen Lawinen hat man an manchen Orten «Spaltecken» auf der Bergseite von Gebäuden errichtet, d. h. keilförmige, überhöhende Mauern, welche die Lawine teilen sollen; an gefährdeten Strassenstellen baut man Galerien oder wenigstens Nischen.
Gründlich hilft aber nur die Verbauung im Sammelgebiet einer Lawine. Zahlreiche, nur 1 m hohe Mäuerchen oder Pfahlreihen, welche über und neben einander in der Richtung der Horizontalkurven zerstreut errichtet werden, verhindern den Anfang der Bewegung. Nachher kann der Lawinenzug aufgeforstet werden, wenn er nicht etwa über der Baumgrenze liegt. Der Schaden der Lawinen ist alljährlich sehr gross; aber nach und nach können die Lawinen verbaut werden. Der Nutzen der übrigen, ungefährlichen Lawinen ist aber vielleicht noch grösser: manche Alp würde ohne die Lawinen nicht schneefrei, die Schneegrenze würde tiefer stehen, die Gletscher würden wachsen, das Klima der Thäler würde rauher.
2. Die Gletscher der Schweizer Alpen bedecken eine Fläche von 1838,8 km2;
davon kommen auf Wallis 971,7;
Graubünden 359,2;
Bern 288,5;
Uri 114,8;
Glarus 36,1;
Tessin 34,0 km2 etc. (Statist. Jahrbuch 1899).
Man pflegt die Gletscher einzuteilen in solche I. Ordnung oder Thalgletscher, und in solche II. Ordnung oder Hängegletscher. Die letztern haben nur ein kleines Sammelgebiet, reichen daher nicht weit herunter, sondern «hängen», fast in der Form eines Wassertropfens auf schiefer Unterlage, in den kleinen Seitenschluchten hoch oben, ohne das Hauptthal zu erreichen. Die grossen Thalgletscher dagegen reichen als langgestreckte Eiszungen in die Thäler herab. Ihre untern Enden liegen meist zwischen 1300 und 2000 m; nur der Untere Grindelwaldgletscher reicht bis 1080 m.
Der oberste Teil eines Gletschers ist die Firnmulde, sein Sammelgebiet. In diesen Thalkessel, der oft aus mehreren einzelnen Mulden zusammengesetzt ist, stürzen von allen umgebenden Gräten zahllose Lawinen herunter, zudem ist hier der jährliche Schneefall grösser als die Abschmelzung. So häuft sich Schicht auf Schicht. Durch den Druck, durch Anschmelzen und Wiedergefrieren geht der ursprünglich feinstaubige, trockene Hochschnee in den körnigen Firnschnee über, dieser dann zuerst in weisses, blasiges Firneis und schliesslich in bläuliches Gletschereis. Im untern Teil des Gletschers, in der Gletscherzunge, kommt das letztere auch an der Oberfläche zum Vorschein.
Die Struktur des Gletschereises ist eine total andere, als die des Wassereises; es besteht aus homogenen Eiskörnern von polyedrischer Form, die mit krummen Flächen genau zusammenpassen, oft gelenkartig in einander greifen. Das Gletscherkorn ist am grössten am Ende des Gletschers, bei langen Gletschern im Durchschnitt grösser als bei kleinern; es kann so gross wie ein Hühnerei werden. Das einzelne Gletscherkorn ist ein einheitlicher Eiskrystall, das Gletschereis ein Aggregat solcher Krystalle, wie der Marmor ein Aggregat von Calcitkrystallen. Die Umrisse der Körner sieht man im frischen Eise unter 0° gar nicht; beim Anschmelzen an der Luft werden sie sichtbar, und schliesslich zerfällt ein Eisblock in einen Haufen loser Eiskörner.
Die Bewegung des Gletschereises ist eine den Alpenbewohnern schon längst bekannte Tatsache. J. J. Scheuchzer (1705) kannte sie, ebenso Saussure; der Jäger Perraudin von Bagnes erkannte sie und teilte seine Beobachtungen Venetz mit. Gemessen wurde die Bewegung zuerst von Hugi (1830) am Unteraargletscher; dann folgten in den vierziger Jahren Messungen von Agassiz, Wild, Forbes, Escher, Desor etc. Die am längsten fortgesetzte Messung betrifft den Rhonegletscher (1874 bis heute). Sie wurde angeregt und unterstützt vom Schweizer. Alpenklub und von der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft und ausgeführt vom Eidgen. Topographischen Bureau.
Aus diesen Messungen hat sich ergeben: Die Bewegung des Eises besteht 1. aus einem Gleiten oder Rutschen, indem auch der Eisrand sich gegenüber dem Ufer verschiebt, 2. aus einem Fliessen, indem die Mitte sich rascher bewegt als die seitlichen Partien. Es finden also innerhalb der Eismasse fortwährend Verschiebungen der einzelnen Teilchen statt; die Masse bewegt sich nicht als eine starre Einheit, sondern wie eine langsam strömende
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Flüssigkeit. Die Schnelligkeit ist bei verschiedenen Gletschern sehr verschieden; sie wechselt innerhalb des gleichen Gletschers und mit der Jahreszeit. Grosse Gletscher übertreffen im allgemeinen die kleinern;
steile bewegen sich (unter sonst gleichen Umständen) rascher als flache;
im Winter ist die Bewegung langsamer als im Sommer;
kleine Gletscher kommen im Winter auch ganz zum Stillstand.
Verengt sich an einer Stelle das Bett, so fliesst das Eis schneller, in einer Erweiterung langsamer. Die Art der Bewegung gleicht also in allen Beziehungen derjenigen einer Flüssigkeit. Beispiele für die Geschwindigkeit mögen folgende sein:
Jährlich im Mittel | Täglich im Mittel | |
---|---|---|
Unteraargletscher | 50-77 m. | 0,140-0,211 m. |
Mer de Glace | 80-250 m. | 0,217-0,687 m. |
Rhonegletscher | 100 m. | 0.274 m. |
Aletschgletscher | 180 m. | 0.505 m. |
Durch die Bewegung der Gletscher entstehen ganz gesetzmässig Spalten. Da wo oben der Firn sich von dem Schnee trennt, der auf dem Fels sitzen bleibt, entsteht regelmässig der Bergschrund, der bei Gipfelbesteigungen im Hochsommer oft schwer oder nicht passierbar ist. Auf dem Gletscher selbst bilden sich an steilern Stellen des Bettes regelmässig Querspaltensysteme, indem er in grossen Treppenstufen über den Gefällsbruch hinunter steigt. Unterhalb der steilern Stelle schliessen sich die Spalten infolge der Bewegung auf flachem Grunde wieder zusammen. Wo der Gletscher sich verbreitert, namentlich auch an seinem Ende, bilden sich Längsspalten, welche in der Mitte wirklich in der Axe des Gletschers verlaufen, seitlich aber fächerförmig divergieren.
Die Abschmelzung der Gletscher geschieht von oben, von der Seite und von unten. Von oben wirken Sonne, Wind, Regen und namentlich auch die Taubildung. An den Seiten wird Wärme von den Felswänden reflektiert;
seitliche Bäche münden in das Thal des Gletschers und verschwinden unter demselben;
von unten wirkt die Erdwärme, wenigstens in den untern Teilen des Eisstromes, wo die mittlere Bodentemperatur über 0° ist;
ferner die Luft, welche unter dem Gletscher durchstreicht, und die z. B. die mitunter grossartigen Eishöhlen, «Gletscherthore», am Ende der Gletscher ausschmilzt.
Das oberflächliche Schmelzwasser bildet auf flachen Teilen der Gletscher oft ganz stattliche Bäche, ehe dieselben in eine Spalte hinunterstürzen. An solchen Stellen bilden sich im Felsuntergrunde dann «Gletschermühlen», indem der Sturzbach mitgerissene Felsblöcke unten in drehende Bewegung setzt und mit diesen Mahlsteinen tiefe Erosionskessel aushöhlt. Sämtliche Schmelzwasser vereinigen sich schliesslich am Ende und bilden den Gletscherbach.
Zu den wichtigen Erscheinungen der Gletscher gehört noch der Transport von Schutt, der durch sie ausgeführt wird. Von allen seitlichen Gehängen stürzen Verwitterungstrümmer auf das Eis. Weil dieses sich bewegt, so ordnen sich die Trümmer zu lang gestreckten Wällen an, welche als Seitenmoränen den Gletscher einfassen. Wenn sich zwei Gletscher vereinigen, treffen die linke Seitenmoräne des einen und die rechte des andern zusammen und bilden eine Mittelmoräne.
Wenn drei Gletscher sich vereinigen, entstehen zwei Mittelmoränen etc. (Vergl. Seite 14 Unteraargletscher und Seite 34 Aletschgletscher). Unterwegs fallen durch die Spalten manche Trümmer auf den Grund; sie werden vom Eise gefasst, wie das Hobeleisen vom Hobel und weitergeführt. Dabei schleifen sie sich und den Felsuntergrund ab, bedecken diesen mit Schrammen, die in der Talrichtung verlaufen oder polieren ihn geradezu (Gletscherschliffe). Aus solchen Trümmern und aus abgeriebenem Material bildet sich unter dem Gletscher die Grundmoräne. Was auf und unter dem Eise transportiert wird, gelangt schliesslich ans Ende des Gletschers und häuft sich da zu der bogenförmig quer durchs Thal verlaufenden End- oder Stirnmoräne an. Die Endmoräne wird an einer oder mehreren Stellen durchbrochen vom Gletscherbach, der eine Menge Geschiebe führt und auch beständig durch den feinen Schleifschlamm milchig getrübt ist.
Die Grösse der Gletscher ist veränderlich; innert wenigen Jahrzehnten oder sogar Jahren kommen ganz bedeutende Schwankungen vor. Wenn die Abschmelzung die Bewegung des Gletschers überwiegt, so wird das Ende flach, scherbenförmig; es weicht mehr und mehr von der Endmoräne zurück, die Seitenmoränen geraten auf festen Grund und werden so zu Ufermoränen, welche oft hoch über dem Gletscher liegen. Umgekehrt ist es beim Wachsen.
Im allgemeinen rücken die meisten Alpengletscher gleichzeitig vor und weichen gleichzeitig zurück. Immerhin verspäten sich grosse Gletscher dabei meistens;
kleine beginnen und enden die Periode des Wachsens und Schwindens meistens rascher. Im 19. Jahrhundert zeigten sich folgende allgemeine Schwankungen:
Wachsen | Schwinden |
---|---|
1812-1822 | 1822-1840 |
1840-1858 oder 1855 | 1855-1880 |
Nun hätte wieder ein allgemeines Wachsen eintreten sollen;
es zeigte sich aber nur in geringem Grad und nur bei wenigen Gletschern. So ist der Rhonegletscher seit 1856 beständig zurückgewichen;
sein Ende steht heute fast 1½ km von der Moräne von 1856 ab;
seine Oberfläche liegt stellenweise 100—150 m unter der alten Ufermoräne.
Aehnlich verhalten sich fast alle grossen Alpengletscher; viele davon sind um 500—1000 m kürzer als vor 40 bis 50 Jahren. Der grösste Gletscherstand des 19. Jahrhunderts (1818) war aber für manche Gletscher noch nicht der grösste in historischer Zeit; 1602 reichte z. B. der Untere Grindelwaldgletscher soweit herunter, dass er die Schwarze Lütschine staute.
Die Eislawinen. Sie sind gewissermassen ein Bindeglied zwischen Gletschern und Lawinen; denn von den erstern stammt das Material, während die Art der Bewegung diejenige der Lawinen ist. Wenn nämlich ein Gletscher über eine steile Felswand hinaus vorrückt, so brechen die vorgeschobenen Massen ab und stürzen zertrümmert mit lautem Donner in die Tiefe. Es gibt hunderte von Stellen im Hochgebirge, wo solche Eislawinen regelmässig auftreten. So erfolgen sie z. B. im Sommer täglich mehrmals auf der Nordseite der Jungfrau; in dem Thalkessel der Obersandalp am Tödi hört das Donnern der Eislawinen oft die ganze Nacht nicht auf etc. Die grosse Mehrzahl dieser Eislawinen stürzt in Gegenden, wo sie keinen Schaden stiften. Dagegen entstehen mitunter, namentlich in Zeiten des Gletscherwachstums, ausserordentliche Eislawinen, welche dann verheerend bis tief in die Thäler hinunter brechen. So brach am Biesgletscher (Weisshorngletscher westlich vom Nicolaithal) am eine Eismasse von 13000000 m3 ab, fuhr ins Thal hinunter und zerstörte
Karte der Schweizer Flora
Lf 5.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebr. Attinger, Neuenburg
^[Karte: 6° O; 47° N; 100 km]
Erklärung:
░ Mittelmeer-Flora
▒ Alpine Flora reich, gemässigt, arm
▓ Glaziale Torfmoore
▐ Zentraleuropäische Flora
___ Grenze zwischen der nördl. u. südlichen alpinen Flora
- - - Südliche alpine Kolonien.
nach Dr. H. Christ
V. Attinger sc
KARTE DER SCHWEIZER FLORA
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durch den Windschlag 113 Firsten im Dörfchen Randa. Indirekt verheerend wirkte im Jahr 1818 der Sturz des Giétrozgletschers. (Val de Bagne, Kt. Wallis.) Er staute nämlich die Dranse zu einem See von 2,5 km Länge. Umsonst versuchte man das Wasser durch einen Stollen zu entleeren. Die letzten ⅔ des Sees (20000000 m3) brachen auf einmal durch und verwüsteten das ganze Dransethal bis Martigny hinaus. Das neueste Beispiel ist der Gletscherabbruch an der Altels, wo am 4500000 m3 etwa 1440 m hoch herunterstürzten, die Spitalmatte und den Gemmiweg verschütteten und 6 Menschen und 158 Stück Rindvieh töteten.
Litteratur: Coaz. Die Lawinen der Schweizeralpen. 1881. - Heim. Handbuch der Gletscherkunde. 1885. - Heim. Die Gletscherlawine an der Altels. (Neujahrsblatt der naturf. Ges. in Zür. 1896).
[Dr Aug. Æppli].
E. DIE PFLANZENWELT.
Die durch die zunehmende Höhe über Meer bedingte Wärmeabnahme übt naturgemäss auf das organische Leben einen grossen Einfluss aus, so dass den verschiedenen Höhengürteln je ihre ganz bestimmten und für sie charakteristischen Pflanzenarten und Vegetationsverhältnisse eigen sind.
Wir unterscheiden:
a) Die Hügelregion (200-700 m),
das eigentliche Gebiet des Ackerbaues, mit ausgedehntestem Anbau von Futterpflanzen und Obstbaumzucht. Letztere reicht selten höher hinauf; immerhin findet man an geschützten Lagen den Apfel- und Birnbaum bis ca 900 m, den Kirschbaum bis 1000 m und höher. Das nämliche gilt von der Weinrebe, die zwar ihre hauptsächlichste Verbreitung im schweizerischen Hügellande hat, dank besonderer klimatischen Bedingungen jedoch längs der grossen Thäler noch ziemlich weit in die Alpen hinein vorrücken kann. So verdankt das Rheinthal vom Bodensee bis Chur die ausgezeichnete Güte seines Weines dem herbstlichen Fön; sobald dieser aussetzt, wird die Qualität des Weines eine merklich geringere. Die grossen Weinberge des Rhonethales von Montreux bis Aigle und von Martigny bis Brig zählen mit unter die besten der Schweiz. Noch höher hinauf wird die Weinrebe in den südlichen Thälern angetroffen; im Tessinthale z. B. steigt sie bis Giornico und Olivone, im Maggiathal bis Bignasco u. s. f.
b) Die Bergregion (700-1200 m)
weist noch vereinzelt Obstbäume auf, und auch der Anbau der Cerealien ist noch möglich, doch nimmt er nur mehr kleine Flächen ein und verschwindet in dem Masse, als die Einfuhr von fremdem Getreide eine leichtere wird. Hier finden wir die grossen ausgezeichneten Wiesen und die Maiensässe (franz. mayens, roman. acla), die vom Vieh zu Beginn des Sommers als erste Weide bezogen werden, deren Gras im Hochsommer meist geschnitten wird und die im Spätsommer dem von den Alpweiden heimkehrenden Vieh wieder als Weide dienen.
Der eigentlich bezeichnende Zug der Bergregion ist aber das Auftreten des aus Nadel- und Laubholz zusammengesetzten Mischwaldes. Die wichtigsten Vertreter des letztern sind Eiche, Buche, Esche und Ahorn. Die Eiche tritt sowohl als Stiel- wie als Steineiche auf, bildet aber doch im Alpengebiet nur kleine Bestände - kleinere noch als im Mittelland - und erreicht ihre obere Grenze schon in 800-1000 m. Durchschnittlich um 300 m höher steigt die Buche, die weit häufiger auftritt und grosse Waldungen bildet.
Mit ihrer langen Vegetationsperiode ist die dem feuchten Seeklima angehörende Buche übrigens in den an Niederschlägen reichen Alpen ganz an ihrem Platze. Die Esche kommt bis zur gleichen Höhe vor, wie die Buche (1300 m), immerhin aber ist der für die Bergregion eigentlich charakteristische Baum der Bergahorn, der in der Ebene nicht gut gedeiht, sich dagegen in Höhen von 1000-1600 m besonders schön entwickelt. Dabei sind die nahe der obern Verbreitungsgrenze stehenden Exemplare oft die schönsten und kräftigsten. Meist steht der Ahorn vereinzelt und schaart sich nur hie und da zu lichten Wäldern.
c) Die Alpenregion (1200-2600 m)
besteht in ihren untern Teilen aus Wald und Weide, in den obern ausschliesslich aus Alpweide. An einigen besonders geschützten Stellen der Hochthäler kann der Getreidebau noch bis in eine erstaunliche Höhe vordringen: so gehen z. B. im Engadin Gerste und Roggen bis 1700 m, und 1850 konnte der damals in starkem Vorrücken begriffene Gornergletscher ein noch in 1848 m Höhe gelegenes Weizenfeld zerstören. Es sind dies aber seltene Ausnahmen, und diese kleinen vorgeschobenen Aecker bringen auch nur magern Ertrag.
Der Wald der Alpenregion besteht ausschliesslich aus Nadelhölzern, in denen die vier Arten der Rottanne, Föhre, Lärche und Arve weitaus vorherrschen. Die übrigen Arten spielen eine nur untergeordnete Rolle; die Weisstanne (Abies alba Mill.) - empfindlicher als ihre Schwester - wagt sich seltener in die Alpenregion und Wachholder und Taxus treten nur vereinzelt auf. In allen erdenklichen Gestalten und Formen finden wir die Rottanne (Picea excelsa): bald als stolz ragende Säule im geschlossenen Hochwalde;
bald als vereinzelte Wettertanne, knorrig, von Blitz, Sturm und Schneedruck verstümmelt, immer aber mit stets erneuter Kraft gegen die feindlichen Elemente ankämpfend;
bald als verkrüppeltes Buschwerk von konischer Form, in seinem Wachstum durch das die Knospen abweidende Vieh derart gehemmt, dass es trotz einem Alter von oft 20-30 Jahren kaum die zwerghafte Höhe von einem Meter zu erreichen vermag (Geissetännli).
Während die Rottanne durch das ganze Alpengebiet verbreitet ist, bildet die Föhre (Pinus silvestris) nur an einzelnen Stellen der Schweizer Alpen ganze Wälder. Solche finden sich z. B. im Wallis von St. Maurice bis Brig und in St. Gallen und Graubünden von Flums bis Ems. Die Bergföhre (Pinus montana) dagegen gedeiht auf der Lenzerheide, im Davos, Engadin, am Ofenpass etc.
Die Lärche (Larix decidua) kommt überall im Wallis und in Graubünden vor, dann auch im Berner Oberland (Thäler der Saane und Kander), im Weisstannenthal und im östlichen Teil der Säntisgruppe. Sie leidet weniger unter der Trockenheit als die Rottanne, und der jährliche Laubwechsel gestattet ihr, einige Frostgrade mehr ohne Schaden zu ertragen, als die im Mittel sich um 100-200 m tiefer haltende Tanne. Die höchsten Standorte der Lärche sind bei Zermatt (2300 m), Münster (Graubünden) und am Stelvio (2400 m).
Die für die Alpen bezeichnendste Conifere ist aber die Arve (Pinus cembra) mit ihrem kräftigen Stamm, ihrer abgerundeten Krone und ihren gedrängten Nadelbüscheln. Unglücklicherweise ist sie aber heute im allmähligen Verschwinden begriffen, da ihren Früchten, den sog. Arvennüssen, von Liebhabern sowohl im Reiche der Tiere als der Menschen zu häufig nachgestellt wird, als dass ihr eine kräftige Fortpflanzung möglich wäre. Einzig im Val d'Anniviers und ob Sitten sind die für eine natürliche Vermehrung des schönen Baumes notwendigen Bedingungen noch günstige geblieben.
Selten findet sich die Arve in ganzen Wäldern beisammen; meist bildet sie nur kleine Gruppen inmitten ihrer Verwandten, die sie aber mit zunehmender Höhe nach und nach alle hinter sich lässt. Ihre eigentliche Heimat sind die Seitenthäler des Wallis und Engadins, in Gruppen findet man sie auch noch in den Thälern des Berner Oberlandes, selten und nur vereinzelt in der Zentralschweiz, im Kanton Glarus und an den Churfirsten. Kaum unter 1800 m herabsteigend ist die Arve der wahre Typus des alpinen Baumes.
Der Uebergang vom Wald zur Weide wird häufig durch Buschwerk vermittelt, das als Brennmaterial für die Sennhütten der obern Alpweiden seine wirtschaftliche Rolle spielt, aber weit wichtiger ist durch die Fähigkeit, mit seinen Wurzeln das lockere Erdreich der abschüssigen Halden zusammenzuhalten und zu verfestigen. Es sind hier besonders zu erwähnen die Grün-Erle (Alnus viridis, Dros oder Tros der Aelpler) und die Legföhre (Pinus Pumilio). Erstere wird niemals auf Kalkboden angetroffen; letztere dringt weniger tief in den Boden ein, kann aber mit ihren weit ausgreifenden Wurzeln und dem schirmförmig vom Boden aufsteigenden Astwerk den lockern Boden ebensogut zusammenhalten. Am höchsten, bis 2500 m, steigt der Zwergwachholder (Juniperus nana). Der alpine Brüsch (Erica carnea) wird von den Bewohnern der Thäler trotz seiner schönen und zahlreichen Blütenähren im Allgemeinen weniger beachtet als die Alpenrose, die mit ihrem dichten Astwerk weite Hänge bekleidet und ihnen glänzenden Schmuck verleiht. Von ihren beiden Arten ist die rostrote Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) weit verbreiteter als die gewimperte Alpenrose (Rh.
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hirsutum), die die trockenen Standorte vorzieht und daher auch fast gänzlich sich auf die Kalkalpen beschränkt. Die erste Art dagegen ist überall in den Alpen zu Hause; sie steigt bis zu 2300 m Höhe, kann aber auch längs der Wasserläufe und Lawinenzüge bis zu den Seen der südlichen Alpenthäler hinabwandern.
An die Baum- und Buschregion schliessen sich nach oben die Alpweiden mit ihrem frischen und saftigen Grün an, die ein so reizvolles Element der Alpenlandschaft bilden und deren wirtschaftlicher Wert den der Wälder weit überwiegt. Hier erlustigen sich auf Hängen und in Thalkesseln die Heerden mit ihrem Glockengetön, hier geniessen die Hirten und Sennen ihr friedliches, von einem Hauche der Poesie umwobenes und von den Bewohnern der Ebene so oft beneidetes Dasein, hier gedeihen in dichten Polstern die saftigsten Kräuter, die, unter der Sichel gefallen, dem Vieh auch im Winter ein duftendes Futter sind.
Weiter oben schiebt sich der grüne Teppich zwischen Schutthalden und Lawinenreste ein und erscheint bald nur noch in vereinzelten kleinen Flecken. Auch Felsbänder und ebenere Teile an Steilwänden geben dem verwegenen Wildheuer noch Ausbeute, der hier, wo das Vieh nicht mehr hingelangen kann, kühnen Fusses das würzige Heu sammelt. Wo immer sich sonst noch ein Grasfleck zeigt, da klettern Ziegen und Schafe hin, die sich auch an dem kleinsten Kräutlein noch gütlich tun.
So vollzieht sich allmählich der Uebergang zur höchsten und letzten Region,
d) der Schneeregion, oberhalb 2600 m.
Keineswegs herrscht in diesen Höhen ein ewiger Winter, der die Entfaltung jedes organischen Lebens zur Unmöglichkeit machen würde. Es ist im Gegenteil keine Höhe so gross, dass sie nicht wenigstens für eine kurze Zeitspanne ein freudiges Spriessen ermöglichte, und die unwirtlichsten Gebiete weisen noch ihre ihnen besonders eigentümliche und durchaus nicht arme Flora auf. In den Glarner Alpen fand Oswald Heer über 2760 m noch 24, in den Bündner Alpen noch 105 Pflanzenarten; der Piz Linard hat von 3250 m bis zu seinem Gipfel noch 11 und die Vincentpyramide in der Monte Rosa-Gruppe über 3158 m noch 47 Arten. Sogar der leichte rosige Hauch, der ziemlich häufig den Firnschnee überzieht, wird durch die Anwesenheit von Tausenden von mikroskopisch kleinen Algen, dem Protococcus nivalis, hervorgerufen.
Die biologischen Eigentümlichkeiten dieser nivalen Flora, die nur auf kleinen mitten in Felsen, Firn- und Eisfeldern zerstreuten Plätzchen Fuss fassen kann, sind bedingt durch ihre kurze Vegetationsperiode, durch die tagsüber starke Insolation, die bedeutende Abkühlung während der Nacht und durch häufigen Schneefall. Daher ihr eigenartiges Gepräge: gedrängter polsterartiger Wuchs, weitausgreifende Rhizome, niedliche Rosetten von winzigen, lederharten Blättchen, die mehrere Jahre aushalten können, stengellose Blüten von prächtigem Farbenschmelz. Der nivalen Flora gehören fast ausnahmslos nur stark widerstandsfähige Pflanzen an, die nicht in jedem Sommer ihre Früchte zur Reife bringen können; oft sind sie auch zu weiterem Schutze mit einem dichten Pelz von Wollhaaren überkleidet.
Analoge Eigentümlichkeiten zeigen auch die tiefer unten, auf den Alpweiden, wohnenden Pflanzen. Haben sie einen hohen Stengel, so ist dieser genügend stark entwickelt, um dem Schneedruck Widerstand leisten zu können. Die interessanteste Erscheinung der Anpassung an die Umgebung aber ist der sogenannte Viviparismus, der darin besteht, dass sich der Stengel unter dem Gewichte der voll entwickelten Blüten zur Erde neigt, damit die Samen dort ungehindert eindringen und Wurzel fassen können. Natürlich sind die alpinen Pflanzen zahlreicher als die nivalen. Während z. B. die nivale Flora Graubündens 105 Arten zählt, hat sie ca 500 alpine Arten über 1800 m.
Nicht überall entwickelt die Flora denselben Artenreichtum. In erster Linie stehen hier die Walliser Alpen mit nahe an 1800, dann die Graubündner Alpen und in dritter Linie die Berner Alpen mit nur noch 1300 Arten. Eher als die Beschaffenheit des Untergrundes bedingt Richtung und Stärke des die Samen transportierenden Windes die reichere oder ärmere Entwicklung des Pflanzenlebens. Das Wallis z. B. verdankt seinen Florenreichtum der Einwanderung von Pflanzen aus S. und SW., und zahlreich sind die beobachteten Fälle, dass dieser Einwanderung gerade die Passübergänge der Alpen die Wege gewiesen haben.
Mitten durch die Alpen gehen die Grenzlinien zwischen nördlicher und südlicher Flora einerseits, und östlicher und westlicher andererseits. Die erstgenannte zieht sich längs des Kammes der Berner Alpen hin und setzt sich über den Gotthard, Adula und die Maloja fort. Die Flora des Wallis ist stark von W. her beeinflusst worden, und dieser Einfluss lässt sich bis ins Ober-Engadin verfolgen, während sich das Unter-Engadin schon mehr der Flora der Ostalpen nähert. Die Flora der Tessiner Alpen endlich steht stark unter Einfluss von S. her.
Wie man sieht, hat demnach die Flora der Schweizer Alpen durchaus nicht durchweg ein einheitliches Gepräge. Was daher gewöhnlich unter dem Begriffe der alpinen Flora verstanden wird, entspricht blos den besonderen biologischen Eigentümlichkeiten, die die Flora des Hochgebirges unter dem Einfluss des diesem eigenen Klimas anzunehmen gezwungen ist.
Die dünne Luft der Hochalpen hat eine merkliche Verminderung ihres Vermögens, Wasserdampf aufzunehmen, im Gefolge, woraus eine grössere Transparenz der Atmosphäre resultiert, die hier nur noch unvollständig ihre in den niederen Regionen so wohl zur Geltung kommende Rolle als Wärmeregulator ausüben kann. Daher haben die Gipfelregionen im Vergleich zur absoluten Feuchtigkeit ein eher trockenes Klima und verfallen in Wärmeextreme, an die sich die Vegetation nur während der kurzen Zeit anpassen kann, da die Dauer der täglichen Insolation eine genügend grosse ist, um dem Boden mehr Wärme zuzuführen als ihm durch die nächtliche Ausstrahlung entzogen wird. Je grösser die Höhe über Meer, desto kürzer ist die Dauer der sommerlichen Vegetationsperiode. So ist z. B. an dem 3333 m hohen Theodulpasse ein Pflanzenleben blos von Juni bis September möglich.
Während dieser vier Monate stieg nach Beobachtungen in den Jahren 1865 und 66 das Thermometer blos an 53 Tagen von 7 Uhr Morgens bis 9 Uhr Abends über den Nullpunkt und blos an 91 Tagen Mittags auf 2° C. oder darüber. Die vegetative Periode kann aber in den Alpen eine noch kürzere sein, indem z. B. die Arten von Draba, Silene und Saxifraga, die am Finsteraarhorn und Mont Blanc noch bei 4000 m und darüber ausharren, sich mit einer Zeit von kaum mehr als 50 Tagen begnügen müssen, um ihre Blätter bilden und ihre zarten Blütenkelche öffnen zu können.
Unter dem Einflusse solcher eigenartigen Bedingungen ist es begreiflich, dass die alpine und nivale Flora eine Reihe von Anpassungserscheinungen erkennen lässt: Die Pflanzen sind im Allgemeinen ausdauernd und entwickeln eher Wurzeln und Rhizome als üppige Oberflächengebilde;
die oft in Rosetten angeordneten Blätter sind meist lederartig oder behaart und die Blütenknospen sorgfältig geschützt, zahlreiche Arten drängen sich in Polstern und Büscheln zusammen.
Alle gehorchen der Notwendigkeit einer strikten Beschränkung in der Entwickelung ihrer Organe. Der Widerstand, den sie der starken Insolation am Tage und dem Froste der Nacht gegenüber leisten müssen, äussert sich in einer schwachen Transpiration, die die Trockenheit der Luft aber immer zu steigern bestrebt ist. Die Gesamtheit aller angeführten Eigentümlichkeiten verleiht der alpinen Flora im engeren Sinne ihren erwähnten einheitlichen biologischen Charakter, den man in ähnlicher Weise übrigens bei der Flora aller in grosser Höhe über Meer gelegenen Gebiete wiederfindet.
Schon seit langer Zeit sind diese Eigentümlichkeiten der alpinen mit denjenigen der arktischen Flora verglichen worden. Ihre äussere Aehnlichkeit ist ja auch eine recht verständliche, da die Pflanzen im äussersten Norden wie in den Hochalpen, wenn auch aus recht verschiedenen Ursachen, nur über eine kurze Vegetationsdauer verfügen und dies dazu noch bei allerdings oft enbliger ^[richtig: nebliger], an absoluter Feuchtigkeit aber doch recht armer Atmosphäre.
Betrachten wir das alpine Gebiet mit Bezug auf die in ihm vorkommenden Pflanzenarten in seiner Gesamtheit, so fällt uns sofort auf, dass ihm jede Einheitlichkeit fehlt und dafür eine Verschiedenartigkeit vorherrscht, zu deren
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Verständnis uns die geologische Entwicklungsgeschichte unseres Landes und dessen heutige topographischen und klimatologischen Verhältnisse den Schlüssel geben.
Eines der am besten gestützten Hauptgesetze der Pflanzengeographie ist der Satz, dass sich die den verschiedenen Gebirgen eigentümlichen Höhentypen der Pflanzen auf Kosten der am Fusse der Gebirge lebenden Arten entwickelt haben. Nun beherbergen auch die Alpen eine gute Anzahl von Pflanzenformen, deren nächste Verwandten in keinem der unmittelbar angrenzenden Gebiete mehr angetroffen werden. Es trifft dies - um nur einige Jedermann bekannte Arten zu erwähnen - insbesondere zu für das Edelweiss, die Alpenrosen und verschiedene Tragantarten.
Während sich der subalpine Wiesenteppich aus einer ziemlich beschränkten Anzahl von Pflanzen der Tiefe zusammensetzt, die allen Ebenen des zentralen Europas gemeinsam sind, und mit ihrem Ansteigen bergwärts bloss an Grösse des Wuchses einbüssen, sind die nächsten Verwandten der weitaus grössten Zahl sowohl der eigentlich alpinen als auch der für die Tiefenregionen bezeichnendsten Formen entweder in der circumpolaren Region und in den Gebirgen von N.- und W.-Asien, oder aber im Mittelmeerbecken und sogar in den asiatischen Steppen zu finden.
Die heutigen Lebensbedingungen allein können solche merkwürdige Analogien und räumlich so weit auseinanderliegende Verwandtschaften durchaus nicht rechtfertigen; dagegen wird dies Verhalten verständlich, sobald wir uns die ganz besonderen Verhältnisse vergegenwärtigen, die die durch fortschreitende Abnahme der mittleren Wärme bedingte einstige mächtige Ausdehnung der Gletscher geschaffen hatte.
Die voreiszeitlichen Alpen mussten zweifellos von Pflanzenformen bewohnt gewesen sein, die sich zwar an die durch die Höhenverhältnisse geschaffenen Lebensbedingungen angepasst hatten, deren nächste Verwandten aber doch überall in den benachbarten anliegenden Gebieten zu finden gewesen sein mussten. Verschiedene solcher tertiären Formen sind uns denn auch in manchen miocänen und pliocänen Ablagerungen des schweizerischen Molasselandes (s. diesen Art.) erhalten geblieben, besonders immergrüne Bäume und Sträucher, die grosse Aehnlichkeiten mit der heutigen Flora von Japan verraten.
Als die eiszeitlichen Gletscher unser Land überfluteten, ging die weitaus grösste Anzahl dieser tertiären Formen zu Grunde, während ein kleinerer Teil derselben nach S. zurückgedrängt wurde, wo sie sich dann zu den Stammformen eines beträchtlichen Prozentsatzes der heutigen mediterranen Arten entwickelten. Nach dem Rückzuge der Gletscher, den wieder eine allgemeine Wärmezunahme veranlasste, eroberten sich mehrere dieser Arten das alpine Gebiet durch Aufwärtswandern in den Thälern der Rhone und des Po neuerdings zurück. Diesen typisch mediterranen Arten gehören an die Zistrosen und Baumheiden der Tessiner Alpen, der Mömpelgarder Tragant (Astragalus monspessulanus), die Raute (Ruta graveolens) der Granatapfel, die Mandel, Feige u. a.
Ebensowenig kann die bereits erwähnte asiatische Verwandtschaft bestritten werden, wenn sie auch auf verwickeltere Ursachen zurückzuführen ist. Sie erklärt sich zum Teil durch die grosse Einförmigkeit, die zu Ende des Tertiärs die Flora der grossen Bergketten der nördlichen Halbkugel auszeichnen musste und die von den durchgreifenden geologischen Veränderungen der Erdoberfläche zerstört worden ist. Gleichsam als Zeugen der einstigen Zusammengehörigkeit haben sich dann noch einige Arten erhalten, die in ihrer heutigen sporadischen Zerstreuung und geographischen Verbreitung aber zu sehr ohne alles Gesetz verteilt sind, als dass ihr gleichzeitiges Auftreten in derart weit auseinanderliegenden Gebieten sich durch eine zufällige Ausbreitung (etwa durch den Wind) erklären liesse. Als klassisches Beispiel dieser Arten von getrenntem Verbreitungsbezirk nennen wir die Pleurogyne carinthiaca, einen kleinen Alpenenzian, der vereinzelt im Altai, Ural, Kaukasus, in Kärnten und an 3-4 Standorten in den Alpen gefunden worden ist.
Ausser diesen Arten, deren nächste Verwandten in den asiatischen Gebirgen zu suchen sind, gibt es eine Anzahl von auf warme und trockene Lokalitäten unserer Alpen beschränkten Formen, die blos in den asiatischen oder südrussischen Steppen mit Sicherheit wieder nachgewiesen worden sind. Es trifft dies zu für Astragalus alopecuroides, Bunias orientalis und ganz besonders für das Edelweiss, das in Sibirien ganze Wiesen bildet und dort mehr als 30 cm hoch wird.
Endlich haben wir auch noch von circumpolaren Typen gesprochen; die bezeichnendsten derselben sind Silene acaulis, Dryas octopetala, Saxifraga oppositifolia, aizoïdes und stellaris, Erigeron alpinus, Azalea procumbens, Myosotis alpestris, Polygonum viviparum, Salix retusa und herbacea, Phleum alpinum, Poa alpina, Juniperus nana.
Man nimmt an, dass zur Zeit der grossen Vergletscherungen die Flora der alpinen Moränen, die mit diesen bis nach Mitteldeutschland gewandert sei, dort mit derjenigen der nördlichen Gebiete, deren weitestes Vorrücken nach Süden in die nämliche Epoche fiel, habe in Verbindung treten können. Beweise für diese vermutete Mischung von arktischen und alpinen Typen liefern uns die in den meisten Torflagern von Centraleuropa erhaltenen pflanzlichen Ueberreste.
Um aber die zahlreichen Aehnlichkeiten zwischen arktischer und alpiner Flora zu erklären, brauchen wir diese gegenseitige Annäherung nicht einmal anzuziehen. Es genügt hiefür die Betrachtung, dass ein grosser Prozentsatz der arktisch-alpinen Formen seine Beiden gemeinsamen Verwandten in im nördlichen und westlichen Asien vertretenen Typen besitzt. Wenn wir ausserdem noch beifügen, dass dieser Prozentsatz von arktisch-alpinen Formen abnimmt, je weiter nach Süden oder nach Osten gelegene Gebirgsketten wir untersuchen, so bestätigt sich wiederum unsere Annahme von der in Bezug auf Verteilung der Pflanzenarten von der Eiszeit gespielten Rolle.
Nachdem wir den verschiedenen Ausgangspunkten unserer heutigen alpinen Flora gerecht geworden, erübrigt uns noch, auch ihrer sicher endemischen Formen kurz zu gedenken.
H. Christ (Pflanzenleben der Schweiz, S. 285 f.) sagt hierüber Folgendes: «Die endemische Alpenflora unterscheidet sich nun von der alpin-nordischen dadurch, dass erstere weit vorherrschend aus trockenen Felsenpflanzen, letztere aus Wasser- und Moorpflanzen besteht. Bei den alpinen Arten steht ein Sechsteil von Pflanzen der nassen Standorte fünf Sechsteln von solchen gegenüber, welche den Fels oder den trockenen Rasen bewohnen. Und diese Mehrheit enthält gerade die bezeichnendsten Alpenarten.» Wir nennen die schaftlosen Androsace, die Felsenprimeln, verschiedene Potentillen und Steinbreche, die Mehrzahl der Enziane, Glockenblumen, Rapunzeln, Schafgarben, Habichtskräuter und Hauswurze trockener Lagen.
«Es steht fest, dass die wärmere und trockenere Alpenkette vorzugsweise solche Arten erzeugt hat, die sich zur Besiedelung derjenigen Oertlichkeiten eigneten, welche den nordischen nicht entsprachen, und dass diese hinwieder dem Wasser folgten und die trockenen Gebiete den endemischen Arten überliessen...»
Diese allgemeine Auseinandersetzung über die beträchtliche Rolle, die die geologischen und klimatologischen Faktoren in der Zusammensetzung der alpinen Flora gespielt haben, war zur Erklärung der grossen ihr heute eigentümlichen Verschiedenartigkeit und besonders auch ihrer merkwürdigen Verwandtschaftsverhältnisse zur Flora so gänzlich anderer und räumlich von ihr weit getrennter Gebiete durchaus notwendig.
Es ist in den Alpen nicht immer möglich, die verschiedenen Florengebiete mit der orographischen Gliederung in Einklang zu bringen. Da die Flora hauptsächlich vom Klima abhängt, müssen wir in dieser Beziehung unser Augenmerk eher auf die Thäler als auf die Bergketten richten. So entsprechen das insubrische Seengebiet, die Thäler der Rhone und des Rheins, das Engadin ebensovielen natürlichen, scharf gesonderten Florengebieten, die in den Artikeln Tessin, Wallis, Waadt, Graubünden, Engadin beschrieben werden sollen.
Leichter schon kann bei den nördlichen Hochalpen die orographische Einteilung auch für unsere Zwecke verwendet werden, und es wäre wohl möglich, in dieser Beziehung z. B. die Gruppen des Wildhorns, des
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Finsteraarhorns und der Damma je einzeln für sich zu betrachten, da sie in ihrem geologischen Bau wie in ihren respektiven Abweichungen gegenüber andern Florengebieten jede ihre besonderen Eigentümlichkeiten aufweisen. Im Gegensatze dazu bilden - so lange man sich auf die allgemeinen Züge beschränkt - die östlichen Teile der Schweizer Alpen (die Glarner Alpen im weiteren Sinne) eine schwierig zu gliedernde floristische Unterabteilung.
Nördliche Hochalpen. Im Ganzen genommen weist die Nordflanke dieser Ketten gegenüber ihrer Südflanke eine grosse floristische Armut auf. Ob man die Gemmi, Grimsel oder den Gotthard überschreitet, immer wird man eine Anzahl von Arten antreffen, die sich nur durch blossen Zufall über den die Grenzlinie bildenden Grat der Ketten nach Norden verirrt haben. Es ist bereits von verschiedenen Botanikern betont worden, dass die im allgemeinen steil nach Süden abfallenden nördlichen Hochalpen gleichsam eine sich der Einwanderung südlicher Arten entgegenstellende unüberwindliche Schranke bilden. Diese Schranke ist aber mehr nur eine klimatische, als eine orographische, da in den zahlreichen sich nach Norden öffnenden Querthälern ohne Zweifel manche jetzt fehlenden Typen hätten Fuss fassen können, wenn hier an Stelle der häufigen Niederschläge dasselbe trockene Klima, wie in den Thälern der Südseite vorherrschen würde.
So wie dieses feuchte Klima einerseits eine grosse Anzahl von Arten ausschloss, hat es anderseits wiederum die Verbreitung anderer, und gerade für die Alpweiden dieser nördlichen Gebiete bezeichnender Arten gefördert. Wir nennen die Alpen-Akelei (Aquilegia alpina), den hohen Rittersporn (Delphinium elatum), den Alpenklee (Trifolium alpinum), das langgespornte Veilchen (Viola calcarata), den fünfblätterigen Frauenmantel (Alchimilla pentaphylla), die schneeweisse Trichterlilie (Paradisia Liliastrum), den ährigen Beifuss (Artemisia spicata), das Iva-Kraut (Achillea moschata), die grossblätterige Schafgarbe (Achillea macrophylla); ferner Phaca australis, Gaya simplex, Saxifraga caesia und aspera, Aronicum Clusii, Pedicularis rostrata u. tuberosa. Veronica saxatilis, Erinus alpinus u. s. f.
Zu diesen überall in unserem Gebiet verbreiteten Arten gesellen sich im Westen, Centrum und Osten noch verschiedene, den unmittelbar benachbarten Gebieten im Süden entlehnte Formen. So weist der am weitesten nach Westen vorgeschobene Teil, die Alpen der Waadt, eine ganz beträchtliche Anzahl von südlichen und westlichen Arten auf, die sonst überall fehlen: Androsace carnea und pubescens, Valeriana Saliunca, Sedum Anacampseros, Sisymbrium pinnatifidum, Crepis pygmœa, Viola Thomasiana, Geranium lucidum, Hieracium longifolium und aurantiacum, Eryngium alpinum, Saussurea depressa, Dracocephalum Ruyschiana, Ranunculus Thora und parnassifolius, Anemone baldensis, Astragalus depressus und aristatus u. s. f. Alle diese von den Alpen Savoyens bis zur Saane verbreiteten Arten fehlen weiter nach Osten völlig.
Eine beschränkte Anzahl von Arten des Wallis sind über die Pässe der Berner Alpen nach Norden vorgedrungen: über den Sanetsch Crepis pygmœa und Saxifraga cernua;
über den Rawyl Carex ustulata, Crepis pygmœa, Linnea borealis;
auf der Grimselpasshöhe haben sich kleine Kolonien von Anemone baldensis, Ranunculus parnassifolius, Lychnis alpina, Salix caesia und Myrsinites, Crepis pygmœa, Alsine laricifolia und Oxytropis lapponica angesiedelt;
am Finsteraarhorn finden sich Salix glauca, Oxytropis lapponica, Potentilla frigida, Phyteuma Scheuchzeri, Alsine laricifolia, Woodsia hyperborea;
über die Grimsel ins obere Aarethal Salix glauca und Myrsinites, Androsace tomentosa, Pinguicula grandiflora, Potentilla frigida, Phaca alpina.
Die rein östlichen Arten Rumex nivalis, Primula integrifolia und Saxifraga stenopetala kommen in den Berner Alpen nur ganz vereinzelt vor.
Das Gadmen- und Haslethal besitzen wie die Thäler des obern Reussgebietes eine Anzahl von Arten Tessiner Ursprungs, wie z. B. Sesleria disticha, Eritrichium nanum, Saxifraga Seguierii, Tofielda palustris, Bupleurum stellatum, Asplenium Breynii, Polygonum alpinum, Saxifraga Cotyledon, Cirsium heterophyllum, Erigeron Villarsii, Achillea nana, Senecio incanus, Dianthus vaginatus u. s. f.
Das Vorhandensein einer so grossen Anzahl von transalpinen Pflanzen in den obern Becken der Aare und Reuss beruht ohne Zweifel zum grossen Teile auf der Wirkung des Föns, der nicht nur die Wärme merkbar steigert, sondern auch in starkem Masse zur Vermehrung der Niederschläge beiträgt und somit dem Klima der unter seiner Herrschaft stehenden Teile des Alpengebietes einen ausgesprochen südlichen Charakter verleiht.
Mit Ausnahme des der wohltätigen Wirkung des Föns besonders ausgesetzten Urserenthales ist die Flora der Urner Alpen im Uebrigen eine sehr arme.
Oestlicher Abschnitt (Glarner Alpen). Diese Abteilung der nördlichen Hochalpen weist keinen nach Süden gerichteten Passübergang auf, der so tief eingeschnitten wäre, dass er einer grössern Anzahl von südlichen Arten als Einfallspforte dienen könnte. Es ist daher nicht auffallend, dass dieses beinahe völlig nur nach Norden offene Gebiet eine arme Flora aufweist, die - wenigstens in den höchsten Teilen - noch nicht einmal an diejenige der Berner oder Urner Alpen heranreicht. Häufiger finden sich die interessantesten Arten dieses Abschnittes der nördlichen Ketten in den Graubündner Alpen.
Wir heben hervor Potentilla frigida, Pleurogyne carinthiaca, Viola cenisia, Saussurea alpina und discolor, Primula integrifolia, Daphne striata, Aronicum glaciale, Leontodon incanus, Campanula cenisia, Gentiana obtusifolia, Ranunculus pyrenaeus, Saxifraga biflora, Seguierii, stenopetala und planifolia u. s. f.
Die Mehrzahl der hier vorkommenden rein südlichen Formen hat nur an den günstigst gelegenen Teilen der südlichen Hänge Fuss fassen können, so Callianthemum rutaefolium, Erigeron Villarsii, Dracocephalum Ruyschiana, Ranunculus parnassifolius etc.
Im Ganzen genommen hängt die relative Armut der Flora des Nordabfalles der nördlichen Hochalpen mit dem im Allgemeinen kalten und feuchten Klima seiner eingeengten und in den obern Teilen isolierten Thäler zusammen.
Nördliche Kalkalpen. Die dem Nordrand der Schweizer Alpen angefügten vielen kleineren Ketten und Gipfel geniessen im Allgemeinen dank ihrer vorherrschend kalkigen Beschaffenheit und auch ihrer orographischen Aufgeschlossenheit in floristischer Hinsicht ganz besonderer Vorzüge. Wenn auch die in den krystallinen Alpen weitaus überwiegenden kieselsteten Arten hier fast fehlen, so treffen wir doch an manchen günstigen Standorten noch eine ziemlich beträchtliche Anzahl von südwestlichen und sogar rein südlichen Formen.
Von den erstern wollen wir anführen Ranunculus Villarsii, Arabis serpyllifolia, Linum alpinum, Cephalaria alpina, Aposeris fœtida, Narcissus radiiflorus, Betonica hirsuta, Pedicularis Barrelierii, Androsace pubescens.
Andere, nicht mehr ausgesprochen westliche Arten sind dafür für die nördlichen Kalkalpen besonders kennzeichnend, wie Valeriana saxatilis, Papaver alpinum, Draba incana, Saussurea depressa, Centaurea rhaponticum var. helenifolium, Crepis alpestris, Coronilla vaginalis, Viola lutea, Hieracium aurantiacum, Oxytropis Halleri, Juncus Hostii.
Die merkwürdigsten Arten dieser Zone sind Draba incana und Carex vaginata, die jede nur von zwei oder drei Standorten bekannt sind (Säntis, Stockhorn, Schwabhorn), ganz besonders aber die Cochlearia officinalis, die im Norden so gemeine Strandpflanze, die in unsern Alpen aber nur in zwei oder drei kleinen Kolonien auftritt (beim Schwefelberger Bad und am Ganterist). Zum Schlusse wollen wir noch die Gentiana pannonica nennen, die in der Schweiz nur an einer einzigen Stelle in den Churfirsten vorkommt.
Flora der Zone der nördlichen Randseen.
Noch mehr als ihre umliegenden Berge besitzen die Uferregionen der verschiedenen Seen am Nordrand der Alpen eine Flora, deren bezeichnendste Einzelformen für gewöhnlich südlich der Alpen zu Hause sind. Es ist dies die Folge der bevorzugten klimatischen Verhältnisse dieser Seen, die aus der ausgleichenden Wirkung ihrer Wassermasse, der geschützten Lage ihrer Ufer und ganz besonders dem beträchtlichen Einfluss des Föns resultiert. Am begünstigtsten sind die Ufer des Vierwaldstättersees, die eine gewisse Analogie mit dem insubrischen Gebiete nicht
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verkennen lassen. Der Kastanienbaum bildet hier ganze Wälder, in denen wiederum die Mehrzahl der ihn gewöhnlich begleitenden Arten anzutreffen ist. Wir nennen nur die bezeichnendsten:
Helleborus viridis, Helianthemum Fumana, Geranium sanguineum, Staphylaea pinnata, Evonymus latifolius, Rhamnus alpina, Sarothamnus scoparius, Inula Vaillantii, Carpesium cernuum, Artemisia absinthium, Achillea tanacetifolia, Leontodon pseudo-crispus, Sedum hispanicum, Echinospermum Lappula, Linaria Cymbalaria, Primula acaulis, Calamintha nepetoïdes, Daphne Laureola, Colutea arborescens, Coronilla Emerus, Vicia Gerardi, Helosciadium repens, Asperula taurina, Galium lucidum, Galium rubrum, Juniperus Sabina, Tamus communis, Allium carinatum, Allium sphaerocephalum, Allium fallax, Lilium bulbiferum, Hemerocallis fulva, Carex humilis, Stipa pennata, Selaginella helvetica, Asplenium Adiantum nigrum, Ceterach officinarum.
Alle diese Pflanzen sind von ausgesprochen südlichem Habitus.
Obwohl vom Walensee wenig mehr beeinflusst, besitzen doch auch das Linththal und die niederen Teile des Kantons Glarus ihre südlichen Arten:
Echinospermum Lappula, Hippophaë rhamnoïdes, Coronilla Emerus, Juniperus Sabina, Hemerocallis fulva, Lilium bulbiferum, Asperula taurina, Sedum hispanicum.
Im Gegensatz hierzu liegt um die Seen von Thun und Brienz eine kältere Zone, die ihren Einfluss bis in die untern Teile des Simmen- und Kanderthales geltend macht. Die Kastanie gedeiht hier nicht mehr. Trotzdem sind aber auch hier die südlichen Arten keineswegs selten, indem wir treffen:
Helianthemum Fumana, Rhamnus alpina, Coronilla Emerus, Vicia Gerardi, Vicia hirsuta, Sedum maximum, Rosa sepium, Bupleurum falcatum, Asperula taurina, Inula Vaillantii, Carpesium cernuum, Crepis nicœensis, Linaria Cymbalaria, Cyclamen europaeum, Daphne alpina, Parietaria erecta, Aceras anthropophora, Tamus communis, Lilium bulbiferum, Hemerocallis fulva, Cyperus longus, Carex gynobasis, Stipa pennata, Asplenium Adiantum nigrum.
Sogar an den Ufern des kleinen Sarner-Sees gedeihen noch zwei dem übrigen Teil des Gebirges fremde Arten: Cyperus longus und Eragrostis pilosa.
[Dr Paul Jaccard].
F. DIE TIERWELT.
Nach dem Wechsel des Pflanzenbestandes in erster Linie werden die Hügel-, Berg-, Alpen- und Schneeregion der Alpen als aufeinanderfolgende Höhenstufen auseinander gehalten. In der That ist er in die Augen springend, wenn wir unsere Schneeberge von einem nicht zu fernen Standpunkt aus betrachten, trotzdem es geradezu unmöglich ist, die jeweiligen Grenzlinien zwischen den genannten Regionen mit Genauigkeit anzugeben. Der Uebergang von einer zur andern vollzieht sich eben nur ganz allmälig.
Dass diese Unterscheidung und Abgrenzung hinsichtlich der tierischen Bewohner der Alpen noch weit grössere Schwierigkeiten darbietet, hat seinen Grund in ihrer Beweglichkeit. Sie gestattet ihnen, nach Bedürfnis den Standort zu verändern, zusagendere Existenzbedingungen aufzusuchen. Bei vielen Arten sind diese Wanderungen nicht sehr gross, sie bewohnen ständig dasselbe mehr oder weniger eng begrenzte Gebiet;
andere sind durch den Nahrungsmangel während des Winters gezwungen, aus den Höhen in das Thal hinab zu steigen oder nach benachbarten wärmeren Gegenden zu ziehen;
beim Eintritt der günstigeren Jahreszeit treten sie die Rückreise an;
dritte endlich legen aus dem gleichen Grunde regelmässig länderweite Wanderungen zurück.
Darnach unterscheidet man in der Vogelwelt, bei der diese Erscheinungen in grossartigster Weise zu Tage treten, Stand-, Strich- und Zugvögel. Haben wir bei diesen vorzugsweise den Hunger als treibende Kraft anzusprechen, so liegt sie bei den periodischen Wanderungen vieler Fische in der Fürsorge für die Nachkommenschaft. Sie suchen geeignete Laichplätze auf, um nach der Ablage der Eier wieder an ihre früheren Aufenthaltsorte zurückzukehren.
Wie für die Pflanzen, so lässt sich auch bei den tierischen Bewohnern der Alpen eine mit der grössern Höhe steigende Abnahme nach Arten- und Individuenzahl als allgemeines Gesetz aufstellen. Immerhin kann es nur im grossen Ganzen Gültigkeit beanspruchen; denn gewisse Gebiete in bedeutender Höhe weisen oft ein viel intensiveres Tierleben auf als solche in der Niederung.
Diese Uebereinstimmung ist die Folge des Wechselverhältnisses zwischen Tier- und Pflanzenwelt. Direkt oder indirekt ist jene auf diese angewiesen, da die Pflanzen die chemischen Laboratorien darstellen, in denen die Nahrung für die Tiere erzeugt wird. So sind die Pflanzenfresser unmittelbar, die Fleischfresser durch diese letztern von den Pflanzen abhängig. Pflanze und Tier sind zwei notwendige Glieder in dem grossen Kreislaufe des natürlichen Stoffwechsels.
Als Ausfluss dieser innigen Wechselbeziehung ergibt sich, dass die Stellen reichster Entfaltung der Pflanzenwelt, die Wälder, auch das reichste tierische Leben zur Entwicklung bringen. Sie bieten ausser einem reich gedeckten Tisch auch eine grosse Anzahl schützender Schlupfwinkel.
Aber nicht nur die Ortsveränderungen der Tiere erschweren die Charakteristik der einzelnen Regionen nach ihrer Fauna. Diese muss gegenüber derjenigen nach der alpinen Flora auch darum im Rückstand bleiben, weil sie viel weniger erforscht ist. Das tierische Leben ist ungleich mannigfaltiger, spielt sich zumeist im Verborgenen ab und entzieht sich der Beobachtung. Die Schwierigkeiten, die dem Eindringen in das tierische Leben entgegenstehen, sind also weit grösser als in dem leichter übersehbaren Gebiet der Pflanzenwelt.
Dieser Mangel an Beobachtungstatsachen macht sich namentlich fühlbar bei den niedern Tieren. Die höhern Tiere und unter ihnen die Säuger und Vögel reizten viel eher zum Studium ihrer Lebensweise, weil sie meist durch ihre Grösse oder ihr Gebahren auffallen und ein hervorragendes wirtschaftliches Interesse beanspruchen. Von den Wirbellosen sind verhältnissmässig gut bearbeitet die Klassen der Weichtiere (Schnecken und Muscheln) und der Gliedertiere, während für die Würmer mit ihren verschiedenen weit auseinander gehenden Ordnungen (Ringel-, Faden-, Schnur-, Plattwürmer u. s. w.) und für die Welt der Einzelligen erst bescheidene Anfänge vorliegen.
Wie gross der zu bewältigende Reichtum an tierischen Formen ist, erhellt am besten aus einigen statistischen Daten. Vergleichsweise sei erwähnt, dass die ganze Schweiz etwa 2500 Gefässpflanzen zählt, während sie wohl gegen 15000 Tierarten beherbergt. Von letztern rechnet O. Heer allein auf den Kanton Glarus deren 5600; davon entfallen nach seiner Zählung auf die Wirbeltiere 213, die Gliedertiere 5000, die Weichtiere 100 und auf die Würmer 50. Zu den 5000 Gliedertieren gehören 1500 Käfer, 1000 Fliegen, je 800 Schmetterlinge und Hautflügler, je 100 Gerad- und Netzflügler, 300 Saugkerfe und eine kleinere Anzahl von Spinnen. An Wirbeltieren beherbergt die ganze Schweiz über 500, nämlich etwa 60 Säuger, 360 Vögel, 15 Reptilien, 14 Amphibien und etwa 50 Fische.
Nur allein an Käfern haben wir für dieses Gebiet über 4500 Arten in Anschlag zu bringen. Hervorzuheben ist, dass es für die vergleichende Betrachtung der verschiedenen Regionen nicht genügt, das Vorhandensein irgend einer Spezies an einem bestimmten Orte konstatirt zu haben, vielmehr sollte für jede das ganze Verbreitungsgebiet festgestellt sein, eine Forderung, die nicht für viele der Wirbellosen erfüllt ist. Für die Wirbeltiere dagegen ist die Faunistik zum mindesten in ihren grossen Zügen abgeschlossen.
Die Bergregion zeigt gegenüber den tiefern Lagen der Schweiz in ihrem Tierleben nicht sehr auffällige Abweichungen. Als wesentlichstes Merkmal ist eine nicht unbeträchtliche Reduktion desselben hervorzuheben, die darin sich zeigt, dass eine Reihe von Arten sich da nicht heimisch fühlen und nicht mehr vorhanden sind, oder dass sie hier die obere Grenze ihrer Verbreitung erreichen. Die Insektenwelt scheint allerdings in grösserem Individuen- und Artenreichtum sich zu entfalten. Doch ist diese Erscheinung mit dem Umstande in Zusammenhang zu bringen, dass die warme Jahreszeit gegenüber dem Flachland schon wesentlich verkürzt ist; es drängt sich in Folge dessen auf eine knappere Spanne Zeit zusammen, was in der Ebene auf eine Reihe von Monaten verteilt erscheint.
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Ausstrahlungen nach oben sind der Skorpion, der im Puschlav bis über 1000 m ansteigt, ferner die Mannazikade, die am Walensee ihren nördlichsten Standpunkt erreicht. Beide sind Einwanderungen aus dem Süden und darum in den südlichen Alpenthälern zu Hause. Andere Saugkerfe, die Blattläuse, decken in Kolonien von Hunderten und Tausenden die saftigsten Kräuter. Leichtbeschwingte Libellen schweben am Rande der Gewässer. Scharen von Bremsen, Mücken und Fliegen belästigen Mensch und Vieh, sonnen sich am steinigen Bachufer oder naschen in Blumen den Honig. In Unzahl bewohnen ihre Larven die Wasserlachen, Tümpel und Seen der Bergregion.
Bienen und Hummeln tragen emsig Honig ein. Dass die holzbohrenden Immenarten sehr häufig sind, beweisen die reich durchlöcherten Wände der Hütten und Stadel. Am Boden kriechen die behenden Ameisen so zahlreich wie im Thal. Käfer kriechen auf Raub aus oder suchen ihre Nährpflanzen heim. Der bekannteste dieser auf vegetabilische Kost angewiesenen Deckflügler, der Maikäfer, geht eigentümlicher Weise in den südlichen Alpen bloss bis 900 m, in Bünden dagegen 1800 m hoch. Bunte Schmetterlinge flattern von Blume zu Blume; gerade hier sind die farbenprächtigen Arten in grosser Individuen- wie Artenzahl vertreten. Wenn sie im allgemeinen nicht so sehr auffallen, so hängt dies damit zusammen, dass die Nachtfalter gegenüber den Tagschmetterlingen überwiegen. All' dies reiche Leben erlischt im Winter vollständig; höchstens dass eine kleine Wolfspinne noch auf dem Schnee ihr Wesen treibt.
Von Wassertieren wurde der Flusskrebs noch in Flims, 1120 m, der Blutegel in Tarasp, 1400 m hoch, gefunden; Flohkrebse bergen sich in Schaaren unter den Steinen in Bächen und Seen. Die Schwebefauna der stehenden Gewässer steht derjenigen der Seen im Thal an Reichhaltigkeit durchaus nicht nach. Sie könnten deswegen ebenso gut wie letztere einen Bestand von Edelfischen aufweisen, der allerdings nicht durchweg fehlt. Diese Beobachtungen über das Vorhandensein einer genügenden Menge niedriger Wassertiere in anscheinend leblosen Seen hat denn auch mancherorts zu gelungenen Versuchen der künstlichen Einfuhr von Fischen geführt. So werden dem Menschen immer mehr Gebiete nutzbar gemacht. Die fliessenden Gewässer sind wegen ihres grösseren Gefälles ärmer an Wassertieren als diejenigen der Ebene.
Trotzdem die Seen durchweg nur klein, die Flüsse reissend und die Flussgebiete beschränkt sind, treffen wir doch von Fischen immer noch etwa 20 Arten. Es sind von ihnen namhaft zu machen die Trüsche, die bis 750 m, der Hecht, der noch im Thalalpsee, 1100 m, vorkommt. Der Lachs steigt über den Walensee und in die Linth, also gegen 1000 m hinauf, und im Ober-Engadin erreicht die Forelle ihren höchsten Standort mit 2400 m. Diese Angaben bezeichnen allerdings, wie bereits berührt, nicht die obere Grenze des Fortkommens dieser Tiere, da sie sich noch in höher gelegenen Wasserbecken ganz wohl halten liessen.
In welchen Schaaren die Kaulquappen oft die Tümpel und seichten Uferzonen der Seen beleben, ist jedem Alpenwanderer bekannt. Der Wasser- und Grasfrosch sind eben auch hier recht häufige Tiere. Der Laubfrosch ist als Seltenheit zu bezeichnen und der Springfrosch eine Eigentümlichkeit der südlichen Alpenthäler, in die er aus wärmern Gegenden eingewandert ist. Es fehlen ferner nicht verschiedene Kröten, so namentlich die interessante Geburtshelferkröte, so genannt, weil die Männchen die von den Weibchen gelieferten Eischnüre um die Hinterbeine wickeln, etwa 10—20 Tage vergraben in der Erde zubringen und erst dann mit ihnen ins Wasser gehen, wo die Jungen auskommen.
Ihre nächtliche Lebensweise und ihr verborgener Aufenthalt in Erdgängen bringt es mit sich, dass sie nur selten beobachtet werden. Sie findet sich noch im Kanton St. Gallen und wurde auch im Oberhaslethal konstatirt. Die veränderliche Kröte ist nur in den südlichern Teilen zu Hause. Von Schwanzlurchen verdienen der gefleckte und schwarze Salamander, welch letzterer höher hinauf steigt als jener, und die wasserbewohnenden Tritonen Erwähnung.
An Eidechsen und Schlangen weist die Südschweiz wiederum einen grössern Reichtum auf als die nördlichen Gebiete; denn von erstern besitzt sie die Mauer- und die schöne grüne Eidechse, letztere 2—3 mal länger als die gemeine, beide bis 1300 m Höhe vorkommend. Während die Kreuzotter fast überall zu Hause ist, sind die giftige Redi'sche Viper, die unschädliche Äskulap- und die Würfelnatter südliche Arten.
Die Vogelwelt der montanen Region unterscheidet sich einmal dadurch von derjenigen des Flachlandes, dass die Zugvögel nur noch die Hälfte der Standvögel ausmachen, während hier die Zahl der erstern überwiegt. Dagegen ist die Zahl der Strichvögel bedeutend; von einzelnen, z. B. der Amsel und dem Edelfinken, verbleiben die Männchen an ihren Wohnsitzen, indes die Weibchen im Winter in die Thäler hinab gehen. Ein ferneres unterscheidendes Merkmal ist die viel geringere Artenzahl, die nur etwa auf die Hälfte der in der Ebene vorhandenen Arten sich beläuft. Es fehlen z. B. die Wasservögel, weil ausgedehnte Seen dem Gebiete abgehen.
Ein regelmässiger Bewohner der Bergseen ist einzig die Stockente. Eine Reihe anderer Schwimmvögel sind nur vereinzelte Erscheinungen. Sumpfvögel stellen sich in grösserer Zahl ein, so einige Reiherarten; dagegen ist der Storch selten zu treffen. Günstiger liegen die Verhältnisse für die Hühnerarten, denn von diesen finden sich als geradezu typische Formen das stattliche Ur- und das zierliche scheue Haselhuhn. Auch hier lässt der Kukuk seinen eintönigen Ruf erschallen, klopfen Spechte nach schädlichem Ungeziefer.
Finken, Meisen und Kehlchen sind reichlich vertreten. Die Raubvögel weisen dieselben Arten auf wie die Ebene mit ihren Eulen, Käuzen, Habichten, Falken, Bussarden. So ist an Vögeln überhaupt keine nur dieser Region zukommende Art zu verzeichnen. Dasselbe gilt bezüglich der Vierfüsser: von ihren Vertretern ist nicht einer für sie charakteristisch, und diese Einförmigkeit wird noch dadurch erhöht, dass die südlichen Gebiete gegenüber den nördlichen keineswegs begünstigt erscheinen.
Die 16 Fledermäusearten kommen vor bis 1500, die grosse Hufeisennase und die Alpenfledermaus sogar bis 1900 m. Von den Insektenfressern sind mit dem Igel, den Maulwürfen (2 Arten) und mehreren Spitzmäusen alle drei Familien vertreten. Als schlimme Räuber liegen auch hier ihrem Handwerk ob das Wiesel und der Hermelin, der Fischotter, der Dachs, Iltis, Marder, Fuchs und vereinzelt die Wildkatze. Von Nagern sind ausser Schafmäusen die Haus-, Wald- und Feldmäuse in verschiedenen Arten und das Eichhörnchen zu nennen. Zu den Seltenheiten gehören Reh und Hirsch; letzterer ist schon seit Jahren ausgerottet.
Charakteristischer und von ausgesprochenem Gepräge stellt sich die Alpenregion dar. Da der Jura kaum mehr in Betracht fällt, so macht sich für sie eine bedeutende Reduktion ihrer horizontalen Ausdehnung geltend. Noch entschiedener als in der Bergregion verkürzen sich die Sommer und verlängern sich die Winter. Die Strenge der letztern und die dichte Schneedecke nötigen einen grossen Teil der tierischen Bewohner, diese Jahreszeit in tieferen Lagen zu verbringen, wo ihnen mehr Nahrung zur Verfügung steht. Innerhalb der Region selbst bedingt die obere Waldgrenze eine tiefgreifende Aenderung in der ganzen Physiognomie des tierischen Lebens. Viele Arten überschreiten sie kaum oder nur ausnahmsweise; dies gilt in erster Linie für die zahlreichen Arten, die auch in den tieferen Lagen vorkommen und den überwiegenden Hauptbestandteil der alpinen Fauna ausmachen.
Wie die Flora so zeigt auch die Fauna einige typische Erscheinungen, die als Anpassungen an die eigenartigen Lebensverhältnisse aufzufassen sind. Namentlich ist es der strenge Winter, welcher der Tierwelt ein eigenartiges Gepräge verleiht. Viele niedere Tiere, so die erdbewohnenden Arten, sind gegen die Kälte durch die Schneedecke hinlänglich geschützt und bedürfen keiner weitern Hülfsmittel. Die meisten höhern Formen verbringen diese Jahreszeit im Thale oder wenigstens in der benachbarten Bergregion. Für diese Wanderungen, die im Sommer in der Höhe oft in grossem Masse nötig werden, wenn der Hunger oder Verfolger sie treiben, sind die Tiere mit einer verhältnismässig kräftigen Organisation ausgestattet; so die Gemse, der Steinbock. Mehrere Mäuse, das Murmeltier, der Dachs und der Bär, sodann ein ganzes Heer von Insekten und anderen Wirbellosen brauchen den Winter